Flucht über die Nordsee 89. Dämon der Finsternis

ahorn

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Dämon der Finsternis

Der Kopf brummte ihm, wie nach drei Flaschen Whiskey. Schuld dafür war dieser Gaul. Thor war schnell, wendig, jedoch schreckhaft. Joos hatte sich überschätzt. Dabei war sein Plan brillant gewesen.
Das Bekennerschreiben war nach Joos Ansicht von einem Trittbrettfahrer versandt. Ihn ruhig stellen, auf die Forderung eingehen und die wahren Täter überwältigen, bevor Wouters aufschlug, war sein Plan.
Joos entdeckte eine in einem weiten Umhang verhüllte Gestalt, wie diese an seinem Wagen schlich. Gleich Ben Cartwright hielt er sein Lasso in der rechten Hand und gab Thor die Sporen. Filmriss!
Er rümpfte die Nase. Es roch nach Moder und kein Sonnenstrahl erhellte den Verschlag.
„Hallo!“
Die wispernde Stimme erklang von der gegenüberliegenden Ecke. Joos kroch auf allen vieren auf dem lehmigen Boden.
„Hallo.“
Er kletterte über muffig stinkende Haufen aus textilartigen Materialien.
„Hallo“, erklang es ängstlich.
„Alina?“
„Bitte tun Sie mir nichts!“
„Sei beruhigt.“
„Bleiben sie, wo sie sind.“ – „Wer sind sie?“
„Joos van Düwen, ein alter Freund deiner Eltern.“
Joos presste seine Lippen zusammen. Ein Freund ihrer Eltern fragte er sich.
Er robbte, gelenkt durch ihre Stimme, näher an sie heran. Ein Hauch von Erdbeere liebkoste seine Nase. Er folgte dem Duft der Unschuld, kroch auf allen vieren weiter, bis seine Finger zarte Haut ertasteten.
„Lassen sie das.“
„Ich tue dir nichts!“
Joos Wange zuckte. Die Finsternis des Verlieses ergriff seine Seele. Er hatte Angst um sich, um sie.
Die Bilder kamen in ihm hoch. Wie damals hatte er Angst, hatte sie Angst. Eng umschlugen, tröstet er sie, seine Hand auf ihrer Haut. Ihre Haare dufteten nach Erdbeeren und ihre Brüste weich wie Samt streiften seinen Körper. Er wollte ihr nichts antun. Alleinig sie behüten. Dann verblasste seine Erinnerung. Er sah, roch ihr Blut.
Erdbeerduft und Dunkelheit.
Die Finsternis der Nacht folgte ihm in den Bunker. Sie wimmerte. Beschützen war seine Pflicht, dafür war er angetreten, hatte er einen Eid abgelegt. Die seidige Korsage, ihr Atem von Erdbeeren beflügelt, befahlen ihm, sie zu berühren, sie zu trösten.

Er musste sich ablenken. Das Tier in ihm bekämpfen.
Er verzog sein Kinn, als wäre es in der Lage, jene dunkle Macht für immer zu vertreiben.
Die Nüchternheit der Wissenschaft war der einzige Weg. „Wie wahrscheinlich ist es, dass es Menschen gibt?“
„Wie meinen sie das?“
„Wie ich es gefragt habe“, bescheinigte Joos.
Er vernahm ein Grummeln.
„Zuerst muss es das Universum geben. Urknall und so“, hörte er ihre liebreizende Stimme. „Dann gab es eine Asymmetrie, sonst hätten sich Teilchen und Antiteilchen wieder zerstrahlt. Die dunkle Materie musste sich klumpen, damit Galaxien entstanden. Sterne sich bilden, Elemente erbrüten, explodierten. Der Staub sich sammelt, um Sonnensysteme zu zeugen.
Ein Felsenplanet, nicht zu groß, nicht zu klein, im richtigen Abstand zu seinem Zentralgestirn sich formen. Dieser in der passenden Art, nicht zu warm, nicht zu kalt, kein blauer Riese, der schnell vergeht. Leben benötigt Zeit. Wo das System ist, ist wichtig. Eine ruhige Ecke, an der keine Nachbarsonne in einer Supernova zerplatzt, alles hinwegspült.
Der Planet sollte einen Mond haben, wie der unsere. Ein Trabant, der ihm gar nicht zusteht, zu gigantisch.
Wasser, flüssiges Wasser muss es geben. Ein Magnetfeld, einen heißen Eisenkern, dessen Hitze immerwährend die Kruste aufbricht, alles am Leben hält, wenn er vereist. Dass sich Lebensformen entwickeln, kein Problem. Diese müssen sich weiterentwickeln. Naturkatastrophen überstehen. Bis irgendeine Kreatur sich entwickelt, die so viel Intellekt hat, um zu wissen, dass sie existiert.“
„Alina, du bist sehr schlau, intelligent, aber es war nicht die Antwort auf meine Frage.“
Stille! Minutenlange Stille drückte, zerquetschte seinen Schädel.
„Es gibt uns nicht!“, antwortet Alina. „Jedenfalls mathematisch betrachtet.“
„Trotzdem sprechen wir miteinander, egal ob wir Real oder Einbildung.“
„Jetzt kommen sie mir nicht mit irgendeinem Gott“, wetterte Alina. „Es reicht mir, dass meine Mutter mich missioniert.“
„Die Antwort wissenschaftlich. Die Betrachtung ausschlaggebend – Ursache, Wirkung. Dass wir über die Entstehung philosophieren können, ist der Beweis.“
Exakt diese Betrachtung, war die Lösung des Rätsels, alles, fast alles, passte zusammen. Die Untersuchungen von Frank, seine Beobachtungen, die Information von de Vries mit Lücken übersät, gleichwohl plausible, wenn er diese mit den literarischen Ergüssen von Nahne verknüpft.

Er hatte sich mit einem halben Glas Rotwein und einer Kanne Kaffee auf seiner Terrasse bequem gemacht und gelesen. Die Geschichten, teilweise biografisch, teilweise prophetisch. Aber auch hier galt das Prinzip Ursache und Wirkung. Wäre sie nicht eingetreten, wäre sie keine Prophezeiungen, sondern Hirngespinst. Sogar die Mär seines Vaters, von der verschollenen Halbschwester, gliederte sich ein.
Diese Geschichte war der Ausgangspunkt.

Ein Onkel ersticht Vater und Mutter. Der fürsorgliche Oheim, nicht mehr als das Naziregime ermordete, vergaste ihre Eltern. Sie flieht nicht über die Nordsee, sondern auf eine Insel gestrandet. Gewiss war sie nicht allein. Denn das endgültige Ziel ihre Reise war England. Denn dort hatte sich die Schwester des Jungen, vorm Krieg niedergelassen.
Alfons war kein Urbayer. De Vries Fakten, die er ihm vor Stunden übermittelt hatte, sprachen die Wahrheit. Als Ostfriese war er geboren, Sohn eines Bauern, getauft unter den Namen Fiete-Alfons. Er hatte eine Schwester, sie war mehrere Jahre älter, welche, wie Zufall, vor den Gräueltaten nach Großbritannien floh.
Im Krieg wies man den Loibls eine Zwangsarbeiterin aus den deutschen Ostgebieten, Polen oder Russland zu. Marzanna!
Später kam ein Mädchen, eine junge Frau Veronic Sint-Laureins aus dem besetzten Frankreich hinzu, um ihren Frondienst abzuleisten. Zur gleichen Zeit erschien im amtlichen Besucherprotokoll eine Hijlkje Loibl. Erneut Zufall?

Nach dem Krieg heiratete Veronic Fiete-Alfons auf Juist und Hijlkje Nahne in Belgien. Hijlkje gebar in Belgien zwei Kinder, bevor sie nach Norddeutschland verzogen. Alfons nahm eine Stelle als Knecht in der Nachbarschaft von Passau an, in dem Dorf, in jenem er verstarb. Er brachte Frau und ein Kind mit.
Der Hof gehörte einem Vertriebenen, der zusammen mit seiner Tochter den Besitz als Ausgleich bekam. Zur selben Zeit, an dem Gertrud amtlich wurde, verstarb Veronic. Warum?
Die Lösung stand in Nahnes Kindergeschichte von Shila. Ihre Tante war nicht ihre Verwandte, sondern ihre Mutter. Die nicht nur ihren Vater, obendrein seinen Bruder, welcher in der Verbannung lebte, geehelicht hatte. Der König, ihr Mann, kam dahinter, worauf er sterben musste. Um das Verbrechen zu verschleiern und das Königreich später an sich zu reißen, brachte sie sich selbst um, kam als ihre eigene Schwester zurück.

Veronic und Hijlkje waren für Joos, soweit er es kombinierte, ein und dieselbe Person und Gertrud Marzanna. Nur was war mit dem Kind? Mutterliebe! Hijlkje nahm das Kleines mit zu Nahne. Gertrud gab Lisselotte, das ihrige, als jenes von Alfons aus. Was es fürwahr war. Es ging nicht anders, den ihre Schwester, die zweite Tochter des Bauern, war die ältere der beiden, hatte damit das Anrecht auf das Erbe.
Es machte Joos nur Probleme, dass es nur ein Kind nicht zwei waren, den Hijlkje hatte in Norddeutschland Zwillinge.

Die Jahre gingen ins Land. Alfons hielt mit Nahne geschäftlicher Kontakt, mutmaßlich deshalb, um weiter mit Hijlkje seinem Gelüsten nachzugehen.
Dann passierte etwas, das Kartenhaus brach zusammen. Die Lösung brachte ihm das Internet. Er war sehr unwahrscheinlich, aber möglich, Ursache – Wirkung. Wenn bei einer Frau zwei Eizellen gleichzeitig entspringen und sie mit zwei Männern kurz hintereinander Geschlechtsverkehr hatte, dann kann es passieren, dass sie am selben Tag zwei Kinder von unterschiedlichen Vätern zur Welt brachte. Deswegen war nur ein Spross in Bayern. Mutterliebe! Es musste einen Beweis geben, den er nicht besaß.

Seine Beobachtungen kamen ins Spiel. Verdrängt die ganzen Jahre.
Kurz vor dem Abitur hatte er nichts Besseres zu tun, deshalb trat er ein Praktikum bei der Police Maritime an. Die Kombination von Polizeiarbeit und Seefahrt hatte es ihm angetan. Das Geschäft des Vaters zu übernehmen, war nie sein Ziel, obgleich sich sein Bruder als Theologiestudent aus dem Staub gemacht hatte. Bei diesem Praktikum lernte er nicht nur Wouters kennen, sondern sah ihre Augen. Es waren allein diese, diese magischen Augen, die ihn verwundert. Kurz sah er jene indes im Nachgang schlüssig.
Eine junge Frau saß im Verhörraum. Bekleidet nur mit einem knielangen Strickpullover und einer Seemannsmütze, diese tief über ihre Ohren gezogen. Der Leitende nahm sie in die Mangel. Wouters saß daneben und schrieb mit. Joos sollte dem Beamten eine Nachricht übergeben. Es kam ihm vor, als kenne er sie. Ihre Augen.
Die Zeit passte. Er hatte nachgerechnet. Im selben Jahr war er im Herbst bei einem Freund in Angola. Er musste mit ihm das Land verlassen, da die südafrikanische Armee einmarschiert war. Dasselbe Kalenderjahr, indem Nahne verhaftet wurde. Er kannte sein Entlassungsjahr und wie lang dieser auf Staatskosten gelebt hatte.
Zeit ging ins Land. Er heiratete. Bei einer Geburtstagsfeier seines Bruders stelle Carel ihm Maria vor. Die Augen! Er machte sich an sie mit dem platten Spruch, ‚kennen wir uns von früher‘ heran.
Hätte er damals gewusst, wie wahr er sprach, wie wäre die Geschichte ausgegangen.

Sie hatten es alle auf ihn abgesehen. Ihn einkreisen, wollten ihn mundtot machen. Er wusste, wer sie waren. Die Mächte, die wie er angetreten, um das Schlechte zu jagen, zu vertreiben. Sie überschritten dabei Grenzen und missbrauchten ihre Herrschaft. Ohne Scheu wandten sie Mittel an, welche sie vom Bösen nicht mehr unterschied.
Anton gehörte zu ihnen, wurde vom eigenen Stamm hingerichtet. Nicht aus ihrer Hand, dafür waren sie sich zu fein. Ein unschuldiger Sklave musste es sein.
Es war kein Zufall gewesen, dass er ihn auf Sri Lanka getroffen hatte. In Bayern hatten jene Mächte Anton bereits befohlen, ihn zu treffen. Der Schatz stellte nur ein Lockmittel dar und Maria war das Opferlamm. Er, Joos hatte nicht angebissen. Den er hatte die Falle erkannt. Woher wusste Anton, dass er bei der Polizei und seine Eltern ein Hausmeisterehepaar suchten? Sie hatten nie vorher miteinander gesprochen. Sein Geist hatte ihn getrübt, denn er war davon ausgegangen, dass er ihn bei der Party getroffen hatte, bei der ihm sein Bruder Maria vorgestellt hatte. Trug!
Aber, das gefiel ihm, Anton lebte. Die Schilderung von Karel, das Foto in Lesotho bewiesen es. Nur, dass er es nicht lassen konnte, die falsche Seite zu wählen, trübte Joos Freude.

Er revidierte die Erkenntnis der Nacht, verfeinerte sie.
Lisselotte und Olga waren dieselbe Person und sie hatte eine Tochter, nannte sie Klara. Maria war Sophia. Sie war stets auf der Flucht, daher konnte sich kein Kind erlauben.
Cousin und Cousine! Franziska, Olgas Schwester war Gertruds Brut. Klar, dass sie irgendwann verrückt wurde, nach der ominösen Jannette suchte.
Es löste sich alles auf, sogar das Paradoxon der mütterlichen Abstammung. Er hatte sie gesehen, in ihrem engen Reiterdress. Sie war zu hundert Prozent ein Girl. Damit blieb für ihn eine Erklärung, irrwitzig gleichwohl vorstellbar. Die Frau, die er, seit der Hochzeit seiner Tochter für Klara hielt, war niemand anders als Stephen, darum sein Genom männlich. Und dieses zarte Wesen, was sich als Stephen ausgab Klara.
Ihm traf die Schuld. Hätte er nicht überall erzählt, dass Klara seine Tochter, sie wäre nie in ihre Auswahl gekommen. Wie kommt man am besten an eine Frau? Über die Tochter! Aber erst das Telefonat mit seinem Schwiegersohn brachte ihm die Gewissheit.
Geweckt hatte er ihn, gebeichtet, dass Josephine nicht seine leibliche Tochter war. Frank hatte ihm dieses gesteckt. Woher der Gerichtsmediziner er wusste, war ihm bewusst. Es gab genug genetisches Material von ihm in der Gerichtsmedizin. Immer sich an einem Tatort vorzusehen, war nicht seine Art. Er fragte sich eher, weshalb Frank den Vergleich vorgenommen hatte.
Ein stand somit fest. Er hatte keine Tochter mehr, obwohl dieses, jenes, sagte ihm sein Herz, Blödsinn war. Eins belastete ihn. Sein Enkelsohn, den er innig liebte, entwand ihm.
Verschlafen tröstete sein Schwiegersohn ihn, dass er nie der leibliche Großvater war. Josephine konnte keine Kinder gebären. Eine Leihmutter trug das Baby aus. Die Frau, mit der sein Schwiegersohn zusammenlebte. Es wäre sowieso bei der Scheidung zutage getreten, trotzdem, und das versprach er ihn, blieb er immer der Opa.

Die Geschichte mit Tragik hatte direkt mit dem seinem Fall nichts zu tun. Es war eher die Erfahrung dahinter. Mutterliebe! Josephine kannte sie nicht, hatte keinen Schimmer, wie stark sie war, trotzdem spielte sie mit dieser.

Klara und Tanja waren damals in Südafrika verschollen. Das Kind allein. Der Erzeuger, der kein Mann mehr war, konnte dem Baby beistehen und da er in seiner Seele immer eine Frau war, diesem die mütterliche Brust schenken. Ob er in jenen Tagen Tanja oder Klara ähnelte oder sie ihn geformt hatten, entsagten ihm die Fakten. Fakten, die sich eher in seinem Gehirn bildeten. Zumindest mutierte seine Frucht erst zum Bruder, dann zur Schwester. Warum blieb ihm, Joos schleierhaft. Es spielte keine entscheidende Rolle.

Josephine war der festen Auffassung, zumindest ging er davon aus, dass das Mädchen, mit dem er zurzeit in diesem Verlies dunkle Stunden verbrachte, niemand anders als die Frucht der Liaison von Stephen und Klara war. Er mithin der Vollstrecker.
Inwieweit sie Handlanger, Werkzeug oder Teil der dunklen Seite waren, lag außerhalb seines Horizontes. Gleichwohl gelang es ihnen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Maria zu demütigen, sie aus ihrem Versteck zu locken und gleichsam ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Das zeigte ihm auf, wie dicht er an ihnen heran war.
Sie hatte sich überdies ein letztes Mal bei ihm gemeldet. Ihm eine SMS geschickt. Knapp, wie immer von ihr geschrieben.
Obwohl ich dich hassen muss, lieb ich dich.

„Ich habe Hunger, Durst und mir ist kalt“, warf ihn Alina aus den Gedanken.
„Ich habe nichts zu trinken, erst recht kein Stück zu essen.“
Er spürte zuerst einen Fuß auf seinem Oberschenkel, dann ein Bein über seinen Körper gleiten, bis das Gewicht eines zierlichen Mädchens auf ihm ruhte.
„Wärmen sie mich?“
Der Duft von Erdbeeren kroch ihm in die Nase. Zögernd legte er seine rechte Hand auf ihren Rücken. Die Finger der Linken ertasteten den zarten, luftigen Stoff ihres Rockes. Seine Wange zuckte.
„Du bist in Gefahr, mein Kind.“
„Ich weiß.“
Sie war stark. Er schwach.



Sie kommen

Schritte ließen ihn aufhorchen. Er musste eingeschlafen sein. Das Trampeln von Männerschuhen vernahm er, nicht das Schweben von Damenfüßen. Hatten die vier Verstärkung im Schlepptau, grübelte er. Er hatte drei Frauen und einen Mann erwartet. Schweiß rann über seine Haut.
Joos zog seinen Gürtel fester und presste, obwohl es niemand in der Finsternis sehen konnte, seinen rechten Zeigefinger an seine Lippen. „Psst! Bleibe still. Bewege dich nicht.“
Er warf eine Decke oder etwas ähnlich an den Ort, an dem er Alina vermutete.
Das Klappern eines Schlüsselbundes, gefolgt von dem Schlag eines Riegels, hallte. Mit einem Knarren öffnete sich die Deckenluke. Joos sah bloß eine Silhouette, welche sich angeschienen, vom Licht der Freiheit, abzeichnete. Eine morsche Holzleiter sauste hinab und schlug auf den lehmigen Boden auf. Er sah sich um. Niemand sah Alina in diesem Chaos von stinkenden Matratzen und gammeligen Decken. Ein Spalt, ein Loch klaffte in der Lehmwand direkt hinter der Leiter, durchaus in dem Umfang, dass sich ein erwachsender Mensch dort verkriechen konnte. Mit zwei Sprüngen erreichte er das Versteck, bevor ein schwarzer Pferdeschwanz hinab baumelte.
„Wie niemand drin!“, donnerte eine tiefe Männerstimme.
Er kannte sie.
„Das kann nicht sein. Der Lieferant war immer akkurat und pünktlich. Die Mädchen müssen da sein.“
Hier wollten sie die Kinder zwischenlagern, überlegte Joos. Wie damals! Wieder kamen ihnen Klara, Tanja, Josephine und Stephen dazwischen. Nur, dass er ihnen diesmal die Schau gestohlen hatte, denn die Mädchen waren in Sicherheit.
„Schau selbst nach“, erklang ein weicher, eher weiblicher Gesang.
„Ich glaube dir. Du bist ja nicht blind“, donnerte erneut die ihm bekannte Stimme.
Die Luke wackelte.
„Lass offen. Die Kloake kann auslüften.“
Erneut erklangen Schritte, welche von Sekunde zu Sekunde verhalten. Joos drehte sich aus dem Loch, umklammerte die Leiter und stellte seinen rechten Fuß auf die erste Sprosse.
Inwieweit sein Freund der Drahtzieher war, hatte er rein vermutet. Jetzt schlug seine letzte Stunde.



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Dämon der Finsternis
Der Kopf brummte ihm, wie nach drei Flaschen Whiskey. Schuld dafür war dieser Gaul. Thor war schnell, wendig jedoch schreckhaft, Joos hatte sich überschätzt. Dabei war sein Plan brillant gewesen.
Das Bekennerschreiben war nach Joos Ansicht von einem Trittbrettfahrer versandt. Ihn ruhigstellen, auf die Forderung eingehen und die wahren Täter überwältigen, bevor Wouters aufschlug.
Joos entdeckte die in einem weiten Umhang verhüllt Gestalt, wie diese an seinem Wagen schlich. Gleich Ben Cartwright hielt er das Lasso in der rechten Hand und gab Thor die Sporen. Filmriss!
Er rümpfte die Nase. Es roch nach Moder und kein Sonnenstrahl erhellte den Verschlag.
»Hallo!«

Die wispernde Stimme erklang von der gegenüberliegenden Ecke. Joos kroch auf allen vieren auf dem lehmigen Boden.
»Hallo.«
Er kletterte über muffig stinkende Haufen aus textilartigen Materialien.
»Hallo«, erklang es ängstlich.
»Alina?«
»Bitte tun sie mir nichts!«
»Sei beruhigt. «
»Bleiben sie, wo sie sind.« – »Wer sind sie?«
»Joos van Düwen, ein alter Freund deiner Eltern.«
Joos presste die Lippen zusammen. Ein Freund ihrer Eltern!
Er robbte näher an sie heran, gelenkt durch ihre Stimme. Ein Hauch von Erdbeere liebkoste seine Nase. Er folgte dem Duft der Unschuld, kroch auf allen vieren weiter, bis seine Finger zarte Haut ertasteten.
»Lassen sie das!«

»Ich tue dir nichts!«
Joos Wange zuckte. Die Finsternis des Verlieses ergriff seine Seele. Er hatte Angst um sich, um sie.
Die Bilder kamen in ihm hoch. Wie damals hatte er Angst, hatte sie Angst. Eng umschlugen, tröstet er sie, seine Hand auf ihrer Haut. Ihre Haare dufteten nach Erdbeeren und ihre Brüste weich wie Samt streiften seinen Körper. Er wollte ihr nichts antun. Alleinig sie behüten. Dann verblasste die Erinnerung. Er sah, roch ihr Blut.
Erdbeerduft und Dunkelheit!
Die Finsternis der Nacht folgte ihm in den Bunker. Sie wimmerte. Beschützen war seine Pflicht, dafür war er angetreten, hatte er einen Eid abgelegt. Die seidige Korsage, ihr Atem von Erdbeeren beflügelt, befahlen ihm, sie zu berühren, sie zu trösten.

Er musste sich ablenken. Das Tier in ihm bekämpfen.
Er verzog sein Kinn, als wäre es in der Lage, jene dunkle Macht für immer zu vertreiben.
Die Nüchternheit der Wissenschaft war der einzige Weg. »Wie wahrscheinlich ist es, dass es Menschen gibt?«
»Wie meinen sie das?«
»Wie ich es gefragt habe«, bescheinigte Joos.
Er vernahm ein Grummeln.
»Zuerst muss es das Universum geben. Urknall und so«, hörte er ihre liebreizende Stimme. »Dann gab es eine Asymmetrie, sonst hätten sich Teilchen und Antiteilchen wieder zerstrahlt. Die dunkle Materie musste sich klumpen, damit Galaxien entstanden. Sterne sich bilden, Elemente erbrüten, explodierten. Der Staub sich sammelte, um Sonnensysteme zu zeugen. Ein Felsenplanet, nicht zu groß, nicht zu klein, im richtigen Abstand zu seinem Zentralgestirn sich formen. Dieser in der passenden Art, nicht zu warm, nicht zu kalt, kein blauer Riese, der schnell vergeht. Leben benötigt Zeit. Wo das System ist, ist wichtig. Eine ruhige Ecke, an der keine Nachbarsonne in einer Supernova zerplatzt, alles hinwegspült. Der Planet sollte einen Mond haben, wie der unsere. Ein Trabant, der ihm gar nicht zusteht, zu gigantisch. Wasser, flüssiges Wasser muss es geben. Ein Magnetfeld, einen heißen Eisenkern, dessen Hitze immerwährend die Kruste aufbricht, alles am Leben hält, wenn er vereist. Das sich Lebensformen entwickeln kein Problem. Diese müssen sich weiterentwickeln. Naturkatastrophen überstehen. Bis irgendeine Kreatur sich entwickelt, die so viel Intellekt hat, um zu wissen, dass sie existiert.«
»Alina du bist sehr schlau, intelligent, aber es war nicht die Antwort auf meine Frage.«
Stille! Minutenlange Stille drückte, zerquetschte seinen Schädel.
»Es gibt uns nicht!«, antwortet Alina. »Jedenfalls mathematisch betrachtet.«
»Trotzdem sprechen wir miteinander, egal ob wir Real oder Einbildung.«
»Jetzt kommen sie mir nicht mit irgendeinem Gott«, wetterte Alina. »Es reicht mir, dass meine Mutter mich missioniert.«
»Die Antwort wissenschaftlich. Die Betrachtung ausschlaggebend – Ursache, Wirkung. Dass wir über die Entstehung philosophieren können, ist der Beweis.«

Exakt diese Betrachtung, war die Lösung des Rätsels, alles, fasst alles, passte zusammen. Die Untersuchungen von Frank, seine Beobachtungen, die Information von de Vries mit Lücken übersät, gleichwohl plausible, wenn er diese mit den literarischen Ergüssen von Nahne verknüpft.

Er hatte sich mit einem halben Glas Rotwein und einer Kanne Kaffee auf seiner Terrasse bequem gemacht und gelesen. Die Geschichten teilweise biografisch, teilweise prophetisch. Aber auch hier galt das Prinzip Ursache und Wirkung. Wäre sie nicht eingetreten, wäre sie keine Prophezeiungen, sondern Hirngespinst. Sogar die Mär seines Vaters, von der verschollenen Halbschwester gliederte sich ein.
Diese Geschichte war der Ausgangspunkt.

Ein Onkel ersticht Vater und Mutter. Der fürsorgliche Oheim, nicht mehr als das Naziregime ermordete, vergaste ihre Eltern. Sie flieht nicht über die Nordsee. Gewiss war sie nicht allein. Sondern als Zwischenziel auf eine Insel gestrandet. Denn das endgültige Ziel ihre Reise war England. Denn dort hatte sich die Schwester des Jungen, vorm Krieg niedergelassen.

Alfons war kein Urbayer. De Vries Fakten, die er ihm , Joos vor Stunden übermittelt hatte, sprachen die Wahrheit. Als Ostfriese war er geboren, Sohn eines Bauern, getauft unter den Namen Fiete-Alfons. Er hatte eine Schwester, sie war mehrere Jahre älter, welche, wie Zufall, vor den Gräueltaten nach Großbritannien floh.
Im Krieg wies man den Loibls eine Zwangsarbeiterin aus den deutschen Ostgebieten, Polen oder Russland zu. Marzanna!
Später kam ein Mädchen, eine junge Frau Veronic Sint-Laureins aus dem besetzten Frankreich hinzu, um ihren Frondienst abzuleisten. Zur gleichen Zeit erschien im amtlichen Besucherprotokoll eine Hijlkje Loibl. Erneut Zufall!

Nach dem Krieg heiratete Veronic Fiete-Alfons auf Juist und Hijlkje Nahne in Belgien. Hijlkje gebar in Belgien zwei Kinder und verzogen nach Norddeutschland. Alfons nahm eine Stelle als Knecht in der Nachbarschaft von Passau an, in dem Dorf, in jenem er verstarb. Er brachte Frau und ein Kind mit.

Der Hof gehörte einem Vertriebenen, der zusammen mit seiner Tochter den Besitz als Ausgleich bekam. Zur selben Zeit, an dem Gertrud amtlich wurde, verstarb Veronic. Warum?
Die Lösung stand in Nahnes Kindergeschichte von Shila. Ihre Tante war nicht ihre Verwandte, sondern ihre Mutter. Die nicht nur ihren Vater, obendrein seinen Bruder, welcher in der Verbannung lebte, geehelicht hatte. Der König, ihr Mann kam dahinter, worauf er sterben musste. Um das Verbrechen zu verschleiern und das Königreich später an sich zu reißen, brachte sie sich selbst um, kam als ihre eigene Schwester zurück.

Veronic und Hijlkje waren ein und dieselbe Person und Gertrud Marzanna. Nur was war mit dem Kind? Mutterliebe! Hijlkje nahm das Kleines mit zu Nahne. Gertrud gab Lisselotte, das ihrige, als jenes von Alfons aus. Was es fürwahr war. Es ging nicht anders, den ihre Schwester, die zweite Tochter des Bauern, war die ältere der beiden, hatte damit das Anrecht auf das Erbe.
Es machte Joos nur Probleme, dass es nur ein Kind nicht zwei waren, den Hijlkje hatte in Norddeutschland Zwillinge.
Die Jahre gingen ins Land. Alfons hielt mit Nahne geschäftlicher Kontakt, mutmaßlich deshalb, um weiter mit Hijlkje seinen Gelüsten nachzugehen.

Dann passierte irgendetwas, das Kartenhaus brach zusammen. Die Lösung brachte ihm das Internet. Er war sehr unwahrscheinlich aber möglich, Ursache – Wirkung. Wenn bei einer Frau zwei Eizellen gleichzeitig entspringen und sie mit zwei Männern kurz hintereinander Geschlechtsverkehr hatte, dann kann es passieren, dass sie am selben Tag zwei Kinder von unterschiedliche Vätern zur Welt brachte. Deswegen war nur ein Spross in Bayern. Mutterliebe! Es musste einen Beweis geben, den er nicht besaß.

Seine Beobachtungen kamen ins Spiel. Verdrängt die ganzen Jahre.
Kurz vor dem Abitur hatte er, Joos nichts Besseres zu tun, deshalb trat er ein Praktikum bei der Police Maritime an. Die Kombination von Polizeiarbeit und Seefahrt hatte es ihm angetan. Das Geschäft des Vaters zu übernehmen, war nie sein Ziel, obgleich sich sein Bruder als Theologiestudent aus dem Staub gemacht hatte. Bei diesem Praktikum lernte er nicht nur Wouters kennen, sondern sah ihre Augen. Es waren schier diese, die ihm verwunderten. Kurz sah jene indes im Nachgang schlüssig.
Eine junge Frau saß im Verhörraum. Bekleidet nur mit einem knielangen Strickpullover und einer Seemannsmütze, diese tief über ihre Ohren gezogen. Der Leitende nahm sie in die Mangel. Wouters saß daneben und schrieb mit. Joos sollte dem Beamten eine Nachricht übergeben. Es kam ihm vor, als kenne er sie. Die Augen!
Die Zeit passte. Er hatte nachgerechnet. Im selben Jahr war er im Herbst bei einem Freund in Angola. Er musste mit ihm das Land verlassen, da die südafrikanische Armee einmarschiert war. Dasselbe Kalenderjahr, indem Nahne verhaftet wurde. Er kannte sein Entlassungsjahr und wie lang dieser auf Staatskosten gelebt hatte.

Zeit ging ins Land. Er, Joos heiratete. Bei einer Geburtstagsfeier seines Bruders stelle Karel ihm Maria vor. Die Augen! Er machte sich an sie mit dem platten Spruch, ‚kennen wir uns von früher‘ heran.
Hätte er damals gewusst, wie wahr er sprach, wie wäre die Geschichte ausgegangen.

Sie hatten es alle auf ihn abgesehen. Ihn einkreisen, wollten ihn mundtot machen. Er wusste, wer sie waren. Die Mächte, die wie er angetreten, um das Schlechte zu jagen, zu vertreiben. Sie überschritten dabei Grenzen und missbrauchten ihre Herrschaft. Ohne Scheu wandten sie Mittel an, welche sie vom Bösen nicht mehr unterschied.
Anton gehörte zu ihnen, wurde vom eigenen Stamm hingerichtet. Nicht aus ihrer Hand dafür waren sie sich zu fein. Ein unschuldiger Sklave musste es sein.
Es war kein Zufall gewesen, dass er ihn auf Sri Lanka getroffen hatte. In Bayern hatten sie Anton bereits befohlen, ihn zu treffen. Der Schatz stellte nur ein Lockmittel dar und Maria war das Opferlamm. Er, Joos hatte nicht angebissen. Den er hatte die Falle erkannt. Woher wusste Anton, dass er bei der Polizei und seine Eltern ein Hausmeisterehepaar suchten? Sie hatten nie vorher miteinander gesprochen. Sein Geist hatte ihn getrübt, denn er war davon ausgegangen, dass er ihn bei der Party getroffen hatte, bei der ihm sein Bruder Maria vorgestellt hatte. Trug!
Aber, das gefiel ihm, Anton lebte. Die Schilderung von Karel, das Foto in Lesotho bewiesen es. Nur, dass er es nicht lassen konnte, die falsche Seite zu wählen, trübte Joos Freude.

Er revidierte die Erkenntnis der Nacht, verfeinerte sie.
Lisselotte und Olga waren dieselbe Person und sie hatte eine Tochter, nannte sie Klara. Maria war Sophia. Sie war stets auf der Flucht, daher konnte sich kein Kind erlauben.
Cousin und Cousine! Franziska Olgas Schwester war Gertruds Brut. Klar, dass sie irgendwann verrückt wurde, nach der ominösen Jannette suchte.
Es löste sich alles auf, sogar das Paradoxon der mütterlichen Abstammung. Er hatte sie gesehen, in ihrem engen Reiterdress. Sie war zu hundert Prozent ein Girl. Damit blieb für ihn eine Erklärung, irrwitzig gleichwohl vorstellbar. Die Frau, die er, seit der Hochzeit seiner Tochter für Klara hielt, war niemand anders als Stephen, darum sein Genom männlich. Und dieses zarte Wesen was sich als Stephen ausgab Klara.

Ihm traf die Schuld. Hätte er nicht überall erzählt, dass Klara seine Tochter, sie wäre nie in ihre Auswahl gekommen. Wie kommt man am besten an eine Frau? Über die Tochter! Aber erst das Telefonat mit seinem Schwiegersohn brachte ihm die Gewissheit.
Geweckt hatte Joos ihn, gebeichtet, dass Josephine nicht seine leibliche Tochter war, infolgedessen er keinen Enkelsohn mehr besaß. Verschlafen tröstete der Schwiegersohn ihn, dass er nie der leibliche Großvater war. Josephine konnte keine Kinder gebären. Eine Leihmutter trug das Baby aus. Die Frau, mit der sein Schwiedersohn zusammenlebte. Es wäre sowieso bei der Scheidung zutage getreten, trotzdem, und das versprach er ihn, blieb er immer der Opa.

Die Geschichte mit Tragik hatte direkt mit dem seinem Fall nichts zu tun. Es war eher die Erfahrung dahinter. Mutterliebe! Josephine kannte sie nicht, hatte keinen Schimmer, wie stark sie war, trotzdem spielte sie mit dieser.

Klara und Tanja waren damals in Südafrika verschollen. Das Kind allein. Der Erzeuger, der kein Mann mehr war, konnte dem Baby beistehen und da er in seiner Seele immer eine Frau war diesem die mütterliche Brust schenken. Ob er in jenen Tagen Tanja oder Klara ähnelte oder sie ihn geformt hatten, entsagten ihm, Joos die Fakten, zumindest mutierte seine Frucht erst zum Bruder dann zur Schwester. Warum blieb ihm, Joos schleierhaft. Es spielte keine entscheidende Rolle.

Josephine war der festen Auffassung, zumindest ging Joos davon aus, dass das Mädchen mit dem er zurzeit in diesem Verlies dunkle Stunden verbrachte, niemand anders als die Frucht der Liaison von Stephen und Klara war. Er mithin der Vollstrecker.

Inwieweit sie Handlanger, Werkzeug oder Teil der dunklen Seite war, lag außerhalb seines Horizontes. Gleichwohl gelang es ihnen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Maria zu demütigen, sie aus ihrem Versteck zu locken und gleichsam ihn, Joos aus dem Verkehr zu ziehen. Das zeigte ihm auf, wie dicht er an ihnen heran war.
Sie hatte sich überdies ein letztes Mal bei ihm gemeldet. Ihm eine SMS geschickt. Knapp, wie immer von ihr geschrieben.

Obwohl ich dich hassen muss, lieb ich dich.

»Ich hab Hunger, Durst und mir ist kalt«, warf ihn Alina aus den Gedanken.
»Ich habe nichts zu trinken, erst recht kein Stück zu essen!«
Er spürte zuerst einen Fuß auf seinem Oberschenkel, dann ein Bein über seinen Körper gleiten, bis das Gewicht eines zierlichen Mädchens auf ihm ruhte.
»Wärmen sie mich?«
Der Duft von Erdbeeren kroch ihm in die Nase. Zögernd legte er die rechte Hand auf ihren Rücken. Die Finger der Linken ertasteten den zarten, luftigen Stoff ihres Rockes. Seine Wange zuckte.
»Du bist in Gefahr mein Kind.«
»Ich weiß.«
Sie war stark. Er schwach.


Sie kommen
Schritte ließen ihn aufhorchen. Er musste eingeschlafen sein. Das Trampeln von Männerschuhen vernahm er, nicht das Schweben von Damenfüßen. Hatten die vier Verstärkung im Schlepptau, grübelte er. Er hatte drei Frauen und einen ehemaligen Mann erwartet. Schweiß rann über seine Haut.
Joos zog den Gürtel fester und legte den rechten Zeigefinger an die Lippen, obwohl es niemand in der Finsternis sehen konnte. »Psst! Bleib still! Beweg dich nicht!«
Er warf eine Decke oder etwas ähnlich an den Ort, an den er Alina vermutete.
Das Klappern eines Schlüsselbundes gefolgt von dem Schlag eines Riegels echote. Mit einem Knarren öffnete sich die Deckenluke. Joos sah bloß eine Silhouette, welche sich angeschienen vom Licht der Freiheit, abzeichnete. Eine morsche Holzleiter sauste herab und schlug auf den lehmigen Boden auf. Er sah sich um. Niemand sah Alina in diesem Chaos von stinkenden Matratzen und gammeligen Decken. Ein Spalt, ein Loch klaffte in der Lehmwand direkt hinter der Leiter, durchaus in dem Umfang, dass sich ein erwachsender Mensch dort verkriechen konnte. Mit zwei Sprüngen erreichte er das Versteck, bevor ein schwarzer Pferdeschwanz herab baumelte.
»Wie niemand drin!«, donnerte eine tiefe Männerstimme.
Er kannte sie.
»Das kann nicht sein. Der Lieferant immer akkurat und pünktlich. Die Mädchen müssen da sein!«
Hier wollten sie die Kinder zwischenlagern, überlegte Joos. Wie damals! Wieder kamen ihnen Klara, Tanja, Josephine und Stephen dazwischen. Nur, dass er ihnen diesmal die Schau gestohlen hatte, denn die Mädchen waren in Sicherheit.
»Seh selbst nach!«, erklang ein weicher eher weibliche Gesang.
»Ich glaub dir! Bist ja nicht blind«, donnerte erneut die ihm bekannte Stimme.
Die Luke wackelte.
»Las offen. Die Kloake kann auslüften!«
Erneut erklangen Schritte, welche von Sekunde zu Sekunde verhalten. Joos drehte sich aus dem Loch, umklammerte die Leiter und stellte den rechten Fuß auf die erste Sprosse.
Inwieweit sein Freund der Drahtzieher war, hatte er rein vermutet. Jetzt schlug seine letzte Stunde.

weiter zum nächsten Teil 90. Gefahr in Anmarsch
 
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