Flucht über die Nordsee 2: Die Wette

jon

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Da stand er nun, allein in einem Brautkleid. Nicht, dass er sich dafür schämte, es trug Tanjas Kleid. Sondern ihm wurmte es, dass seine Tante und seine Schwester sich nicht mehr um ihn kümmerten.
Ich verstehe nicht, was du mit dem unterstrichnen Teil sagen willst. Das: Nicht, dass er sich dafür schämte, denn es war ja Tanjas Kleid, aber …?
ihn wurmte

Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich zu streifen.
„abstreifen“, nicht „von sich streifen“

Egal wie er seine Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen.
„Arme verrenkte“, „gelang ihm nicht, den“

Seine Schwester Tanja, eine kleine Frau Anfang dreißig, mit langen dunkelblonden Haar, welches sie meistens offen trug, saß auf ihrem angestammten Platz rechts von Bärbel, die wie immer gleich am Fenster ruhte. Ihre nackten Zehen berührten die Tischplatte und sie hielt ein Glas Sekt in der Hand.
Was meinst du mit „die … gleich am Fenster ruhte“?? Wie: „die nackten Zehen berührten die Tischplatte“?

Tanja, obwohl im Jahr des Todes ihre Eltern bereits volljährig, zog mit bei Bärbel ein.
Unbedingt darauf achten, dass Rückblicke in der richtigen Zeitform geschrieben werden! Man zieht zwar bei längeren Passagen das Plusquamperfekt nicht unbedingt durch, aber zumindest Anfang und Ende sollte man so schreiben, damit der Rückblick als solcher sofort gut erkennbar ist. Also: …war bei Bärbel eingezogen. Sie hatte nicht mehr in Südafrika bleiben wollen, dem Land, in dem ihre Eltern …

Fehler dort:
Sie wollte nicht mehr in Südafrika bleiben, das Land, indem ihre Eltern ums Leben gekommen waren.
„Torben[red]KOMMA[/red] iss erst einmal ein Stück Kuchen, aber passe auf, dass du das Kleid nicht dreckig machst!“
Unwahrscheinlich! Die Frauen würden ihn erst das Kleid ausziehen lassen, damit die Gefahr des Dreckig-Machens von vorherein ausgeschlossen wird.
Wie: „erstmal“? Bevor was?

Er verfolgte das Gespräch nicht, es ging um Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Er aß lieber den Streuselkuchen und schaute aus dem Küchenfenster.
… und stört sich nicht daran, dass er Kleid noch immer anhat?
Das klingt, als würde dem Autor nichts einfallen, worüber die Frauen konkret reden, und Torbens gedankliche Abwesenheit müsste als Alibi herhalten. Figur lebendig machen! Z. B.: Wo ist er in Gedanken?

Nach einer Weile drang eine Stimme, wie aus weiter Ferne an sein Ohr.
Komma zu viel

Torbens Tante hielt ihre Hand vor den Mund und kicherte.
„Wenn du mal heiratest, kann ich es dir anpassen!“
Keinen Absatz machen!

Tanja zeigte auf ihren Bruder, gleichzeitig Bärbel zuzwinkernd.
„Bärbel weißt du noch bei Josephines Hochzeit?“
Keinen Absatz machen!

Torben ging in die zweite Klasse, als Josephine eine Freundin von Tanja heiratete.
Da fehlen bestimmt Kommas (… Josephine, eine Freundin von Tanja, heiratete). Das hier heißt, dass Tanja eine Freundin hat und dass diese Freundin sich Josephine verheiratete.

Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, indem seine Großmutter gelebt hatte.
„in dem“ — Das Wort „indem“ zeigt ein Mittel an. Ich helfe dir, indem ich hier kommentiere. Das heißt: Ich helfe dir dadurch, dass ich hier kommentiere. (Hoffe ich zumindest.
 

ahorn

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Da stand er nun, allein in einem Brautkleid. Nicht, dass er sich dafür schämte, es trug Tanjas Kleid, aber ihm wurmte es, dass seine Tante und seine Schwester sich nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es wollte ihm einfach nicht gelingen. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal wie er seine Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach seiner Tante, dann nach seiner Schwester, niemand antwortete ihm. Kurz entschlossen raffte er den Rock und torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm, als er den Raum betrat.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, während seine Schwester Tanja, eine kleine Frau Anfang dreißig, mit langen dunkelblonden Haar, welches sie meistens offen trug, rechts von Bärbel, sich auf der Tischplatte abstützte und ein Glas Sekt in der Hand hielt.

Tanja, obwohl im Jahr des Todes ihre Eltern bereits volljährig, bei Bärbel eingezogen. Sie hatte nicht mehr in Südafrika bleiben wollen, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Torben war noch ein Säugling gewesen. Tanja hatte sich die Last mit ihrer Tante geteilt. Bärbel war nachmittags arbeiten gegangen, dann hat sich Tanja um ihren Bruder gekümmerte, während sie am Vormittag die Rollen getauschten hatten. Mit dem Unterschied, dass sie zur Schule gegangen war. Sie wollte studieren, es besser haben als ihre Tante. Wie ihre Eltern Menschen helfen, als Ärztin heilen.

Torben weiterhin den Rock mit seinem Finger haltend, schaute die Frauen fragend an.
„Torben, iss erst einmal ein Stück Kuchen“, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

„Aber ..“, schnaufte Bärbel, sich erhebend.
Tanja hielt sie zurück, in dem sie ihren Unterarm ergriff und ihm einen stechenden Blick zuwarf.
„Er wird es nicht beflecken! Oder!“
Er ergab sich seinem Schicksal, griff nach dem verführerischen Kuchen und setzte sich seiner Tante gegenüber hin. Die beiden Frauen steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten, wie zwei Ganoven die über für ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.
Er verfolgte das Gespräch nicht, es ging, wie er vermutete, um Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Er aß lieber den Streuselkuchen und schaute aus dem Küchenfenster. Was ging ihm die Planung an? Es wurmte ihm nur, dass sie ihn behandelten, als gehöre er nicht dazu. Er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben war. Wie gerne hätte er absichtlich etwas fallengelassen, dieses Kleid besudelt, um nur ihre Aufmerksamkeit zu erlangen und endlich von diesem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren.
Er sehnte sich nach seiner Oma, der einzige Mensch, der ihn verstand, ihn in seiner Art akzeptierte. Er dachte an die Testamtseröffnung, in der die Beiden in gleicher Weise flüsterten und ihn verachtend ansahen. Dabei hatte er nur ein Couvert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus seiner Großmutter und Tanja das Vermögen.

Nach einer Weile drang eine Stimme wie aus weiter Ferne an sein Ohr.
„Mein Kleid gefällt dir wohl?“
Torbens Tante hielt ihre Hand vor den Mund und kicherte „Wenn du mal heiratest, kann ich es dir anpassen!“
Die beiden lachten. Er reagierte nicht darauf, obwohl er jetzt zum Mittelpunkt der Unterhaltung wurde. Tanja zeigte auf ihren Bruder, gleichzeitig Bärbel zuzwinkernd „Bärbel weißt du noch bei Josephines Hochzeit?“
„Ja, süß sah er aus!“
Er erinnerte sich blass an die Veranstaltung.

Torben ging in die zweite Klasse, als Josephine, eine Freundin von Tanja, heiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in welchen seine Großmutter gelebt hatte. Das Haus seiner Oma stand direkt am Deich und sie verbrachten oft die Ferien dort. Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht, da er zusammen mit einem Mädchen aus dem Dorf Blumen streuen sollte. Er hatte keine Lust darauf. Er spielte lieber am Strand und baute an seiner Piratenunterkunft. Das tat er dann auch. Mit dem Resultat, dass er kurz vor der Trauung mit einer verdreckten und zerrissenen Hose erschien. Bärbel hatte vor Wut geschäumt und die Braut den Tränen nahe gestand. Tanja hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden und Torben wurde als Schotte verkleidet.

„Wie wäre es Bärbel, ich kaufe mir morgen das tolle Kleid, welches dir zu gut gefallen hat und Torben darf meins anziehen“.
Ihr Lachen schallte durch die Küche.
„Dann geht er als Blumenmädchen?“
„Tanja nein, dann sitze ich wieder Nächte an der Nähmaschine. Es ist einfacher, wenn wir Torben ein schönes Kleidchen besorgen?“
Seine Tante schien einen leichten Schwips zu haben.
„Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.“
Das Gespräch wurde Torben unangenehm. Er legte ein süßes Lächeln auf.
„Am besten noch in Rosa und mit Rüschen und Schleifen!“.
Gleichzeitig steckte er sich ein weiteres Stück in seinen Mund. Eine Antwort seiner Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass seine Wortwahl in die falsche Richtung ging.
„Nein, Rosa finde ich nicht passend. Weiß ist schöner. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.“
Bärbel verzog ihren Mund, als wolle sie lächeln. Die Wirkung des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie bei hoher See.
Tanja prostete ihrer Tante zu.
„Das traut sich mein Brüderchen nie!“, zwinkerte sie, dabei pustete sie eine Strähne von ihrer Stirn.
Er konnte darauf nicht eingehen, sein Mund voller Gebäck. Als er aufgegessen hatte, fiel ihm eine passende Antwort nicht ein.
„Besser als der blöde Anzug.“
Die Frauen schauten sich an und kicherten.
Tanjas Augen leuchteten verschmitzt auf. Er kannte diesen Ausdruck zu gut. Irgendetwas brütete sie aus.
„Das traust du dich nie!“
Ihm schwante Böses. Er wusste, dass sie meistens nur pokerte. Deshalb ging er auf sie ein.
„Wetten doch!“
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
„OK, Wette gilt.“
„Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?“
„Dann hast du einen Wunsch frei.“
Er überlegte kurz und hatte eine Antwort.
„Dann bekomme ich deine Sophia.“
Tanjas sengte ihr Kinn. Er wusste genau warum. Sie wollte seit längerer Zeit ihr Segelboot Sophia verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu Segel. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dass dieser Sport zu gefährlich sei. Die Geschwister hatten es immer geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.
Tanja ihren Gewinn vor Augen reichte ihrem Bruder die Hand.
„Abgemacht!“
Dann schaute sie ihm tief in die Augen.
„Und was ist, wenn ich gewinne?“
Die junge Frau verschränkte ihre Arme im Genick.
„Dann mistest du eine Woche den Pferdestall aus!“
Sie wusste genau, dass er Pferde nicht mochte. Mit einer Ausnahme, als Würstchen gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es würde eine gewisse Zeit dauern, bis er seine Schwester in Bayern besuchen würde, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es bestimmt nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade ein Blatt Papier und einen Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
„Seit ihr verrückt geworden! Das geht nicht!“
Tanja beschwichtigte ihre Bedenken, mit dem Argument, dass er sich eh nicht trauen würde. Dann fing sie anzuschreiben:

Ich Tanja Wette, dass sich mein Bruder Torben es sich nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, dann strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte über die Formulierung, da es abgemacht war, dass er als Blumenmädchen gehen sollte. Tanja erklärte ihm, dass es möglich sei, dass sie kein passendes Kleid fänden und zum Ändern die Zeit zu knapp. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte, sollte er es wagen. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Seiner Tante helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit seiner Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie noch nicht allein beherrschen, aber mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das lag drin.
Er würde alles für das Boot tun. Außer vielleicht von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Opa Nahne seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, kannte viele Geschichten, darunter viel Seemannsgarn.
Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand auch keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alp Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.

Er willigte ein.
Tanja nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich meinen Bruder mein Segelboot. Sollte ich gewinnen, muss er eine Woche die Ställe ausmisten.

Ein bisschen komisch war ihm. Dann griff Tanja in den Besteckkasten. Er wusste vorher, was jetzt kam. Sie hatten früher oft gewettet. Sie schnitt sich kurz in den Daumen und besiegelte den Vertrag mit ihrem Blute. Er übernahm das Messer und mit zusammengepressten Zähnen Tat er ihr gleich.
 
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ahorn

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2. Die Wette

Da stand er, verlassen in einem Traum in Weiß. Nicht, dass er sich dafür schämte, es trug Tanjas Kleid, aber ihm wurmte es, dass sich Tante und Schwester nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal, wie er die Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach der Tante, der Schwester, niemand antwortete ihm. Kurz entschlossen raffte er den Rock, torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, seine Schwester Tanja, rechts von ihr, stützte ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab, hielt ein Glas Sekt in der Hand.

Tanja, obwohl sie im Jahr des Todes ihre Eltern volljährig, war sie bei Bärbel eingezogen. In die Wohnung, die ihre Eltern vor ihrem Tode gekauft hatten. Nicht weit vom Zentrum, trotzdem nahe dem Park, damit ihr Sohn behütete aufwachsen konnte. Tanja hatte nicht mehr in Südafrika bleiben wollen, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Dafür hatte sie Bärbel ein Teil der Last abgenommen, die diese mit dem Säugling auf sich genommen hatte. Tanja besuchte vormittags die Schule, Nachmittag versorgte sie ihren Bruder, während Bärbel im Ordnungsamt der Stadt ihrer Arbeit nachging. Tanjas größter Traum war es gewesen, Medizin zu studieren, wie ihre Eltern Menschen zu helfen. Es hatte nicht gereicht. Die Erziehung ihres Bruders hatte sie stärker gefordert. In seinen ersten Lebensjahren war sie mehr als die Schwester, eher Mutter, liebvoll und zärtlich. Dagegen Bärbel in ihrer Art vielmehr ein Vater.

Torben hielt weiterhin den Rock, schaute die Frauen an.
»Torben, iss erst einmal ein Stück Kuchen«, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

»Aber ..«, schnaufte Bärbel, erhob den Körper.
»Er wird es nicht beflecken!« Tanja ergriff ihren Oberarm, »Oder!«, zischte sie ihm mit einen stechenden Blick an.
Mit hängenden Schultern ergab er sich dem Schicksal, griff zum verführerischen Kuchen, setzte sich seiner Tante gegenüber hin. Die beiden Frauen steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten, wie zwei Ganoven, die über ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.
Er folgte dem Gespräch nicht. Der Inhalt der Unterhaltung, wie er vermutete, waren die Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Was bewegte ihn die Planung? Es wurmte ihm nur, dass sie ihn missachteten, er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben. Wie gerne hätte er absichtlich etwas fallengelassen, das Kleid besudelt, um nur ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, endlich von dem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren. Anstatt diesen Frevel durchzuführen, schaute er, aus dem Küchenfenster, kaute den Kuchen.
Er sehnte sich nach der Oma, dem einzigen Menschen, der ihn verstanden hatte, ihn in akzeptiert hatte. Torbens Gedanken schwangen zur Testamtseröffnung, nachdem die geliebte Großmutter verstarb, in der die Beiden in gleicher Art geflüstert, ihn verachtend angesehen hatten. Dabei hatte er nur ein Covert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus der Großmutter, Tanja das Geld.

Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an sein Ohr.
»Mein Kleid gefällt dir wohl?«, kicherte Tanja, verbarg ihren Mund mit der Hand »Wenn du mal heiratest«, Bärbel zeigte auf ihn, »kann ich es dir anpassen!«
Die beiden lachten. Er reagierte nicht darauf, obwohl er jetzt der Mittelpunkt der Unterhaltung war.
»Bärbel weißt du noch«, Tanja zwinkerte ihrer Tante zu, »bei Josephines Hochzeit?«, gackerte sie, zeigte auf ihren Bruder.
»Ja, süß sah er aus!«, schmachtete Bärbel mit verträumten Blick.
Er erinnerte sich blass an die Veranstaltung.

Torben besuchte die zweite Klasse. Josephine, eine Freundin von Tanja, heiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in welchen die Großmutter gelebt hatte. Das Haus der Oma stand direkt am Deich. Sie verbrachten oft die Ferien dort. Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht, weil er zusammen mit einem Mädchen aus derselben Ortschaft Blumen streuen sollte. Er hatte keine Lust darauf. An seiner Piratenunterkunft bauen oder am Strand spielen, fand er damals interessanter. Dieses tat er dann. Mit dem Resultat, dass er kurz vor der Trauung mit einer verdreckten, zerrissenen Hose erschien. Bärbel hatte vor Wut geschäumt. Die Braut stand den Tränen nahe. Tanja hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden. Torben wurde als Schotte verkleidet.

»Wie wäre es Bärbel, ich kaufe mir morgen das tolle Kleid«, sie schwang die Hände vor der Brust, »welches dir auf dem Foto gefallen hat. Torben darf meins anziehen«, schallte ihr Lachen durch die Kühe.
»Dann geht er als Blumenmädchen?«
»Tanja nein, dann sitze ich wieder Nächte an der Nähmaschine.« Bärbel reckte ihren Oberkörper. »Es ist einfacher, wenn wir Torben ein schönes Kleidchen besorgen?«, lallte sie. »Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.«
Das Gespräch war Torben unangenehm.
»Am besten noch in Rosa«, er verzog das Gesicht, »mit Rüschen und Schleifen!«, legte er ein Lächeln auf, steckte er sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. Eine Antwort der Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass die Wortwahl nicht die von ihm erwartetet Reaktion hervorrief.
»Nein, Rosa finde ich nicht passend.«, Bärbel schüttelte den Kopf. »Weiß ist schöner. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.«
Sie verzog ihren Mund, zu einem schiefen Lächeln. Die Wirkung des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie bei hoher See.
Tanja pustete eine Strähne von ihrer Stirn.
»Das traut sich mein Brüderchen nie!«, blinzelte sie, prostete ihrer Tante zu.
Er konnte nicht darauf eingehen, sein Mund war voller Gebäck.
»Besser als der blöde Anzug.« Er würgte den letzten Biss herunter.
Die Frauen schauten sich an, dann fixierten beide den Jungen.
Tanjas Augen leuchteten auf. Ihre Lippen zu einem Grinsen verformt. Er kannte diesen Ausdruck. Irgendetwas brütete sie aus.
»Das traust du dich nie!«, verschränkte sie die Arme.
Ihm schwante Böses. Er wusste, dass sie meistens nur pokerte.
»Wetten doch!«, zischte er, ebenfalls die Arme verschränkend.
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
»OK, Wette gilt«, quittierte Tanja, indem sie ihre Hand ausstreckte.
»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?« Torben zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Du hast einen Wunsch frei«, zwitscherte Tanja mit einem schelmischen Grinsen.
»Ich will deine Sophia!«, schoß die Antwort Tanja entgegen.
Tanjas sengte ihr Kinn. Er wusste genau warum. Sie wollte seit längeren ihr Segelboot Sophia verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu segeln. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dass dieser Sport zu gefährlich sei. Die Geschwister hatten es jederzeit geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.
Tanja ihren Gewinn vor Augen reichte ihrem Bruder die Hand.
»Abgemacht!«
,Sie schaute ihm ins Gesicht. »Und was ist, wenn ich gewinne?« Verschränkte die Arme im Genick. »Dann mistest du eine Woche den Pferdestall aus!«
Sie wusste genau, dass er Pferde nicht mochte. Mit einer Ausnahme, als Würstchen gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er seine Schwester in Bayern besuchte, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade Papier und Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
»Seit ihr verrückt geworden!« Bärbel schlug auf den Tisch. »Das geht nicht!«
Tanja beschwichtigte ihre Bedenken, dass er sich eh nicht traue. Dann schrieb sie:

Ich Tanja Wette, dass sich mein Bruder Torben es sich nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten, Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte über die Formulierung, weil es abgemacht war, dass er das Blumenmädchen spielte. Tanja erklärte ihm, dass es möglich sei, dass sie kein passendes Kleid fänden. Zum Ändern zuwenig Zeit vorhanden, er dann die Wette, bevor sie anfing, verloren hätte. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Der Tante Helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit der Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie nicht allein beherrschen, aber mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das lag drin.
Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Opa Nahne seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.
Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alm Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.

Er schlug ein.
Tanja nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich meinen Bruder mein Segelboot. Sollte ich gewinnen, muss er eine Woche die Ställe ausmisten.

Ein bisschen komisch war ihm. Dann griff Tanja in den Besteckkasten. Sie schnitt sich in den Daumen, besiegelte den Vertrag mit ihrem Blute. Er übernahm das Messer, mit zusammengepressten Zähnen tat er ihr gleich.
 
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2. Die Wette

Da stand er, verlassen in einem Traum in Weiß. Nicht, dass er sich dafür schämte, es trug Tanjas Kleid, ihm wurmte es, dass sich Tante und Schwester nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal, wie er die Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach der Tante, der Schwester, niemand antwortete ihm. Kurz entschlossen raffte er den Rock, torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, seine Schwester, rechts von ihr, stützte ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab, hielt ein Glas Sekt in der Hand.

Tanja, obwohl sie im Jahr des Todes ihre Eltern volljährig, war sie bei Bärbel eingezogen. In die Wohnung, die ihr Vater und ihre Mutter vor dem Unfall gekauft hatten. Nicht weit vom Zentrum, nahe dem Park, damit ihr Sohn behütete aufwuchs.
Sie lehnte es ab, in Südafrika zu bleiben, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Dafür hatte sie Bärbel ein Teil der Last abgenommen, die diese mit dem Säugling auf sich genommen hatte. Tanja besuchte vormittags die Schule, Nachmittag versorgte sie ihren Bruder, während ihre Tante im Ordnungsamt der Stadt ihrer Arbeit nachging. Tanjas größter Traum war es gewesen, Medizin zu studieren, wie ihre Eltern Menschen zu helfen. Es hatte nicht gereicht. Die Erziehung von Torben hatte sie stärker gefordert. In seinen ersten Lebensjahren war sie mehr als die Schwester, eher Mutter, liebvoll und zärtlich. Dagegen Bärbel in ihrer Art vielmehr ein Vater.

Torben hielt weiterhin den Rock, schaute die Frauen an.
»Iss erst einmal ein Stück Kuchen«, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

»Aber ...«, schnaufte Bärbel, erhob den Körper.
»Er wird es nicht beflecken!« Tanja ergriff ihren Oberarm, »Oder!«, zischte sie ihm mit einen stechenden Blick an.
Mit hängenden Schultern ergab er sich dem Schicksal, griff zum verführerischen Kuchen, setzte sich seiner Tante gegenüber hin. Die beiden Frauen steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten, wie zwei Ganoven, die über ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.
Er folgte dem Gespräch nicht. Der Inhalt der Unterhaltung, wie er vermutete, waren die Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Was bewegte ihn die Planung? Es wurmte ihm, dass sie ihn missachteten, er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben. Wie gerne hätte er absichtlich etwas fallengelassen, das Kleid besudelt, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, endlich von dem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren. Anstatt diesen Frevel durchzuführen, schaute er aus dem Küchenfenster, kaute den Kuchen.
Er sehnte sich nach der Oma, dem einzigen Menschen, der ihn verstanden hatte, ihn akzeptiert hatte. Torbens Gedanken schwangen zur Testamtseröffnung, nachdem die geliebte Großmutter verstarb, in der die Beiden in gleicher Art geflüstert, ihn verachtend angesehen hatten. Dabei hatte er nur ein Covert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus der Großmutter, die Schwester das Geld.

Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an sein Ohr.
»Mein Kleid gefällt dir wohl?«, kicherte Tanja, verbarg ihren Mund mit der Hand.
»Wenn du heiratest«, Bärbel zeigte auf ihn, »kann ich es dir, wenn du es möchtest anpassen!«
Die beiden lachten. Er reagierte nicht darauf, obwohl er nun der Mittelpunkt der Unterhaltung war.
»Bärbel erinnerst du dich«, Tanja zwinkerte ihr zu, »bei Josephines Hochzeit?«, gackerte sie, zeigte auf ihren Bruder.
»Ja, süß sah der Kleine aus!«, schmachtete die Tante mit verträumten Blick.
Er erinnerte sich blass an die Veranstaltung.

Torben besuchte die zweite Klasse. Josephine, eine Freundin von Tanja, heiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in welchen die Großmutter gelebt hatte. Das Haus der Oma stand direkt am Deich. Sie verbrachten oft die Ferien dort. Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht. Ihm war die Aufgabe zugeteilt, mit einem Mädchen aus derselben Ortschaft, Blumen zu streuen. Er hatte keine Lust darauf. An seiner Piratenunterkunft bauen oder am Strand spielen, fand er damals interessanter. Dieses tat er dann. Mit dem Resultat, dass er kurz vor der Trauung mit einer verdreckten, zerrissenen Hose erschien. Bärbel hatte vor Wut geschäumt. Die Braut stand den Tränen nahe. Tanja hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden. Torben wurde zum Schotte verkleidet.

»Wie wäre es Bärbel, ich kaufe mir morgen das tolle Kleid«, Tanja wedelte mit ihre Finger vor der Brust, »welches dir auf dem Foto gefallen hat. Torben darf meins anziehen«, schallte ihr Lachen durch die Küche. »Er streut die Blumen als Blumenmädchen!«
»Tanja nein! Ich sitz dann wieder Nächte an der Nähmaschine.« Bärbel reckte ihren Oberkörper. »Es macht mir weniger arbeit, wenn wir ihm ein einfaches Kleidchen kaufen?«, lallte sie. »Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.«
Das Gespräch war ihm unangenehm.
»Am besten in Rosa«, spöttelte er, »mit Rüschen und Schleifen!«, legte er ein Lächeln auf, steckte sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. Eine Antwort der Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass die Wortwahl nicht die von ihm erwartetet Reaktion hervorrief.
»Nein, Rosa finde ich nicht passend für einen Jungen.«, Bärbel schüttelte den Kopf. »Weiß! Schlichtes Weiß ist eleganter. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.«
Sie verzog ihren Mund, zu einem schiefen Lächeln. Die Wirkung des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie bei hoher See.
Tanja pustete eine Strähne von ihrer Stirn.
»Das traut sich mein Brüderchen nie!«, blinzelte sie, prostete ihrer Tante zu.
Er konnte nicht darauf eingehen, sein Mund war voller Gebäck.
»Besser als der blöde Anzug.« Er würgte den letzten Biss herunter.
Die Frauen schauten sich an, dann fixierten beide den Jungen.
Tanjas Augen leuchteten auf, ihre Lippen zu einem Grinsen verformt. Er kannte diesen Ausdruck. Irgendetwas brütete sie aus.
Sie verschränkte die Arme. »Traust dich nie!«, spottete sie.
Ihm schwante Böses, da sie meistens hoch pokerte.
Er lehnte sich zurück. »Wetten doch!«, zischte er.
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
»OK, Wette gilt«, quittierte die Schwester, indem sie ihre Hand ausstreckte.
»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?« Torben zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Du hast einen Wunsch frei«, zwitscherte sie mit einem schelmischen Grinsen.
»Ich will deine Sophia!«, schoß die Antwort ihr entgegen.
Tanja sengte ihr Kinn. Sie hatte seit längeren vor, ihr Segelboot Sophia zu verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu segeln. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dass dieser Sport zu gefährlich sei. Die Geschwister hatten es jederzeit geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.

Sie reichte ihrem Bruder die Hand. »Abgemacht!« Sie schaute ihm ins Gesicht. »Wenn ich gewinne?« Verschränkte die Arme im Genick. »Dann mistest du eine Woche den Pferdestall aus!«
Sie im Bilde, dass er Pferde hasste. Mit einem Sonderfall, veredelt zu Würstchen, gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er seine Schwester in Bayern besuchte, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade Papier und Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
»Kinder! Seit ihr verrückt geworden!« Bärbel schlug auf den Tisch. »Das könnt ihr nicht machen!«
Die Nichte beschwichtigte ihre Bedenken, dass er sich eh nicht traue. Dann schrieb sie:

Ich Tanja Wette, dass sich Torben sich nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten, Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte über die Formulierung, weil es abgemacht war, dass er das Blumenmädchen spielte. Tanja erklärte ihm, dass es möglich sei, dass sie kein passendes Kleid fänden. Zum Ändern zuwenig Zeit vorhanden, er dann die Wette, bevor sie anfing, verloren hätte. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Der Tante Helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit der Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie nicht allein beherrschen, mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das sollte ihm gelingen.
Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Der Opa seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.
Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alm Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.
War es überhaupt eine Wette, die er erachtete einzugehen? Wetten! Wenn er fast hundertprozentig davon ausging, dass er gewann, dann akzeptierte er diese Abmachung. Alles andere waren Spekulationen oder … Sein Atem stockte. Schweiß schlug sich auf seinen Schläfen nieder. Eine Mutprobe! Er behauptete allerlei von sich, aber eines war nicht, mutig. Er war ein Weichei, ein Schlappschwanz, wie ihn Tanja titulierte. Immer auf der sicheren Seite bleiben. Ein Motto, welches er sich auf die Stirn geschrieben hatte. Egal, aus ihm mutierte nie ein richtiger Kerl, ebenso ein Spruch der Schwester. Und jetzt, in diesem Moment verlangte sie von ihm, dass er zu einem Mann gediehe, dadurch, dass er Frauenkleider trug.
Er schlug ein.

Sie nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich Torben mein Segelboot. Wenn ich gewinne, dann reinigt er eine Woche die Ställe.

Tanja griff in den Besteckkasten. Sein Herz klopfte ihm bis in die Schläfen. Wie Mephisto übergab sie ihm das spitze Messer. Blut ist ein ganz besonderer Saft empfang er ihre Gedanken, bei der Unterzeichnung des Paktes.

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2. Die Wette

Da stand er, verlassen in einem Traum in Weiß. Nicht, dass er sich dafür schämte, es trug Tanjas Kleid, ihm wurmte es, dass sich Tante und Schwester nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal, wie er die Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach der Tante, der Schwester, niemand antwortete ihm. Kurzentschlossen raffte er den Rock, torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, seine Schwester, rechts von ihr, stützte ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab, hielt ein Glas Sekt in der Hand.

Tanja, obwohl sie im Jahr des Todes ihre Eltern volljährig, war sie bei Bärbel eingezogen. In die Wohnung, die ihr Vater und ihre Mutter vor dem Unfall gekauft hatten. Nicht weit vom Zentrum, nahe dem Park, damit ihr Sohn behütete aufwuchs.
Sie lehnte es ab, in Südafrika zu bleiben, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Dafür hatte sie Bärbel ein Teil der Last abgenommen, die diese mit dem Säugling auf sich genommen hatte. Tanja besuchte vormittags die Schule, Nachmittag versorgte sie ihren Bruder, während ihre Tante im Ordnungsamt der Stadt ihrer Arbeit nachging. Tanjas größter Traum war es gewesen, Medizin zu studieren, wie ihre Eltern Menschen zu helfen. Es hatte nicht gereicht. Die Erziehung von Torben hatte sie stärker gefordert. In seinen ersten Lebensjahren war sie mehr als die Schwester, eher Mutter, liebvoll und zärtlich. Dagegen Bärbel in ihrer Art vielmehr ein Vater.

Torben hielt weiterhin den Rock, schaute die Frauen an.
»Iss erst einmal ein Stück Kuchen«, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

»Aber ...«, schnaufte Bärbel, erhob den Körper.
»Er wird es nicht beflecken!«, zwinkerte Tanja und ergriff der Tantes Oberarm, »Oder!«, zischte sie ihm mit einen stechenden Blick an.
Mit hängenden Schultern ergab er sich dem Schicksal, griff zum verführerischen Kuchen, setzte sich den Damen gegenüber hin. Die beiden Frauen steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten, wie zwei Ganoven, die über ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.
Er folgte dem Gespräch nicht. Der Inhalt der Unterhaltung, wie er vermutete, waren die Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Was bewegte ihn die Planung? Es wurmte ihm, dass sie ihn missachteten, er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben. Wie gerne hätte er absichtlich etwas fallengelassen, das Kleid besudelt, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, endlich von dem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren. Anstatt diesen Frevel durchzuführen, schaute er aus dem Küchenfenster, kaute den Kuchen.
Er sehnte sich nach der Oma, dem einzigen Menschen, der ihn verstanden hatte. Ihn akzeptiert hatte. Torbens Gedanken schwangen zur Testamtseröffnung, nachdem die geliebte Großmutter verstarb, in der die Beiden in gleicher Art geflüstert, ihn verachtend angesehen hatten. Dabei hatte er nur ein Covert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus der Großmutter, die Schwester das Geld.

Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an sein Ohr.
»Mein Kleid gefällt dir wohl?«, kicherte Tanja, verbarg ihren Mund mit der Hand.
»Wenn du heiratest«, Bärbel zeigte auf ihn, »kann ich es dir anpassen!«
Die beiden lachten. Er reagierte nicht darauf, obwohl er in dieser Sekunde der Mittelpunkt der Unterhaltung war.
»Bärbel erinnerst du dich«, Tanja zwinkerte ihr zu, »bei Josephines Hochzeit?«, gackerte sie, zeigte auf ihren Bruder.
»Ja, süß sah die Kleine aus!«, schmachtete die Tante mit verträumten Blick.


Er besuchte die zweite Klasse, erinnerte er sich blass an die Veranstaltung. Josephine, eine Freundin von Tanja, hatte geheiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in dem die Großmutter gelebt hatte.
Das Haus der Oma stand direkt am Deich. Sie verbrachten oft die Ferien dort.
Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht. Ihm war die Aufgabe zugeteilt, mit einem Mädchen aus derselben Ortschaft, Blumen zu streuen. Er hatte keine Lust darauf. An seiner Piratenunterkunft bauen oder am Strand spielen, fand er damals interessanter. Dieses tat er dann. Mit dem Resultat, dass er kurz vor der Trauung mit einer verdreckten, zerrissenen Hose erschien. Bärbel hatte vor Wut geschäumt. Die Braut stand den Tränen nahe. Die Schwester hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden. Er wurde zum Schotte verkleidet.

(*OB*Torben als neutrum*OB*)»Wie wäre es Bärbel, ich kaufe mir morgen das schicke Kleid«, Tanja wedelte mit ihre Finger vor der Brust, »welches dir auf dem Foto gefallen hat. Toni zieht meins an«, schallte ihr Lachen durch die Küche.
»Streut Rosen wie ein Blumenmädchen!«, stieg Bärbel in das Gekicher ein. Nachdem sie sich beruhigte, winkte sie ab. »Nein! Ich sitz dann wieder Nächte an der Nähmaschine«, stöhnte sie, reckte ihren Oberkörper. »Es macht mir weniger arbeit, wenn wir ein schlichtes Kleidchen kaufen?«, lallte sie. »Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.«
Das Gespräch war ihm unangenehm.»Am besten in Rosa«, spöttelte er, »mit Rüschen und Schleifen!«, legte er ein Lächeln auf, steckte sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund.
Eine Antwort der Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass die Wortwahl nicht die von ihm erwartetet Reaktion hervorrief.
»Nein, Rosa finde ich nicht passend für einen Jungen«, pustete, gackerte Bärbel und schüttelte den Kopf, drückte ihren rechten Zeigefinger auf die Nase. »Weiß! Schlichtes Weiß ist eleganter. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.«
Sie verzog ihren Mund, zu einem schiefen Lächeln. Die Wirkung des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie bei hoher See.

Tanja pustete eine Strähne von ihrer Stirn. »Das traut sich mein Brüderchen nie!«, blinzelte sie, prostete ihrer Tante zu.
Er konnte nicht darauf eingehen, sein Mund war voller Gebäck.
Er würgte den letzten Biss herunter. »Besser als der blöde Anzug«, quakte er.
Die Frauen schauten sich an, dann fixierten beide den Jungen.
Tanjas Augen leuchteten auf, ihre Lippen zu einem Grinsen verformt. Er kannte diesen Ausdruck. Irgendetwas brütete sie aus.
Sie verschränkte die Arme. »Traust dich nie!«, spottete sie.
Ihm schwante Böses, obwohl sie meistens hoch pokerte.
Er lehnte sich zurück. »Wetten doch!«, zischte er.
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
»OK, Wette gilt«, quittierte die Schwester, indem sie ihre Hand ausstreckte.
»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?« Torben zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Du hast einen Wunsch frei«, zwitscherte sie mit einem schelmischen Grinsen.
»Ich will deine Sophia!«, schoß die Antwort ihr entgegen.

Tanja sengte ihr Kinn. Sie hatte seit längeren vor, ihr Segelboot Sophia zu verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu segeln. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dass dieser Sport zu gefährlich sei. Die Geschwister hatten es jederzeit geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.

Sie reichte ihm die Hand. »Abgemacht!« Dann schaute sie ihm ins Gesicht. »Wenn ich gewinne?« Verschränkte die Arme im Genick. »Mistest du eine Woche den Pferdestall aus!«
Sie im Bilde, dass er Pferde hasste. Mit einem Sonderfall, veredelt zu Würstchen, gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er seine Schwester in Bayern besuchte, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade Papier und Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
»Kinder! Seit ihr verrückt geworden!« Bärbel schlug auf den Tisch. »Das könnt ihr nicht machen!«
Die Nichte beschwichtigte ihre Bedenken, dass er sich eh nicht traue. Dann schrieb sie:

Ich Tanja Wette, dass sich, ein schelmisches Grinsen flog über ihr Gesicht, Torben nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten, Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte über die Formulierung, weil es abgemacht war, dass er das Blumenmädchen spielte. Tanja erklärte ihm, dass es möglich sei, dass sie kein passendes Kleid fänden. Zum Ändern zuwenig Zeit vorhanden, er dann die Wette, bevor sie anfing, verloren hätte. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Der Tante Helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit der Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie nicht allein beherrschen, mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das sollte ihm gelingen.
Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Der Opa seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.
Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alm Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.

War es überhaupt eine Wette, die er erachtete einzugehen? Wetten! Wenn er fast hundertprozentig davon ausging, dass er gewann, dann akzeptierte er diese Abmachung. Alles andere waren Spekulationen oder … Sein Atem stockte. Schweiß schlug sich auf seinen Schläfen nieder. Eine Mutprobe! Er behauptete allerlei von sich, aber eines war nicht, mutig. Er war ein Weichei, ein Schlappschwanz, wie ihn Tanja titulierte. Immer auf der sicheren Seite bleiben. Ein Motto, welches er sich auf die Stirn geschrieben hatte. Egal, aus ihm mutierte nie ein richtiger Kerl, ebenso ein Spruch der Schwester. Und jetzt, in diesem Moment verlangte sie von ihm, dass er zu einem Mann gediehe, dadurch, dass er Frauenkleider trug.
Er schlug ein und sie nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich Torben mein Segelboot. Wenn ich gewinne, dann reinigt er eine Woche die Ställe.

Tanja griff in den Besteckkasten. Sein Herz klopfte ihm bis in die Schläfen. Wie Mephisto übergab sie ihm das spitze Messer. Blut ist ein ganz besonderer Saft empfang er, bei der Unterzeichnung des Paktes, ihre Gedanken. Obwohl nur ein Zettel, umspannte eine okkultistische Aura das Blatt. Eine Frage verblieb für ihn unbeantwortet im Raum. Wer von beiden spielte Doktor Faust?

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2. Die Wette

Da stand er, verlassen in einem Traum in Weiß. Nicht die Scham es zu tragen, wurmte ihn, er trug Tanjas Kleid, sondern die Gemeinheit der Tante, der Schwester sich nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal, wie er die Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach der Tante, der Schwester, niemand antwortete ihm. Kurzentschlossen raffte er den Rock, torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, seine Schwester, rechts von ihr, stützte ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab, hielt ein Glas Sekt in der Hand.

Tanja, obwohl sie im Jahr des Todes ihre Eltern volljährig, war sie bei Bärbel eingezogen. In die Wohnung, die ihr Vater und ihre Mutter vor dem Unfall gekauft hatten. Nicht weit vom Zentrum, nahe dem Park, damit ihr Sohn behütete aufwuchs.
Sie lehnte es ab, in Südafrika zu bleiben, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Dafür hatte sie Bärbel ein Teil der Last abgenommen, die diese mit dem Säugling auf sich genommen hatte. Tanja besuchte vormittags die Schule, Nachmittag versorgte sie ihren Bruder, während ihre Tante im Ordnungsamt der Stadt ihrer Arbeit nachging. Tanjas größter Traum war es gewesen, Medizin zu studieren, wie ihre Eltern Menschen zu helfen. Was sie früher jedem auf die Nase band, der es nicht wissen wollte. Es hatte nicht gereicht. Die Erziehung von Torben hatte sie stärker gefordert. In seinen ersten Lebensjahren war sie mehr als die Schwester, eher Mutter, liebvoll und zärtlich. Dagegen Bärbel in ihrer Art vielmehr ein Vater.

Torben hielt weiterhin den Rock, schaute die Frauen an.
»Iss erst einmal ein Stück Kuchen«, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

»Aber ...«, empörte sich Bärbel, erhob den Körper.
»Er wird es nicht beflecken!«, zwinkerte Tanja und ergriff den Oberarm der Tante. »Oder!«, zischte sie ihm mit einen stechenden Blick an. Ihre nussbraune Iris glänzte.
Mit hängenden Schultern ergab er sich dem Schicksal, schnappte sich ein Stück Streuseluchen, setzte sich den Damen gegenüber hin. Die beiden steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten, wie zwei Ganoven, die über ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.

Er folgte dem Gespräch nicht. Der Inhalt der Aussprache, wie er vermutete, waren die Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Was bewegte ihn die Planung? Ihm verstimmte das Missachten, er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben. Wie gerne hätte er absichtlich irgendetwas fallengelassen, das Kleid besudelt, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, endlich von dem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren. Anstatt diesen Frevel durchzuführen, schaute er aus dem Küchenfenster, kaute den Kuchen.

Er sehnte sich nach der Oma, dem einzigen Menschen, der ihn verstanden hatte. Ihn akzeptiert hatte. Torbens Gedanken schwangen zur Testamtseröffnung, nachdem die geliebte Großmutter verstarb, in der die Beiden in gleicher Art geflüstert, ihn verachtend angesehen hatten. Dabei hatte er nur ein Covert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus der Großmutter, die Schwester das Geld.

Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja verbarg ihren schmalen Mund hinter ihrer rechten Hand. »Gefällt dir mein Kleid?«, kicherte sie.
Bärbel hob ihren Arm, deutete auf ihn. »Wenn du heiratest«, gluckste sie, »kann ich es dir anpassen!«
Die beiden lachten. Obwohl er in dieser Sekunde der Mittelpunkt der Unterhaltung war, blieb er stumm.
Tanja zielte mit ihrem grazilen Zeigefinger auf Torben. »Bärbel erinnerst du dich«, zwinkerte sie ihr zu, »bei Josephines Hochzeit?«
»Ja, süß sah die Kleine aus!«, schmachtete die Tante mit verträumten Blick.

Er besuchte die zweite Klasse, erinnerte er sich blass an die Feier. Josephine, eine Freundin von Tanja, hatte geheiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in dem die Großmutter gelebt hatte.
Das Haus der Oma stand direkt am Deich. Sie verbrachten oft die Ferien dort.
Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht. Ihm war die Aufgabe zugeteilt, mit einem Mädchen aus derselben Ortschaft, Blumen zu streuen. Er hatte keine Lust darauf. An seiner Piratenunterkunft bauen oder am Strand spielen, fand er damals interessanter. Dieses tat er dann. Mit dem Resultat: Er erschien kurz vor der Trauung mit einer verdreckten, zerrissenen Hose. Bärbel hatte vor Wut geschäumt. Die Braut stand den Tränen nahe. Die Schwester hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden. Er wurde zum Schotte verkleidet.

Tanja wedelte mit den zarten Fingern vor ihren pralle Busen und wandte ihr langes Gesicht Bärbel zu. »Wie wäre es, ich kaufe mir morgen das schicke Kleid.« Sie blinzelte ihr zu. »Welches dir auf dem Foto gefallen hat. Und Toni schenke ich meins!«
»Streut Rosen wie ein Blumenmädchen!«, unterstrich die Tante ihre Aussage. Beide hielten ihre Bäuche und lachten.
Nachdem sie sich beruhigten, winkte Bärbel ab. »Nein! Ich sitz dann wieder Nächte an der Nähmaschine«, stöhnte sie, reckte ihren Oberkörper. »Es macht mir weniger Arbeit, wenn wir ein schlichtes Kleidchen kaufen?«, lallte sie. »Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.«
Das Gespräch war ihm unangenehm.»Am besten in Rosa«, spöttelte er, »mit Rüschen und Schleifen!«
Er legte ein Lächeln auf, steckte sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. Eine Antwort der Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass die Wortwahl nicht die von ihm erwartetet Reaktion hervorrief.
»Nein, Rosa finde ich nicht passend«, pustete, gackerte Bärbel und schüttelte den Kopf, drückte ihren rechten Zeigefinger auf den Rücken ihrer konkaven Nase. »Weiß! Schlichtes Weiß ist eleganter. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.«
Sie verzog ihren Mund, zu einem schiefen Lächeln. Der Einfluss des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie auf hoher See.

Tanja pustete eine sandgelbe, lockige Strähne von ihrer Stirn. »Das traut sich mein Brüderchen nie!«, blinzelte sie, prostete ihrer Tante zu.
Er konnte nicht darauf eingehen, sein Mund war voller Gebäck.
Er würgte den letzten Biss herunter. »Besser als der blöde Anzug«, quakte er.
Die Frauen schauten sich an, dann fixierten beide den Jungen.
Tanjas Augen leuchteten auf, ihre Lippen zu einem Grinsen verformt. Er kannte diesen Ausdruck. Irgendetwas brütete sie aus.
Sie verschränkte die Arme. »Traust dich nie!«, spottete sie.
Ihm schwante Böses, obwohl sie meistens hoch pokerte.
Er lehnte sich zurück. »Wetten doch!«, zischte er.
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
»OK, Wette gilt«, quittierte die Schwester, indem sie ihre Hand ausstreckte.
»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?« Torben zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Du hast einen Wunsch frei«, zwitscherte sie mit einem schelmischen Grinsen.
»Ich will deine Sophia!«, schoß die Antwort ihr entgegen.

Tanja sengte ihr langes Kinn. Sie hatte seit längeren vor, ihr Segelboot Sophia zu verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu segeln. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dieser Sport sei zu gefährlich. Die Geschwister hatten es jederzeit geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.

Sie reichte ihm die Hand. »Abgemacht!« Dann schaute sie ihm in sein rundes Gesicht. »Wenn ich gewinne?« Verschränkte die Arme im Genick. »Mistest du eine Woche den Pferdestall aus!«
Sie im Bilde darüber wie er Pferde hasste. Mit einem Sonderfall, veredelt zu Würstchen, gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er seine Schwester in Bayern besuchte, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade Papier und Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
»Kinder! Seit ihr verrückt geworden!« Bärbel schlug auf den Tisch. »Das könnt ihr nicht machen!«
Die Nichte beschwichtigte ihre Bedenken, weil er sich eh nicht traue. Dann schrieb sie:

Ich Tanja Wette, dass sich, ein schelmisches Grinsen flog über ihr Gesicht, Torben nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten, Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte gegen den Wortlaut, weil es abgemacht war, dass er das Blumenmädchen spielte. Tanja klärte ihn über die Problematik auf, wenn sie kein passendes Kleid fänden, oder zum Ändern zuwenig Zeit vorhanden. Er dann die Wette, bevor sie anfing, verloren hätte. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Der Tante Helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit der Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie nicht ohne Hilfe beherrschen, mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das sollte ihm gelingen.
Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Der Opa seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.

Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alm Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.

War es überhaupt eine Wette, die er erachtete einzugehen? Wetten! Wenn er hundertprozentig davon ausging, dass er gewann, dann akzeptierte er diese Abmachung. Alles andere waren Spekulationen oder … Sein Atem stockte. Schweiß schlug sich auf seinen Schläfen nieder. Eine Mutprobe! Er behauptete allerlei von sich, aber eines war nicht, mutig. Er war ein Weichei, ein Schlappschwanz, wie ihn Tanja titulierte. Immer auf der sicheren Seite bleiben. Ein Motto, welches er sich auf die Stirn geschrieben hatte. Egal, aus ihm mutierte nie ein richtiger Kerl, ebenso ein Spruch der Schwester. Und jetzt, in diesem Moment verlangte sie von ihm, dass er zu einem Mann gediehe, dadurch, dass er Frauenkleider trug.
Er schlug ein und sie nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich Torben mein Segelboot. Wenn ich gewinne, dann reinigt er eine Woche die Ställe.

Tanja griff in den Besteckkasten. Sein Herz klopfte ihm bis in die Schläfen. Wie Mephisto übergab sie ihm das spitze Messer. Blut ist ein ganz besonderer Saft empfang er beim Unterzeichnen des Paktes, ihre Gedanken. Obwohl nur ein Zettel, umspannte eine okkultistische Aura das Blatt. Eine Frage verblieb für ihn unbeantwortet im Raum. Wer von beiden spielte Doktor Faust?



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2. Die Wette

Da stand er, verlassen in einem Traum in Weiß. Nicht die Scham es zu tragen, wurmte ihn, er trug Tanjas Kleid, sondern die Gemeinheit der Tante, der Schwester sich nicht mehr um ihn kümmerten. Krampfhaft versuchte er, die hochgeschlossene Robe von sich abzustreifen. Es gelang ihm nicht. Er kam nicht an den Reißverschluss heran. Egal, wie er die Arme verschränkte, es gelangte ihm nicht den Zipper zu ergreifen. Er rief nach der Tante, der Schwester, niemand antwortete ihm. Kurzentschlossen raffte er den Rock, torkelte in die Küche. Keiner der beiden Damen nahm Kenntnis von ihm.

Bärbel saß auf ihrem angestammten Platz neben dem Fenster, seine Schwester, rechts von ihr, stützte ihre Ellenbogen auf der Tischplatte ab, hielt ein Glas Sekt in der Hand.

Tanja, obwohl sie im Jahr des Todes ihre Eltern volljährig, war sie bei Bärbel eingezogen. In die Wohnung, die ihr Vater und ihre Mutter vor dem Unfall gekauft hatten. Nicht weit vom Zentrum, nahe dem Park, damit ihr Sohn behütete aufwuchs.
Sie lehnte es ab, in Südafrika zu bleiben, dem Land, in dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. Dafür hatte sie Bärbel ein Teil der Last abgenommen, die diese mit dem Säugling auf sich genommen hatte. Tanja besuchte vormittags die Schule, Nachmittag versorgte sie ihren Bruder, während ihre Tante im Ordnungsamt der Stadt ihrer Arbeit nachging. Tanjas größter Traum war es gewesen, Medizin zu studieren, wie ihre Eltern Menschen zu helfen. Was sie früher jedem auf die Nase band, der es nicht wissen wollte. Es hatte nicht gereicht. Die Erziehung von Torben hatte sie stärker gefordert. In seinen ersten Lebensjahren war sie mehr als die Schwester, eher Mutter, liebvoll und zärtlich. Dagegen Bärbel in ihrer Art vielmehr ein Vater.

Torben hielt weiterhin den Rock, schaute die Frauen an.
»Iss erst einmal ein Stück Kuchen«, zischte Tanja, als wäre es das Selbstverständlichste, dass er im Brautkleid vor ihnen stand.

»Aber ...«, empörte sich Bärbel, erhob den Körper.
»Er wird es nicht beflecken!«, zwinkerte Tanja und ergriff den Oberarm der Tante. »Oder!«, zischte sie ihm mit einen stechenden Blick an. Ihre nussbraune Iris glänzte.
Mit hängenden Schultern ergab er sich dem Schicksal, schnappte sich ein Stück Streuseluchen, setzte sich den Damen gegenüber hin. Die beiden steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten, wie zwei Ganoven, die über ihr nächstes Verbrechen, die letzten Instruktionen ihres Planes ausheckten.

Er folgte dem Gespräch nicht. Der Inhalt der Aussprache, wie er vermutete, waren die Vorbereitungen der anstehenden Hochzeit. Was bewegte ihn die Planung? Ihm verstimmte das Missachten, er ein Fremdkörper, ein ungebetener Gast in ihrem Leben. Wie gerne hätte er absichtlich irgendetwas fallengelassen, das Kleid besudelt, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, endlich von dem Gewand erlöst in sein Zimmer zurück zukehren. Anstatt diesen Frevel durchzuführen, schaute er aus dem Küchenfenster, kaute den Kuchen.

Er sehnte sich nach der Oma, dem einzigen Menschen, der ihn verstanden hatte. Ihn akzeptiert hatte. Torbens Gedanken schwangen zur Testamtseröffnung, nachdem die geliebte Großmutter verstarb, in der die Beiden in gleicher Art geflüstert, ihn verachtend angesehen hatten. Dabei hatte er nur ein Covert geerbt, welches er erst zu seinem achzehnten Geburtstag ausgehändigt bekommen würde. Hatten sie nicht mehr erhalten? Tante Bärbel das Haus der Großmutter, die Schwester das Geld.

Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja verbarg ihren schmalen Mund hinter ihrer rechten Hand. »Gefällt dir mein Kleid?«, kicherte sie.
Bärbel hob ihren Arm, deutete auf ihn. »Wenn du heiratest«, gluckste sie, »kann ich es dir anpassen!«
Die beiden lachten. Obwohl er in dieser Sekunde der Mittelpunkt der Unterhaltung war, blieb er stumm.
Tanja zielte mit ihrem grazilen Zeigefinger auf Torben. »Bärbel erinnerst du dich«, zwinkerte sie ihr zu, »bei Josephines Hochzeit?«
»Ja, süß sah die Kleine aus!«, schmachtete die Tante mit verträumten Blick.

Er besuchte die zweite Klasse, erinnerte er sich blass an die Feier. Josephine, eine Freundin von Tanja, hatte geheiratete. Sie stammte aus demselben kleinen Dorf an der Nordsee, in dem die Großmutter gelebt hatte.
Das Haus der Oma stand direkt am Deich. Sie verbrachten oft die Ferien dort.
Bärbel hatte ihm für die Hochzeit einen Anzug genäht. Ihm war die Aufgabe zugeteilt, mit einem Mädchen aus derselben Ortschaft, Blumen zu streuen. Er hatte keine Lust darauf. An seiner Piratenunterkunft bauen oder am Strand spielen, fand er damals interessanter. Dieses tat er dann. Mit dem Resultat: Er erschien kurz vor der Trauung mit einer verdreckten, zerrissenen Hose. Bärbel hatte vor Wut geschäumt. Die Braut stand den Tränen nahe. Die Schwester hatte die Situation gerettete. Sie hatte einen schwarz-rot karierten Rock in ihren alten Sachen gefunden. Er wurde zum Schotte verkleidet.

Tanja wedelte mit den zarten Fingern vor ihren pralle Busen und wandte ihr langes Gesicht Bärbel zu. »Wie wäre es, ich kaufe mir morgen das schicke Kleid.« Sie blinzelte ihr zu. »Welches dir auf dem Foto gefallen hat. Und Toni schenke ich meins!«
»Streut Rosen wie ein Blumenmädchen!«, unterstrich die Tante ihre Aussage. Beide hielten ihre Bäuche und lachten.
Nachdem sie sich beruhigten, winkte Bärbel ab. »Nein! Ich sitz dann wieder Nächte an der Nähmaschine«, stöhnte sie, reckte ihren Oberkörper. »Es macht mir weniger Arbeit, wenn wir ein schlichtes Kleidchen kaufen?«, lallte sie. »Außerdem sind Mädchenkleider günstiger.«
Das Gespräch war ihm unangenehm.»Am besten in Rosa«, spöttelte er, »mit Rüschen und Schleifen!«
Er legte ein Lächeln auf, steckte sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. Eine Antwort der Tante kam prompt, dabei bemerkte er, dass die Wortwahl nicht die von ihm erwartetet Reaktion hervorrief.
»Nein, Rosa finde ich nicht passend«, pustete, gackerte Bärbel und schüttelte den Kopf, drückte ihren rechten Zeigefinger auf den Rücken ihrer konkaven Nase. »Weiß! Schlichtes Weiß ist eleganter. Mit den Rüschen und Schleifen könnte ich mich anfreunden.«
Sie verzog ihren Mund, zu einem schiefen Lächeln. Der Einfluss des Alkohols blieb nicht folgenlos. Ihr Oberkörper schwankte, wie auf hoher See.

Tanja pustete eine sandgelbe, lockige Strähne von ihrer Stirn. »Das traut sich mein Brüderchen nie!«, blinzelte sie, prostete ihrer Tante zu.
Er konnte nicht darauf eingehen, sein Mund war voller Gebäck.
Er würgte den letzten Biss herunter. »Besser als der blöde Anzug«, quakte er.
Die Frauen schauten sich an, dann fixierten beide den Jungen.
Tanjas Augen leuchteten auf, ihre Lippen zu einem Grinsen verformt. Er kannte diesen Ausdruck. Irgendetwas brütete sie aus.
Sie verschränkte die Arme. »Traust dich nie!«, spottete sie.
Ihm schwante Böses, obwohl sie meistens hoch pokerte.
Er lehnte sich zurück. »Wetten doch!«, zischte er.
Bärbel schaute die Beiden fragend an.
»OK, Wette gilt«, quittierte die Schwester, indem sie ihre Hand ausstreckte.
»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?« Torben zupfte an seinem Ohrläppchen.
»Du hast einen Wunsch frei«, zwitscherte sie mit einem schelmischen Grinsen.
»Ich will deine Sophia!«, schoß die Antwort ihr entgegen.

Tanja sengte ihr langes Kinn. Sie hatte seit längeren vor, ihr Segelboot Sophia zu verkaufen, da sie keine Zeit mehr hatte zu segeln. Die Beiden waren von frühster Jugend an begeisterte Wassersportler. Seine Tante meinte, dieser Sport sei zu gefährlich. Die Geschwister hatten es jederzeit geschafft, sie umzustimmen. Tanja segelte immer hart am Wind.

Sie reichte ihm die Hand. »Abgemacht!« Dann schaute sie ihm in sein rundes Gesicht. »Wenn ich gewinne?« Verschränkte die Arme im Genick. »Mistest du eine Woche den Pferdestall aus!«
Sie im Bilde darüber wie er Pferde hasste. Mit einem Sonderfall, veredelt zu Würstchen, gegrillt mit Senf. Und Pferdedreck war das Schlimmste. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er seine Schwester in Bayern besuchte, um die Wettschuld einzulösen, mit Ausnahme der paar Tage ihrer Hochzeit, aber sie würde es nicht vergessen.
Tanja entnahm einer Küchenschublade Papier und Stift, da mischte sich ihre Tante ein.
»Kinder! Seit ihr verrückt geworden!« Bärbel schlug auf den Tisch. »Das könnt ihr nicht machen!«
Die Nichte beschwichtigte ihre Bedenken, weil er sich eh nicht traue. Dann schrieb sie:

Ich Tanja Wette, dass sich, ein schelmisches Grinsen flog über ihr Gesicht, Torben nicht traut, bei meiner Hochzeit

Sie betrachtete das Geschriebene, strich sie die letzten beiden Wörter wieder durch.

meinen Hochzeitfeierlichkeiten, Mädchenkleidung zu tragen.

Er protestierte gegen den Wortlaut, weil es abgemacht war, dass er das Blumenmädchen spielte. Tanja klärte ihn über die Problematik auf, wenn sie kein passendes Kleid fänden, oder zum Ändern zuwenig Zeit vorhanden. Er dann die Wette, bevor sie anfing, verloren hätte. Somit kam sie ihm entgegen.
Torben schwankte. Der Gedanke daran trieb ihn die Schamesröte ins Gesicht. Der Tante Helfen oder wie ein Mädchen gekleidet, bei der Hochzeit der Schwester aufzutreten waren zweierlei. Anderseits begehrte er die Hansa-Jolle Sophia, schnittige 5 m lang 14 qm Segelfläche, die flog übers Wasser. Sogar eine Kajüte besaß sie, in der er schon mehrere Nächte geschlafen hatte, wenn er und Tanja einen Törn segelten. Er konnte sie nicht ohne Hilfe beherrschen, mit einem Vereinskameraden in Hafennähe ein paar Runden zu schippern, das sollte ihm gelingen.
Er würde alles für das Boot unternehmen. Außer von einem Großsegler vom höchsten Mast in die See springen, wie sein verstorbener Großvater Nahne von sich behauptete. Der Opa seines Zeichens Kapitän auf großer Fahrt, erzählte viele Geschichten, darunter eine Menge Seemannsgarn.

Torbens Kopf pendelte von einer Seite zur anderen. In Bayern, da sollte die Hochzeit stattfinden, kannte ihn niemand. Er fand keinen Grund oder das Verlangen, die Verwandten des Zukünftigen seiner Schwester aufzusuchen. Er, der Pirat der Weltmeere auf einer Alm Küche streicheln, ein abstruser Gedanke.

War es überhaupt eine Wette, die er erachtete einzugehen? Wetten! Wenn er hundertprozentig davon ausging, dass er gewann, dann akzeptierte er diese Abmachung. Alles andere waren Spekulationen oder … Sein Atem stockte. Schweiß schlug sich auf seinen Schläfen nieder. Eine Mutprobe! Er behauptete allerlei von sich, aber eines war nicht, mutig. Er war ein Weichei, ein Schlappschwanz, wie ihn Tanja titulierte. Immer auf der sicheren Seite bleiben. Ein Motto, welches er sich auf die Stirn geschrieben hatte. Egal, aus ihm mutierte nie ein richtiger Kerl, ebenso ein Spruch der Schwester. Und jetzt, in diesem Moment verlangte sie von ihm, dass er zu einem Mann gediehe, dadurch, dass er Frauenkleider trug.
Er schlug ein und sie nahm den Kugelschreiber wieder auf.

Sollte ich verlieren schenke ich Torben mein Segelboot. Wenn ich gewinne, dann reinigt er eine Woche die Ställe.

Tanja griff in den Besteckkasten. Sein Herz klopfte ihm bis in die Schläfen. Wie Mephisto übergab sie ihm das spitze Messer. Blut ist ein ganz besonderer Saft empfang er beim Unterzeichnen des Paktes, ihre Gedanken. Obwohl nur ein Zettel, umspannte eine okkultistische Aura das Blatt. Eine Frage verblieb für ihn unbeantwortet im Raum. Wer von beiden spielte Doktor Faust?



weiter zum nächsten Teil 3. Der erste Schritt
 



 
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