Flucht über die Nordsee 8: Shilas Rettung

ahorn

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Verdrehtes Fock

Shilas Rettung

Prinzessin Shila betrat die oberste Plattform des Regierungsgebäudes. Die Positionsleuchten der schnellen Raumgleiter, die hier oben auf ihren Einsatz warteten, erhellt die Nacht über Gundik-City.
Shila hob den Rock ihres weißen Kleides, griff an ihr Strumpfband und holte die kleine Laserpistole hervor, die ihr Detektiv Lamu, für ihre Selbstverteidigung geschenkt hatte. Sie dachte an den braven Lamu, der sie zwei Jahre begleitet hatte, und der vor wenigen Minuten von Lord Donhil getroffen, aus dem 274 Stock in die Tiefe gestürzt war.
Sie riss ein Stück Stoff aus dem Saum ihres seidenen Kleides, öffnete ihren Zopf und legte sich das weiche Band um ihre Stirn. Hier oben würde es geschehen, entweder sie oder ihre Tante. Nur einer würde die Nacht lebend überstehen.
Ihre Tante Gerana, die ihre Eltern heimtückisch ermordet hatte, um ihren Planeten Otunas zu beherrschen, dennoch sie wie ihr Eigenes liebevoll aufgezogen hatte. Shila war es bewusst, dass sie keinerlei Chancen gegen die Tyrannin hatte. Gerana hatte Shila nur das Nötigste gelernt. Kämpfen hatte nicht auf ihrem Lehrplan gestanden.
Sie zog ihre silbernen hochhackigen Schuhe aus und schlich an einem Raumgleiter vorbei. Außer ihr schien niemand hier oben zu sein, obwohl sie Gerana gesehen hatte, als sie das Deck betreten hatte.
„Ha! Ha! So sehen wir uns wieder“, drang eine kratzige Stimme, gefolgt von einem höhnischen Lachen an ihr Ohr.
Shila drehte sich, ihre Waffe am Anschlag, in die Richtung des Gelächters, um. Gerana stand breitbeinig vor ihr. Die Lichter der Nacht spiegelten sich auf ihrem hautengen schwarzen Lederanzug. Ihr Lasergewehr war durchgeladen; die Mündung schimmerte grünlich. Sie sah noch, dass ihre Tante den Finger krümmte, dann ein greller Blitz, der sie blendete. Ein Schlag traf sie, ein Stoß in einer Intensität, welche sie noch nie in ihrem kurzen Leben gefühlt hatte.
Stille und Schwärze umhüllte ihren Geist. War das der Tod? Der Tod, den ihre Eltern erlitten hatten? Würde Shila sie endlich wiedersehen? Ein Bild erschien aus dem Nebel der Finsternis. Ein trauriges Gesicht sah sie an.


Toni legte den Arm um seinen Retter. „Lamu, sie sind am Leben“, hauchte er innig, wie eine verliebte Frau, die ihren Angebeteten begrüßte.
„Ich lebe, aber ich heiße nicht Lamu, sondern Tim“, klang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja kam angelaufen, beugte sich über den jungen Mann, der zusammen mit Toni am Rande der Fahrbahn im Dreck lag.
Sie kniete vor ihm nieder. „Haben sie sich verletzt?“
Tim, Toni weiterhin festhaltend, stand auf. Er sah in die Richtung, in die das Auto geflüchtet war, und stellte dann seinen Schützling auf die eigenen Füße.

Anschließend rieb er den Staub von seinem Jogginganzug und stotterte: „Alles noch dran.“
Tanja kehrte ihm ihr Gesicht zu. „Wie kann ich ihnen danken?“, hauchte sie, wandte sich Toni zu, schüttelte ihn. „Torben, warum passt du nicht auf. Du hast den Herrn in Lebensgefahr gebracht“.
Tim kniff seine Augenbrauen zusammen. Er musterte Toni wie einen Außerirdischen, dann gaffte er Tanja an. „Torben. Außergewöhnlicher Spitzname für ein Mädchen.“
Tanja rieb an ihrer Nase, stammelte: „Er ist mein Bruder“, sie kratzte ihren Nacken und schnellte den anderen Arm nach vorne. „Er übt für ein Theaterstück. Schultheaterstück!“ Legte sodann ihre Hand auf Tonis Schulter. „Stimmts?“
Woraufhin er stumm das Haupt senkte.
Der Mann runzelte die Stirn, nickte. „Also. Da soll sie überfahren werden?“
Tanja neigte ihren Kopf zur Seite. „Natürlich nicht!“, empörte sie sich, wies dabei zur Ampel. „Ich habe doch gesagt, pass auf.“ Sie erhob ihren Fuß und schielte auf ihre Schuhe. „Torben, mit hohen Absätzen musst du vorausschauend laufen!“
Tim deutete ebenfalls auf die Ampel, dabei sanken seine Schulterblätter hinab. „Also. Jedenfalls, es war aber grün. Das sah mir eher nach Absicht aus!“,
„Wer sollte meine Schwester“, Toni trat ihr mit dem Absatz auf ihren Schuh, „ihn überfahren wollen?“
Sie strich Tim über den Oberkörper und wisperte: „Hauptsache, Ihnen ist nichts passiert.“
Er steckte einen Finger durch ein Loch in seiner Jogginghose. „Also. Alles in Ordnung“
„Die Hose bezahle ich Ihnen“, gab Tanja, mit einem Stöhnen sowie einem Seitenblick an Toni gewandt, zu verstehen. Sie kramte in ihrer Handtasche.
Mit zitternden Fingern überreichte sie ihm ihre Visitenkarte.
„Danke! Danke!“, flüsterte er, wies mit beiden Händen ab „Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor, dass der Typ absichtlich“, er wandte sich Toni zu, „ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es Ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, vom Kennzeichen belgisch würde ich sagen“, behauptete er und trabte zum Park.

Tanja preschte mit erhobenem Haupt voran.
Der Mann wendete und kam nochmals auf Toni zu.
„Hey.“ Er beugte sich zu ihm hinab. „Wie heißt du wirklich?“
Er neigte den Kopf. „Shila.“
Tim schielte zu Tanja. „Hat deine Mama einen Bruder?“
Toni senkte die Mundwinkel, flüsterte: „Nein.“
Tims Lippen näherten sich Tonis Ohr. „Jedenfalls. Erzähle bitte deinem Vater“, wisperte er und kreiste mit dem rechten Zeigefinger neben der Schläfe. „Dass er, mit ihr zum Arzt gehen soll.“ Er richtete sich auf. „Also, mit einem Schock ist nicht zu spaßen“, mahnte er. „Jedenfalls, ich bin Neurologe.“
Er winkte Toni zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der alten belaubten Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute einfingen.



Abschiede

_Tanja schielte ihn über die Schulter an, während sie ihren Schlüssel ins Schloss steckte. „Erzähl nichts dem Admiral“, flüsterte sie. „Die regt sich immer auf.“
_Die Geschwister betraten die Wohnung, da schlug das Gewitter, in Form der Tante, über sie. Tanja bekam ihr Fett weg, weil sie so lange weggeblieben waren. Er wegen des Outfits. Bärbel wurde nie laut, wie sie ihren Ärger mitteilte, genügte ihm.

_Seine Schwester hatte ihn allein gelassen, ins Bad war sie geflüchtet. Er stand mit gesenktem Haupt in der Diele. Der Wahrhaftige in Form einer älteren Dame schmetterte auf ihn ein.
Bärbel strich durch sein Haar. „Ach, Kopf hoch!“
_Diesen Widerstreit seiner Tante hasste er. In einer Minute war sie Kommandant, hart und unbarmherzig, in der Nächsten wie ein Engel.
„Zeig mir mal“, sie ergriff die Einkaufstaschen, „was ihr beiden Deern ergattert habt.“
_Toni packte die Tüten aus, hielt die Kleider an seinen Körper und die Fachfrau prüfte die Qualität.
_Allein mit einem Handtuch bekleidet, mit dem sie ihr Haar frottierte, hüpfte Tanja in die Diele, wobei sie eine Spur hinter sich herzog. „Bärbel, mein Föhn will nicht.“
_Die Tante betrachte sie, sodann die Pfützen auf dem Boden.
„Tanja, du machst das Parkett nass!“, zischte sie und riss ihr das Tuch aus den Fingern. „Und zieh dir etwas über“, sie kniete nieder, wischte die Spuren ihrer Nichte auf, „wenn du durch die Bude läufst!“
„Warum?“ Die Schwester zog die Schultern hoch. „Wo ist dein Föhn?“
Bärbel verdrehte die Augen, faltete ihre Hände wie zum Gebet. „In meinem Bad. Im Hochschrank unten rechts“, knirschte sie und kroch auf allen vieren den Flur entlang.
„Toni, zieh das Kleid über“, forderte ihn Tanja auf, „dann zieht Bärbel, wie niedlich du aussiehst.“
_Daraufhin segelte sie hüftschwingend, dabei mit den Fingern winkend und einem breiten Grinsen auf den Lippen in Bärbels Zimmer.
_Das Schellen der Türglocke befreite Toni aus der Situation.
Seine Tante nickte zur Wohnungstür. „Das wird Tanjas Taxi sein. Spring schnell runter und sag dem Fahrer, dass sie gleich fertig ist.“
Mit großen Augen starrte er sie an, lüpfte den Rock. „Wie? So!“
Bärbel stemmte ihre Fäuste auf ihre Hüfte. „Jetzt stelle dich nicht dermaßen an, den ganzen Tag läufst du aufgetakelt herum, und ...“ Sie scheuchte ihn wie ein Huhn, welches nicht freiwillig in den Stall wollte zur Wohnungstür.
_Kaum dort angekommen, erklang erneut die Stimme der Tante und nahm ihren Satz wieder auf. „Nimm gleich Tanjas Koffer mit.“

_Toni hatte Mühe, mit dem Trolley in der Hand, den Schuhen an den Füßen, die steinerne Treppe hinabzusteigen, trotzdem flatterte sein Herz. Er wollte zügig die Haustür erreichen, damit ihn nicht im allerletzten Moment einer der Hausbewohner entdeckte. Ohne mit den Absätzen die Fliesen des Flures zu berühren, trippelte er die letzten Meter durch den Hausflur. Schnaufend stellte er den Koffer ab, dann öffnete die schwere Tür. Ein kindlich lächelndes Gesicht grinste ihn an.
Er zuckte zurück. „Tami?“
„Hast du sonst wen erwartet?“ Sie sah die leere Straßenflucht entlang.
Da stand sie. Mit einer Hand fasste sie das in Folie eingeschlagene Kleid, mit der anderen umklammerte sie den Lenker eines Rennrades. Sie trug eine eng anliegende Jeans, ein schlichtes T-Shirt und Turnschuhe, ihr Lächeln lieblich wie im Laden.
_Tami stieß ihm sein Traum in Weiß gegen die Brust. „Dein Kleid. Ich sollte es vorbeibringen!“
Er übernahm mit beiden Händen das Gewand. „Ja. Danke!“, stotterte er, vermochte nichts Weiteres zu sagen.
_Sein Atem stockte. Wie gern hätte er ihr die Wahrheit erzählt.
Sie wandte sich dem Lenker zu, an dem eine schlichte Stofftasche baumelte. „Deine Sachen habe ich mitgebracht.“
Seine Pupillen starr auf ihre Augen gewandt. „Ja. Danke!“

_Ein Taxi fuhr vor, hielt ein paar Schritte weiter auf dem Gehweg.
Tami musterte ihn. „Ich sehe, du hattest keine Pause, dich umzuziehen.“
_Rast. Zeit hätte er gehabt. Er hatte es vergessen, ihr angekündigtes Erscheinen verschwitzt.
„Tami. Danke, dass es geklappt hat“, trällerte Tanja und schnappte sich das Kleid aus seinen Händen.
Sie schlenderte zum wartenden Fahrzeug, das Kleid lässig über der Schulter. Ihr feuchtes Haar glänzte.
Toni winkte ihr hinterher. „Warte!“
_Er nahm ihr Gepäck auf, folgte ihr. Der Taxifahrer stieg aus. Mit seinen weiß behandschuhten Händen öffnete er den Kofferraum. Er trug seine Mütze tief übers Gesicht. Ein weiter Mantel kaschierte seine Statur. Tanja stellte ihre Reisetasche in den geöffneten Wagen. Toni reichte ihr den Koffer. Das neue Kleid platzierte sie auf ihre Reiseutensilien.
Tanja wedelte mit der Hand an ihrem Ohr. „Wir telefonieren.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, dann stieg sie ein.
_Er tapste zurück zu Tami. Bärbel stürmte aus dem Hausflur, stieß an Tamis Arm und wandte Toni ihr Gesicht zu. „Ich habe keinen Schlüssel mit!“
Sie verlor das Gleichgewicht, fiel gegen ihr Fahrrad und landete mit ihrem Hintern auf dem Gehweg.
Mit ausladenden Schritten lief Bärbel den Bürgersteig entlang, kreischte: „Tanja, deine Handtasche!“
Toni stellte derweilen das Zweirad auf und stammelte: „Tami, wo wohnst du?“ Er lüpfte den Rock. „Ich bringe dir die Sachen nach Hause.“
Sie fasste mit an. „Nee, lass! Geht schon in Ordnung.“
_Wollte sie ihm die Klamotten schenken?
Ihm fiel das Kinn hinab. „Wie?“
Sie berührte seinen Arm, zwinkerte ihm dabei zu. „Ich hole die Sachen ab.“
„Wann?“ Seine Augen weit aufgerissen, streckte er sich. „Morgen?“
„Nein. Kann nicht. Wie wäre es.“ Sie tippte an ihre Nase. „Montag? Montagnachmittag?“
Er hüpfte vor Freude. „Ja. Gerne!“
Tami setzte sich auf ihr Fahrrad. „Tschüssikowski!“ Sie trat in die Pedalen, blieb stehen, rollte zurück. Sie nahm die Tragetasche von ihrem Lenker. „Mann, bin ich bräsig. Hau rein!“



Badetasche

_Bärbel betrat die Bleibe. „Wenn man euch nicht alles hinterher träg. Und du, ziehe endlich diese Schuhe aus!“ Sie schnappte nach Luft. „Davon bekommst du krumme Zehen.“
_Toni stellte die Pumps in den Schuhschrank. Die Beine weiterhin von der Strumpfhose bedeckt, folgte er ihr ins Wohnzimmer. Der Wohnzimmertisch war für drei gedeckt. Ein Teller belegter Brote lud zum Speisen ein. Bärbel fiel schnaufend auf das Sofa und deutete auf das Abendbrot. „Iss erst einmal etwas.“
_Toni nahm neben ihr Platz, leckte die Lippen, griff nach einem belegten Brot.
Sie faste an sein Oberteil, „Dass du diesen Rock und diese Bluse kaufen musstest, von den Pumps ganz zu schweigen.“
„Ich habe die Sachen ...“, er kaute mit offenem Mund, „mir nicht gekauft“, dabei kippten ihm Krümel über die Lippen.
Bärbel reichte ihm einen Teller. „Iss anständig!“ Sie stieß an seinen Oberschenkel. „Mit Rock lümmelt man sich nicht herum.“
_Die Mundwinkel gesenkt nahm er den Teller entgegen, hob die Füße auf das Sofa, wie es die Schwester vollführte.
Er schluckte den letzten Bissen herunter. „Ich habe mir die Sachen nicht gekauft.“
„Egal. Du oder Tanja!“ Sie erhob ihre Arme. „Dass das klar ist“, befahl sie, dabei drohte sie. „Mit eurer Wette, das wird nichts“.
_Sie hatte ihm das bei der Ankunft bereits dreizehn Mal vorgebetet. Sein Entschluss stand fest. Möglicherweise würde er es schaffen, dass seine Schwester den Verkauf ihres Bootes verschob. Dann konnte er ein neues Spiel mit ihr beginnen.
„Der heutige Tag hat mir gereicht. Trotzdem haben wir die Sachen nicht gekauft.“
„Es freut mich“, stimmte sie an und nahm lächelnd ihn bei der Hand, „dass du einsichtig bist.“ Die Augen verkniffen, die Mundwinkel hängend, schlug sie ihre Faust auf dem Sofa. „Aber bitte lüge nicht. Tanja hat es mir gebeichtet, dass du ihre Sachen beim Mittagessen verdreckt hast.“
_Bekleckert! Es war ein kleiner Fleck auf dem Top gewesen.
„Aber!“ Bärbel drohte erneut. „Dass du unbedingt die Plünnen wolltest, obwohl die Tanja einen schlichten Rock ausgewählt hatte. Du dann auf diese Pumps bestehen musstest, und jetzt die Chuzpe besitzt zu lügen. Nein! Wetten sind des Teufels.“ Sie wandte sich von ihm ab.
_Er zupfte an seinem Ohrläppchen. Ihm war es absolut schleierhaft, auf was sie hinauswollte. Okay, es war nicht normal, dass er im Rock neben dem Admiral auf dem Sofa saß. Jedoch war es eine Wette gewesen und er hatte keine Lust, sich noch umzuziehen.
„Ich habe die Klamotten von Tami.“
Sie verschränkte die Armen unter ihrer ausladenden Brust, kniff ihre Augen zusammen. „Welchem Lami?“
Toni zuckte mit den Schultern. „Der Verkäuferin aus der Boutique.“
„Klar“ Bärbel schlug sich auf die Stirn. „Die hat sie dir verkauft.“ Sie lehnte ihren Oberkörper vor. „Ist ihr Beruf.“
Er schlug auf seine Knie. „Nein! Wir haben unsere Kleider getauscht.“
_Wieder verknäulte Bärbel ihre Arme, senkte ihren Kopf, sodass sich ihr Hals zu einem Doppelkinn formte. „Das Mädchen möchte ich sehen“, presste sie über die Lippen, tippte sogleich an ihre Schläfe, „welches freiwillig einen alten verdreckten Rock gegen diesen neuen“, sie betastete den Stoff, „Teuren tauscht. Der kostet doch mindestens …“
„Du hast sie vorhin umgestoßen.“ Toni fuchtelte mit den Armen. „Als sie das Kleid und meine Klamotten brachte.“
Bärbel griff in ihr Haar, kratzte ihre Kopfhaut. „Wo?“
Er deutete zur Zimmertür. „Unten an der Haustür, als du Tanja hinterhergelaufen bist, um ihr ihre Handtasche zu bringen.“
„Es ist genug!“ Sie donnerte ihre Faust auf den Tisch. „Erstens wir sind alle drei zusammen heruntergegangen, zweitens das Kleid lag im Kofferraum, dieses habe ich gesehen, der Taxifahrer hatte es sicherlich abgeholt. Ich habe es selbst zur Seite gelegt, als ich Tanjas Taschen in den Wagen hievte. Und drittens, außer uns und dem Fahrer war niemand auf der Straße.“
_Toni schüttelte den Kopf. Was erzählte seine Tante, oder war er verrückt geworden? Er besaß einen Beweis.

_Er sprang auf, rannte in den Flur. Dort lag der Nachweis, unberührt, wie er ihn hingeworfen hatte.
_Die Lippen zu einem breiten Grinsen verformt, schwenkte er die Tasche vor seinem Oberkörper. „In diesem Beutel sind meine Sachen, die ich heute Morgen angezogen habe und die mir Tami vorhin mitgebracht hat.“
„Kind!“ Bärbel schüttelte den Kopf. „Deine Tante wird langsam vergesslich.“ Sie lachte.
Tonis Grinsen verformte sich zu einem erleichternden Lachen.
„Deine Sachen hat Tanja gleich, nachdem ihr gekommen seid, in die Waschmaschine gesteckt.“ Sie erhob sich, schritt auf ihn zu. „Ich war, am Vormittag schwimmen.“
_Bärbel entnahm der Tasche ein Handtuch, einen Badeanzug und ein Paar Badeschuhe.



Bevor der Morgen graut.

_Eine Frau stand vor einem Küchenfenster, sah in die Nacht, als erwartete sie den Morgen. „Was schleichst du hier herum? Wolltest du nicht längst fort sein“, zischte sie mit gedeckter Stimme durch das Halbdunkel.
„Mutter, ich wollte mit dir noch einmal reden.“
„Du sollst mich nicht Mutter nennen, wenn das jemand hört. Es gibt nichts zu bereden. Es geschah alles zu deinem Wohl.“
„Aber?“
Sie griff in ihr angegrautes Haar. „Ich hätte dich nicht hereinlassen dürfen. Wie du ausschaust. Wie eine Hure!“
„Aus deinem Mund klingt das wie Hohn.“
„Und höre auf, deine Schwester zu verführen. Reicht es nicht, dass meine beste Freundin sie auf Abwegen bringt. Geh! Wenn der Morgen graut, solltest du verschwunden sein.“
_Sie ging ohne ein Wort des Abschiedes. Die ältere Frau brach vor dem Fenster zusammen, versengte ihren Kopf zwischen ihre Knie und weinte.



Besuch

_Zaghafte Sonnenstrahlen durchschnitten die morgendliche Atmosphäre. Vögel zwitscherten auf den alten Linden, die die Straße begrenzten, die den vereinzelten Kraftfahrzeugen ihren Weg markierten. Ein Webervogel, fremd in dieser Welt, flatterte durch die Luft eines Hinterhofes. Er landete auf einem Sims, lugte durch das spaltbreit geöffnetes Küchenfenster und betrachtete den Rücken einer Dame im weißen Morgenmantel.
_Die Person saß allein mit einer Kaffeetasse auf einem Schemel. Mit fahrigem Griff durchwühlte sie vor ihr auf einem Tisch liegende Dokumente. Sie trank einen Schluck, stellte das Gefäß ab, ergriff hierauf ein Telefon.
_Nachdem ihr Gesprächspartner den Anruf entgegengenommen hatte, fuhr sie sich durch die Haare und schnarrte, wie der Kapitän eines Zerstörers vor der entscheiden Schlacht: „Ich bin es!“
_Ihren Körper vorgebeugt, ergriff sie die Papiere, hielt diese an den Hörer, als könne die Person am Ende der Leitung die Unterlagen sehen. Woraufhin sie dieses, ohne ein Wort gesprochen zu haben, zurück auf den Küchentisch warf.
„Du willst mich erpressen? Dann liegst du falsch!“
„Ich kann anders …“ Sie hielt den Hörer weiter vom Ohr. „Ja … ich weiß genug über dich …“ Sie klopfte mit dem Finger auf den Tisch. „Beweise … das wirst du sehen“,
_Ihre Faust schlug auf die Tischplatte ein, sodass Kaffee aus dem Becher schwappte, dieser die Dokumente benetzte und sie zeterte: „Du kannst schreien, soviel du willst!“, dabei rieb sie mit dem Ärmel ihres Morgenmantels durch das Malheur.
„Ich werde ihm nichts antun …“ Sie betrachtete den befleckten Stoff, schrie, wobei sie ihr Gesicht der Spüle zuwandte: „Quälen? Ich quäle es nicht! … Bestimmung? Nenne es Bestimmung. Noch mal, wenn du etwas machst …“
Sie legte den Hörer zur Seite, streckte ihren Arm, erfasste ein Geschirrtuch. Das Tuch zwischen ihren Fingern nahm sie das Telefon erneut auf, klemmte es unter ihr Kinn. Sie zerrieb den Fleck. Gleichzeitig lauschte sie mit einem Grinsen.
„Mein rotes Negligé“, sie zupfe an ihren Fingernägeln und legte ihren rechten Fuß auf ihr Knie. „Sonst nichts! Du bist heute ein Schlimmer. Macht dich das an?“
Die Frau griff nach einer Nagelschere.
„Oh, mein Finger ist schon ganz dicht dran.“ Die Schere an den Nagel ihres großen Zehs angesetzt, stöhnte sie eher, als dass sie sprach: „Das macht Spaß. Den Rest gibt es, wenn wir uns sehen.“

_Sie klopfte mit der Faust auf den Tisch. Diesmal ergriff sie ihr Smartphone und streifte ihr Haar zurück. „Tanja, wir müssen uns Gedanken machen … warum?“ Bärbel schnappte eines der Dokumente. „Er hat mir eine Kopie der Geburtsurkunde und des Testaments zugesteckt.“
„Wir müssen etwas tun.“ Sie strich über ihr Bein, zupfte ein Haar aus ihrer Haut. „Sonst nimmt er die Sache in die Hand. Ich weiß nicht, was er davon hat.“
Einen weiteren Stoppel rupfte sie aus ihrer Haut. „Ich habe ihm nichts verraten. Nein, ich sage dir nicht, wer er ist. Spaß habe ich, dies ist alles. Ich mache dir auch keine Vorhaltungen, mit wem du in die Kiste springst.“
_Mit einem Ruck zog sie ihr Bein vom Stuhl, richtete sich, streckte sich und schrie „Du musst dich opfern? Ich weiß nicht, was du meinst. Ich habe dir gestern gesagt, dass ich auf dem Holzweg war. Du meinst, er will einen Anteil. Kann sein. Jedenfalls Vorsicht ist geboten.“
_Bärbel nahm eine Scheibe Brot von einem Teller, der neben der Kaffeetasse ruhte. Kauend sagte sie: „Die Leberwurst, die du mitgebracht hast, ist echt lecker“. Sie biss ein weiteres Stück ab. „Die hast du nicht mitgebracht?“ Sie ergriff das Glas, versuchte, die Aufschrift zu entziffern. „Vielleicht habe ich mich beim Einkaufen vergriffen. Wir telefonieren später wieder.“
_Bärbel schnappte sich die Papiere, nahm ein Feuerzeug zur Hand und die Unterlagen fingen über der Spüle Feuer; gingen in Flammen auf.

_Der Vogel hatte genügend gesehen. Er spreizte seine Flügel und hob ab. Er kreiste vergnügt durch sein Element, schätze die Entfernung zur Hauswand falsch ein und knallte gegen eine Scheibe.



Nur ein Traum?

_Das Geräusch eines dumpfen Schlages preschte durch das Kinderzimmer.
Er fuhr hoch. „Toni“, vernahm er augenblicklich Bärbels Stimme: „Aufstehen!“
_Er gähnte, reckte und streckte sich, hievte ein Bein aus dem Bett. Die Augen wieder halb geschlossen schlurfte er aus dem Zimmer direkt ins Bad.
„Wo bleibst du denn?“, rief Bärbel.
Er hob die rechte Hand an seinen Mund, gähnte und murmelte: „Ich beeile mich ja!“
_Aus dem morgendlichen Duschen geriet eine Katzenwäsche am Waschbecken. Er schleppte seinen Körper wieder in sein Zimmer. Seine Schultern hängend, zog er den Schlafanzug aus. Kroch in frische Unterwäsche, schlüpfte als Nächstes in seinem Jogginganzug.
_In der Küche angekommen, drückte ihm Bärbel einen Wäschekorb in an den Bauch und meckerte: „Du weißt, dass ich sonntags keine Wäsche aufhänge. Bedanke dich bei deiner Schwester.“
_Er schüttelte den Kopf, nickte daraufhin ihr zu und unterwarf sich seinem Schicksal.

_Den Korb gegriffen schlüpfte Toni in seine Pantoffeln, verließ die Wohnung, schleppte sich, kaum dazu in der Lage seine Füße zu heben, durch das Treppenhaus. Er öffnete die Tür zum Hof.
_Ein ihm fremder, unbekannter Vogel hüpfte hilflos über das steinerne Pflaster. Toni stellte den Wäschekorb ab, pirschte sich an ihn heran. Zu seinem Befremden blieb dieser sitzen. Er nahm ihn behutsam auf.
_Sein Blick schwenkte zum Himmel, an der Hauswand entlang, bis die Augen das spärliche Blumenbeet entdeckten, indem die Hausbewohner versuchten, das eine oder andere Kräutlein zu kultivieren. Der Vogel piepste, nachdem er ihn auf der Erde entlassen hatte, als würde er sich bei ihm bedanken.

_Er nahm den Korb wieder auf, schritt ins Hinterhaus zum Trockenraum.
_Ein Kleidungsstück nach dem anderen warf er über die Leine, bis er einen Jeansrock in den Händen hielt.
_Bis zu diesem Moment dachte er, dass alles ein Traum gewesen war. Er schüttelte den Kopf, als könne er, damit die Gedächtnisstücke sortierten. Die Bilder klärten sich. Die Maskerade, der Einkaufsbummel, der Besuch im Brautmodengeschäft, jedes Detail lag klar vor ihm.
_Pein keimte in ihm auf. Die Schärfe der Erlebnisse nahm ab. Er sah Tami mit ihrem Fahrrad, seine Schwester, die mit dem Taxi davonfuhr. Später nebelhaft die Bademode des Admirals, die aus einem Stoffbeutel sprang, in jenem er diesen Rock, den er mit einer Hand umklammerte, erwartet hatte.
_Die Gedanken wurden abstrus. Anstatt das Missverständnis aufzuklären, in den Flur zu rennen, den richtigen Beutel zu suchen, oder zumindest in Bärbels Badezimmer zu laufen, um den Inhalt der Waschmaschine zu kontrollieren, wandelte er zurück zum Sofa. Seine Tante schaltete den Fernseher ein. Sie glotzte eine Liebesschnulze. In diesem Augenblick hätte er normalerweise fluchtartig das Zimmer verlassen. Jedoch er blieb.
_Er fühlte sich geborgen. Bärbel holte ihr Strickzeug hervor, wie sie es immer bei den Fernsehsendungen unternahm. Er? Er fragte sie, ob sie ihm Stricken beibringen könne. Sie freute sich über seine Bitte. Bei der Handarbeit aß er Leberwurstbrot. Dabei hasste er diese.
_Der Film fand sein Ende. Er schlich zu Bett. Bevor er in seine Koje stieg, kam Bärbel in sein Zimmer, gab ihm ein Nachthemd, das er, wie ein braves Mädchen, ohne zu murren, überzog. Schöne Träume hatte Bärbel ihm gewünscht.
_Eins wusste er, der letzte Teil war eine Illusion gewesen. Er hatte am Morgen einen Schlafanzug auf seinen Körper getragen.
Er hing die restlichen Stücke auf. Seine Hand am Nacken lief er über den Hof, hechtete die Treppe herauf. Außer Atem stand er vor Bärbel, die den Tisch deckte.

_Er beugte sich mit offenem Mund vor. „Was war gestern?“
Bärbel grinste zuerst, dann verfinsterte sich ihre Mimik. „Ich dachte, die Sache hätten wir abgehakt.“
Er zuckte mit den Schultern, zupfte an seinem Ohrläppchen. „Sache?“
Sie streckte ihre Hände zur Decke. „Diese Wette um Tanjas Boot.“
„Ja, klar. Finde ich doof“, flüsterte er, senkte den Kopf, „Aber dann?“ Er starrte mit weit geöffneten Augen auf ihren Hinterkopf.
„Wie dann?“, fragte sie nach, ohne ihn anzusehen, dafür berührte sie seinen Stuhl „Setz dich hin! Frühstücke, dann ziehe dir etwas Anständiges über.“ Sie ergriff ein Küchenmesser. „Wir wollen nicht zu spät zur Messe.“
_Toni setzte sich, schnappte nach einem Marmeladenbrötchen und biss hinein. „Ich meine als ich“, nuschelte er und malte Bilder mit dem Finger auf die Tischdecke. „Zu Hause war?“
„Iss fertig, bevor du mit mir sprichst!“, antwortete sie und goss ihm Kakao ein.
„Am Abend“, er wirkte alles, was er im Mund hatte, herunter, „war da etwas besonders?“ Das Gesicht gerötet, schnappte er nach Luft.
Bärbel nahm auf ihrem Stuhl Platz, goss Kaffee in ihre Tasse.
„Ja“, schmunzelte sie. „Ich sollte dir Stricken beibringen“.
Er stütze sich auf den linken Unterarmen auf. „Sonst?“
Sie verdrehte ihre Augen. „Das Übliche.“
„Wie das Übliche?“, murmelte er, legte die rechte Hand auf die Seite, sodass Marmelade von seinem Brötchen auf die Tischdecke tropfte.
„Das meine ich!“ Sie wies auf die Flecken. „Du kannst nicht essen.“ Sie fuhr mit einem Tuch über den Tisch. „Den neuen weißen Rock hast du mit Frischkäse voll gekleckert.“
„Den weißen Rock?“ Er riss seine Augen weit auf. „War es nicht ein Rotbrauner und Leberwurst?“, entgegnete er, legte das Brötchen zurück auf den Teller.
„Seit wann magst du Leberwurst!“ Sie fuhr ihm durch die Haare, „Soll ich dir eins damit schmieren?“
„Nein Danke.“ Er wiegelte ab und verzog angewidert sein Gesicht. „War noch irgendetwas?“
Bärbel schnappte sich eine Scheibe Brot und hämmerte Butter auf das wehrlose Stück.
„Was fragst du denn so viel? Du warst doch dabei!“
Mit einem Dackelblick schaute er sie an.
„Ja. Habe ich doch gerade gesagt, dass du deinen schönen neuen Rock gleich eingeweiht hast“, wetterte sie.
Eine Fontäne Kakao spritze ihm aus dem Mund.
„Toni benimm dich. Sonst muss ich mir das noch mal überlegen!“
„Was?“, fragte er mit bleicher Mine.
Bärbel winkte ab.
Sie klopfte auf seine Hand. „Dass du dich fraulicher kleiden willst, ist …“
Er schluckte. „Wie?“
„Was sollte ich … Iss anständig.“

_Toni verstand ihre Worte nicht. In seinen schlimmsten Albträumen wäre er nicht auf diesen Gedanken gekommen. Er berührte ihre Hand, dabei verzog er sein Gesicht, wie bei einem Biss in eine Zitrone und murmelte: „Tante, das war nur Spaß.“ Er versuchte, die Lage zu retten.
„Ich wollte dich nur auf die Schippe nehmen.“
Sie strich über seine Wange.
„Das habe ich mir gedacht. Du bist dafür noch zu jung!“
_Er sank in sich zusammen.

_Nachdem er aufgegessen hatte, lief er in sein Zimmer, um sich für die Kirche umzuziehen. Bärbel erschien lächelnd seiner Zimmertür.
„Soll ich dir etwas Schickeres für die Messe bringen, eventuell ein Röckchen und eine Strumpfhose von Tanja?“
_Er stand mit einem Bein in seiner Hose, stierte auf die Socke, die halb über dem Fuß baumelte und zirpte: „Nein danke. Außerdem hat sie gar keine mehr?“
_Sie stützte ihre Hände auf ihre Taille ab, kniff dabei ihre Augenbrauen zusammen. „Einen Rock finde ich bestimmt, aber woher weißt du? Ziehst du sie heimlich an?“
_Sein Bein blieb im Hosenbein stecken. „Tante“, presste er über die Lippen. „Tanja hat gestern mit dir geschimpft, dass du ihre Strumpfhosen aufbrauchst. Hast du das vergessen.“
„Senil bin ich noch nicht. Erstens werden sie aufgetragen, oder gehen kaputt und zweitens kann ich die Dinger nicht leiden. Hast du mich je …“, verblassten ihre Worte, während sie über den Flur verschwand.

_Irgendetwas stimmte nicht, entweder war der gestrige Tag zu viel für ihn gewesen, oder die Tante hatte ein Problem. Beides machte ihm Sorgen, sodass er sich vornahm, im Anschluss der Messe Tanja anzurufen, um sich Klarheit zu verschaffen.



Umnachtung

_„Tanja, bist du gut angekommen? … Ja, mir geht es auch gut! Ich habe da eine Frage zum gestrigen Tag“, flüsterte Toni ins Telefon.
_Sie berichtete. Ihre Aussage deckte sich mit seinem Gedächtnis, sogar den Streit mit Bärbel ließ sie nicht unerwähnt. Sie lachte und fand, dass sie eine derartige Einkaufstour irgendwann einmal wiederholen müssten. Er lehnte dankend ab.
_Toni wusste nicht, weshalb er die Frage stellte, seine Gefühle führten ihn.
„Tanja.“ Er zupfte sich am Ohrläppchen. „Weißt du noch, was die Tami getragen hat?“
_Er erfuhr von ihr, dass sie sicherlich mit Jeans, T-Shirt und Turnschuh bekleidet war. Was ein Mädchen in ihrem Alter so trüge, glaubte sie, sich zu erinnern, da sie sich mehr auf die schönen Kleider konzentriert hätte.
_Sein Herz klopfte, sein Puls raste, daher stocherte er nach: „Keinen rotbraunen Rock, keine Bluse?“
_Verblüfft der Frage, gab sie ihm zu verstehen, er meine bestimmt das lehmbraune Kleid mit dem Plisseerock, das ihm so gut gefallen hätte. Er korrigierte sie, dass es einen Spitzenrock besaß.
Er kam nicht weiter, daher frage er direkt: „Habe ich Tamis Sachen angezogen?“
_Die Antwort, die seine Schwester ihm gab, befriedigte ihn nicht. Er müsse es besser wissen. Tanja überschüttete ihn nur mit Vorhaltungen, dass er die Pumps, die Olga ihm zur Anprobe gegeben hatte, anbehalten und dadurch sich fast ums Leben gebracht hätte.

_Was war ein Traum? Was war echt? Er vertraute ihr. Ihre Aussage deckte sich mit Bärbels Bericht. Angst kam in ihm auf. Veränderte das Tragen von Frauenklamotten sein Bewusstsein? Sein Urteil stand endgültig fest. Tanja hatte die Wette gewonnen.
_Sie quittierte den Entschluss mit einer Genugtuung, bei der er, wäre es eine andere Situation gewesen, diese revidiert hätte. Bevor er das Telefonat beendete, fragte sie ihn, ob Tami zwischenzeitlich die Quittung, welche sie nach ihrer Aussage, am Abend vergessen hatte, vorbeigebracht hätte.
„Nein. Sie kommt morgen vorbei“, beendigte er das Gespräch mit einem Gefühl, dass einer der beiden Frauen in foppte, austrickste, oder gar geistig umnachtet war. Nur wer, war ihm nicht klar, und warum weitaus weniger.



Die Verführung

_Er schleuderte den Füller auf seinen Schreibtisch, griff in sein Haar, schlug sogleich seine Stirn auf das Arbeitsblatt.
_Nie hatte er Probleme gehabt, einen Hausaufsatz zu verfassen, jedoch dieses Thema zerbrach ihm den Verstand.
„Mein schrecklichstes Wochenenderlebnis“, las er.
Nach dem Wochenende hätte Toni hundert Seiten vollschreiben können. Keine Frage für ihn, eine Eins zu bekommen. Er sah sich vor der Klasse stehen, die Lehrerin begeistert, die Mitschüler sodann grölend und johlend.
_Das Schellen der Türglocke befreite ihn aus seinen Gedanken.

_„Tami!“
Obwohl er sich nach ihr sehnte, hatte er sie vergessen. Ihr Lächeln, ihre natürliche Art, die sie ausstrahlte, faszinierte ihn. Da stand sie vor ihm wie am Samstagabend in Jeans, T-Shirt und Turnschuh.
Sie wedelte mit einem Zettel vor seinem Gesicht. „Hier dein Kassenzettel.“
„Komm rein!“, zischte er, wie Humphrey Bogart.
Verblüfft über die eigene Reaktion, stolzierte er wieder in sein Zimmer. Bei jedem anderen Mädchen hätte er gestottert, es angegafft. Blödsinn! Wie sollte er das wissen? Es war nie jemand bei ihm zu Besuch. Abgesehen von einem Kind, das vor Jahren in der Nachbarschaft gewohnt hatte. Tami schlüpfte aus ihren Schuhen und schlich ihm in sein Reich her hinter.

_Toni setzte sich auf sein Bett, beobachtete sie. Er hatte ihr eine Menge zu sagen, trotzdem blieb er stumm. Sein Blick auf sie fixiert, folgte er ihr. Tami streifte mit ihrem Zeigefinger über seine Bücher, die alphabetisch sortiert auf dem Regal standen. Sie betrachtete die Urkunden an der Wand, die er bei mathematischen Wettkämpfen errungen hatte. Nahm einen Segelpokal von dem Siteboard, las die Aufschrift, stellte ihn zurück. Sie öffnete sogar seinen Kleiderschrank, musterte dessen Inhalt. Und er? Er sah sie an. Stumm.
„Schnucklig dein Zimmer. Aber …“, durchbrach ihre Stimme die Stille.
Er zupfte an seinem Ohrläppchen und stammelte: „Wie aber? Cola?“
Sie nickte. „Danke.“ Dann wanderte ihre Hand durch den Raum und sie hauchte: „Wenig mädchenhaft. Ich hatte mir dein Zimmer anders vorgestellt“. Sie hüpfte an die Wand neben dem Schreibtisch. „Rosa Tapete mit Blumenbildern.“ Ihre Fingerkuppen strichen über die weiße Raufasertapete, „Poster“, sie spreizte ihre Arme ab, „von Boybands“. Die Augen weit geöffnet, schritt sie an das Fenster. „Seidige Gardinen.“ Sie verdeckte ihr Gesicht hinter den Leinenvorhängen. „An denen rosa Schleifen baumeln. Ein Bett voller Kuscheltiere.“
Tami wirbelte um ihre Achse auf die Pokale zu.
„Auszeichnungen vom Ballett oder Bodenturnen“, überschlug sich ihre Stimme. Sie wandte sich ihm zu und verschränkte die Arme. „So stelle ich mir ein Mädchenzimmer vor.“
_Toni musterte sie. Wie kam sie ausgerechnet auf Bodenturnen? Kannte er sie vom Sport?

_Er ging zu der Zeit in den Kindergarten. Der Kinderarzt meinte, Bewegung täte ihm gut. Gymnastik würde seine Körperhaltung stärken. Zuerst war er eifrig. Es machte ihm sogar Spaß. Die Freude verflog, nachdem die Trainerin ihm bildhaft nahegebracht hatte, wie talentfrei er seinen Körper bewegte.
„Ich bin doch kein Mädchen“, schoss es ihm über die Lippen, nicht wissend, ob er seine damalige Lehrerin oder Tami zurief.
Sie verdeckte ihren Mund, kicherte. „Als Junge gefällst du mir auch …“
_Dann schnappte sie sich ein Modellschiff von der Fensterbank. Mit einem Finger stupste sie eine Tänzerin an, die wie eine Galionsfigur am Bug des Windjammers posierte, nur dass sie nicht vorn am Schiff befestigt, sondern, aus den Planken erblühte.
„Was ist das?“
Toni sprang auf. „Das habe ich von meinem Großvater geerbt.“ Er riss ihr das Modell aus der Hand. „Er hat es gebaut.“
Behutsam stellte er das Boot wieder auf die Fensterbank.
Sie bluffte ihn an: „Hey, brauchst nicht gleich zu flennen oder bist’s doch ein Mädchen? Wo bleibt meine Cola?“
Er kehrte ihr den Rücken zu. „Nein!“

_Tami lümmelte auf seinem Bett, blätterte in seinem Krimi Das blutige Messer, als er wieder in sein Zimmer trat.
„Aufregend?“
Er zuckte mit den Schultern und reichte ihr die Cola. „Ja. Kannst dir’s gern ausleihen. Ich kenne es auswendig.“
Sie legte die Lektüre auf die Bettdecke. „Cola-Light?“
„Nein. Koffeinfrei“
Tami stellte das Cola auf dem Nachttisch ab und klopfte auf das Bett. „Komm! Erzähl mir von dir.“

_Es sprudelte aus ihm heraus. Den ganzen Tag, den er erlebt hatte, legte er ihr zu ihren Füßen. Sie wortlos, nur mit vereinzeltem Glucksen, ohne seine Worte ins Lächerliche zu ziehen, eher unterstützend, mitfühlend.
_Er erzählte ihr nicht die gesamte Geschichte, denn er wusste selbst nicht, was Traum oder Realität gewesen war.
_Seine Mutter, log er sie an, hätte ihn gebeten, ihn gezwungen, das Kleid anzuziehen. Nicht für ihn. Für ihre zukünftige Schwägerin, die allein in einem Internat lebte. Für sie hatte er sich geopfert. Deswegen war es für Tanja wichtig gewesen, am selben Tag das Kleid mitzunehmen. Denn, unterstrich er, nur so hatten sie in Bayern die Chance, nötige Korrekturen, rechtzeitig fertigzustellen.
Tami ergriff seine Hand. „Ich finde das nicht schlimm.“
„Was?“
„Wenn ein Junge einen Rock trägt. In dem Kleid sahst du richtig süß aus. Wie ein richtiges Mädchen.“ Er zuckte zurück. „Ich habe aber gleich bemerkt, dass du keins bist. Weist Frauen verhalten sich anders, außerdem welch ein Mädchen trägt schon“, sie kicherte, „Jungenunterhosen.“
_Er wollte sie wiedersehen, mehr Zeit mit ihr verbringen. Bei ihr sein.
Die Lippen verschlossen, schrie ihn sein Herz an. Zeig ihr, dass du ein echter Junge bist, gib ihr einen Kuss.
_Er traute sich nicht, geküsst hatte er nie ein Mädchen. Die Angst, sie könnte weglaufen, ihn verdammen, hielt ihn davon ab.

_Still wanderte Tamis Blick durch das Zimmer, verweilte auf einem Foto, welches neben ihrer unberührten Cola stand.
Sie erfasste den Bilderrahmen. „Wer ist das auf dem Bild?“
„Meine Großmutter und mein Großvater in Malaysia“, log er mit gesenktem Haupt, „als sie sich kennengelernt haben.“
Tami legte ihre Hand auf sein Bein. „Vermisst du sie?“
„Weiß nicht?“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich habe nie ihre Bekanntschaft gemacht.“
Die Schultern gesenkt, sah Tami zu Boden. „Ich kann dich verstehen.“
Er sprang auf und baute sich vor ihr auf. „Ich kann dir ja Nachhilfe in Mathematik geben?“
Sie kniff ein Auge zu. „Wie?“
Toni klatschte in die Hände, schwang seine Schulter auf, sodann ab und grinste. „Du hast mir am Samstag gesagt, dass du in diesem Fach die meisten Probleme hast.“
„Du willst mir helfen?“
„Ja!“
„Dann“, sie zwinkert ihm zu, „Zeige ich dir, wie sich ein Mädchen benimmt.“
_Ein Schauer rann über seinen Rücken. Hatte sie seine Lüge durchschaut, oder machte sie sich einfach nur über ihn lustig. Wenn er kniff, war er eine Flasche, ein Schlappschwanz, wenn er zustimmte, … er war Torben Raubein, der berüchtigtste Pirat auf allen Weltmeeren, ohne Furcht sah er dem Tode direkt ins Auge.
_Dabei war es das Letzte, nachdem er sich zurzeit gesonnen hätte. Vor Kurzem hatte er noch die Wette abgesagt, und nun? Tami konnte dieser nicht wissen. Jedoch, wenn es ihm damit gelang, sie wiederzusehen, eventuell sogar ihr Freundschaft zu gewinnen, dann? Was hatte er zu verlieren?
„Gut! Aber …“
„Keine Angst, ich schweige wie ein Grab.“

_Toni verschränkte die Arme vor der Brust. „Was macht ihr in Mathematik?“
Sie antwortete nicht, dafür ging sie zu seinem Kleiderschrank, öffnete diesen, schnappte sich den Jeansrock, den er bei jenem Einkaufsbummel getragen hatte und befahl: „Zieh über!“
_In diesem Moment hätte er den Admiral erwürgen können. Was fiel ihr ein? Dabei hatte er ihr erklärt, dass ein Pirat keine Röcke trug, und so, da war er sich sicher, würde, sollte es bleiben.
_Sein Blut schoss ihn in seine Wangen, als er sich von ihr abwandte, seine Jogginghose abstreifte, um sodann in den Rock zu steigen. Zeigen, zeigen wollte er sich ihr nicht. Sich nicht ein weiteres Mal der Pein unterziehen, die er in der Umkleidekabine durchlebt hatte. Obwohl, wie sie ihm berichtet hatte, zumindest in diesem Fall noch einmal alles gut für ihn ausgegangen war.
_Tami setzte sich zwischenzeitig an seinen Schreibtisch.
„Was macht ihr in Mathe?“, wiederholte er.
Die Augenbrauen zusammengezogen, blickte sie ihn an, strich über den Tisch und stotterte: „Die Sache mit den Zahlen?“ Sie blinzelte. „Und du, steh nicht herum wie ein Bauer. Knie zusammen.“
_Toni kratzte sich am Genick. Verwirrte sie sein Dasein, ein Umstand, der ihm schmeichelte. Oder, war ihre Leistung derart miserabel? Dann würde die Nachhilfe ihm viel Zeit kosten. Eine Option, die ihm gefiel. Er ging zu dem Bücherregal.
„Schreiten, nicht stampfen“, hörte er ihre Stimme.
Unbeeindruckt von ihrer Anweisung schnappte er sein Lehrbuch der siebten Klasse, schritt zurück und legte es Tami vor die Nase.
_Auf den Einband klopfend flüsterte er, wie ein Ganove, der von seinen Kumpanen die Lage erkundete: „Zeig mir, wo ihr seid?“
Sie durchstöberte das Buch, bis sie mit ihrem Zeigefinger auf eine Seite tippte.
„Prozentrechnung!“, jubilierte Toni.
_Er holte einen Schreibblock und einen Bleistift hervor, kreuzte Aufgaben in dem Schulbuch an, forderte sie sogleich auf, diese zu lösen.
_Sie erledigte ihre Arbeit ohne Murren. Dabei schritt er wie ein Lehrer mit auf dem Rücken gelegten Armen auf und ab.
„Alles korrekt!“, stellte es verblüfft fest.

_Tami schleuderte den Stift durchs Zimmer. „Das ist es doch“, sie schluchzte, „zu Hause kann ich alles. Nur im Test …“
Er strich ihr über ihr zum Pferdeschwanz gebundenes Haar. Gerne hätte er sie in den Arm genommen, sie getröstete.
„Wenn mich die Neuntöter …“ Sie hielt ihren Mund zu.
Toni zog seinen Kopf zurück. „Ist was?“
„Ich habe mir auf die Zunge gebissen“, nuschelte sie zwischen ihren gepressten Lippen hindurch.
Er zupfte sich am Ohrläppchen. „Du sagtest Neuntöter. Frau Neuntöter?“
Tami nahm ihre Hand vom Mund. „Ja.“ Sie verdrehte die Augen. „Frau Neuntöter ist meine Lehrerin. Und?“
„Ich kenne Frau Neuntöter. Sie ist eine nette Lehrerin. Hat an unserer Schule unterrichtet“, murmelte er, tippte an seine Nase und murmelte: „Die ist jetzt bei euch?“
„Ja! Na und?“ Sie kehrte ihm den Rücken zu. „Die ist doof! Hat immer ihre Lieblingsschüler und die anderen?“
Er versuchte, ihren Blick zu erhaschen. „Das glaube ich nicht. Die ist voll in Ordnung. Wenn du willst“, er legte die Hand auf ihr Schulterblatt, „dann spreche ich mit ihr? Ich weiß, wo sie wohnt.“
Mit schmalen Augen glotzte Tami ihn über die Schulter an. „Untersteh dich! Klaro!“, zischte sie, wobei sie ihre Armen verschränkte. „Ich muss los.“
_Er schaute sie an. War es das? Würde er sie nie wiedersehen?

_Toni flüsterte: „Wann treffen wir uns?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wie? Warum?“
Er legte seine Finger um ihren Unterarm. „Ich kann dir helfen, ohne zur Neuntöter zu rennen.“
Tami trommelte mit einem Zeigefinger auf ihren Mund. „Donnerstag Nachmittag“ Sie sah sich um. „Bei dir?“
Er senkte den Blick.„Geht nicht. Am Donnerstag fahre ich nach Bayern. Du weißt, zur Hochzeit. Wie wäre es mit nächstem Dienstagvormittag?“
Diesmal trommelte sie mit zwei Fingern auf ihren Lippen und murmelte: „Vormittag, da haben wir Schule.“
Er tippte an seine Schläfe. „Hey. Am Dienstag sind noch Ferien. Pfingstferien!“
Sie stand auf, spurtete in die Diele und schlüpfte in ihre Schuhe. „Gut! Abgemacht. Jetzt muss ich aber düsen.“
_Toni hatte gerade die Wohnungstür hinter Tami geschlossen, da hörte er das Klacken des Schlosses.
Bevor er in sein Zimmer flüchten konnte, stand Bärbel in der Diele. „Toni, setzt du bitte Teewasser auf, ich bin fix und fertig!“



Klar Schiff!

_Die restliche Woche dachte Torben unentwegt an Tami. Die Gedanken an sie halfen ihm, diese Zeit zu überstehen. Die blöden Blicke von Sonja zu ertragen, die ihn in der Schule angestarrt hatte, als hätte sie ihn an dem verfluchten Samstag erkannt. Außerdem fand er keine Muße mehr zum Lesen, da Bärbel ihm dämliche Arbeiten auferlegte.

_Sie hatten Tanjas Zimmer ausgeräumt. Was ging ihm die Sachen von seiner Schwester an? Sollte sie herkommen, es selbst erledigen! Stundenlang sortierten sie ihre Klamotten. Was sie alles besaß? Ein Warenhaus hatte kaum geringere Auswahl.
_Kisten mit Kleidern, die, nach Bärbels Aussage, Tanja behalten wollte, andere mit Stücken, die für einen guten Zweck bestimmt waren und welche, deren Inhalt zur Altkleidersammlung bestimmt war, standen in ihrem Zimmer. Kartons mit Spielzeug, Puppen und Kuscheltieren für einen Kindergarten, getrennt von den Andenken, die seine Schwester liebte. Acht Wäschekörbe mit Müll, darunter Tanjas Fundus von Kosmetika und Schminkutensilien, die Bärbel, mit spitzen Fingern, bewusst in die Behälter warf. Ferner ein Karton, den Bärbel für ihn reservierte hatte. Mit den Sachen, welche zu schade zum Wegwerfen, jedoch nichts mehr für Tanja waren.
_Dem nicht genug. Botengänge halste sie ihm auf. Fahrten zu Kunden ihrer Schaffenskraft, als müsse sie vor der Hochzeit ihrer Nichte noch alles erledigen. Wie ein Mensch, der wissend des nahen Todes, Schulden einlöste. Allein die Besuche bei der Schneiderin, für die sie zuarbeitete, vergnügten ihn. Es gab bei ihr Streuselkuchen. Nur, dass er nicht mehr durch den Bürgerpark ging. Er hatte das Gefühl, er würde beobachtet. Der Abend mit Tanja hing an ihm, wie Gewichte an einem Taucher, dass diesen in das ewige Dunkel der Tiefsee zogen.
_Was ihn komplett zum Kochen brachte, war, dass der Admiral ihm nichts von dem Internat erzählte, obwohl er Gespräche in diese Richtung lenkte.

_Der Donnerstag, der Tag der Abreise, stand an. Torben lud, mit Onkel Karl, die gesammelten Werke der Schwester in dessen betagten Saab. Bärbel, hüpfte wie ein Huhn, um den Kofferraum, als könne sie mit ihrem Gegacker, die Arbeit beschleunigen.
Sie tätschelte seine Wange. „Toni mein Schatz, hohl deinen Rucksack und schließe die Bude ab! Ich besorge uns einiges Leckeres vom Bäcker.“
_Er schlich durch das Treppenhaus, betrat sein Zimmer und kontrollierte den Inhalt seines Gepäcks. Eine Ersatzhose, ein zweites T-Shirt, Socken und Unterwäsche zum Wechseln, alles, was er benötigte, war verstaut. Der Anzug für die Trauung lag in Bärbels Koffer, der mit den anderen Gepäckstücken in Karls Kraftfahrzeug ruhte. Er blickte durch das Fenster, betrachtete den blauen Himmel, schwang dabei seinen Kopf hin und her. Grinsend ging er zum Kleiderschrank, öffnete ihn. Er wühlte in einer Schublade, stopfte die gefundene Badehose zu den anderen Sachen. Vielleicht gab es in der Nähe einen einsamen See, in welchen er von fremden Blicken ungestört schwimmen konnte. Von der Festgesellschaft getrennt, war alle mal besser, als auf einem Bauernhof, Kühe oder Schweine beim Fressen zuzuschauen.

_Er hörte die Stimme der Tante aus seinem Innern erklingen: Kind, wenn du baden gehst, dann denk daran, deine Haare zu trocknen, damit du dich nicht erkältest.
_Bei diesem Spruch meinte der Admiral eher das Bad in der Wanne, dennoch wollte er sich keine Blöße gegeben. Er benötigte etwas, um seine Haare zu trocknen.
_Er kniete erneut nieder, zog die Schublade an den Bauch, kramte und angelte sich einen Badeanzug. Den rechten Mundwinkel emporgezogen, stopfte er ihn in den Rucksack. Er war zwar kein Föhn, aber sicher, war sicher.
_Toni ging in sein Badezimmer, schnappte sich den Föhn, welcher faktisch Tanja gehörte. In der Diele blieb er stehen. War der nicht kaputt? Hatte seine Schwester es an diesem Schreckenstag nicht verkündet?
_Toni steckte ihn ans Netz. Er war defekt.
_Er dachte an Bärbel, an ihre Sammelwut für elektrische Geräte. In ihrer Küche stapelte sie mehrere Toaster, Kaffeemaschinen, Handrührgeräte und Waffeleisen.
_Zielstrebig enterte er ihr Bad. Auf dem Waschtisch lag ein Föhn, der nach einer Funktionskontrolle heiße Luft spendete. Er näherte sich der Tür, da fiel sein Blick auf die Waschmaschine. An sich nichts Außergewöhnliches, diese stand immer dort. Der Gegenstand, der auf dem Gerät lag, ließ ihn stocken.

_Toni nahm ihn an sich. Ein weißer, luftiger, kurzer Sommerrock glitt ihm durch die Finger. Keiner von denen, die ältere Damen wie seine Tante trugen, eher der von einer jungen Tennisspielerin. War es Tanjas? Hatten sie ihn vergessen, einzupacken? Seit wann spielte sie Tennis?
_Egal! Es war ein sommerlicher Rock, obgleich erst der Frühling im Zenit stand. Mit gemischten Emotionen sann er an das letzte Wochenende. Einerseits empfand er weiterhin das wohlige Gefühl des weichen, zarten Stoffes der Mädchenkleider. Anderseits bewusst der Ablehnung ihres Vorhabens, verbrüdert mit dem Zorn, den er gegenüber der Tante merkte.
_Kopfschüttelnd verließ er das Bad. Mit der einen Hand den Haartrockner, mit der anderen den Rock gefasst, mit der festen Absicht, diesen zu seinen Partnern in einen der Kartons zu gesellen, die sie für Tanja im Kofferraum verstaut hatten.



Langeweile im Finsterwald

_Das Kleidungsstück war mehr als ein Stück Stoff. Es war ein Symbol gewesen, ein göttliches Zeichen. In seinem Unglauben hatte er es nicht erkannt. Warum hatte er nicht auf seinen Instinkt gehört? War in diesen Wagen gestiegen? Die Beifahrerin hatte auf das Signal gewartet, welches er ihr hätte geben sollen, der Fahrer lechzte, erfreut darüber seine dämonischen Gedanken, in die Tat umzusetzen. Er hatte es erst gemerkt, als es zu spät war. Erst als ihre Fahrt von der geplanten Strecke abwich und die Frau angsterfüllt, dem Kommenden, das Gefährt verließ. Der Dämon das Auto verriegelte hatte, und mit ihm in diesen dichten Wald gerast war, als wolle er ihm bereits auf der Reise ein Ende setzen. Da hatte er erahnt, dass sein Ende sich näherte.
_Er war der Teufel, der wahrhaftige Satan, nicht der seelsorgerische Priester, den er zur Schau stellte.
_Nun kauerte er in diesem Kerker, in seinem Verlies. Angsterfüllt den Quallen, der Folter, die ihm bevorstanden und wusste, dass nicht er der ungläubige Ketzer war, sondern der Mann, dem er fast sein ganzes Leben vertraut hatte.
_Er kniete, mit Blick auf das vergitterte Fenster, nieder und betete das Arve-Maria.


_Toni ballerte die Zeitschrift auf seinen Rucksack. Die Fahrt ödete ihn an. Der Akku seines Smartphones war leer, und im Glaube und du, Karls Kampfschrift, stand nichts Interessantes. Er hatte sie mehrmals durchgelesen. Zu seinem zusätzlichen Verdruss kam kein einziges Wort über Bärbels Lippen. Mit Ausnahme derer, die sie an Karl wandte.
_Er wollte sie reizen, aus der Reserve locken, um in einem klärenden Gespräch, alles was ihn nervte, zu erörtern. Der Augenblick war ideal. Für Stunden eingesperrt in einem Auto, mit Onkel Karl als Mediator. Die Idee erschien perfekt. Nur an eine Reaktion hatte er nicht gedacht. Die Steigerung von einem Streit, jedenfalls beim Admiral, war Grabesstille. Sie strafte ihn mit Missachtung, nahm ihn nicht wahr. Er schien Luft zu sein. Zwei Sätze hatte sie mit ihm gesprochen. Schnall dich an, nachdem er an Board gegangen war, sogleich sie ihm mit knallrotem Gesicht angestarrt hatte. Die zweite Phrase war kürzer verfasst hier, iss. Daraufhin schleuderte sie ihm ein Croissant auf den Schoß, obwohl Bärbel wusste, dass er jene verabscheute.
_Das Auto raste zwischen nirgendwo und überall über die Autobahn, an eintönig, anmutenden Nadelhölzer irgendeines Forstes vorbei. Die einem mächtigen Zaun gleich, ihren Weg von der restlichen Umwelt abschirmten.



Waldeslust

_Bärbel klopfte an ihre Stirn, durchfuhr mit einer ausladenden Armbewegung das Innere des Fahrzeuges, deutete sodann zum Forst. „Karl, jetzt irren wir fast eine Stunde durch diesen Wald. Gib zu, du hast dich verfahren.“
Er beugte seinen Oberkörper vor. „Warte, wir sind gleich da. Ich kenne die Hütte.“
„Las es uns verschieben!“. Sie strich über sein Knie. „Es muss nicht heute sein.“
Karl wandte ihr sein Gesicht zu und hob seine Hand. „Wann dann?“ Er zuckte mit den Achseln. „Du hast mich bekniet.“
Mit einem Kopfschütteln quittierte Bärbel seine Aussage und stelle das Autoradio aus. „Verdrehe nicht die Tatsachen. Es war deine Idee“, konterte sie.
„Du findest sie berauschend.“
_Bärbel öffnete die auf ihren Oberschenkeln liegende Handtasche, holte einen Lippenstift hervor.
Er beugte sich erneut vor, presste seinen Oberkörper an das Lenkrad, dabei murmelte er gegen die Windschutzscheibe: „Ich bin der Ansicht, wir sollten Tanja einweihen.“ Dann triumphierte er: „Da ist die Hütte!“ Er trommelte auf das Steuerrad. „Abgelegen und still. Genau der richtige Ort.“
_Die Lippen zu einem Lächeln verzogen, schaute sie über ihre Schulter.„Wie süß das Kind schläft.“
Karl parkte sein Auto direkt vor dem maroden Gebäude, dabei flüsterte sie: „Wenn Toni wach wird?“
Er nahm ihre Hände in die seinigen, grinste und schüttelte den Kopf. „Sie wird nicht leiden.“



Mehrfach gefoltert

_Ein kräftiger Schlag traf Tonis Kopf. Benommen fasste er sich an die Stirn und erblickte schemenhaft einen finsteren Wald.
„Karl muss das sein!“, schnauzte Bärbel.
„Tut mir leid.“ Er deutete nach hinten. „Ich habe die Bodenwelle nicht gesehen.“
Toni beugte sich, die Hand weiterhin am Kopf, über Bärbels Schulter. „Wo sind wir?“
„Wir müssen tanken“, antworte Karl ungefragt.
Er parkte seinen Wagen neben einer Säule, stieg aus und Bärbel wandte sich Toni zu. „Ich geh auf Toilette!“
_Bei diesen Worten bemerkte er, dass er ebenfalls ein Bedürfnis spürte. Er öffnete die Wagentür. Da fiel ihm auf, dass er immer noch den Rock an seiner Hüfte, sowie Tanjas alte Ballerinas an seinen Füßen trug.
Einen Zipfel eines Stücks Stoff aus dem Rucksack ziehend, sah er vor seinem geistigen Auge seine Turnschuhe, die einsam und verlassen im Flur ihres Zuhauses, auf seine Rückkehr hofften. Zumindest hatte er die Badesachen und den Föhn nicht vergessen, dachte er sich und stieg tief durchatmend aus.
_Bärbel, die neben Karl verweilte, sah ihn kopfschüttelnd an.
„Ich muss auch“, flüsterte Toni.
Sie hob ihre Schultern. „Dann komm mal her!“
Er folgte ihrem Befehl. Kaum an ihrer Seite, griff sie in sein Haar.
„Ganz zerzaust! So geh ich mit dir nicht unter Leute!“
Bärbel kramte in ihrer überdimensionalen türkisfarbenen Handtasche, in der fast ein ganzer Hausstand Platz fand, holte eine Bürste, ein Haargummi und Haarklammern hervor, band ihm damit einen zierlichen Pferdeschwanz.
„Damit ich mich nicht schämen muss.“ Sie hob den Zeigefinger, „Aber bei Tanja ziehst du dich sofort um. Verstanden!“
_Er gab ihr mit einem Nicken sein Einverständnis, ohne zu wissen, wie er ihr die Sache mit seinen Turnschuhen beibringen vermochte.
_Vor dem Eingang zum Rasthof blieb er abrupt stehen und zischte: „Ich habe etwas vergessen.“ Sogleich wendete er und rannte zum Fahrzeug zurück. Worauf Bärbel mit den Achseln zuckte und den Gasthof betrat.

_Der Druck der Blase stieg, sodass er zielstrebig die Tür ansteuerte, vor jener sich keine Schlange schlängelte.
Bärbel packte seinen Arm und zischelte: „Willst du dich vordrängeln?“ Im selben Augenblick zog sie ihn in die Reihe der wartenden holden Weiblichkeit.
_Schritt für Schritt näherten sich die beiden ihrem Ziel. Vor ihrem Eintritt drückte sie ihm Desinfektionstücher in die Hand. Es war für ihn seit Langem das erste Mal, dass er bewusst eine Damentoilette aufsuchte. Jedenfalls seitdem er Torben der Pirat war. Kleinen Kindern erlaubte man, jegliche Art von Toilette aufsuchen.
_Er wunderte sich immer darüber, weshalb es überhaupt zweierlei Örtlichkeiten gab. Denn egal, ob Mann oder Frau, was sie dort taten, entsprach sich. Den Grund dafür, weswegen Bärbel ihn nötigte, die Damentoilette zu betreten, war ihm bekannt. Er trug einen Rock.
_Nach nochmaligen Warten im Inneren stand für ihn eine freie Kabine zum Einlass bereit. Er erkannte, warum ihm der Admiral die Tücher zugesteckt hatte.
_Nie in seinem Leben hatte er eine derart versiffte Toilette gesehen. Die Klobrille bespritzt, das Becken mit brauen Streifen, um dessen Fuß ein flacher See schwappte, von dem ein absonderlicher Geruch ausging, der ihm seine Bestandteile mitteilte.
_Hieß es nicht, dass Herrentoiletten eine Keimzelle von Bazillen beherbergten. Allein aus der Tatsache, dass die Mehrzahl im Stehen pinkelte. Ein Umstand, den er von Frauen, diesmal schloss er sich ein, nicht kannte.
_Angesicht dem sich ihm präsentierten Ort, fragte es sich, in welcher Position die Weiblichkeit sich an derartigen Orten entleerte. Trotz des jämmerlichen Eindrucks setzte er sich, nachdem er die Sitzoberfläche gründlich gereinigt hatte, hin. Einerseits hatte er es in dieser Art gelernt, anderseits wäre es ihm peinlich gewesen, wenn aus einem zufälligen Umstand, eine Besucherin oder Putzkraft ihn in hockender, gar stehender Positur entdeckte.
_Die arme Putzfrau, er hoffte, dass sie existierte, geschlagen mit ihrem Gewerbe, nicht noch mit den aufgebrachten Besucherinnen zu kämpfen hatte. Sogar, dass er keine Hose trug, bejubelte er, da diese ihm bei seinem Talent, in die fliesenden Rückstände gesunken wäre. Auch mit dem Stoff eines langen, wallenden Rock, hätte er gekämpft. Daher war er froh darüber, dass er nur ein wenig den Saum lüpfen musste.
_Er dachte kurz an den Admiral, den er nie im Rock gesehen hatte.

_Erleichtert vom Inhalt seiner Blase, stellte er sich brav an die nächste Schlange an.
_Die Damen belagerten die Waschtische. Soweit sie einen Platz ergattert hatten, fuhren sie durch ihr Haar. Alsdann benetzten sie ihre Finger, glitten mit diesen über ihre Augenbrauen und, oder Lippen, um die ansteckenden Bestandteile, mit Lippenstift oder Puderquaste, auf ihrem gesamten Gesicht zu verteilen. Er folgte ihrem Beispiel nicht. Er wusch sich gründlich, nahm sich vor, in Zukunft keiner Frau mehr die Hand zu geben, wenn jene zuvor dem natürlichen Drang gefolgt war.

_Karl lehnte an der Wand gegenüber den Nasszellen, starrte auf seine Armbanduhr. „Was macht ihr Frauen, da nur immer so lange?“
_Toni zuckte mit den Schultern, wisch Karls hämisches Grinsen aus, wandte sich um und beobachtete Bärbel, wie diese verlegen, ihr Gesäß mit einem Tuch rieb.
Sein Zieh-Onkel reichte ihr den Arm. „Bärbel, lass uns etwas essen!“
Worauf sie an ihn herantrat und ins Ohr flüsterte: „Wie war ich vorhin?“
Er schaute sich um. „Wie, wo?“
Sie stupste ihn an. „In der Waldhütte?“
„Perfekt! Mir hat es gefallen.“

_„Zweimal Currywurst mit Pommes und …“ Bärbel musterte Toni. „Einen kleinen Salat für die junge Dame.“
_Er hasste manchmal seine Tante. Sie schaffte es immer, ihr Missfallen, ihm auf eine Art zu zeigen, die ihre Dominanz bewies. Es fehlte nur, dass sie sich, mit einem breiten Grinsen, eins von den verführerischen Streuselkuchenstücken, die in einer Vitrine lagen, auf ihr Tablett legte. Er würde sich dann fragen, inwieweit Folter eine erzieherische Maßnahme war.
_Sie tat es!
_Karl flüsterte andächtig: „Bärbel, nimmst du bitte mein Essen?“ Er drückte ihr sein Tablett in die Hand. „Ich glaube, ich habe vergessen, den Wagen zu verriegeln.“
Sie ergatterte einen freien Platz und verdrehte, derweil sie sich setzte, ihre Augen. „Männer!“
_Toni, der sich einen Diätriegel zum Nachtisch nehmen durfte, glitt damenhaft auf einen Stuhl, musste dabei ansehen, wie seine liebe Tante genüsslich ihren Kuchen verspeiste.

_Die Erwachsenen labten sich. Sie steckten sich ihre Würste in den Mund. Schmatzten. Er versuchte vereinzelte Fleischstücke, in dem Salat zu entdecken, ein chancenloses Unterfangen in einer veganen Speise. Zumindest ebbte das Knurren seines Magens ab. Die Müslistange quoll mit einem Schluck Wasser zu einem zähen Brei auf, der sein Übriges beitrug.
Bärbel tupfte die Spuren der Currysauce von ihren Lippen. „Gibst du mir bitte die Autoschlüssel?“
Karl beschleunigte die letzten Bissen mit einem alkoholfreien Bier. „Warum?“
„Weil ich noch einmal auf Toilette muss!“, erregt sie sich, als wäre Karl an ihrem Drang schuld.
„Mit dem Auto?“
„Männer!“, fluchte sie. „In deinem Wagen habe ich noch Hygienetücher.“ Sie schielte zu Toni. „Die Dame hat meine letzten verbraucht.“

_Die Düsternis hatte sie inzwischen gefangen. Karl steuerte seine schwarze Limousine auf den Hof der Obermeier. Toni saß mit grimmigem Gesicht auf der Rückbank. Dafür gab es zwei Gründe.
_Zuerst hatte er nicht das Ladekabel gefunden, denn dieses ruhte im Rucksack, den sein verehrter Zieh-Onkel, um Diebe nicht zu verführen, in den Kofferraum verbannt hatte.
_Der zweite Umstand war literarisch. Karl hatte ihm eine Zeitschrift überreicht, nachdem er, sein Laster vergab Torben ihm, sich am Kiosk Zigaretten gekauft hatte. Auch er verstand sich darauf, Kinder zu quälen. Mit einem dämonischen Lachen schenkte er Toni eine Mädchen-Illustrierte.

_Seine Schwester stand mit verschränkten Armen vor dem Bauernhaus. Ein Umstand, der ihn normalerweise aufmunterte. Nur an diesem Abend ließ allein ihr Blick, ihn zusammenfahren. Obwohl sie sein Erscheinungsbild nicht kannte, erahnte er ihre Reaktion.
_Onkel Karl und Bärbel stiegen zuerst aus dem Gefährt. Tanja umarmte sie, spähte danach in den Wagen, um ihn zu begrüßen. Worauf er mit gesenktem Blick das Fahrzeug verließ.
„Wie siehst du den aus?“
Bärbel lief ums Auto, winkte ihrer Nichte zu. „Kind, wir fahren gleich weiter!“
Tanja zeigte zum Bauernhaus. „Kommt noch ein Moment rein.“
„Danke“, gab Karl zu verstehen. „Bis Salzburg sind es noch ein paar Kilometer und du weißt, ich fahre nicht gern im Dunkel.“
Sie schüttelte den Kopf, stemmte ihre Fäuste in die Taille. „Bärbel, was willst du in Salzburg?“
„Die Stadt besuchen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Da Karl dorthin muss, fahr ich mit. Keine Angst, mein Kind, zu deiner Hochzeit bin ich rechtzeitig zurück.“
Sie bestiegen das Auto, ließen Toni und seine Schwester stehen.
„Ich glaube“, begann er den Satz, dabei umklammerte er seinen Rucksack, „ich ziehe mich besser um.“
_Tanja verschränkte die Arme vor der Brust. Dann wandte sie ihr Gesicht einem erleuchteten Fenster zu, hinter dem für Toni fremde Menschen, ihn betrachteten.
Sie grinste und flüsterte: „Zu spät, Schwesterchen, die haben dich alle gesehen.“
Er hob seinen Rock, senkte den Kopf. „Aber?“
„Lass mich machen. Wenn du redest, wird es sowieso peinlich. Ich sag ihnen schlicht die Wahrheit.“
_Toni watschelte ihr, wie ein Delinquent mit hängendem Haupt zum Schafott, hinterher. Er sann darüber nach, was sie unter Wahrheit verstand, die nicht immer mit der seinen übereinstimmten.
_Sie betraten die Küche, in der die Anwesenden ihre Plätze wieder, als wären sie nie aufgestanden, eingenommen hatten. Alle Blicke ruhten auf ihn. Tanja legte ihren Arm um seine Schulter.
_Er hoffte, dass sie eine plausible Interpretation, für die für einen Piraten untypische Kleidung hatte. Er sich die Hose bekleckert, Bärbel ihm einen von Tanjas Röcken, die sie mitgebracht, übergezogen hatte. Oder ähnlich.
Stille breitete sich aus.
„Ich wollte es euch seit Langem sagen.“ Sie räusperte sich.
Seine Knie erweichten. Bitte sag nicht, dass ich …, betete er.
Tanja war flinker als seine Gedanken. Bevor er das Gebet vollendet hatte, erklang ihre aufgekratzte Stimme.
„Darf ich euch vorstellen – Antonia. Meine Tochter!“


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Voll unter Segel
 
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molly

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Lieber ahorn,

vielleicht kannst Du davon etwas gebrauchen:


Torben legte den Arm um seinen Retter. »Lamu, sie leben!«, hauchte er innig, wie eine verliebte Frau die ihren angebeteten!!! Angebeteten begrüßt.
(*OB**OB*)»Ich lebe (Komma) aber ich heiße nicht Lamu, sondern Tim«, klang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja kam angelaufen, beugte sich über den jungen Mann, der zusammen mit ihrem Bruder am Rande der Fahrbahn im Dreck lag.
Sie kniete vor ihm nieder. »Haben sie sich verletzt?«

Der Retter stand, weiterhin Torben festhaltend, auf, sah in die Richtung, in der das Auto geflüchtet war. An sich herabsehend stellte er den Schützling auf die eigenen Füße.

Mein Satz: Der Retter, der Torben weiterhin festhielt, stand auf. Er sah in die Richtung, in die das Auto geflüchtet war und stellte dann seinen Schützling auf die eigenen Füße.
Er rieb den Staub von seinem Jogginganzug. »Alles noch dran«, stotterte er.
Tanja blickte in sein Gesicht. »Wie kann ich ihnen danken«, hauchte sie, wandte sich ihrem Bruder zu.
(schüttelte ihn!.nicht schütteln, hatte eben einen kleinen Unfall )

»Torben,(Komma) warum passt du nicht auf. [strike]schimpfte sie.[/strike] »Du hast den Herrn in Lebensgefahr gebracht«.

Tim kniff seine Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn, wie ein Mensch der einen Außerirdischen sah.
Er ([strike]gaffte[/strike]) starrte Tanja an. »Torben«, raunte er. »Außergewöhnlicher Spitzname für ihre Tochter.«

Mein Satz: Tim kniff die Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn wie einen Außerirdischen und
starrte Tanja an. »Torben«, raunte er. »Außergewöhnlicher Spitzname für ihre Tochter.«

Sie rieb an ihrer Nase. »Er ist mein Bruder«, schnarrte sie. »Er ...« Kratzte ihren Nacken, schnellte ihren Arm nach vorne. »Übt für ein Theaterstück«, druckste sie. »Schultheaterstück!« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. »Stimmts!«
Torben senkte stumm das Haupt
.
Mein Satz: Sie rieb an ihrer Nase. »Er ist mein Bruder«, entgegnete sie, kratzte ihren Nacken und schnellte ihren Arm nach vorne. Er übt für ein Theaterstück. [strike](druckste sie.[/strike]) Schultheaterstück!« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. »Stimmt’s?“
Torben senkte stumm (das Haupt??) den Kopf

Der Mann runzelte die Stirn, nickte. »Also. Und da soll sie überfahren werden!«
Tanja warf ihren Kopf zur Seite. »Natürlich nicht!«, schnaufte sie, wies mit ihre Hand zur Ampel. »Ich habe doch gesagt, pass auf.« Sie (!![strike]hob ihr Bein und [/strike] ist doch kein Hund!!) schielte auf ihre Schuhe. »Mit hohen Absätzen musst du vorausschauend gehen!«

Tim lies, seine Schultern sinken, zeigte er auf die Ampel. »Also. Jedenfalls, es war aber grün. Das sah mir eher nach Absicht aus!«, donnerte er.
Mein Satz: Tim senkte seine Schultern , deutete auf die Ampel. »Also. Jedenfalls, zeigte sie grün. Das sah mir eher nach Absicht aus“, antwortete er.

Tanja legte ihren Kopf auf die Seite. »Wer sollte meinen Bruder überfahren wollen?« Dann strich sie Timm über den Oberkörper. »Hauptsache ihnen ist nichts passiert?«, hauchte sie.
Er steckte einen Finger durch ein Loch in seiner Jogginghose. »Also. Alles in Ordnung«, murmelte er.
»Die Hose bezahl ich ihnen natürlich«, ([strike]stöhnt[/strike]e) bestimmte Tanja mit Blick auf ihren Bruder.
Sie kramte in ihrer Handtasche. Mit zitternden Fingern überreichte sie ihm ihre Visitenkarte.

»Danke! Danke!«, flüsterte er, wies mit beiden Händen ab. »Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor das der Typ absichtliche«, er schaue Torben an, »ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, belgisch würde ich vom Kennzeichen her sagen«, trabte er Richtung Park.
Tanja preschte mit erhobenen Haupt voran.

Mein Satz: »Danke! Danke!«, flüsterte er, wies sie mit beiden Händen ab. »Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor, dass der Typ absichtlich «, er schaute Torben an, »ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, vom Kennzeichen her belgisch“, sagte er und trabte in Richtung Park.
Tanja preschte mit erhobenem! Haupt voran.

Der Mann wendete und kam nochmals auf Torben zu.
»Hey.« Er beugte sich zu ihm herab. »Wie heißt du wirklich?«
Tanjas Bruder neigte den Kopf. »Shila«, piepste er. (Muss piepste sein?)
Tim schielte zu ([strike]er gen[/strike]) Tanja. »Hat deine Mutter einen Bruder?«
Torben senkte die Mundwinkel »Ja«, flüsterte er und blinzelte.

Tims Lippen näherten sich seinem Ohr. »Jedenfalls. Erzähle bitte deinen Vater«, wisperte er, kreiste mit dem rechten Zeigefinger neben der Schläfe, »dass er, wenn es möglich ist, mit deiner Mutter zum Arzt gehen soll.« Er richtete sich auf. »Also, mit einem Schock ist nicht zu spaßen«, lächelte er. »Jedenfalls, ich bin Neurologe«.
Mein Satz: Tims Lippen näherten sich Torstens Ohr. „ Jedenfalls. Erzähle deinem Vater, dass er mit deiner Mutter zum Arzt gehen soll, sie hat einen Schock und damit ist nicht zu spaßen. Jedenfalls. Ich bin Neurologe.“
Er winkte Torben zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der (alten) belaubten Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute fangen.

Grüßle molly
 

ahorn

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8. Shilas Rettung

Prinzessin Shila betrat die oberste Plattform des Regierungsgebäudes. Die Nacht über Gundik-City wurde nur durch die Positionsleuchten der schnellen Raumgleiter erhellt, die hier oben auf ihren Einsatz warteten. Shila hob den Rock ihres weißen Kleides, griff an ihr Strumpfband und holte die kleine Laserpistole, die ihr Detektiv Lamu, für ihre Selbstverteidigung Geschenk hatte, hervor. Sie dachte an den braven Lamu, der sie zwei Jahre begleitet hatte und der vor wenigen Minuten von Lord Donhil getroffen, aus dem 274 Stock in die Tiefe gestürzt war. Sie riss ein Stück Stoff aus dem Saum ihres seidenen Kleides, öffnete ihren Zopf und legte sich das weiche Band um ihre Stirn. Hier oben würde es geschen. Entweder sie oder ihre Tante, nur einer würde die Nacht lebend überstehen. Ihre Tante Gerana, die sie liebevoll aufgezogen hatte, obwohl sie ihre Eltern heimtückisch ermordet hatte, um ihren Planeten Otunas zu beherrschen. Shila war es bewusst, dass sie keinerlei Chancen gegen die Tyrannin hatte. Gerana hatte Shila nur das Nötigste gelernt, Kampf hatte nicht auf ihrem Lehrplan gestanden.
Sie zog ihre silbernen hochhackigen Schuhe aus und schlich an einem Raumgleiter vorbei. Außer ihr schien niemand hier oben zu sein, obwohl sie Gerana gesehen hatte, dass sie das Deck betreten hatte.
»Na! So sehen wir uns wieder«, drang eine kratzige Stimme, gefolgt von einem höhnischen Lachen an ihr Ohr.
Shila drehte sich, ihre Waffe am Anschlag, in die Richtung des Gelächters. Gerana stand breitbeinig vor ihr. Die Lichter der Nacht spiegelten sich auf ihrem hautengen schwarzen Lederanzug, ihr Lasergewehr geladen grünlich schimmerte am Anschlag. Sie sah noch, dass ihre Tante den Finger krümmte, dann ein greller Blitz, der sie blendete. Ein Schlag traf sie, ein Schlag in einer Heftigkeit, den sie noch nie in ihrem kurzen Leben gefühlt hatte. Stille und Dunkelheit umhüllte ihren Geist. War das der Tod? Der Tod, den ihre Eltern erlitten hatten? Würde Shila sie endlich wiedersehen? Ein Bild erschien aus dem Nebel der Finsternis. Ein trauriges Gesicht sah sie an.


Torben legte den Arm um seinen Retter. »Lamu, sie leben!«, hauchte er innig, wie eine verliebte Frau die ihren angebeteten begrüßt.
(*OB**OB*)»Ich lebe aber ich heiße nicht Lamu, sondern Tim«, klang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja kam angelaufen, beugte sich über den jungen Mann, der zusammen mit ihrem Bruder am Rande der Fahrbahn im Dreck lag.
Sie kniete vor ihm nieder. »Haben sie sich verletzt?«
Der Retter, der Torben weiterhin festhielt, stand auf. Er sah in die Richtung, in die das Auto geflüchtet war und stellte dann seinen Schützling auf die eigenen Füße.

Er rieb den Staub von seinem Jogginganzug. »Alles noch dran«, stotterte er.
Tanja blickte in sein Gesicht. »Wie kann ich ihnen danken«, hauchte sie, wandte sich ihrem Bruder zu, schüttelte ihn. »Torben, warum passt du nicht auf«, schimpfte sie. »Du hast den Herrn in Lebensgefahr gebracht«.
Tim kniff seine Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn wie einen Außerirdischen.
Er gaffte Tanja an. »Torben«, raunte er. »Außergewöhnlicher Spitzname für ihre Tochter.«

Sie rieb an ihrer Nase. »Er ist mein Bruder«, entgegnete sie, kratzte ihren Nacken und schnellte den anderen Arm nach vorne. »Er übt für ein Theaterstück«, druckste sie. »Schultheaterstück!« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. »Stimmts!«
Torben senkte stumm das Haupt.
Der Mann runzelte die Stirn, nickte. »Also. Und da soll sie überfahren werden!«
Tanja warf ihren Kopf zur Seite. »Natürlich nicht!«, schnaufte sie, wies mit ihre Hand zur Ampel. »Ich habe doch gesagt, pass auf.« Sie erhob ihren rechten Fuß und schielte auf ihre Schuhe. »Mit hohen Absätzen musst du vorausschauend gehen!«
Tim lies, seine Schultern sinken, deutete auf die Ampel. »Also. Jedenfalls, es war aber grün. Das sah mir eher nach Absicht aus!«, donnerte er,
Tanja legte ihren Kopf auf die Seite. »Wer sollte meinen Bruder überfahren wollen?«. Dann strich sie Timm über den Oberkörper. »Hauptsache ihnen ist nichts passiert?«, hauchte sie.

Er steckte einen Finger durch ein Loch in seiner Jogginghose. »Also. Alles in Ordnung«, murmelte er.
»Die Hose bezahl ich ihnen natürlich«, stöhnte Tanja mit Blick auf ihren Bruder.
Sie kramte in ihrer Handtasche. Mit zitternden Fingern überreichte sie ihm ihre Visitenkarte.
»Danke! Danke!«, flüsterte er, wies mit beiden Händen ab »Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor das der Typ absichtlich«, er schaute Torben an, »ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, vom Kennzeichen belgisch würde ich sagen«, behauptete er und trabte in Richtung Park.

Tanja preschte mit erhobenem Haupt voran.
Der Mann wendete und kam nochmals auf Torben zu.
»Hey.« Er beugte sich zu ihm herab. »Wie heißt du wirklich?«
Tanjas Bruder neigte den Kopf. »Shila«, piepste er.
Tim schielte zu Tanja. »Hat deine Mutter einen Bruder?«
Torben senkte die Mundwinkel »Ja«, flüsterte er und blinzelte.

Tims Lippen näherten sich Torbens Ohr. »Jedenfalls. Erzähle bitte deinen Vater«, wisperte er und kreiste mit dem rechten Zeigefinger neben der Schläfe, »dass er, wenn es möglich ist, mit deiner Mutter zum Arzt gehen soll.« Er richtete sich auf, fuchtelte mit ausgestreckten Finger vor Torbens Gesicht. »Also, mit einem Schock ist nicht zu spaßen«, mahnte er und erhob sein Haupt. »Jedenfalls, ich bin Neurologe«.
Er winkte Torben zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der alte belaubte Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute fangen.


weiter zum nächsten Teil 9. Abschied
 
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molly

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hi ahorn,

hier noch was:

1. Tim lies (ohne Komma) seine Schultern sinken, deutete auf die Ampel.

2. der alten belaubten Bäume ihn verschluckten,

Schönes Wochenende, ich lese noch weiter!

Viele Grüße

molly
 

ahorn

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hallo molly,
danke!
Zur Informationen:
Denk an die Komma oder heißt es Komme oder Kommate? nach der wörtlichen Rede :)
 

ahorn

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zurück zum 7. Kapitel Schrei in der Stille


8. Shilas Rettung

Prinzessin Shila betrat die oberste Plattform des Regierungsgebäudes. Die Positionsleuchten der schnellen Raumgleiter, die hier oben auf ihren Einsatz warteten, erhellt die Nacht über Gundik-City. Shila hob den Rock ihres weißen Kleides, griff an ihr Strumpfband und holte die kleine Laserpistole, die ihr Detektiv Lamu, für ihre Selbstverteidigung Geschenk hatte, hervor. Sie dachte an den braven Lamu, der sie zwei Jahre begleitet hatte und der vor wenigen Minuten von Lord Donhil getroffen, aus dem 274 Stock in die Tiefe gestürzt war. Sie riss ein Stück Stoff aus dem Saum ihres seidenen Kleides, öffnete ihren Zopf und legte sich das weiche Band um ihre Stirn. Hier oben würde es geschen. Entweder sie oder ihre Tante, nur einer würde die Nacht lebend überstehen. Ihre Tante Gerana, die sie liebevoll aufgezogen hatte, obwohl sie ihre Eltern heimtückisch ermordet hatte, um ihren Planeten Otunas zu beherrschen. Shila war es bewusst, dass sie keinerlei Chancen gegen die Tyrannin hatte. Gerana hatte Shila nur das Nötigste gelernt, Kampf hatte nicht auf ihrem Lehrplan gestanden.
Sie zog ihre silbernen hochhackigen Schuhe aus und schlich an einem Raumgleiter vorbei. Außer ihr schien niemand hier oben zu sein, obwohl sie Gerana gesehen hatte, dass sie das Deck betreten hatte.
»Ha! Ha! So sehen wir uns wieder«, drang eine kratzige Stimme, gefolgt von einem höhnischen Lachen an ihr Ohr.
Shila drehte sich, ihre Waffe am Anschlag, in die Richtung des Gelächters. Gerana stand breitbeinig vor ihr. Die Lichter der Nacht spiegelten sich auf ihrem hautengen schwarzen Lederanzug, ihr Lasergewehr geladen, schimmerte grünlich die Mündung. Sie sah noch, dass ihre Tante den Finger krümmte, dann ein greller Blitz, der sie blendete. Ein Schlag traf sie, ein Stoß in einer Intensität, den sie noch nie in ihrem kurzen Leben gefühlt hatte. Stille und Schwärze umhüllte ihren Geist. War das der Tod? Der Tod, den ihre Eltern erlitten hatten? Würde Shila sie endlich wiedersehen? Ein Bild erschien aus dem Nebel der Finsternis. Ein trauriges Gesicht sah sie an.


Torben legte den Arm um seinen Retter. »Lamu, sie sind am Leben!«, hauchte er innig, wie eine verliebte Frau die ihren angebeteten begrüßte.
»Ich lebe aber ich heiße nicht Lamu, sondern Tim«, klang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja kam angelaufen, beugte sich über den jungen Mann, der zusammen mit Torben am Rande der Fahrbahn im Dreck lag.
Sie kniete vor ihm nieder. »Haben sie sich verletzt?«
Der Retter, der das Kind weiterhin festhielt, stand auf. Er sah in die Richtung, in die das Auto geflüchtet war und stellte dann seinen Schützling auf die eigenen Füße.

Er rieb den Staub von seinem Jogginganzug. »Alles noch dran«, stotterte er.
Tanja schaute auf sein Gesicht. »Wie kann ich ihnen danken«, hauchte sie, wandte sich dem Kinde zu, schüttelte es. »Torben, warum passt du nicht auf«, schimpfte sie. »Du hast den Herrn in Lebensgefahr gebracht«.
Tim kniff seine Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn wie einen Außerirdischen.
Er gaffte Tanja an. »Torben«, raunte er. »Außergewöhnlicher Spitzname für ihre Tochter.«

Sie rieb an ihrer Nase. »Er ist mein Bruder«, entgegnete sie, kratzte ihren Nacken und schnellte den anderen Arm nach vorne. »Er übt für ein Theaterstück«, druckste sie. »Schultheaterstück!« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. »Stimmts!«
Er senkte stumm das Haupt.
Der Mann runzelte die Stirn, nickte. »Also. Und da soll sie überfahren werden!«
Tanja warf ihren Kopf zur Seite. »Natürlich nicht!«, schnaufte sie, wies mit ihre Hand zur Ampel. »Ich habe doch gesagt, pass auf.« Sie erhob ihren rechten Fuß und schielte auf ihre Schuhe. »Mit hohen Absätzen musst du vorausschauend laufen!«
Tim deutete ebenfalls auf die Ampel, dabei sanken seine Schulterblätter herab. »Also. Jedenfalls, es war aber grün. Das sah mir eher nach Absicht aus!«, donnerte er,
Tanja legte ihren Kopf schief. »Wer sollte meinen Bruder überfahren wollen?«. Dann strich sie Timm über den Oberkörper. »Hauptsache ihnen ist nichts passiert?«, wisperte sie.

Er steckte einen Finger durch ein Loch in seiner Jogginghose. »Also. Alles in Ordnung«, murmelte er.
»Die Hose bezahl ich ihnen«, stöhnte Tanja mit Blick auf Torben.
Sie kramte in ihrer Handtasche. Mit zitternden Fingern überreichte sie ihm ihre Visitenkarte.
»Danke! Danke!«, flüsterte er, wies mit beiden Händen ab »Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor das der Typ absichtlich«, er schaute Torben an, »ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, vom Kennzeichen belgisch würde ich sagen«, behauptete er und trabte zum Park.

Tanja preschte mit erhobenem Haupt voran.
Der Mann wendete und kam nochmals auf Torben zu.
»Hey.« Er beugte sich zu ihm herab. »Wie heißt du wirklich?«
Er neigte den Kopf. »Shila«, piepste er.
Tim schielte zu Tanja. »Hat deine Mama einen Bruder?«
Torben senkte die Mundwinkel »Nein«, flüsterte er und blinzelte. Seine Mutter hatte keinen Bruder.

Tims Lippen näherten sich Torbens Ohr. »Jedenfalls. Erzähle bitte deinem Vater«, wisperte er und kreiste mit dem rechten Zeigefinger neben der Schläfe. »Dass er, wenn es möglich ist, mit ihr zum Arzt gehen soll.« Er richtete sich auf, fuchtelte mit ausgestrecktem Finger vor Torbens Gesicht. »Also, mit einem Schock ist nicht zu spaßen«, mahnte er und erhob sein Haupt. »Jedenfalls, ich bin Neurologe«.
Er winkte Torben zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der alten belaubten Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute einfingen.


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van Geoffrey

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Eine erste Kritik

Nachdem ich wie ein Kind zuerst "das Beste" lesen wollte und den Abschnitt "Seemannsgrab" gelesen hatte, wollte ich den Roman einmal von Anfang an lesen. Bis hierher habe ich ihn nun gelesen, und nun schreibe ich eine erste Kritik.

"Er winkte Torben zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der alten belaubten Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute einfingen."

Das ist einfach groß-artig geschrieben. Dieser Vergleich zwischen den Schatten der Bäume und den Fischernetzen kommt auch im vorangegangenen Kapitel vor, wenn ich mich nicht irre. Zweimal sollte man so einen starken Vergleich nicht benützen, weil er dadurch stark an Wirkung verliert.
Noch einmal: der Vergleich ist zwar SEHR stark und deshalb sage ich "Vorsicht mit den Gewürzen." Denn man kann sich mit Gewürzen - also starken Sätzen - in zweierlei Hinsicht verkalkulieren: entweder man verwendet zu viel oder zu wenig davon.

Wirklich gut finde ich auch die immer wieder eingeflochtenen Seemännischen Ausdrücke. So will Torben - sehr verständlich - seine Schwester gerne in den "Achtern" treten. Auch die Kapitelüberschriften sind einfach gut. Allerdings fällt dann der Inhalt gegen die Erwartungen, die man sich macht, ab.

Ich komme mit dem Wort "schnaufte" nicht ganz klar. Hier in Österreich bedeutet schnaufen "schwer atmen, während schnaufen und pusten in der Geschichte nach einer persönlichen Rede verwendet scheinbar soviel wie "jemanden gereizt anreden oder ihm gereizt antworten" zu bedeuten scheint.
Überlege, ob andere, alternative Worte nicht auch passen würden:
"gab sie gereizt zurück", "empörte er sich", "gab sich knapp zurück",
"ereiferte er sich". Stärker ist: "Donnerte sie", "wetterte er", oder auch "preßte sie hervor" und "knirschte er".
Es gibt noch etliche weitere Ausdrücke, die sagen wollen, dass jemand gereizt redet.
"Schnaufen und pusten" mag in Deutschland gebräuchlicher sein, aber als Österreicher lese ich daraus nur "schwer atmen".


Zur Dramaturgie:
Als Leser versuche ich immer, ein wenig vorherzusehen, wie die Geschichte nun weiter geht.
Ich versuche auch, Logikfehler aufzudecken.

Mehrere Dinge finde ich wenig glaubwürdig:
- Ein 16jähriger, der für ein Brautkleid als Modepuppe herhalten muss. Ein 16jähriger junger Mann hat einfach nicht die Rundungen einer Frau. Aber gut, wir wollen annehmen, dass es weniger um Figurbetones geht sondern um das Annähen von Säumen, etc.
Aber mit 16 hätte ich mir das wohl nicht gefallen gelassen.
Ich hätte mich schon gar nicht von einer älteren Schwester zu dieser unfassbaren Wette verleiten lassen, das Blumenmädchen auf ihrer Hochzeit zu spielen. Da hätte ich lieber freiwillig den Pferdestall ausgemistet.
Aber ich gebe zu, dass das Modellstehen, die Wette und das anschließende Kleiderkaufen einen grausam-komischen Effekt der Belustigung haben kann.
Es schmerzt das alles ein bißchen und man ergreift Partei für Torben. Man denkt "Junge, arbeite dich da heraus."
- Dass ein 16jähriger junger Mann als Mädchen durchgeht ist für mich wirklich unwahrscheinlich. Dafür gibt es mehrere Gründe: der Gang, fehlende Rundungen (ganz zu schweigen von der fehlenden Brust), die Hände, die Füße, die Körperbehaarung.
- Eine Schwester, die ihren Bruder als Mädchen sehen will ist irgendwie auch schwer denkbar. Aber gut, das ganze soll ja als Ulk durchgehen, wenn ich auch finde, dass der Ulk mit dem öffentlichen Auftritt als Blumenmädchen SEHR WEIT getrieben wird.

Aber ich gebe zu, dass die ganze Sache einen komischen Touch hat. Den könnte man noch ein wenig deutlicher ausarbeiten. Die Komik wird in dem Maße REDUZIERT, in welchem deutlich gemacht wird, dass Torben als Mädchen glaubwürdig wirkt.
Viel lustiger wäre, wenn Torben seine eindeutig männliche Performance mit geschickter Frechheit und Komik überspielt und sich a la "Manche mögen's heiss" SEHR SCHNELL und mit überraschender Komik in die Rolle fügt.

Logikfehler:
Der Unbekannte, der sich mit geschliffenem Messer im allerersten Abschnitt (nach dem Prolog) auf den Weg in die Wohnung von Torbens Tante macht, löst sich plötzlich in Luft auf. Gerade hieß es noch, er ließe sich vom Rattern der Nähmaschine leiten - - - dann hört man nie wieder von ihm.
Der Leser vermutet natürlich, dass der Unbekannte in dem Wagen sitzt, der Torben zweimal über den Haufen fahren will.

Ja, und da sind wir schon beim Leser als "Rätsellöser".
Ich versuche, den Intentionen des Autors auf die Spur zu kommen.
Es gibt drei Handlungsverläufe, die denkbar sind.

- Torben entwickelt sich trotz widriger Umstände und Einflüsse wie Brautkleid-Modellstehen und Blumenmädcheneskapaden zu einem richtigen Kerl. Und davon soll das Buch handeln.
- Torben entdeckt die Frau in sich und läuft nur mehr in Frauenkleidern herum. Warum auch nicht, sieht er doch tatsächlich wie ein Mädchen aus, sobald er Frauenkleider trägt. Seine Freundin Tama findet das auch schick und stört sich nicht daran. Nach anfänglichen Problemen mit seiner Tante findet die schließlich, dass Blut dicker als Wasser ist und findet sich damit ab.
- Die "Blumenmädchensache" ist eine Intrige seiner Schwester und Tante. Es geht um das Erbe. Sollte sich Torben als homosexuell erweisen, fällt das Erbe seiner Schwester und Tante zu. An seinem 18. Geburtstag will er sein Erbe antreten, und wird mit Fotos konfrontiert, die ihn als Blumenmädchen zeigen.
Die Anschläge auf Torben gehen auch auf das Konto seiner Tante und seiner Schwester, die ihn aus dem Weg räumen wollen, um an sein beträchtliches Erbe zu kommen.

Man vermutet als Leser weiter, dass sich der Autor mit dem Helden der Geschichte (Torben) identifiziert und ihn mit gewissen eigenen Eigenschaften ausstattet. Torben ist einerseits ein hochintelligenter Außenseiter, der sich bewusst von den Gleichaltrigen abgrenzt. Allerdings lässt er sich von der Verwandtschaft relativ leicht lenken. Ist er sich Gleichaltrigen gegenüber seiner Sonderstellung bewusst, so ist er allerdings seiner Tante und Schwester gegenüber lenkbar bis unterwürfig.
Wieder ein Grund, zu vermuten, dass das Buch im Grunde die Emanzipation eines jungen Mannes beinhalten wird. Vielleicht in gewissem Sinne wie die Emanzipation eines anderen Muttersöhnchens namens Jim Hawkins aus "Die Schatzinsel".

Einzelne Ausdrücke und Kritiken werde ich den verschiedenen Abschnitten zuordnen. Ich hoffe, du kannst etwas mit meiner Kritik anfangen.
Ich versuche einfach als Leser zu sagen, wie der Roman bei mir ankommt.

Wenn es sich NICHT um einen Roman handelt, in dem ein junger Mann seine Identität als Pseudo-Frau findet, würde ich meinen, dass die Damenkleidungssache sehr explizit und ein wenig langatmig ausgearbeitet wird.
Man könnte das alles eigentlich in zwei Sätzen zusammenfassen.
Da das alles in großer Ausführlichkeit abgehandelt wird, vermutet man als Leser, dass das Kleidungsthema ein besonders wichtiges Thema im Buch zu sein schein. (Was ich allerdings nicht glaube. Vielmehr denke ich, dass die Geschichte einmal im Laufen war, und der Autor dem Handlungsverlauf gefolgt ist, wie einer, der auf einem Pferd sitzt und ihm die Sporen gibt, und zusieht, was daraus wird.
 
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ahorn

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Besten Dank van Geoffrey für deinen detaillierten Kommentar.
Die Anmerkung zur unterschiedlichen Interpretation von Verben innerhalb des deutschen Sprachraums nehme ich gerne auf, soweit sie das Regionstypische meines Werkes nicht verwässert.

»gab sie gereizt zurück«, »empörte er sich«, »gab sich knapp zurück«
Werde ich in den noch nicht fertigen Teilen einarbeiten. In den anderen werde ich weitere Tipps Sammeln und nach dem ersten Eigenlektorat mit verwerten.


16 Jahre?
»Mein Liebling!« Sie drohte mit ihrem knochigen Zeigefinger, pumpte sich abermals auf. »Du bist erst zwölf!«
»Fast dreizehn«, warf er ein.
(Das Kleid – 1. Kapitel – Teil 1)

Die Sache mit den Gewürzen?
Lange habe ich gehadert, ob ich die Aussage doppeln soll oder nicht. Dennoch dafür entschieden, damit sich das Gefühl beim Leser verstärkt. Im dritten und vierten Akt wird es wichtig.

Beim Rest deines Kommentars geht mir das Herz auf. Den du, als Leser, bist da wo ich dich hinhaben wollte. ;)

Liebe Grüße und gespannt auf weitere Anmerkungen.
Ahorn

PS.: Kannst mir gerne Rechtschreib-, Tipp- und Grammatik-Fehler zurückwerfen – ich lerne.
 

van Geoffrey

Mitglied
Die Geschichte erinnert mich ein wenig an die Mystery-Serie "Lost".
Da habe ich mich verleiten lassen, die ersten paar Folgen anzusehen, erwartete mir etwas völlig anderes, eher so wie "Twin Peaks". Dennoch packten mich verschiedene angeschnittene Themen. Ich wollte wissen, wie es weitergeht. Verschiedene der Charaktere verdienten mein Abscheu, andere wieder liebte und favorisierte ich, obwohl sie es ÜBERHAUPT nicht verdienten.

Das Alter von 16 schloss ich aus der Bemerkung, die gleichaltrige Tami ginge in die 6. Klasse. Das ist hier in Österreich zwei Jahre vor dem Abi - also rechnete ich 16. Ja, und die anfängliche Bemerkung "Fast 13" hatte ich völlig verschwitzt.

Aber gut, ich arbeite mich in der Geschichte weiter vor.
Jedenfalls denke ich immer noch, dass das später folgende Kapitel "Seemannsgrab", das ich zuerst gelesen hatte, alle deine Stärken in vollendeter Weise zeigt.
Vor allem deine Fähigkeit, glaubwürdige, natürlich wirkende Gespräche zu entwickeln und Dinge zu beschreiben, so dass man meint, am Ort des Geschehens selbst zu sein.

Überdenke folgendes:
Nicht alles muss man detailreich beschreiben. Also, ob jemand den Arm hebt oder nicht, eine Geste hier oder dort. Manchmal scheint mir in der Kürze die Würze zu liegen. Man muss nicht alles langwierig "entwickeln".
"Weil das Wetter so schön war gingen die beiden angeln."
Schon sieht man zwei mit der Angelrute am Wasser sitzen.
Man könnte das auch langwierig entwickeln, irgend einen besonderen Anlass finden, ein Gespräch in Gang setzen, in dessen Verlauf ein Angelausflug geplant wird, langwierig das Einräumen der Angelausrüstung in den Wagen zelebrieren.

Das ist keine Kritik, eher ein Hinweis, dich mit dem Text, wenn du ihn selber überliest, in diesem Sinne auseinanderzusetzen, und zu überlegen, wo du ohne Gefahr eines Verlustes Dinge kürzen kannst, aber auch wo du Dinge ausführlicher beschreiben willst.

Im vorangegangenen Kapitel zeigst du ein sehr schönes Talent, eine unheimliche Stimmung aufzubauen, die man nach all dem Wäschekram gar nicht vermutet hätte.
Beim Beinaheunfall bleibt eigentlich alles im Dunkeln. Man erfährt nicht, ob eine Verletzung vorliegt. Das ist stark gerafft. Man sieht den Wagen kommen, und dann sieht man nur mehr den Retter mit Torben auf dem Arm und die empörte Tanja. WAS eigentlich dazwischen passiert ist bleibt im Dunkeln. Das ist eine irgendwie unangenehme Lücke im Handlungsverlauf. Man fragt als Leser "Also WAS NUN - verletzt oder nicht. Konnte man das Gesicht des Fahrers erkennen? Hat er den Versuch unternommen zu bremsen oder auszuweichen?"

Ah, und noch etwas: überlege, wo man auf "Beiwerk" bei der persönlichen Rede verzichten kann: sagte er, antwortete sie, pustete er, stieß sie hervor.
Manchmal finde ich es gut, nur die persönliche Rede in Anführungszeichen zu setzen, wenn die Reihenfolge von Rede und Gegenrede (also WER gerade spricht) feststeht. Da erspart man sich eine Menge Ärger, denke ich. Also man muss nicht immer die ART des geredeten beschreiben - also ob laut, leise, zornig oder piepsig.

"Plötzlich bricht Benjamin Linus (aus "Lost") aus dem Dickicht hervor und bedroht Tanja und Torben mit seiner Waffe. 'Was seid ihr nur für Menschen?' stammelt Torben. 'Wir? - - wir sind die Guten, Torben.'
 

ahorn

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Verdrehtes Fock

8. Shilas Rettung

Prinzessin Shila betrat die oberste Plattform des Regierungsgebäudes. Die Positionsleuchten der schnellen Raumgleiter, die hier oben auf ihren Einsatz warteten, erhellt die Nacht über Gundik-City. Shila hob den Rock ihres weißen Kleides, griff an ihr Strumpfband und holte die kleine Laserpistole, die ihr Detektiv Lamu, für ihre Selbstverteidigung Geschenk hatte, hervor. Sie dachte an den braven Lamu, der sie zwei Jahre begleitet hatte und der vor wenigen Minuten von Lord Donhil getroffen, aus dem 274 Stock in die Tiefe gestürzt war. Sie riss ein Stück Stoff aus dem Saum ihres seidenen Kleides, öffnete ihren Zopf und legte sich das weiche Band um ihre Stirn. Hier oben würde es geschen. Entweder sie oder ihre Tante, nur einer würde die Nacht lebend überstehen. Ihre Tante Gerana, die sie liebevoll aufgezogen hatte, obwohl sie ihre Eltern heimtückisch ermordet hatte, um ihren Planeten Otunas zu beherrschen. Shila war es bewusst, dass sie keinerlei Chancen gegen die Tyrannin hatte. Gerana hatte Shila nur das Nötigste gelernt, Kampf hatte nicht auf ihrem Lehrplan gestanden.
Sie zog ihre silbernen hochhackigen Schuhe aus und schlich an einem Raumgleiter vorbei. Außer ihr schien niemand hier oben zu sein, obwohl sie Gerana gesehen hatte, dass sie das Deck betreten hatte.
»Ha! Ha! So sehen wir uns wieder«, drang eine kratzige Stimme, gefolgt von einem höhnischen Lachen an ihr Ohr.
Shila drehte sich, ihre Waffe am Anschlag, in die Richtung des Gelächters. Gerana stand breitbeinig vor ihr. Die Lichter der Nacht spiegelten sich auf ihrem hautengen schwarzen Lederanzug, ihr Lasergewehr geladen, schimmerte grünlich die Mündung. Sie sah noch, dass ihre Tante den Finger krümmte, dann ein greller Blitz, der sie blendete. Ein Schlag traf sie, ein Stoß in einer Intensität, den sie noch nie in ihrem kurzen Leben gefühlt hatte. Stille und Schwärze umhüllte ihren Geist. War das der Tod? Der Tod, den ihre Eltern erlitten hatten? Würde Shila sie endlich wiedersehen? Ein Bild erschien aus dem Nebel der Finsternis. Ein trauriges Gesicht sah sie an.


Torben legte den Arm um seinen Retter. »Lamu, sie sind am Leben!«, hauchte er innig, wie eine verliebte Frau die ihren angebeteten begrüßte.
»Ich lebe aber ich heiße nicht Lamu, sondern Tim«, klang eine Stimme an sein Ohr.
Tanja kam angelaufen, beugte sich über den jungen Mann, der zusammen mit Torben am Rande der Fahrbahn im Dreck lag.
Sie kniete vor ihm nieder. »Haben sie sich verletzt?«
Der Retter, der das Kind weiterhin festhielt, stand auf. Er sah in die Richtung, in die das Auto geflüchtet war und stellte dann seinen Schützling auf die eigenen Füße.

Er rieb den Staub von seinem Jogginganzug. »Alles noch dran«, stotterte er.
Tanja schaute auf sein Gesicht. »Wie kann ich ihnen danken«, hauchte sie, wandte sich dem Kinde zu, schüttelte es. »Torben, warum passt du nicht auf«, schimpfte sie. »Du hast den Herrn in Lebensgefahr gebracht«.
Tim kniff seine Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn wie einen Außerirdischen.
Er gaffte Tanja an. »Torben«, raunte er. »Außergewöhnlicher Spitzname für ihre Tochter.«

Sie rieb an ihrer Nase. »Er ist mein Bruder«, entgegnete sie, kratzte ihren Nacken und schnellte den anderen Arm nach vorne. »Er übt für ein Theaterstück«, druckste sie. »Schultheaterstück!« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. »Stimmts!«
Er senkte stumm das Haupt.
Der Mann runzelte die Stirn, nickte. »Also. Und da soll sie überfahren werden!«
Tanja warf ihren Kopf zur Seite. »Natürlich nicht!«, schnaufte sie, wies mit ihre Hand zur Ampel. »Ich habe doch gesagt, pass auf.« Sie erhob ihren rechten Fuß und schielte auf ihre Schuhe. »Mit hohen Absätzen musst du vorausschauend laufen!«
Tim deutete ebenfalls auf die Ampel, dabei sanken seine Schulterblätter herab. »Also. Jedenfalls, es war aber grün. Das sah mir eher nach Absicht aus!«, donnerte er,
Tanja legte ihren Kopf schief. »Wer sollte meinen Bruder überfahren wollen?«. Dann strich sie Timm über den Oberkörper. »Hauptsache ihnen ist nichts passiert?«, wisperte sie.

Er steckte einen Finger durch ein Loch in seiner Jogginghose. »Also. Alles in Ordnung«, murmelte er.
»Die Hose bezahl ich ihnen«, stöhnte Tanja mit Blick auf Torben.
Sie kramte in ihrer Handtasche. Mit zitternden Fingern überreichte sie ihm ihre Visitenkarte.
»Danke! Danke!«, flüsterte er, wies mit beiden Händen ab »Aber es war trotzdem seltsam. Mir kam es vor das der Typ absichtlich«, er schaute Torben an, »ihre Tochter überfahren wollte. Vielleicht, wenn es ihnen später weiterhilft, das Fahrzeug war ein ausländischer Volvo, vom Kennzeichen belgisch würde ich sagen«, behauptete er und trabte zum Park.

Tanja preschte mit erhobenem Haupt voran.
Der Mann wendete und kam nochmals auf Torben zu.
»Hey.« Er beugte sich zu ihm herab. »Wie heißt du wirklich?«
Er neigte den Kopf. »Shila«, piepste er.
Tim schielte zu Tanja. »Hat deine Mama einen Bruder?«
Torben senkte die Mundwinkel »Nein«, flüsterte er und blinzelte. Seine Mutter hatte keinen Bruder.

Tims Lippen näherten sich Torbens Ohr. »Jedenfalls. Erzähle bitte deinem Vater«, wisperte er und kreiste mit dem rechten Zeigefinger neben der Schläfe. »Dass er, wenn es möglich ist, mit ihr zum Arzt gehen soll.« Er richtete sich auf, fuchtelte mit ausgestrecktem Finger vor Torbens Gesicht. »Also, mit einem Schock ist nicht zu spaßen«, mahnte er und erhob sein Haupt. »Jedenfalls, ich bin Neurologe«.
Er winkte Torben zu, spurtete in den Park, bis die Schatten der alten belaubten Bäume ihn verschluckten, wie Fischernetze, die am Grund der See, ihre Beute einfingen.


weiter zu 9. Abschied
 



 
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