Fluchten Ende

Haarkranz

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Fluchten Ende


Felix fühlte eine nie gekannte Erleichterung, als sich die Räder der Maschine von der Piste des Airports von Hatta lösten. In sechs Stunden würde er in Orly Charlie in die Arme nehmen. Hoffentlich kam nichts dazwischen, aber Charlie hatte ihn einen Spökenkieker genannt, als er sie gestern an ihr geplatztes Treffen erinnerte.
Aus den paar Tagen in Hatta waren sechs Wochen geworden, sechs erfolgreiche Wochen, er hatte seine gesamten Interessen für gutes Geld an den Mann gebracht. Auch Darja hatte ihre 400.000.- bekommen, was Mze vor Vergnügen quietschen ließ, und ihm ihr Versprechen einbrachte, über ihren Körper und alle damit verbundenen Köstlichkeiten, solange die noch köstlich waren, ohne wenn und aber, wann immer es ihn gelüste, verfügen zu dürfen.
Felix lächelte, etwas wie Wehmut beschlich ihn, bei aller Freude über das erreichte. Achmed war nicht sein einziger Freund in Hatta gewesen, es gab Menschen die so selbstverständlich dazugehörten, dass er sie nie richtig wahrgenommen hatte.
Eine war Marie-Joe, die eines Abend an der Tür seiner Wohnung sturmgeschellt und mit den Worten: „Sag das es nicht wahr ist,“ hereinstümte, mit zitternden Lippen und Augen voll Tränen vor ihm stand, bestätigt haben wollte, was, wie sie ahnte, unumkehrbar war. Warum und wann, war ihre nächste Frage, und Felix zog sie erst einmal an sich, streichelte sie sanft und führte sie zu ihrem Lieblingssessel, hieß sie die Beine über die Lehne werfen, bat sie ihn anzuhören. Ihr Vorwurf: Er der immer behauptet hatte, ein weißer Schwarzer zu sein, desertiere, jetzt wo die Lage Leute wie ihn dringend brauche.
Felix hörte ihr geduldig zu, war bei allem was sie vorbrachte ihrer Meinung und widersprach nur in einem: Sie mich an Joe, verlangte er, du weißt so gut wie ich, richtig schwarz bin ich nicht, auch nicht halbrichtig, ich bin überhaupt nicht schwarz, ich bin weiß und habe blondes Haar. Ich habe mich solange ich denken kann, mit Afrika identifiziert, der Schwarzen Sache zu meiner gemacht, versucht wie ein Schwarzer zu denken, aber gedacht hab ich wie ein Europäer. Hätte den Afrikanern nicht helfen können, wäre ich wie sie an die Dinge herangegangen.
Nun sind Umstände eingetreten, nicht zwischen den Menschen und mir, aber in der Politik, die für mich sehr gefährlich sind. Die, die ich früher verfolgte, sind dabei das Regiment zu übernehmen. Schieber, Schmuggler, Durchstecher, Diebe und Mörder, besetzen die Schaltstellen der Macht. Viele der Clique, die Gebrüder Ondurman zuletzt, habe ich zur Strecke gebracht, das schreit nach Rache. Der nächste Umsturz, dessen Vorzeichen jedem, der das Tagesgeschehen aufmerksam verfolgt, nicht verborgen bleiben, wird nicht lange auf sich warten lassen, bis dahin muss ich außer Landes sein.
Marie-Joe nickte, „ich weiß Felix was los ist. Es ist nur so verdammt schwer hier angeschmiedet zu sein, während die Ratten das sinkende Schiff verlassen. Für mich bist du keine Ratte, aber so sagt man doch?
Statt zu antworten hatte er ihr den Nacken massiert, sie hatte ihn zu sich in den breiten Sessel gezogen und auf ihre spezielle, unvergleichlich sinnliche Art geküsst.
Es war geschehen, dieses letztemal war es geschehen und es hatte absolut nichts mit Charlie zu tun. Er und Joe waren alte Freunde, mit Wurzeln die tief in die Vergangenheit reichten. Das Angenehme, ihre Freundschaft bedurfte keiner Stütze von Außen. Parties, Saufgelage, Pferderennen, all die Krücken die Männer brauchen um ihre Feundschaften abzusichern, waren für sie Liebesnächte, das auskosten dieser Sensation bis zur Neige. Verweigerung hätte Joe tief verletzt. Auch ein Hinweis auf seine Liebe zu Charlie konnte nicht verfangen, weil Liebe nie eine Option ihrer Verbindung war. Joe und er nahmen auf die gleiche Weise Abschied voneinander, wie sie so oft, ihre persönlichen Schwierigkeiten ohne Erörterung durch eine gemeinsame Nacht bewältigt hatten.
Er reckte und dehnte sich in seinem Sessel, Joe würde neben Achmed und bedingt auch Wolong, in seinem neuen Leben unvergessen bleiben. Neues Leben, sagte und dachte sich so einfach. Charlie würde ein Hauptteil dieses neuen Lebens sein, aber ein Teil. Sich ihr ganz anheimzugeben, würde auf Dauer ihrer Beziehung den Pfeffer nehmen. Es musste etwas jenseits von Charlie erfinden, Geld dazu war vorhanden, die Hürde war Erfahrung. Was forderte Frankreich, welche Fähigkeiten konnte er einbringen, umgestalten, anpassen an das Leben in Europa. Polizist oder verwandtes, unter keinen Umständen. Geschäftsmann, Händler werden, widerstand ihm auch. Er wusste von Achmed und aus den Unterhaltungen mit Sascha, auch dieses Dasein bestand, hatte man kapiert wo es lang ging, weitgehend aus Routine.
Na ja, da half kein theoretisieren, die Augen aufhalten musste er, Gelegenheiten erkennen und möglichst nutzen, das hieß hier im Flugzeug war die einzige gute Gelegenheit der Schlaf, sein Polizistendasein hatte ihn gelehrt auf Kommando einzuschlafen und das tat er.
Charlie war einen Tag vorher in Paris angekommen, hatte den Abend und die Nacht bei ihrer Freundin aus Schulzeiten, Yvonne verbracht.
Ihre Gehirnerschütterung war dank ihrer strikten Disziplin, folgenlos geblieben. Als sie Yvonne ihr Abenteuer erzählte, konnte die sich nicht fassen vor Entsetzen. Da wärst du doch um ein Haar ertrunken, wiederholte sie wieder und wieder, fand es schier unbegreiflich, wie gelassen Charlie mit dieser Tatsache umging.
Charlie selbst, die die Geschichte oft genug erzählt hatte, kam sich manchmal etwas merkwürdig vor, wenn sie die Reaktionen ihrer Zuhörer mit ihrer Gelassenheit verglich. Mit Felix würde sie das noch oft genug erörtern und war auf seine Sicht gespannt. Letztlich geschahen soche Sachen, wenn man mit dem Boot auf hoher See unterwegs war. Verunglückten Menschen mit Auto oder Motorrad, war das kaum der Rede wert. Aber das Meer, die See, war für viele Menschen etwas bedrohlich, Unheimliches. Da gab es Haie, Riesenkraken und anderes unbekanntes Getier, das dem Seefahrer nach dem Leben trachtete.
Pierres einzige Reaktion, als er sie besuchte, war: „Nochmal Glück gehabt, Skipper! Gib acht, hast eine ordentlichen Schluck aus der Pulle genommen!“
Mochte sein, hab auch nicht vor das zu wiederholen. Werde mir zukünftige Turns aber nicht vermiesen lassen, von Niemandem!
Um Yvonne abzulenken, erzählte sie ihr von Felix, der sein bisheriges Leben in Afrika verbracht, dort jetzt seine Zelte abgebrochen hatte, um mit ihr zu leben. Auch das fand die Freundin außerordentlich. Ein Mann lernt eine Frau kennen und ändert sein Leben! Das ist die große Liebe, Charlie! Die Liebe von der alle Frauen träumen.
So war das scheinbar bei Yvonne und allen Frauen, Felix die große Liebe.
Hab die große Liebe beim Aktfotografieren aufgegabelt, dachte sie bei sich, hielt aber den Mund, um Yvonne nicht zu weiteren Tiraden zu provozieren.
Morgen begann ihr neues Leben, sie freute sich, war gespannt auf Felix und sich, auf dem Rücken einen Rucksack voll überbordender Hoffnung.
Im Bett fand sie keine Ruhe, auf nicht erklärliche Weise bemächtigte sich das Entsetzen Yvonns, auch ihrer Gedanken. Immer wieder in endloser Drehung, fand sie sich auf den Gipfeln haushoher Wellen, um kaum dass sie nach Luft geschnappt hatte, in abgrundtiefe graugläserne Wassertäler abzustürzen.
Rauf und runter ohne Ende, träume ich oder wach ich, sie hatte keine Ahnung. Endlich griff sie nach dem Wecker und stellte fest, sie lag erst seit zwei Stunden im Bett.
Felix anrufen, schoss es ihr durch den Kopf. Er sitzt schon im Flieger, hoffentlich hat er sein Handy eingeschaltet. Sie ließ klingeln, zwei dreimal bis zum Ende, keine Meldung, auch die Mailbox kam nicht. Merde! Ich werde mich über den Cognac hermachen, Yvonne und sie hatten am Abend kaum an der Flasche genippt. Sollte sie morgen verkatert sein, musste Felix nach Hause fahren, der hatte im Flieger sicher traumlos gepennt.
Genüsslich beschnupperte sie den edlen Tropfen, bevor sie einen kleinen Schluck nahm. Sie genoss seine Schärfe auf Gaumen und Zunge, und verfolgte seinen Weg bis zur Ankunft im Magen, wo er sofort eine wohlige Wärme austrahlte.
 



 
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