Flucht über die Nordsee 0: Prolog

van Geoffrey

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Wieder da!
Ich beginne den Roman noch einmal von vorn zu lesen. Hier ist, merkt man, viel umgestellt worden. Wortwahl und Stilfragen will ich nicht weiter erörtern, denn da hätte ich wirklich viel zu bemängeln. Ich will ehrlich sein. Aber alles in allem beginnt der Roman mit einer sehr dichten Szene, die den Leser - wohl bewusst - im Unklaren über sämtliche handelnden Figuren lassen will.
Der schönste Satz in "Die Webervögel waren Zeugen" ist der hier:
"Abermals hörte er das diesmal vom Motorlärm gedämpfte Schmettern eines Schusses, woraufhin ein Schwarm Webervögel aus der Krone einer Akazie aufstieg und ihm, Joos entgegenflog."

Ich zitiere aus Buschfeuer eine ebenso skurrile wie dichte Szene:
"Nach zwei Whiskey bezeichnet er sich eher als Veterinär als Humanmediziner. Doc begründete seine verschrobene Logik damit, dass ein Tierpfleger oder Landwirt auch alles für ihre Tiere unternehmen, ohne mit ihnen in inniger Freundschaft zu verschmelzen. Bei diesen Äußerungen zuckte immer sein Arm und seine Faust wünschte sich, Docs Nasenbein zu zertrümmern. Trotzdem half er Doc, wo er konnte, denn dieses war ein Fakt der Ödnis. Ein rassistischer Arzt war fraglos besser als keiner."

Viele Szenenwechsel am Anfang (beginnend bei "Die Webervögel waren Zeugen" bis "Kinderspiel). Vieles wird angedeutet - das erzeugt einen beunruhigenden Mangel an Verständnis für die ganze Geschichte, wie sie vom Beginn weg erzählt wird. Also, mit Geheimniskrämerei einen Roman zu beginnen halte ich - aus Instinkt - für problematisch. Aber ich will alles so akzeptieren, wie du es hier erzählst. Aber die Charaktere tauchen recht abrupt auf, machen rätselhafte Dinge, sie sagen auch rätselhafte Dinge, die man so früh am Beginn der Geschichte nicht deuten kann. Du scheinst viel auf Trockeneis zu halten, um die Geschichte in ein rätselhaftes Licht zu stellen. Das führt meines Erachtens zu Verwirrung und eigentlich merkt man sich die Details nicht - obwohl man instinktiv weiß, dass diese später noch eine Rolle spielen werden.
Die Charaktere erscheinen umrisshaft - und wenig verleitet, sie sympathisch zu finden, weil man von ihnen wenig weiß und wenig erfährt.
Aber für Änderungen ist es einfach zu spät. Ich fürchte auch, dass meine Kritik einfach dein Konzept vom Entwerfen und Ausführen einer Geschichte trifft, und deshalb nicht greift, weil man ja schlecht den Autor mit seiner ureigenen Geisteswelt auswechseln kann.
Du wählst keine lineare Erzählweise und irgendwie drängt sich mir der Begriff "Fuzzylogic" auf.
Entschuldige die vielen Kritikpunkte. Ich greife nur einige Dinge auf, die mir beim Lesen aufgefallen sind.
Ja, alles in allem finde ich den Anfang sehr verwirrend.
Ab "Das Kleid" bin ich vom ersten Mal lesen wieder im Bilde, vermute aber, dass auch da und in den folgenden Kapiteln viel umgestellt und Ergänzungen eingefügt worden sind. Bin gespannt, wie sich das jetzt nach so langer Zeit, in der ich nicht viel lesen konnte, liest.

Zwischen "Kinderspiel" und "Das Kleid" ist ein Szenenwechsel. Man springt vom afrikanischen Kontinent nach Europa, wenn ich nicht irre. Dazu kommt, meiner Meinung nach, ein Zeitsprung. Die Szenen in Afrika müssen einen Einblick in vergangene Ereignisse gewähren, während - meiner Meinung nach - mit "Das Kleid" Geschehnisse einer Zeit beschrieben werden, die recht nahe an der Gegenwart liegen.

Es will nicht recht gelingen, sich Tante Bärbel vorzustellen, welche die Blütezeit ihres Lebens überschritten hatte, wie es in "Das Kleid" heißt.
Aber eigentlich weist die Beschreibung von Tante Bärbel auf eine recht alte Frau hin:
" _Das Schlagen verstummte. Eine Tür zum Flur flog auf. Eine grauhaarige, buckelige Frau in einem bodenlangen rattengrauen Gewand trat in die Diele. Ihr langes zu einem Dutt geknüpftes Haar schimmerte im fahlen Licht, während sie durch den Flur stampfte. "
Das sieht mir nach einer wirklich alten Frau aus. Torben ist, sagen wir, zwischen 12 und 16 Jahre alt. Eine Tante KANN im Extremfall 20 - 40 Jahre älter als der Junge sein. Also komme ich rein rechnerisch auf eine Mittdreißigerin bis Mittfünfzigerin. Das ist nicht so alt wie die Eigenschaftswörter grauhaarig, buckelig, rattengrau suggerieren wollen.

Zwei ganz wunderbare Sätze aus "Das Kleid":
„Morgen kommt deine Schwester“, sang Bärbel eher, als dass sie es sprach, regte die Arme wie ein Apfelpflücker. „Bis dahin müssen wir unbedingt fertig sein.“
Ja, die Apfelpflückerin gefällt mir gut.
Und dann:
Die beiden Damen verschwanden aus dem Zimmer, jede eine Flasche Sekt in der Hand. Sie ließen ihn im Hochzeitskleid zurück.
_Gleich einer Modepuppe, deren einziger Sinn darin bestand, die angepriesene Ware zu präsentieren, bis der letzte Kunde das Warenhaus verließ. In Sehnsucht auf das Öffnen der Pforten am nächsten Morgen, damit unzählige Kundinnen ihre Kleidung vergötterten, hoffte sie auf eine Person, die ihren Schmerz wahrnahm.
Torben als lebende Kleiderpuppe. Und einer seelenlosen Kleiderpuppe werden Gefühle angedichtet. Das ist wirklich nett.

Dichte, und sehr schöne Stelle in "Die Wette":
Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte es nicht ohne Hilfe beherrschen, mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das sollte ihm gelingen.
_Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptet hatte. Der Opa seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.

Das lasse ich mal so stehen und lese morgen die letzten beiden Kapitel.
 

van Geoffrey

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Hier ein längeres Zitat aus "Der erste Schritt".
Hier ist alles super-zickig. Man blickt in die rosa Welt von drei Barbie-Puppen. Eine der Barbie-Puppen ist ein junger, verkleideter Ken. Da werden Strümpfe "aufgebraucht". Es ist wahrlich entsetzlich, welche Strumpfhosenmassaker sich da abspielen. Jim Hawkins würde nur mehr wortlos zur Hispaniola aufentern und davonsegeln. Aber hier das Zitat in seiner ganzen belanglos heimeligen Güte:

"
„Geschminkt hast du dich auch!“
Torben kannte ihre Ansichten. Sie verabscheute es, wenn Frauen sich schminkten.
„Ich habe mich nicht geschminkt.“
„Lüge mich nicht an“, kommentierte sie und hielt ihm das aufgespießte Brötchen vors Gesicht. „Ich bin alt, aber lange nicht blind!“
_Er musterte zuerst die Marmelade auf seinen Brötchen, dann wandte er sein Gesicht zur Küchentür. „Sie war es!“
_Wäre Tanja in jenem Moment nicht schnaufend in der Küche erschien, hätte Bärbel ihre Erlaubnis wieder entzogen. Sie hasste dieses neunmalkluge Gebaren ihres Schützlings, wie sie es nannte und ihm, Torben entgegenwarf.
„Wer von euch war an meinen guten Strumpfhosen!“
„Ich nicht!“, bekundete Torben mit weiterhin gesenkten Blick.
_Tanja war erst vor einem halben Jahr ausgezogen. Seit ihrem Abschluss in Ozeanografie, wie sie es Torben erzählt hatte, war sie über den ganzen Globus gereist. Von Nordkap bis Antarktis hatte sie viele Meere erkundet. Zurzeit hatte sie ihre beruflichen Zelte auf Spitzbergen aufgeschlagen und ihren Wohnsitz zu ihrem zukünftigen Ehemann nach Passau verlegt. Trotzdem ruhten die meisten ihrer Besitztümer weiterhin in Bremen.

_Bärbel nahm einen kräftigen Schluck, kreuzte die Arme vor der Brust und erhob ihr Haupt.
„Bevor ich mir Neue kaufe, kann ich erst einmal deine Alten aufbrauchen. Du trägst sie sowieso nicht mehr.“
_Tanja baute sich vor ihr auf, stemmte ihre Fäuste in die Taille, riss, wie eine Katze vor einem Angriff, die Augen auf.
„Aufbrauchen … aufbrauchen! Meine Strumpfhosen braucht man nicht auf. Meistens bekommen sie Laufmaschen, aber man braucht sie nicht auf! Bärbel weißt du, wie teuer die waren?“
Entledigt ihrer Wut, sank Tanja auf einen Küchenstuhl. Sie stierte Bärbel in die Augen, die ihren Blick senkte. „Außerdem“, sie platzierte den Zeigefinger an ihrem Kinn, „seit wann trägst du überhaupt Strumpfhose? Dann noch gemusterte?“
_Tanja reichte Torben ein Bündel, das dieses wortlos betrachtete.
„Wenn es draußen kalt ist?“ Bärbel nagte an ihrem Brötchen. „Unter einer Hose sieht sie keiner.“
Tanja deutet zum Fenster"Es ist Frühling und Röcke trägst du ja nicht!“
Bärbel zuckte mit den Achseln „Im Winter?“
„Vor einem Monat war auch Frühling“, Tanja schüttelte den Kopf, „bis dahin hatte ich welche!“
_Sie streifte ihre letzte Strumpfhose über ihre Beine, Torben den hellrosa Sommerpullover. Er war ihm ein wenig zu groß, weiblich geschnitten, sodass er ihm luftig, modisch, modern am Körper wehte.
Tanja kreischte: „Mist!“ Sie sprang wie von einer Wespe gestochen auf, floh aus der Küche.
_Er sah ihr nach, kämpfte dann mit dieser cremeweißen Leggings, die er von seiner Schwester erhalten hatte. "


Wer braucht da noch ein Mädels-Magazin? Komm, hol das Schminkzeug raus und wirf die albernen Boxhandschuhe zum Fenster raus.
 

van Geoffrey

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Jo, also - - - mein Einspruch im Kapitel "Versunken in Tanjas Element" bezieht sich auf diesen Satz:

"Sie schmiegte ihren Oberkörper an die Blondine, ihre zierlichen Hände geballt vor ihren Jeansrock, dessen Bund ein rosafarbiger Pullover umwehte."

Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass sich ein fast dreizehn Jahre alter Junge derart an seine Schwester, Mutter oder wen auch immer schmiegt.

Allgemein legt Tanja ein so tantenhaftes Verhalten Torben gegenüber an den Tag, dass man sich schwer vorstellen kann, dass sich ein junger Mann so eine Bevormundung ohne Protest gefallen lässt. Ach, und die Leggings versaut - was für ein Jammer!

Ja, und dieser Großvater, der immer wieder in der Erinnerung Torbens Gestalt annimmt. Hier ein Zitat:

Torbens Puls raste, sein Herz klopfte, die Knie wurden ihm weich. Einen eingeschlagenen Kurs niemals ändern, hörte er die Stimme seines Großvaters, durchhalten und Augen zu. Sonjas erhobene Nase war das Letzte, was er sah. Bewusst wahrnahm.

So tönt es im Inneren eines jungen Mannes in Mädchenkleidern. Was würde der Großvater dazu sagen? Sonjas Nase scheint in ihrer Größe und Bedeutung den Eiffelturm zu übertreffen. Alles ist ganz wunderbar zickig und rosarot.
"Barbie, rette mich!" ruft der Leser. Und die Barbie kommt auch schon mit ihrem Hubschrauber und lässt ein Stahlseil herab, an welchem der Leser erleichtert und fluchtartig hochklettert, um die zickige Szenerie hinter sich zu lassen.
"Ach, Tanja - willst du mal meine verdreckten Leggings säubern, ich bin ja sooo ein Ferkerl und hab sie dreckig gemacht. Danke, sehr lieb, du kleine Bremerin."
 

ahorn

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van Geoffrey,

danke, dass du dir die Zeit genommen hast mein Machwerk :cool: zu lesen und ich hoffe egal, welch
darin verarbeitet ist, du zumindest ein wenig Vergnügen hattest. Ich für mein Teil fand deine Kommentare zum Schmunzeln - dies nicht negativ.

Wer braucht da noch ein Mädels-Magazin? Komm, hol das Schminkzeug raus und wirf die albernen Boxhandschuhe zum Fenster raus.
:D

Viele Szenenwechsel am Anfang (beginnend bei "Die Webervögel waren Zeugen" bis "Kinderspiel). Vieles wird angedeutet - das erzeugt einen beunruhigenden Mangel an Verständnis für die ganze Geschichte, wie sie vom Beginn weg erzählt wird.
Dieses ist einfach der Entwicklungsgeschichte geschuldet. Ich hatte nie das Verlangen ein großes - dies bezieht sich auf die Seitenzahl, weniger auf die Qualität - Werk zu schreiben. Es begann mit "Das Kleid". Erst später, ich hatte bereits die ersten Kapitel in der LeLu veröffentlicht, fiel mir auf "Huups" da fehlt was. ;)
Eine Marotte habe ich jedoch - dieses zieht sich durch fast alle meiner Werke -, ich verzichte auf Zeitangaben.

Schemenhaft, Geheimnisvoll?
Nenne es eher temporär unwichtig. Spielt es am Anfang eine Rolle wer Joos ist? Nein. Es geht einzig und allein um den Autounfall. Wie im ersten bis dritten Kapitel steht davon nichts? Richtig. Ich erzähl doch nicht die Wahrheit ;). Eine Andeutung muss genügen.

Zu der Bärbel.
Das mit dem Alter. Du hast dir wirklich Mühe gemacht es zu errechnen und gewisse Zweifel geäußert, darüber freue ich mich, aber glaube mir es passt. ;)
Das ist nicht so alt wie die Eigenschaftswörter grauhaarig, buckelig, rattengrau suggerieren wollen.
Habe ich das?
Nö.
Schau dir die Szene mit: "tack … tack, tack, tack … tack … tack, tack, tack." ein weiteres Mal an.
Danach:
Bärbel marschierte auf ihn zu, zog das Buch unter der Mappe hervor, betrachtete den Einband, auf dem ein blutverschmiertes Messer prangte.
Damit erklärt es sich.

Mein Roman, obwohl weder klassischer Krimi noch Thriller, bedient sich dennoch deren Elemente.
Das heißt versteckte Indizien (Krimi) sowie eine Person, die aus irgendwelchem Grund, zu irgendeinem Zeitpunkt Opfer eines, von dieser Person - nenne ich es mal - erdachten, oder realen Verbrechen wird (Thriller).

Wenn du die Textpassagen, an denen du Zweifels zusammennimmst, dann wird sich schnell ein Rätsel für dich lösen. Oder du liest - was ich mir wünsche - weiter und ein Knoten platzt auf.

Gruß Ahorn
 



 
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