Fluchten Teil 12
Je näher der Konvoi Hatta kam, umso unruhiger wurde Robert. Der Colonel neben ihm bemerkte sein Herumgerutsche, legte ihm seine große Hand auf die Schulter und fragte. „Sorgen?“, Robert nickte. „Schlimme Zeiten, Robert,“ versuchte er zu trösten und widmete sich erneut dem Mikro, in das er hineinbrüllte, stöhnte, zischte um seine Jungs, wie er sie nannte, auf Vordermann zu halten.
In zwei Stunden würden sie Hatta erreicht haben, bis jetzt war es zu keinem Zwischenfall gekommen. Im Grunde war Robert das gleichgültig, er registrierte kaum was um ihn vorging. Sein Kopf war ein Tollhaus, in dem sich Angst, Reue und Sehnsucht mischten. Hatten Nellie und die Kinder alles heil überstanden? Wenn nicht, war das Folge seiner Treulosigkeit, gerechte Strafe?
So war Gott nicht, versuchte er sich vergeblich zu beruhigen, aber kaum hatte er besserer Einsicht nachgegeben, züngelte der Zweifel wie das leibhaftige Höllenfeuer in ihm hoch.
Hinzu kam der nicht endende Sog in seiner Brust, der Darja war. Einfach war, nicht Darja hieß. Sie war es, die da in ihm hockte, ihn zwang, sie sich immer wieder vorzustellen, ihren Mund, Goldaugen, Samthaut. Ihr Französisch mit dem ulkigen Akzent, der nicht südafrikanisch, sondern Nama war! Ich bin vom Stamme Witbois, eines Kriegers der den deutschen Kolonialisten blutige Niederlagen bereitete, hatte sie stolz behauptet.
O Darja, o Nellie, ihr zerreißt mir das Herz, was soll nur werden, wenn überhaupt noch etwas wird. Den Kopf tief zwischen den Knien, ließ er seinen Tränen freien Lauf. Schwester Eloise, warum hatte er nicht früher an sie gedacht, aber kaum war es gedacht, schimpfte er sich einen Heuchler. Die Schwester würde ihm einen Weg weisen, den er schon kannte. Buße tun und jeden Gedanken an Darja töten, nicht vergessen, töten! Schwester Eloise, das kann ich nicht, nicht um mein Seelenheil. Ich könnte bereit sein, sie nur noch einmal zu treffen, ich muss das Auto zurückbringen.
Dieses einemal noch, und dann werde ich versuchen. O Gott, ich kann es nicht versprechen, ich will nicht heucheln. Nein, wie es im Moment um mich steht, kann ich nicht ohne Darja sein. Nellie wird es nicht erfahren, sie wird sie nie sehen, dafür sorge ich. Ich weiß, sähe sie Darja, wüsste sie sofort alles. Anders geht es nicht, ich werde wie bisher meiner Familie dienen, mich kümmern und immer guter Laune sein, aber ganz verzichten kann ich nicht.
Plötzlich ein ohrenzerreißende Detonation, weiter vorn in der Kolonne schoss eine Stichflamme hoch. Der Colonel sauste wie der Blitz von seinem Platz. Weitere heftige Detonationen, die dumpfer waren, dann ein Knall, dass ihm die Ohren sangen. Robert legte sich auf den Boden, machte sich so klein wie möglich. Draußen Geschrei und das Bellen eines Maschinengewehrs, dann war lange Ruhe. Noch einmal bellte das Maschinengewehr, dann die Stimme des Colonels der einen Befehl brüllte und sich zurück auf seinen Sitz schwang. Der Konvoi setzte sich in Bewegung, sie fuhren an einem brennenden LKW vorbei, der vor eine seltsam verbogene Kanone gespannt war. Im Gras lagen in langer Reihe tote Männer. Der Colonel hatte einen harten Blick, und führte die Handkante über die Kehle.
Sie fuhren jetzt langsamer, der Abstand zwischen den Fahrzeugen betrug fast hundert Meter, als sie die Peripherie von Hatta erreichten. Der Colonel erklärte sein Ziel sei das Zentrum, Robert wohnte auf der anderen Seite der Stadt. „Du fährst mit uns, beschied er, dann koppeln wir dein Auto ab, ich gebe dir einen Fahrer, der dich zu deinem Zuhause bringt. Einverstanden?“ Robert nickte.
Intakte Häuser glitten vorüber, es sah nicht nach Krieg aus, war trotz Nacht deutlich zu erkennen. Seine Stimmung hob sich, in seiner Vorstellung war Hatta ein schwelender Trümmerhaufen gewesen. Irgendwann erreichten sie das Zentrum, Robert stieg aus und ging zu dem Wagen, an dem der Rover hing. Um abzukoppeln rangierte der Fahrer des Lkw, dabei rammte er um ein Haar das Auto eines Weißen, der einer Schar Soldaten Beine machte.
Robert kannte den Mann, er schrie Felix und rannte auf ihn zu. Felix drehte sich um, und blieb wie angewurzelt stehen: „Robert, was zum Teufel machst du hier?“
Robert unterrichtete ihn kurz, Felix machte ein nachdenkliches Gesicht, dann sagte er: „Du kommst wie gerufen, steig ein zu mir.“ Ich muss Darjas Auto mitnehmen, erklärte Robert. Felix rief die einzige Frau aus seiner Truppe. „Leila,“ fragte er, „kannst du das Ding fahren“ und zeigte auf den Rover. Leila konnte. „Dann lade den Herrn hier ein, und lass dir von ihm zeigen wo er wohnt. Wir folgen dir, fahr nicht zu schnell. Deinen Medizinschrank kannst du bei uns lassen.“
Robert stieg ein und wies Leila den Weg zu seinem Haus. Unterwegs fragte er, um etwas zu sagen, ob sie Ärztin sei. „Nicht ganz,“ antwortete sie. „Ich bin im Praktikum, in einem Jahr fertig, noch eine Prüfung, dann ich bin Ärztin.“
Gut dachte er, sie ist Ärztin, was soll die eine Prüfung. Warum interessiert mich das eigentlich? Wohler wär mir, wenn ich wüsste warum Felix mit Bewaffneten zu meinem Haus unterwegs ist? Sicher nicht meinetwegen, ich lief ihm zufällig über den Weg, was ist da vorgefallen? Ich hätte fragen sollen, warum ich wie gerufen kam. Zu spät, wir sind gleich da. „Leila, bitte den nächsten Weg rechts, dann sofort wieder rechts.“
Leila sah kurz in den Rückspiegel, um sich der nachfolgenden Truppe zu versichern, bog ab, fuhr nocheinmal rechts.
Robert schrie, versuchte aus dem noch fahrenden Wagen zu springen. Leila trat in die Bremse, der Wagen dicht dahinter fuhr um ein Haar auf. Was sie sah waren die Überreste eines Gebäudes. Glimmende Holzbalken lagen wirr durcheinander, die weiße Asche am Boden bedeckte rotglühendes Holz. Felix zischte einen Befehl, er und zwei Soldaten pirschten sich von hinten auf leisen Sohlen, an den wie erstarrt mit bloßen Füßen in der heißen Asche stehenden Robert heran.
Felix legte einen Arm um seine Schulter, und zog ihn weg vom Ort der Katastrophe. Leila hatte schon eine Spritze aufgezogen und drückte sie ihm in den Arm. Felix schob ihn auf den Beifahrersitz und stützte ihn. Es dauerte nicht lange und sein Kopf sackte auf die Brust. Leila machte sich sofort über die üblen Brandblasen an seinen Füßen her.
Währenddessen hatten die Soldaten sämtliche Gebäude in der unmittelbaren Nachbarschaft durchsucht, und brachten ein sich heftig wehrendes, weinendes Mädchen.
Felix gab Leila einen Wink, die nahm das völlig verstörte Kind in den Arm, streichelte ihr Haar, flüsterte ihr ins Ohr, versuchte zu beruhigen.
Es lag auf der Hand, hier war Furchtbares geschehen. Wichtig war, das Mädchen in der er eine Tochter Roberts zu erkennen glaubte, behutsam aber schnell zu vernehmen, bevor er sie mit ihrem Vater unter Leilas Obhut, ins Krankenhaus bringen ließ. Eile tat not, aber Geduld war gefragt.
Er setzte sich auf einen niedrigen Hauklotz im Hof, wartete und versuchte zu ergründen, wer ein Interesse daran gehabt haben mochte, das Haus eines unauffälligen, armen Schwarzen abzufackeln. Die Aufstand hatte nicht allzuviel Schaden angerichtet. Nicht blinde Mordlust war die Triebfeder des Ausbruchs, sondern eher Kalkül, nicht die Armen Hattas waren Ziel.
Warum Roberts Familie? Seine Beziehung zu Achmed, konnte in den knapp sechs Wochen da sie bestand, kaum bekannt geworden sein, und wenn, was war dabei? Ein armer Teufel hatte eine helfende Hand ergriffen, und?
Da weiter zu denken brachte nichts, es kam vor, der blinde Zufall führte die Regie, es zu einem solchen grundlosen Übergriff kam.
Aber welche Variante war noch denkbar? Möglich war, etwas hatte Achmed zur Flucht aus seinem Haus veranlasst und er war zu Roberts Familie geflüchtet? Ein gutes Versteck, aus seiner Sicht.
Auch hier galt, niemand wusste von seiner Verbindung zu Robert. Es sei denn, jemand hatte einen Zuträger, in Achmeds unmittelbarer Umgebung installiert, der von Robert wusste, wusste das es ihn gab, wusste wo er wohnte. Ein Interesse ihn zu bespitzeln, konnten nur seine Söhne haben, nur wie das beweisen? Wenn die ihre Finger im Spiel hatten, vielleicht sogar aktiv an der Scheußlichkeit mitgewirkt hatten, gab es auch keinen Spitzel mehr.
Eine Stimme enthob ihn weiterer Grübelei. „Monsieur Kommissar ich bin Marie,“sagte die Stimme, die jetzt vor ihm stand, „erinnern Sie sich? Wir haben zusammen im Hof zu Abend gegessen.“
Felix musste sich zusammenrappeln, um dann lächelnd zu antworten: „Ja Marie, ich erinnere mich genau, der Tisch stand dort drüben unter dem alten Baum.“
Marie lächelte zurück, begann sofort und ungefragt mit ihrer Aussage. „Die Soldaten, es waren sehr viele, kamen in der Nacht. Ich schlief in meinem eigenen Zimmer, das Papa bevor er fort musste, für mich gebaut hat. Aus dem Fenster sah ich, nach dem der Lärm mich geweckt hatte, wie Soldaten an unserer Tür klopften. Als nicht sofort aufgemacht wurde, machten sie die Tür kapput. Autoscheinwerfer machten alles hell wie am Tag. Ein feiner Herr fragte die Mama, ob sie Frau Memba sei? Ja antwortete sie, ich bin Nellie Memba. Ob sie den Herrn Achmed Ondurman kenne, fragte der Herr weiter, und die Mama sagte, ja, aber nicht näher. Ich habe einmal Geld bei ihm geliehen.
Dürfen wir uns bei ihnen umsehen, Frau Memba, fragte der Herr, und ging ohne eine Antwort abzuwarten ins Haus. Er kam schnell zurück und sprach mit zwei Soldaten, er sprach sehr leise, ich konnte nichts verstehen.
Die Zwei gaben einen Befehl und die anderen stellten sich um das Haus herum auf, und nahmen ihre Gewehre in die Hände. Jetzt ging der Herr, gefolgt von mehreren Soldaten, ins Haus zurück. Es dauerte eine Weile bis ich lautes Schreien und Weinen hörte. Ich erkannte Lefas Stimme, die schrie: Selim willst du dich an der Frau deines Vaters versündigen. Danach schrie Lefa: Nein! Nein! Nein! und es klatsche, als ob sie geschlagen würde. Das nein schreien und weinen dauerte, bis der Herr und die Soldaten mit Lefa aus dem Haus kamen. Ihr Kleid war zerrissen und auch sonst war sie unbedeckt. Einer der Soldaten, warf sie einem der im Auto saß vor die Füße und sagte etwas das ich nicht verstand. Der band Lefa die Beine mit den Armen zusammen und ließ sie auf der Erde liegen. Andere kamen näher und stocherten mit ihren Gewehren an ihr herum.
Der Herr rief die Mama zu sich, und fragte ob sie auch mal Spaß wie Lefa haben wolle. Ich weiß nicht was die Mama sagte, aber ein neben ihr stehender Soldat schlug ihr ins Gesicht. Mama fiel hin und zwei weitere Männer verprügelten sie. Einer packte sie bei den Haaren und hob sie hoch. Blut lief ihr aus Mund und Nase. Ich konnte kaum noch ruhig bleiben, meine Zähne klapperten und ich fürchtete die Banditen würden das hören. Der Herr sagte etwas zu Mama, die weinte laut, fiel auf die Knie und schrie, sie täte was er wolle, nur bitte nicht die Kinder.
Ich verstand nicht was mit den Kindern geschehen sollte, hab es aber bald erfahren. Mama wurde mit Lefa zusammengebunden und in ein Auto gesteckt, in das auch der Herr stieg.
Die restlichen Soldaten schütteten Benzin überall ins Haus, und warfen dann Handgranaten hinein. Es knallte wie verrückt und das Haus stand sofort in Flammen. Meine drei Brüder und zwei Schwestren waren im Haus.
Der Herr Omdurman ist am Abend bevor die Soldaten kamen, bei uns gewesen. Lefa, hat die Mama zu uns gesagt, wäre ihre Cousine, die bei uns bleiben würde. Ich wusste weil ich gelauscht habe, das war gelogen. Ich habe Herrn Ondurman nie gesehen, die Mama hat ihn bei Geb ihrer Base die am Fluß angelt, versteckt. Dazu war sie die ganze Nacht unterwegs. Seit die Soldaten Mama und Lefa mitgenommen haben, sind sie verschwunden.
Marie hatte das ohne Regung runtergespult. Jetzt stand sie da und rang nach Luft. Leila nahm sie in den Arm und wollte sie wegführen, aber Felix hatte noch eine Frage: „Wo am Fluss wohnt die Base?“
Marie zuckte mit den Schultern, „weiß nicht. Ich war als ich noch klein war, mit der Mama da.“ Sie zog die Stirn kraus und kniff die Augen zusammen, dann schoss es aus ihr raus: „Der Pastor! Der Pastor weiß es, Mama hat gesagt als sie gestern von Geb kam, die sei nach wie vor eine fromme Christin.“
„Danke schön, Marie, du hast uns sehr geholfen. Leila wird sich jetzt um dich und den Papa kümmern. Ich komme euch, sobald ich Zeit habe, besuchen.“
Das war ein Ergebnis. Welche christlichen Pastoren betreuten Gemeinden am Fluß, und welcher der frommen Herren kannte eine Fischerin, die auf den Namen Geb hörte. Musste heraus zufinden sein.
Felix veranlasste das Nötige, und machte Dampf: Keine zwei Stunden darf das dauern, höchste Dringlichkeit!
Seine Männer hatten inzwischen die schwelenden Balken und Bretter auseinander gerissen und warteten, dass Leila mit Vater und Tochter abfuhr, bevor sie den Brand mit Wasser löschten.
Da wo einmal eine Schlafstube gewesen war, lagen die verkohlten Knochen der Kinder. Es war zu hoffen, die Handgranaten hatten sie getötet und sie waren nicht lebendig verbrannt.
Felix ging es ähnlich wie der kleinen Marie. Er funktionierte, gab seine Befehle, folgerte, aber sonst war da nichts. Mehr Maschine als Mensch war er, würde auch wie eine Maschine handeln, bis die Täter zur Strecke gebracht waren. Keinen fingerbreit Mensch werde ich zulassen, bis die Schuldigen gebüßt haben. Einen Moment dachte er an Charlie, wischte den Gedanken sofort beiseite, für Charlie und was mit ihr zusammenhing, war jetzt kein Platz.
Einer der Schufte war Selim Ondurman, wo der war, war sein Bruder nicht weit. Ob die wirklich mit dem Aufstand zu tun hatten, oder die günstige Gelegenheit genutzt hatten, sich ihres Vaters zu entledigen, würde sich herausstellen. Das Achmed nicht mehr lebte, war so gut wie sicher. Nachdem was in Roberts Hütte vorgefallen, hatten die Schurken keine Zeugen leben lassen, das bedeutete auch Nellie war tot, von Lefa ganz zu schweigen.
Sein Handy summte, er meldete sich, sagte prima Arbeit, dankte und befahl: In Richtung Süden zur Kirche St. Paul nicht weit vom Fluss. Pater Omdubella, war der Hirte der am Fluss lebenden Fischer, Korbflechter und Wasserverkäufer. War zu hoffen, der kannte eine Fischerin, die Geb hieß. Felix schloss die Augen, als sie sich durch den tobenden Frühverkehr von Hatta schoben. Blaulicht würde nichts bringen, ihre Fahrt verlangsamen. Da half nur Geduld, konnte zwei Stunden dauern, bis sie durch waren. Schlafen konnte er nicht, das Bild von Achmed ließ ihn nicht los. Zu fassen war das nicht. Er war sicher, der Freund lebte nicht mehr, aber Einlass in sein Bewusstsein, gewährte er der Tatsache nicht. Er war nicht traurig, nur sehr müde, jedoch nicht schläfrig. Seine Augen waren in ihren Höhlen, wie auf Sand gebettet. Er meinte es knirschen zu hören, fühlte die schmerzhafte Reibung in seinem Schädel. Achmed dachte er. Lefa war ihm einmal, kurz nach der Hochzeit begegnet. Allein um Achmed im Jenseits Genugtung zu verschaffen, würde er sich Selim, Lefas Vergewaltiger, persönlich vornehmen. Du Geschwür wirst, bevor der Strick dir das Genick bricht, viele Tode gestorben sein. Du wirst um deinen Tod flehen, bevor du ein viertel der Strecke gegangen bist, die ich dir bereiten werde. Er fühlte wie der Gedanke an das Geheul dieses Misthaufens, ihn locker werden ließ, gab sich dem hin und schlief ein.
Jemand rüttelte seine Schulter. Er wachte auf, Sergeant Sedul hatte ihn geweckt und berichtete, der Pastor habe das Haus beschrieben, sie wären da, ihn habe er schlafen lassen, als er mit Omdubella sprach.
Felix knurrte sein Einverständnis, und sprang aus dem Wagen. Sie näherten sich der Hütte, kein Licht, kein Laut. Die alte Holztür stand offen, sie gingen in den einzigen Raum aus dem die Hütte bestand: Leer! Keine Maus. Sedul schickte alle, bis auf seinen Spurensicherer weg, und sie begannen die Hütte zu filzen. Felix zog sich auf seinen noch warmen Sitz zurück und schlief weiter.
Als Sedul ihn weckte, hielt er ihm einen Ring mit einem Carneol unter die Nase.
Felix erkannte den Ring sofort, Achmed hatte sich nie davon getrennt, als er ihn vor Jahren einmal nach dem Stück fragte, weil es so absolut wertlos war, von Achmed aber besonders gewürdigt wurde, hatte der geantwortet: Der Stein dieses Ringes, ist mir so nah wie mein Herz.
Sedul berichtete der Ring habe in einer Ritze zwischen den Fußbodenbrettern gesteckt, zusammen mit viel Blut, das überall in der Hütte verspritzt worden war. Von Menschen außer Blut und Ring keine Spur.
Felix rief Wolong an, berichtete knapp von seinen Ermittlungen und Schlussfolgerungen, ließ dabei einfließen, dass er seit 48 Stunden kein Bett gesehen hatte. Der Minister war wie er der Meinung, es könne nichts anbrennen, weil sich die sauberen Ondurman Brüder absolut sicher fühlten. Es gab niemanden mehr, der von ihrer Schandtat berichten konnte, bis auf die Soldaten, die Schweigen würden. Ein paar Dollarscheine, verbunden mit einer deftigen Drohung, stopfte denen das Maul, wollten ja weiterleben.
Felix übergab Sedul das Kommando, und ließ sich nach Hause bringen. Auf der Fahrt hörte er sein Handy ab und fand mehrere SMS von Charlie. Er las sehr abwesend was sie geschrieben hatte. Sorgen machte sie sich. Beim nächsten Schrieb, große Sorgen und beim dritten war sie wütend.
Er musste sich sehr konzentrieren, um seine Botschaft in die winzigen Tasten zu hauen. Liebste, ich bin wohlauf, mach dir keine Sorgen, schrieb er. Und ich werde dir später erzählen, welchen Augiasstall ich dabei bin auszumisten. Bis dahin Geduld. Schicke dir ab jetzt, jeden morgen eine SMS mit drei Worten: Ich liebe dich! Mehr ist im Moment nicht drin. Felix.
Es war Mittag als er wach wurde. Schnell machte er seine Morgentoilette und zog sich an. In der Kantine nahm er ein Croissant mit Milchkaffee, und bestellte Sedul zum Rapport.
Sedul und seine Spurensucher, hatten nicht nur die Schleifspuren von vier Körpern, zum Flussufer entdeckt, sondern auch eine blutverschmierte Decke, Fetzen von Kleiderstoff und einen Damenslip vor der Hütte gefunden.Der Boden bei der Decke war zertrampelt, sah aus als ob ein Kampf stattgefunden hatte. Von den Körpern im Fluß keine Spur, die hatten sich die Krokodile sofort geholt.
Felix blieb der Bissen im Hals stecken, als er sich vorstellte, was die Decke und der zertrampelte Boden bedeutete. Dies Selim Ondurman, werde ich Silbe für Silbe aus dir herausquetschen. Er dankte Sedul, und rief Wolong an.
„Mom, ich habe weitere Indizien, brauche sofort einen Haftbefehl für Selim und Ali Ondurman. Ich möchte mich eine Weile, mit den Beiden zurückziehen. Muss mich intensiv mit ihnen unterhalten. Ich werde sie der Justiz, zusammen mit zwei umfassenden Geständnissen, makellos übergeben. Auch der cleverste Doktor, wird kein gekrümmtes Haar an ihnen finden. Wo bin ich ungestört, und leihst du mir Henker Agib?“
„Du meinst Agibs Gegenwart genügt, um die zum reden zu bringen?“
„Nein, keineswegs. Ich brauche Agib weil er Mediziner ist, Mediziner haben gewisse Kenntnisse.“
„Ich werde das arrangieren, Felix, die Haftbefehle beantrage bitte beim Gericht, sie werden dir umgehend ausgestellt.“
Gegen Mittag war er mit Haftbefehlen, Agib und vier Polizisten unterwegs zu dem Villenviertel, das Robert ausersehen hatte, seine Müllbonanza zu werden.
Agib und zwei Polizisten suchten Ali auf, und Felix mit zwei Männern Selim. Beide entrüsteten sich bis zum Äußersten, als ihnen die Haftbefehle unter die Nase gehalten wurden, verlangten sofort nach ihren Anwälten.
Selim weigerte sich mitzukommem, war drauf und dran die Tür zuzuschlagen, bis Felix sein Ohr packte und ihm ein Knie in den Bauch rammte.
Zwei Polizisten bogen ihm die Arme auf den Rücken, Handfesseln machten Click, ein Tritt in den Arsch und Ms.Selim Ondurman wurde zum Polizeiwagen geschleift.
Ali war kooperativer, möglicherweise erkannte er den Henker und wollte keinen Ärger.
Felix schickte die Polizisten zur Wache und fuhr mit Agib und den Brüdern zu einem Depot außerhalb der Stadt. Das Depot war von einer hohen Mauer umgeben und stand leer. Felix schloß auf, fuhr den Wagen in den Hof, er und Agib gingen in das Gebäude, einen geeigneten Raum für ihr Vorhaben zu finden. Wolong hatte den Henker kurz gebrieft und Felix klärte ihn über den Rest des noch zu Ermittelnden auf. Ein Raum mit eisernen Ösen an den Wänden, befand Agib für passend. Sie schleppten das Brüderpaar an den Haaren herein und schlossen sie an die Wand. Selim riss wie schon vorher, das Maul auf und beschimpfte Felix. Agib trat dicht an ihn heran und drehte an seinem Kopf. Der Schrei den Selim ausstieß war nicht menschlich, seine Augen traten aus den Höhlen, aus seinem schreienden, aufgerissenen Mund sabberte der Speichel.
Agib sah auf die Uhr und sagte: Als erste Belehrung, lieber Selim, wirst du das zehn Minuten aushalten. Es ist uns nicht zuzumuten dein Gebrüll anzuhören, zudem der Schmerz noch nicht seinen Höhepunkt erreicht hat, wir sind bald zurück.
„Nein, nein, bleiben sie, aufhören, ich halte das nicht aus, aufhören!“ brüllte Selim, aber Agib nahm Felix Arm, und sie schlugen die Tür hinter sich zu.
Draußen lachte Agib, „der Junge hat keine Nerven. Ich habe ihm die Halswirbel so verrenkt, das die Nackenmuskeln, die er beim Schreien anspannt, den Schmerz potenzieren. Hielte er still, schmerzte das auch, wäre aber erträglich.
Ich glaube beide werden ausspucken ohne Ende. Es gibt noch einige Stellen, die gemein schmerzen, aber keine Spuren hinterlassen. Ich kann die alle gleichzeitig aktivieren. Die wissen natürlich, wenn sie gestehen, hänge ich sie auf. Sollten sie mich nicht kennen, sag ich ihnen wer ich bin, das wirkt Wunder.
Sie gingen zurück, Selim stand mit seltsam hochgerecktem Kopf, zum Schreien fehlte ihm scheinbar der Atem. Agib nahm seinen Nacken, ein Ruck und weg war der Schmerz.
Felix klemmte ihm ein Mikro hinters Ohr, verband das mit einem Videorecorder.
„Selim Ondurmann, sprach er ihn an. Die ist ein Verhör, äußern sie sich nur zu meinen Fragen, andere Einlassungen werden sofort bestraft, sie haben eben erlebt wie. Lügen, Ausflüchte werden ebenfalls bestraft. Wir haben viel Zeit.“
„Halt Felix,“ unterbrach ihn Agib, „ich muss morgen Abend vier Kerle aufhängen, kann dann wiederkommen, ich meine aber bis dahin haben wir Tomatensuppe aus den Beiden gemacht.“
Felix stimmte zu, „ich gehe davon aus die sind vernünftig, aufknüpfen wirst du sie ohnehin, kann natürlich sein, die wollen bis dahin noch einmal richtig intensiv leben. Dafür können wir sorgen.“
Das Verhör ging zügig vorwärts, solange nichts Belastendes vorkam. An dem Punkt, wo Selims Anwesenheit, beim Überfall auf Robert Membas Haus zur Sprache kam, musste Agib nachhelfen. Er machte das ungemein geschickt, sieh mal, belehrte er Selim, „du und ich wissen, du wirst gestehen. Du bist bei deinen Sauereien beobachtet worden. Robert hatte sechs Kinder, das älteste Mädchen habt ihr übersehen, es lebt und wird vor Gericht aussagen. Was mich angeht, ich werde dir jetzt sehr weh tun müssen, so weh, wie du es dir weder vorstellen kannst, noch aushalten wirst. Ich werde den Schmerz so setzen, dass er die ganze Nacht anhält, das wird furchtbar für dich. Felix und ich werden euch nämlich verlassen, bis morgen früh. Natürlich werdet ihr sorgfältig gefesselt, ist klar. Also entscheide dich!
Selim schwieg, er schwieg nicht trotzig, sein Gesicht war ein Bild des Jammers, so überdeutlich zeigte es den Schmerz über die Hoffnungslosigkeit seiner Lage, dass es Menschen die keine Ahnung hatten worum es hier ging, für ihn eingenommen hätte.
Endlich öffnete er den Mund, und presste heraus: „Felix, du handelst ungesetzlich, du lässt mich foltern. Unter Folter erpresste Geständnisse sind wertlos!“
„Richtig, Selim, sind Gott sei Dank wertlos. Nur wie willst du die Folter beweisen? Wir reißen dir keine Fingernägel ab, drücken keine glühenden Zigaretten auf dir aus, schlagen dir nicht brutal ins Gesicht, wie du die arme Nellie geschlagen hast, lassen dich nicht vergewaltigen, wie du deine Stiefmutter Lefa vergewaltigt hast, und last but not least, werfen wir dich nicht zu den Krokodilen, wie du deinen Vater, seine Frau, Frau Memba und die Fischerin Geb, den Bestien zum Fraß vorgeworfen hast. Du wirst wie das Gesetz es vorsieht, am Halse aufgehängt und hängen bis der Tod eintritt. Können wir weitermachen oder soll Agib dir behilflich sein?"
„Du zynisches Schwein,“ brach es aus Selim heraus, „was fällt dir ein, ich habe in Paris studiert, bin einer der ersten Bürger Hattas, habe Freunde in den höchsten Kreisen. Ich werde dich vernichten, sobald ich Kontakt zu meinen Anwälten bekomme, länger als zwei Tage dürft ihr uns nicht festhalten!“
„Genau, Selim,“ lachte Felix. „Ich hoffe wir brauchen keine zwei Tage, Agib meint wir schaffen euch beide bis spätestens morgen. Aber jetzt hab ich genug, ich bin hungrig und durstig, Agib wir gehen.“
„Endlich Felix, muss nur eben unseren Freund für die Nacht herrichten.“
Er drehte Selim herum und stach ihm eine haarfeine Nadel in die Wirbelsäule, Selim schrie markerschütternd. Er schrie ohne Unterlass, er protestierte nicht, war scheinbar nicht in der Lage zu sprechen, sein Schreien ging in ein Gurgeln über, Schaum trat ihm über die Lippen. Agiv zog die Nadel raus.
„Was ist jetzt Selim,“ fuhr Felix ihn an, „Geständnis oder Nadel?“
„Weiter, aber ich werde dieses erpresste Geständnis bestreiten, es zerfetzen sobald ich meine Anwälte gesprochen habe!“
Felix lacht, „sicher wirst du das tun, Selim, hab ich nicht anders erwartet. Es geht weiter: Herr Ondurman, erzählen Sie was beim Überfall auf das Haus der Familie Memba geschah!“
Selim begann stockend, dann flüssiger die Geschehnisse darzustellen. Als er sich dabei ganz aus dem Spiel ließ, stoppte Felix die Kamera und verwarnte ihn: „Hör gut zu, dies ist deine allerletzte Chance für heute Abend. Noch eine einzige Schönfärberei, ein einziger Vertuschungsversuch, und es gibt für diese Nacht die Nadel. Morgenfrüh wirst du mehr Tod als lebendig sein, du wirst dir den Galgen sehnsüchtig wünschen, und alles ausplaudern was ich von dir verlange. Selbst, dass du den Mond zu klauen vorhattest, wirst du gestehen, wenn nur der Schmerz endet. Ist das jetzt endlich klar?“
Ohne seine Antwort abzuwarten schaltete Felix die Videokamera ein und auf einmal ging’s. Selim spulte ohne zu stocken und sich auszublenden, die Geschichte des Überfalls ab. Berichtete wie er Nellie mit dem Tod ihrer Kinder bedroht habe, wenn sie ihn nicht zu seinem Vater führe. Den Befehl, die Kinder trotz der Kooperation ihrer Mutter zu töten, habe er nicht gegeben, wie auch, er sei nicht der Befehlshaber der Truppe gewesen.
Seinen Vater habe er in der Hütte der Fischerin gefunden, ein Soldat habe ihn versehentlich erschossen, daraufhin haben ein anderer Soldat die drei Frauen getötet.“
„Gut soweit,“befand Felix und stoppte die Kamera.. „Jetzt zurück zur Hütte der Membas, sicher, Selim, zermarterst du dir, seit wir dich hopp nahmen, das Hirn warum ich dich beschuldige? Ich helfe dir, denn deine Aussage was die Vorfälle dort angeht, ist lückenhaft. Denk bitte nach, bist doch kein Dummkopf! Nein, keine Erkenntnis? Lefa war in der Hütte, als sie erkannte das du sie vergewaltigen würdest, schrie sie: „Selim willst du dich an der Frau deines Vater versündigen!?“
„Merde! Du absolut dämlicher, geiler Mistbock,“ schrie Ali der bis jetzt stumm und aschgrau im Gesicht, an der Wand neben seinem Bruder, mehr hing als stand. „Du hast alles verdorben, sie werden uns hängen, weil die kleine Sau dich beim Namen genannt hat, es dafür eine Zeugin gibt. Du bist mir ein feiner Stratege, ein Galgenstratege bist du.
Felix, ich habe schwer gefehlt, meinem Vater Übel mitgespielt, aber keinen Mord begangen. Ich bin bereit rückhaltlos auszusagen.“
„Bist du verrückt, Ali? Willst du uns ins Verderben stürzen?“ flüsterte Selim mit tonloser Stimme. „Aus der Aussage des Mädchens kann der Schluss gezogen werden, ich hätte Lefa vergewaltigt, aber das ist kein Beweis. Augenzeugen gibt es keine.“
„Aber die vier Leichen am Fluss gibt es!“ keuchte Ali.
Und, sekundierte Felix, „vorm Haus der Fischerin fanden wir Fetzen von Lefas Kleid, ihren Slip, eine blutige Decke die auf total zerwühltem Boden lag, was auf einen Kampf schließen lässt. Ich unterstelle, die Frauen sind vergewaltigt worden und haben sich gewehrt. Wir haben reichlich Spuren eingesammelt, die zur DNA Analyse nach Paris unterwegs sind. Du Ali, bist bereit ein Geständnis abzulegen?“
„Ja, gib mir Papier und einen Stift und ich werde aufschreiben, wie es anfing, warum wir es planten, und wie wir es ausführten. Sperren sie mich bitte in einen anderen Raum, damit ich ungestört bleibe.“
Felix wandte sich an Agib, der schon kapiert hatte, Ali von der Wand nahm und wegführte.
Zu Selim sagte er: „Unerfreuliche Wendung für dich, mein Lieber. Ich bin es leid mich mit dir zu balgen. Warten wir ab was Ali aufschreibt, morgen sehen wir weiter.“
„Ich bin furchtbar durstig, kann ich zu trinken bekommen?“
„Nein, Selim, kannst du nicht, Durst ist nicht so schlimm wie die Nadel, obwohl besonders mit einem Knebel im Mund, Durst furchtbar werden kann.“
„Ihr dürft mich nicht knebeln, dass lass ich nicht zu, die ganze Nacht mit einem Knebel, überleb ich nicht!“
Agib kam dazu und berichtete genüsslich, er habe Ali beide Beine und den linken Arm gefesselt, im reichlich zu trinken dagelassen, und noch mehr leere Seiten und drei Kugelschreiber. Selim fragte er: „Warum fürchtest du den Knebel? Ich leg ihn dir jetzt an, du wirst durch die Nase frei atmen können, musst dich nur ruhig verhalten. Keine hysterischen Anfälle und dergleichen. Wenn du brav warst, gibt es morgen etwas Wasser, sonst dehydrierst du uns. Nicht Durst löschend, aber Leben erhaltend. Vielleicht überlegst du dir ja, ob es nicht besser ist zu kooperieren, je nachdem wie Alis Roman ausfällt, könnte es die Nadel geben.“
Sie drehten sich um und ließen die Tür ins Schloß fallen. Im Auto bemerkte Felix, das nicht gelöschte Licht, in Selims Appartment. Er machte Agib darauf aufmerksam, doch der lächelte und hieß ihn fahren. Unterwegs erklärte er, das Licht mit Vorbedacht angelassen zu haben, damit er einen Vorwand habe zurück zukommen. Eine Stunde soll Selim an dem Knebel würgen, das reicht. Länger könnte ihm und uns schaden. Warte du vor der Tür, wenn ich ihn von dem Ding befreie. Sollte er ausspucken wollen, verspreche ich ihm kaltes, klares Wasser, so viel in ihn reingeht. Ich nehme eine Flasche öffne die vor seinen Augen, nehme selbst einen tiefen Schluck...du wirst sehen, das bricht ihn, der ist längst nicht so cool wie er tut. Die eine Stunde allein mit sich, den Knebel im Maul, die lange Nacht vor der Brust, wird ihn weichkochen. Zudem er davon ausgehen kann, sein Bruder belastet ihn kräftig, um seinen eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen.
Bei subtiler Folter, wirkt Hoffnung machen, also unmittelbare Erleichterung nicht versprechen, aber im Bereich des Möglichen aufscheinen lassen, mehr als jede Brutalität. Allein die Vorstellung der Henker nimmt die peinliche Befragung vor, hat deren Effekt gesteigert. Jeder Patient mit einem Halswirbelsäulen Syndrom, muss den Griff der Selim so außer sich brachte, erdulden. Nicht der Schmerz ließ ihn schreien, sondern die Angst davor.
Die Sache mit der Nadel verhält sich genau so, ich tat ihm eine Sekunde weh, sofort stand er Kopf. Auch hier hat ihn die Furcht vor dem Schmerz erledigt.
Er sah auf die Uhr, fahr zurück Felix, wie dürfen nicht riskieren, dass ihn seine Hysterie umbringt.“
Am Depot ging Agib voraus, Felix wartete hinter der nur angelehnten Tür. Erst hörte er nichts, dann ein dumpfes Murmeln. Er spitzte die Ohren, konnte aber nicht verstehen was Selim sagte. Dann Agibs Stimme: „Wasser willst du? Soviel du willst, aber schön brav erzählen, was du Böses getan hast. Das willst du? Dann sag laut: Kommissar Felix Petaux, ich will ein umfassendes Geständnis ablegen! Halt noch eins, solltest du es dir wieder anders überlegen, steck ich dich für den Rest der Nacht zu den fetten Ratten, groß wie Katzen, in die Jauchegrube hinter dem Haus. Du nickst? Dann sag es, lauter! Ach du kannst nicht, der Mund ist zu trocken, hier trink einen Schluck!“
„Mehr, bitte mehr!“
„Erst die Ansprache an den Kommissar, dann das Geständnis, läuft es gut, Wasser. Ist alles gesagt, soviel Wasser wie du willst, plus eine komfortable Zelle im Gefängnis, mit freiem Zugang für deine Anwälte. Schließlich bist du einer der ersten Bürger Hattas.“
Selim rief: „Kommissar Petaux, ich will ein umfassendes Geständnis ablegen!“
Felix stieß die Tür auf, justierte die Kamera und kommandierte: „Bevor ich die Kamera einschalte, rufe ich Aufnahme. Ich werde keine Fragen stellen, erwarte eine lückenlose Darstellung der Vorfälle in der Mordnacht von Anfang bis Ende, mit allen Einzelheiten, besonders auch wie Achmed Ondurman, Lefa Ondurman, Nellie Memba und die Fischerin Geb umgebracht und evtl. vergewaltigt wurden. Aufnahme!“
Selim begann flüssig in die Kamera zu sprechen, auf Tonkassetten zu diktieren war tägliches Brot für ihn. Felix hörte eine Weile zu, dann zog er sich mit Agib ins Auto zurück. Agib schaltete das Radio ein und sanfter African Rock schickte Felix schnell in den Schlaf. Als Agib ihn weckte hatte er drei Stunden geschlafen. „Unser Baby war fleißig, lachte er. Die letzten Worte auf dem Band lauten: die Leichen warfen wir in den Fluss.“
Felix schüttelte sich den Schlaf aus den Gliedern und ging ins Depot. Selim schaute ihm erwartungsvoll entgegen. „Ich habe alles gestanden, ohne mich zu schonen, sagte er leise. Bitte kann ich jetzt zu trinken bekommen?“
Felix schaute Agib fragend an. „Nicht ohne deine Genehmigung, Boss.“ Felix nickte, Agib öffnete Selims Handschelle und reichte ihm eine Flasche. Der trank den Liter Wasser fast in einem Zug, und sagte mehr. Agib schüttelte den Kopf, „in einer Stunde, Selim, den nächsten Liter. Solange werden wir mit deiner Aussage beschäftigt sein. Zuviel Wasser auf einmal läuft nur durch, gib ihm Zeit sich in deinem ausgetrockneten Körper breitzumachen.“
Felix spulte zurück, Agib hatte zwei Stühle organisiert, sie setzten sich und ließen das Band laufen. Bald erfüllte Selims Stimme den Raum.
Felix machte sich ab und zu Notizen, schien aber keine grundsätzlichen Einwände zu haben. Auch am Ende des Bandes als es um die Ermordung des Vaters und der drei Frauen ging, schob Selim die Morde der Soldateska, wie er sie jetzt nannte, in die Schuhe. Er sei selbst ein quasi Gefangener gewesen, froh mit dem Leben davon gekommen zu sein.
Das Band schaltete ab, Felix stand auf, Selim sah ihn erwartungsvoll an.
Felix erwiderte seinen Blick, sprach aber mehr zu sich selbst, als er sagte, das werden wir jetzt mit der Aussage Alis abgleichen. Ali schlief, neben sich zehn eng beschriebene Seiten, jede Seite paraphiert. Die letzte Seite mit Datum und Hinweis auf die nummerierten und paraphierten Seiten unterschrieben.
Je näher der Konvoi Hatta kam, umso unruhiger wurde Robert. Der Colonel neben ihm bemerkte sein Herumgerutsche, legte ihm seine große Hand auf die Schulter und fragte. „Sorgen?“, Robert nickte. „Schlimme Zeiten, Robert,“ versuchte er zu trösten und widmete sich erneut dem Mikro, in das er hineinbrüllte, stöhnte, zischte um seine Jungs, wie er sie nannte, auf Vordermann zu halten.
In zwei Stunden würden sie Hatta erreicht haben, bis jetzt war es zu keinem Zwischenfall gekommen. Im Grunde war Robert das gleichgültig, er registrierte kaum was um ihn vorging. Sein Kopf war ein Tollhaus, in dem sich Angst, Reue und Sehnsucht mischten. Hatten Nellie und die Kinder alles heil überstanden? Wenn nicht, war das Folge seiner Treulosigkeit, gerechte Strafe?
So war Gott nicht, versuchte er sich vergeblich zu beruhigen, aber kaum hatte er besserer Einsicht nachgegeben, züngelte der Zweifel wie das leibhaftige Höllenfeuer in ihm hoch.
Hinzu kam der nicht endende Sog in seiner Brust, der Darja war. Einfach war, nicht Darja hieß. Sie war es, die da in ihm hockte, ihn zwang, sie sich immer wieder vorzustellen, ihren Mund, Goldaugen, Samthaut. Ihr Französisch mit dem ulkigen Akzent, der nicht südafrikanisch, sondern Nama war! Ich bin vom Stamme Witbois, eines Kriegers der den deutschen Kolonialisten blutige Niederlagen bereitete, hatte sie stolz behauptet.
O Darja, o Nellie, ihr zerreißt mir das Herz, was soll nur werden, wenn überhaupt noch etwas wird. Den Kopf tief zwischen den Knien, ließ er seinen Tränen freien Lauf. Schwester Eloise, warum hatte er nicht früher an sie gedacht, aber kaum war es gedacht, schimpfte er sich einen Heuchler. Die Schwester würde ihm einen Weg weisen, den er schon kannte. Buße tun und jeden Gedanken an Darja töten, nicht vergessen, töten! Schwester Eloise, das kann ich nicht, nicht um mein Seelenheil. Ich könnte bereit sein, sie nur noch einmal zu treffen, ich muss das Auto zurückbringen.
Dieses einemal noch, und dann werde ich versuchen. O Gott, ich kann es nicht versprechen, ich will nicht heucheln. Nein, wie es im Moment um mich steht, kann ich nicht ohne Darja sein. Nellie wird es nicht erfahren, sie wird sie nie sehen, dafür sorge ich. Ich weiß, sähe sie Darja, wüsste sie sofort alles. Anders geht es nicht, ich werde wie bisher meiner Familie dienen, mich kümmern und immer guter Laune sein, aber ganz verzichten kann ich nicht.
Plötzlich ein ohrenzerreißende Detonation, weiter vorn in der Kolonne schoss eine Stichflamme hoch. Der Colonel sauste wie der Blitz von seinem Platz. Weitere heftige Detonationen, die dumpfer waren, dann ein Knall, dass ihm die Ohren sangen. Robert legte sich auf den Boden, machte sich so klein wie möglich. Draußen Geschrei und das Bellen eines Maschinengewehrs, dann war lange Ruhe. Noch einmal bellte das Maschinengewehr, dann die Stimme des Colonels der einen Befehl brüllte und sich zurück auf seinen Sitz schwang. Der Konvoi setzte sich in Bewegung, sie fuhren an einem brennenden LKW vorbei, der vor eine seltsam verbogene Kanone gespannt war. Im Gras lagen in langer Reihe tote Männer. Der Colonel hatte einen harten Blick, und führte die Handkante über die Kehle.
Sie fuhren jetzt langsamer, der Abstand zwischen den Fahrzeugen betrug fast hundert Meter, als sie die Peripherie von Hatta erreichten. Der Colonel erklärte sein Ziel sei das Zentrum, Robert wohnte auf der anderen Seite der Stadt. „Du fährst mit uns, beschied er, dann koppeln wir dein Auto ab, ich gebe dir einen Fahrer, der dich zu deinem Zuhause bringt. Einverstanden?“ Robert nickte.
Intakte Häuser glitten vorüber, es sah nicht nach Krieg aus, war trotz Nacht deutlich zu erkennen. Seine Stimmung hob sich, in seiner Vorstellung war Hatta ein schwelender Trümmerhaufen gewesen. Irgendwann erreichten sie das Zentrum, Robert stieg aus und ging zu dem Wagen, an dem der Rover hing. Um abzukoppeln rangierte der Fahrer des Lkw, dabei rammte er um ein Haar das Auto eines Weißen, der einer Schar Soldaten Beine machte.
Robert kannte den Mann, er schrie Felix und rannte auf ihn zu. Felix drehte sich um, und blieb wie angewurzelt stehen: „Robert, was zum Teufel machst du hier?“
Robert unterrichtete ihn kurz, Felix machte ein nachdenkliches Gesicht, dann sagte er: „Du kommst wie gerufen, steig ein zu mir.“ Ich muss Darjas Auto mitnehmen, erklärte Robert. Felix rief die einzige Frau aus seiner Truppe. „Leila,“ fragte er, „kannst du das Ding fahren“ und zeigte auf den Rover. Leila konnte. „Dann lade den Herrn hier ein, und lass dir von ihm zeigen wo er wohnt. Wir folgen dir, fahr nicht zu schnell. Deinen Medizinschrank kannst du bei uns lassen.“
Robert stieg ein und wies Leila den Weg zu seinem Haus. Unterwegs fragte er, um etwas zu sagen, ob sie Ärztin sei. „Nicht ganz,“ antwortete sie. „Ich bin im Praktikum, in einem Jahr fertig, noch eine Prüfung, dann ich bin Ärztin.“
Gut dachte er, sie ist Ärztin, was soll die eine Prüfung. Warum interessiert mich das eigentlich? Wohler wär mir, wenn ich wüsste warum Felix mit Bewaffneten zu meinem Haus unterwegs ist? Sicher nicht meinetwegen, ich lief ihm zufällig über den Weg, was ist da vorgefallen? Ich hätte fragen sollen, warum ich wie gerufen kam. Zu spät, wir sind gleich da. „Leila, bitte den nächsten Weg rechts, dann sofort wieder rechts.“
Leila sah kurz in den Rückspiegel, um sich der nachfolgenden Truppe zu versichern, bog ab, fuhr nocheinmal rechts.
Robert schrie, versuchte aus dem noch fahrenden Wagen zu springen. Leila trat in die Bremse, der Wagen dicht dahinter fuhr um ein Haar auf. Was sie sah waren die Überreste eines Gebäudes. Glimmende Holzbalken lagen wirr durcheinander, die weiße Asche am Boden bedeckte rotglühendes Holz. Felix zischte einen Befehl, er und zwei Soldaten pirschten sich von hinten auf leisen Sohlen, an den wie erstarrt mit bloßen Füßen in der heißen Asche stehenden Robert heran.
Felix legte einen Arm um seine Schulter, und zog ihn weg vom Ort der Katastrophe. Leila hatte schon eine Spritze aufgezogen und drückte sie ihm in den Arm. Felix schob ihn auf den Beifahrersitz und stützte ihn. Es dauerte nicht lange und sein Kopf sackte auf die Brust. Leila machte sich sofort über die üblen Brandblasen an seinen Füßen her.
Währenddessen hatten die Soldaten sämtliche Gebäude in der unmittelbaren Nachbarschaft durchsucht, und brachten ein sich heftig wehrendes, weinendes Mädchen.
Felix gab Leila einen Wink, die nahm das völlig verstörte Kind in den Arm, streichelte ihr Haar, flüsterte ihr ins Ohr, versuchte zu beruhigen.
Es lag auf der Hand, hier war Furchtbares geschehen. Wichtig war, das Mädchen in der er eine Tochter Roberts zu erkennen glaubte, behutsam aber schnell zu vernehmen, bevor er sie mit ihrem Vater unter Leilas Obhut, ins Krankenhaus bringen ließ. Eile tat not, aber Geduld war gefragt.
Er setzte sich auf einen niedrigen Hauklotz im Hof, wartete und versuchte zu ergründen, wer ein Interesse daran gehabt haben mochte, das Haus eines unauffälligen, armen Schwarzen abzufackeln. Die Aufstand hatte nicht allzuviel Schaden angerichtet. Nicht blinde Mordlust war die Triebfeder des Ausbruchs, sondern eher Kalkül, nicht die Armen Hattas waren Ziel.
Warum Roberts Familie? Seine Beziehung zu Achmed, konnte in den knapp sechs Wochen da sie bestand, kaum bekannt geworden sein, und wenn, was war dabei? Ein armer Teufel hatte eine helfende Hand ergriffen, und?
Da weiter zu denken brachte nichts, es kam vor, der blinde Zufall führte die Regie, es zu einem solchen grundlosen Übergriff kam.
Aber welche Variante war noch denkbar? Möglich war, etwas hatte Achmed zur Flucht aus seinem Haus veranlasst und er war zu Roberts Familie geflüchtet? Ein gutes Versteck, aus seiner Sicht.
Auch hier galt, niemand wusste von seiner Verbindung zu Robert. Es sei denn, jemand hatte einen Zuträger, in Achmeds unmittelbarer Umgebung installiert, der von Robert wusste, wusste das es ihn gab, wusste wo er wohnte. Ein Interesse ihn zu bespitzeln, konnten nur seine Söhne haben, nur wie das beweisen? Wenn die ihre Finger im Spiel hatten, vielleicht sogar aktiv an der Scheußlichkeit mitgewirkt hatten, gab es auch keinen Spitzel mehr.
Eine Stimme enthob ihn weiterer Grübelei. „Monsieur Kommissar ich bin Marie,“sagte die Stimme, die jetzt vor ihm stand, „erinnern Sie sich? Wir haben zusammen im Hof zu Abend gegessen.“
Felix musste sich zusammenrappeln, um dann lächelnd zu antworten: „Ja Marie, ich erinnere mich genau, der Tisch stand dort drüben unter dem alten Baum.“
Marie lächelte zurück, begann sofort und ungefragt mit ihrer Aussage. „Die Soldaten, es waren sehr viele, kamen in der Nacht. Ich schlief in meinem eigenen Zimmer, das Papa bevor er fort musste, für mich gebaut hat. Aus dem Fenster sah ich, nach dem der Lärm mich geweckt hatte, wie Soldaten an unserer Tür klopften. Als nicht sofort aufgemacht wurde, machten sie die Tür kapput. Autoscheinwerfer machten alles hell wie am Tag. Ein feiner Herr fragte die Mama, ob sie Frau Memba sei? Ja antwortete sie, ich bin Nellie Memba. Ob sie den Herrn Achmed Ondurman kenne, fragte der Herr weiter, und die Mama sagte, ja, aber nicht näher. Ich habe einmal Geld bei ihm geliehen.
Dürfen wir uns bei ihnen umsehen, Frau Memba, fragte der Herr, und ging ohne eine Antwort abzuwarten ins Haus. Er kam schnell zurück und sprach mit zwei Soldaten, er sprach sehr leise, ich konnte nichts verstehen.
Die Zwei gaben einen Befehl und die anderen stellten sich um das Haus herum auf, und nahmen ihre Gewehre in die Hände. Jetzt ging der Herr, gefolgt von mehreren Soldaten, ins Haus zurück. Es dauerte eine Weile bis ich lautes Schreien und Weinen hörte. Ich erkannte Lefas Stimme, die schrie: Selim willst du dich an der Frau deines Vaters versündigen. Danach schrie Lefa: Nein! Nein! Nein! und es klatsche, als ob sie geschlagen würde. Das nein schreien und weinen dauerte, bis der Herr und die Soldaten mit Lefa aus dem Haus kamen. Ihr Kleid war zerrissen und auch sonst war sie unbedeckt. Einer der Soldaten, warf sie einem der im Auto saß vor die Füße und sagte etwas das ich nicht verstand. Der band Lefa die Beine mit den Armen zusammen und ließ sie auf der Erde liegen. Andere kamen näher und stocherten mit ihren Gewehren an ihr herum.
Der Herr rief die Mama zu sich, und fragte ob sie auch mal Spaß wie Lefa haben wolle. Ich weiß nicht was die Mama sagte, aber ein neben ihr stehender Soldat schlug ihr ins Gesicht. Mama fiel hin und zwei weitere Männer verprügelten sie. Einer packte sie bei den Haaren und hob sie hoch. Blut lief ihr aus Mund und Nase. Ich konnte kaum noch ruhig bleiben, meine Zähne klapperten und ich fürchtete die Banditen würden das hören. Der Herr sagte etwas zu Mama, die weinte laut, fiel auf die Knie und schrie, sie täte was er wolle, nur bitte nicht die Kinder.
Ich verstand nicht was mit den Kindern geschehen sollte, hab es aber bald erfahren. Mama wurde mit Lefa zusammengebunden und in ein Auto gesteckt, in das auch der Herr stieg.
Die restlichen Soldaten schütteten Benzin überall ins Haus, und warfen dann Handgranaten hinein. Es knallte wie verrückt und das Haus stand sofort in Flammen. Meine drei Brüder und zwei Schwestren waren im Haus.
Der Herr Omdurman ist am Abend bevor die Soldaten kamen, bei uns gewesen. Lefa, hat die Mama zu uns gesagt, wäre ihre Cousine, die bei uns bleiben würde. Ich wusste weil ich gelauscht habe, das war gelogen. Ich habe Herrn Ondurman nie gesehen, die Mama hat ihn bei Geb ihrer Base die am Fluß angelt, versteckt. Dazu war sie die ganze Nacht unterwegs. Seit die Soldaten Mama und Lefa mitgenommen haben, sind sie verschwunden.
Marie hatte das ohne Regung runtergespult. Jetzt stand sie da und rang nach Luft. Leila nahm sie in den Arm und wollte sie wegführen, aber Felix hatte noch eine Frage: „Wo am Fluss wohnt die Base?“
Marie zuckte mit den Schultern, „weiß nicht. Ich war als ich noch klein war, mit der Mama da.“ Sie zog die Stirn kraus und kniff die Augen zusammen, dann schoss es aus ihr raus: „Der Pastor! Der Pastor weiß es, Mama hat gesagt als sie gestern von Geb kam, die sei nach wie vor eine fromme Christin.“
„Danke schön, Marie, du hast uns sehr geholfen. Leila wird sich jetzt um dich und den Papa kümmern. Ich komme euch, sobald ich Zeit habe, besuchen.“
Das war ein Ergebnis. Welche christlichen Pastoren betreuten Gemeinden am Fluß, und welcher der frommen Herren kannte eine Fischerin, die auf den Namen Geb hörte. Musste heraus zufinden sein.
Felix veranlasste das Nötige, und machte Dampf: Keine zwei Stunden darf das dauern, höchste Dringlichkeit!
Seine Männer hatten inzwischen die schwelenden Balken und Bretter auseinander gerissen und warteten, dass Leila mit Vater und Tochter abfuhr, bevor sie den Brand mit Wasser löschten.
Da wo einmal eine Schlafstube gewesen war, lagen die verkohlten Knochen der Kinder. Es war zu hoffen, die Handgranaten hatten sie getötet und sie waren nicht lebendig verbrannt.
Felix ging es ähnlich wie der kleinen Marie. Er funktionierte, gab seine Befehle, folgerte, aber sonst war da nichts. Mehr Maschine als Mensch war er, würde auch wie eine Maschine handeln, bis die Täter zur Strecke gebracht waren. Keinen fingerbreit Mensch werde ich zulassen, bis die Schuldigen gebüßt haben. Einen Moment dachte er an Charlie, wischte den Gedanken sofort beiseite, für Charlie und was mit ihr zusammenhing, war jetzt kein Platz.
Einer der Schufte war Selim Ondurman, wo der war, war sein Bruder nicht weit. Ob die wirklich mit dem Aufstand zu tun hatten, oder die günstige Gelegenheit genutzt hatten, sich ihres Vaters zu entledigen, würde sich herausstellen. Das Achmed nicht mehr lebte, war so gut wie sicher. Nachdem was in Roberts Hütte vorgefallen, hatten die Schurken keine Zeugen leben lassen, das bedeutete auch Nellie war tot, von Lefa ganz zu schweigen.
Sein Handy summte, er meldete sich, sagte prima Arbeit, dankte und befahl: In Richtung Süden zur Kirche St. Paul nicht weit vom Fluss. Pater Omdubella, war der Hirte der am Fluss lebenden Fischer, Korbflechter und Wasserverkäufer. War zu hoffen, der kannte eine Fischerin, die Geb hieß. Felix schloss die Augen, als sie sich durch den tobenden Frühverkehr von Hatta schoben. Blaulicht würde nichts bringen, ihre Fahrt verlangsamen. Da half nur Geduld, konnte zwei Stunden dauern, bis sie durch waren. Schlafen konnte er nicht, das Bild von Achmed ließ ihn nicht los. Zu fassen war das nicht. Er war sicher, der Freund lebte nicht mehr, aber Einlass in sein Bewusstsein, gewährte er der Tatsache nicht. Er war nicht traurig, nur sehr müde, jedoch nicht schläfrig. Seine Augen waren in ihren Höhlen, wie auf Sand gebettet. Er meinte es knirschen zu hören, fühlte die schmerzhafte Reibung in seinem Schädel. Achmed dachte er. Lefa war ihm einmal, kurz nach der Hochzeit begegnet. Allein um Achmed im Jenseits Genugtung zu verschaffen, würde er sich Selim, Lefas Vergewaltiger, persönlich vornehmen. Du Geschwür wirst, bevor der Strick dir das Genick bricht, viele Tode gestorben sein. Du wirst um deinen Tod flehen, bevor du ein viertel der Strecke gegangen bist, die ich dir bereiten werde. Er fühlte wie der Gedanke an das Geheul dieses Misthaufens, ihn locker werden ließ, gab sich dem hin und schlief ein.
Jemand rüttelte seine Schulter. Er wachte auf, Sergeant Sedul hatte ihn geweckt und berichtete, der Pastor habe das Haus beschrieben, sie wären da, ihn habe er schlafen lassen, als er mit Omdubella sprach.
Felix knurrte sein Einverständnis, und sprang aus dem Wagen. Sie näherten sich der Hütte, kein Licht, kein Laut. Die alte Holztür stand offen, sie gingen in den einzigen Raum aus dem die Hütte bestand: Leer! Keine Maus. Sedul schickte alle, bis auf seinen Spurensicherer weg, und sie begannen die Hütte zu filzen. Felix zog sich auf seinen noch warmen Sitz zurück und schlief weiter.
Als Sedul ihn weckte, hielt er ihm einen Ring mit einem Carneol unter die Nase.
Felix erkannte den Ring sofort, Achmed hatte sich nie davon getrennt, als er ihn vor Jahren einmal nach dem Stück fragte, weil es so absolut wertlos war, von Achmed aber besonders gewürdigt wurde, hatte der geantwortet: Der Stein dieses Ringes, ist mir so nah wie mein Herz.
Sedul berichtete der Ring habe in einer Ritze zwischen den Fußbodenbrettern gesteckt, zusammen mit viel Blut, das überall in der Hütte verspritzt worden war. Von Menschen außer Blut und Ring keine Spur.
Felix rief Wolong an, berichtete knapp von seinen Ermittlungen und Schlussfolgerungen, ließ dabei einfließen, dass er seit 48 Stunden kein Bett gesehen hatte. Der Minister war wie er der Meinung, es könne nichts anbrennen, weil sich die sauberen Ondurman Brüder absolut sicher fühlten. Es gab niemanden mehr, der von ihrer Schandtat berichten konnte, bis auf die Soldaten, die Schweigen würden. Ein paar Dollarscheine, verbunden mit einer deftigen Drohung, stopfte denen das Maul, wollten ja weiterleben.
Felix übergab Sedul das Kommando, und ließ sich nach Hause bringen. Auf der Fahrt hörte er sein Handy ab und fand mehrere SMS von Charlie. Er las sehr abwesend was sie geschrieben hatte. Sorgen machte sie sich. Beim nächsten Schrieb, große Sorgen und beim dritten war sie wütend.
Er musste sich sehr konzentrieren, um seine Botschaft in die winzigen Tasten zu hauen. Liebste, ich bin wohlauf, mach dir keine Sorgen, schrieb er. Und ich werde dir später erzählen, welchen Augiasstall ich dabei bin auszumisten. Bis dahin Geduld. Schicke dir ab jetzt, jeden morgen eine SMS mit drei Worten: Ich liebe dich! Mehr ist im Moment nicht drin. Felix.
Es war Mittag als er wach wurde. Schnell machte er seine Morgentoilette und zog sich an. In der Kantine nahm er ein Croissant mit Milchkaffee, und bestellte Sedul zum Rapport.
Sedul und seine Spurensucher, hatten nicht nur die Schleifspuren von vier Körpern, zum Flussufer entdeckt, sondern auch eine blutverschmierte Decke, Fetzen von Kleiderstoff und einen Damenslip vor der Hütte gefunden.Der Boden bei der Decke war zertrampelt, sah aus als ob ein Kampf stattgefunden hatte. Von den Körpern im Fluß keine Spur, die hatten sich die Krokodile sofort geholt.
Felix blieb der Bissen im Hals stecken, als er sich vorstellte, was die Decke und der zertrampelte Boden bedeutete. Dies Selim Ondurman, werde ich Silbe für Silbe aus dir herausquetschen. Er dankte Sedul, und rief Wolong an.
„Mom, ich habe weitere Indizien, brauche sofort einen Haftbefehl für Selim und Ali Ondurman. Ich möchte mich eine Weile, mit den Beiden zurückziehen. Muss mich intensiv mit ihnen unterhalten. Ich werde sie der Justiz, zusammen mit zwei umfassenden Geständnissen, makellos übergeben. Auch der cleverste Doktor, wird kein gekrümmtes Haar an ihnen finden. Wo bin ich ungestört, und leihst du mir Henker Agib?“
„Du meinst Agibs Gegenwart genügt, um die zum reden zu bringen?“
„Nein, keineswegs. Ich brauche Agib weil er Mediziner ist, Mediziner haben gewisse Kenntnisse.“
„Ich werde das arrangieren, Felix, die Haftbefehle beantrage bitte beim Gericht, sie werden dir umgehend ausgestellt.“
Gegen Mittag war er mit Haftbefehlen, Agib und vier Polizisten unterwegs zu dem Villenviertel, das Robert ausersehen hatte, seine Müllbonanza zu werden.
Agib und zwei Polizisten suchten Ali auf, und Felix mit zwei Männern Selim. Beide entrüsteten sich bis zum Äußersten, als ihnen die Haftbefehle unter die Nase gehalten wurden, verlangten sofort nach ihren Anwälten.
Selim weigerte sich mitzukommem, war drauf und dran die Tür zuzuschlagen, bis Felix sein Ohr packte und ihm ein Knie in den Bauch rammte.
Zwei Polizisten bogen ihm die Arme auf den Rücken, Handfesseln machten Click, ein Tritt in den Arsch und Ms.Selim Ondurman wurde zum Polizeiwagen geschleift.
Ali war kooperativer, möglicherweise erkannte er den Henker und wollte keinen Ärger.
Felix schickte die Polizisten zur Wache und fuhr mit Agib und den Brüdern zu einem Depot außerhalb der Stadt. Das Depot war von einer hohen Mauer umgeben und stand leer. Felix schloß auf, fuhr den Wagen in den Hof, er und Agib gingen in das Gebäude, einen geeigneten Raum für ihr Vorhaben zu finden. Wolong hatte den Henker kurz gebrieft und Felix klärte ihn über den Rest des noch zu Ermittelnden auf. Ein Raum mit eisernen Ösen an den Wänden, befand Agib für passend. Sie schleppten das Brüderpaar an den Haaren herein und schlossen sie an die Wand. Selim riss wie schon vorher, das Maul auf und beschimpfte Felix. Agib trat dicht an ihn heran und drehte an seinem Kopf. Der Schrei den Selim ausstieß war nicht menschlich, seine Augen traten aus den Höhlen, aus seinem schreienden, aufgerissenen Mund sabberte der Speichel.
Agib sah auf die Uhr und sagte: Als erste Belehrung, lieber Selim, wirst du das zehn Minuten aushalten. Es ist uns nicht zuzumuten dein Gebrüll anzuhören, zudem der Schmerz noch nicht seinen Höhepunkt erreicht hat, wir sind bald zurück.
„Nein, nein, bleiben sie, aufhören, ich halte das nicht aus, aufhören!“ brüllte Selim, aber Agib nahm Felix Arm, und sie schlugen die Tür hinter sich zu.
Draußen lachte Agib, „der Junge hat keine Nerven. Ich habe ihm die Halswirbel so verrenkt, das die Nackenmuskeln, die er beim Schreien anspannt, den Schmerz potenzieren. Hielte er still, schmerzte das auch, wäre aber erträglich.
Ich glaube beide werden ausspucken ohne Ende. Es gibt noch einige Stellen, die gemein schmerzen, aber keine Spuren hinterlassen. Ich kann die alle gleichzeitig aktivieren. Die wissen natürlich, wenn sie gestehen, hänge ich sie auf. Sollten sie mich nicht kennen, sag ich ihnen wer ich bin, das wirkt Wunder.
Sie gingen zurück, Selim stand mit seltsam hochgerecktem Kopf, zum Schreien fehlte ihm scheinbar der Atem. Agib nahm seinen Nacken, ein Ruck und weg war der Schmerz.
Felix klemmte ihm ein Mikro hinters Ohr, verband das mit einem Videorecorder.
„Selim Ondurmann, sprach er ihn an. Die ist ein Verhör, äußern sie sich nur zu meinen Fragen, andere Einlassungen werden sofort bestraft, sie haben eben erlebt wie. Lügen, Ausflüchte werden ebenfalls bestraft. Wir haben viel Zeit.“
„Halt Felix,“ unterbrach ihn Agib, „ich muss morgen Abend vier Kerle aufhängen, kann dann wiederkommen, ich meine aber bis dahin haben wir Tomatensuppe aus den Beiden gemacht.“
Felix stimmte zu, „ich gehe davon aus die sind vernünftig, aufknüpfen wirst du sie ohnehin, kann natürlich sein, die wollen bis dahin noch einmal richtig intensiv leben. Dafür können wir sorgen.“
Das Verhör ging zügig vorwärts, solange nichts Belastendes vorkam. An dem Punkt, wo Selims Anwesenheit, beim Überfall auf Robert Membas Haus zur Sprache kam, musste Agib nachhelfen. Er machte das ungemein geschickt, sieh mal, belehrte er Selim, „du und ich wissen, du wirst gestehen. Du bist bei deinen Sauereien beobachtet worden. Robert hatte sechs Kinder, das älteste Mädchen habt ihr übersehen, es lebt und wird vor Gericht aussagen. Was mich angeht, ich werde dir jetzt sehr weh tun müssen, so weh, wie du es dir weder vorstellen kannst, noch aushalten wirst. Ich werde den Schmerz so setzen, dass er die ganze Nacht anhält, das wird furchtbar für dich. Felix und ich werden euch nämlich verlassen, bis morgen früh. Natürlich werdet ihr sorgfältig gefesselt, ist klar. Also entscheide dich!
Selim schwieg, er schwieg nicht trotzig, sein Gesicht war ein Bild des Jammers, so überdeutlich zeigte es den Schmerz über die Hoffnungslosigkeit seiner Lage, dass es Menschen die keine Ahnung hatten worum es hier ging, für ihn eingenommen hätte.
Endlich öffnete er den Mund, und presste heraus: „Felix, du handelst ungesetzlich, du lässt mich foltern. Unter Folter erpresste Geständnisse sind wertlos!“
„Richtig, Selim, sind Gott sei Dank wertlos. Nur wie willst du die Folter beweisen? Wir reißen dir keine Fingernägel ab, drücken keine glühenden Zigaretten auf dir aus, schlagen dir nicht brutal ins Gesicht, wie du die arme Nellie geschlagen hast, lassen dich nicht vergewaltigen, wie du deine Stiefmutter Lefa vergewaltigt hast, und last but not least, werfen wir dich nicht zu den Krokodilen, wie du deinen Vater, seine Frau, Frau Memba und die Fischerin Geb, den Bestien zum Fraß vorgeworfen hast. Du wirst wie das Gesetz es vorsieht, am Halse aufgehängt und hängen bis der Tod eintritt. Können wir weitermachen oder soll Agib dir behilflich sein?"
„Du zynisches Schwein,“ brach es aus Selim heraus, „was fällt dir ein, ich habe in Paris studiert, bin einer der ersten Bürger Hattas, habe Freunde in den höchsten Kreisen. Ich werde dich vernichten, sobald ich Kontakt zu meinen Anwälten bekomme, länger als zwei Tage dürft ihr uns nicht festhalten!“
„Genau, Selim,“ lachte Felix. „Ich hoffe wir brauchen keine zwei Tage, Agib meint wir schaffen euch beide bis spätestens morgen. Aber jetzt hab ich genug, ich bin hungrig und durstig, Agib wir gehen.“
„Endlich Felix, muss nur eben unseren Freund für die Nacht herrichten.“
Er drehte Selim herum und stach ihm eine haarfeine Nadel in die Wirbelsäule, Selim schrie markerschütternd. Er schrie ohne Unterlass, er protestierte nicht, war scheinbar nicht in der Lage zu sprechen, sein Schreien ging in ein Gurgeln über, Schaum trat ihm über die Lippen. Agiv zog die Nadel raus.
„Was ist jetzt Selim,“ fuhr Felix ihn an, „Geständnis oder Nadel?“
„Weiter, aber ich werde dieses erpresste Geständnis bestreiten, es zerfetzen sobald ich meine Anwälte gesprochen habe!“
Felix lacht, „sicher wirst du das tun, Selim, hab ich nicht anders erwartet. Es geht weiter: Herr Ondurman, erzählen Sie was beim Überfall auf das Haus der Familie Memba geschah!“
Selim begann stockend, dann flüssiger die Geschehnisse darzustellen. Als er sich dabei ganz aus dem Spiel ließ, stoppte Felix die Kamera und verwarnte ihn: „Hör gut zu, dies ist deine allerletzte Chance für heute Abend. Noch eine einzige Schönfärberei, ein einziger Vertuschungsversuch, und es gibt für diese Nacht die Nadel. Morgenfrüh wirst du mehr Tod als lebendig sein, du wirst dir den Galgen sehnsüchtig wünschen, und alles ausplaudern was ich von dir verlange. Selbst, dass du den Mond zu klauen vorhattest, wirst du gestehen, wenn nur der Schmerz endet. Ist das jetzt endlich klar?“
Ohne seine Antwort abzuwarten schaltete Felix die Videokamera ein und auf einmal ging’s. Selim spulte ohne zu stocken und sich auszublenden, die Geschichte des Überfalls ab. Berichtete wie er Nellie mit dem Tod ihrer Kinder bedroht habe, wenn sie ihn nicht zu seinem Vater führe. Den Befehl, die Kinder trotz der Kooperation ihrer Mutter zu töten, habe er nicht gegeben, wie auch, er sei nicht der Befehlshaber der Truppe gewesen.
Seinen Vater habe er in der Hütte der Fischerin gefunden, ein Soldat habe ihn versehentlich erschossen, daraufhin haben ein anderer Soldat die drei Frauen getötet.“
„Gut soweit,“befand Felix und stoppte die Kamera.. „Jetzt zurück zur Hütte der Membas, sicher, Selim, zermarterst du dir, seit wir dich hopp nahmen, das Hirn warum ich dich beschuldige? Ich helfe dir, denn deine Aussage was die Vorfälle dort angeht, ist lückenhaft. Denk bitte nach, bist doch kein Dummkopf! Nein, keine Erkenntnis? Lefa war in der Hütte, als sie erkannte das du sie vergewaltigen würdest, schrie sie: „Selim willst du dich an der Frau deines Vater versündigen!?“
„Merde! Du absolut dämlicher, geiler Mistbock,“ schrie Ali der bis jetzt stumm und aschgrau im Gesicht, an der Wand neben seinem Bruder, mehr hing als stand. „Du hast alles verdorben, sie werden uns hängen, weil die kleine Sau dich beim Namen genannt hat, es dafür eine Zeugin gibt. Du bist mir ein feiner Stratege, ein Galgenstratege bist du.
Felix, ich habe schwer gefehlt, meinem Vater Übel mitgespielt, aber keinen Mord begangen. Ich bin bereit rückhaltlos auszusagen.“
„Bist du verrückt, Ali? Willst du uns ins Verderben stürzen?“ flüsterte Selim mit tonloser Stimme. „Aus der Aussage des Mädchens kann der Schluss gezogen werden, ich hätte Lefa vergewaltigt, aber das ist kein Beweis. Augenzeugen gibt es keine.“
„Aber die vier Leichen am Fluss gibt es!“ keuchte Ali.
Und, sekundierte Felix, „vorm Haus der Fischerin fanden wir Fetzen von Lefas Kleid, ihren Slip, eine blutige Decke die auf total zerwühltem Boden lag, was auf einen Kampf schließen lässt. Ich unterstelle, die Frauen sind vergewaltigt worden und haben sich gewehrt. Wir haben reichlich Spuren eingesammelt, die zur DNA Analyse nach Paris unterwegs sind. Du Ali, bist bereit ein Geständnis abzulegen?“
„Ja, gib mir Papier und einen Stift und ich werde aufschreiben, wie es anfing, warum wir es planten, und wie wir es ausführten. Sperren sie mich bitte in einen anderen Raum, damit ich ungestört bleibe.“
Felix wandte sich an Agib, der schon kapiert hatte, Ali von der Wand nahm und wegführte.
Zu Selim sagte er: „Unerfreuliche Wendung für dich, mein Lieber. Ich bin es leid mich mit dir zu balgen. Warten wir ab was Ali aufschreibt, morgen sehen wir weiter.“
„Ich bin furchtbar durstig, kann ich zu trinken bekommen?“
„Nein, Selim, kannst du nicht, Durst ist nicht so schlimm wie die Nadel, obwohl besonders mit einem Knebel im Mund, Durst furchtbar werden kann.“
„Ihr dürft mich nicht knebeln, dass lass ich nicht zu, die ganze Nacht mit einem Knebel, überleb ich nicht!“
Agib kam dazu und berichtete genüsslich, er habe Ali beide Beine und den linken Arm gefesselt, im reichlich zu trinken dagelassen, und noch mehr leere Seiten und drei Kugelschreiber. Selim fragte er: „Warum fürchtest du den Knebel? Ich leg ihn dir jetzt an, du wirst durch die Nase frei atmen können, musst dich nur ruhig verhalten. Keine hysterischen Anfälle und dergleichen. Wenn du brav warst, gibt es morgen etwas Wasser, sonst dehydrierst du uns. Nicht Durst löschend, aber Leben erhaltend. Vielleicht überlegst du dir ja, ob es nicht besser ist zu kooperieren, je nachdem wie Alis Roman ausfällt, könnte es die Nadel geben.“
Sie drehten sich um und ließen die Tür ins Schloß fallen. Im Auto bemerkte Felix, das nicht gelöschte Licht, in Selims Appartment. Er machte Agib darauf aufmerksam, doch der lächelte und hieß ihn fahren. Unterwegs erklärte er, das Licht mit Vorbedacht angelassen zu haben, damit er einen Vorwand habe zurück zukommen. Eine Stunde soll Selim an dem Knebel würgen, das reicht. Länger könnte ihm und uns schaden. Warte du vor der Tür, wenn ich ihn von dem Ding befreie. Sollte er ausspucken wollen, verspreche ich ihm kaltes, klares Wasser, so viel in ihn reingeht. Ich nehme eine Flasche öffne die vor seinen Augen, nehme selbst einen tiefen Schluck...du wirst sehen, das bricht ihn, der ist längst nicht so cool wie er tut. Die eine Stunde allein mit sich, den Knebel im Maul, die lange Nacht vor der Brust, wird ihn weichkochen. Zudem er davon ausgehen kann, sein Bruder belastet ihn kräftig, um seinen eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen.
Bei subtiler Folter, wirkt Hoffnung machen, also unmittelbare Erleichterung nicht versprechen, aber im Bereich des Möglichen aufscheinen lassen, mehr als jede Brutalität. Allein die Vorstellung der Henker nimmt die peinliche Befragung vor, hat deren Effekt gesteigert. Jeder Patient mit einem Halswirbelsäulen Syndrom, muss den Griff der Selim so außer sich brachte, erdulden. Nicht der Schmerz ließ ihn schreien, sondern die Angst davor.
Die Sache mit der Nadel verhält sich genau so, ich tat ihm eine Sekunde weh, sofort stand er Kopf. Auch hier hat ihn die Furcht vor dem Schmerz erledigt.
Er sah auf die Uhr, fahr zurück Felix, wie dürfen nicht riskieren, dass ihn seine Hysterie umbringt.“
Am Depot ging Agib voraus, Felix wartete hinter der nur angelehnten Tür. Erst hörte er nichts, dann ein dumpfes Murmeln. Er spitzte die Ohren, konnte aber nicht verstehen was Selim sagte. Dann Agibs Stimme: „Wasser willst du? Soviel du willst, aber schön brav erzählen, was du Böses getan hast. Das willst du? Dann sag laut: Kommissar Felix Petaux, ich will ein umfassendes Geständnis ablegen! Halt noch eins, solltest du es dir wieder anders überlegen, steck ich dich für den Rest der Nacht zu den fetten Ratten, groß wie Katzen, in die Jauchegrube hinter dem Haus. Du nickst? Dann sag es, lauter! Ach du kannst nicht, der Mund ist zu trocken, hier trink einen Schluck!“
„Mehr, bitte mehr!“
„Erst die Ansprache an den Kommissar, dann das Geständnis, läuft es gut, Wasser. Ist alles gesagt, soviel Wasser wie du willst, plus eine komfortable Zelle im Gefängnis, mit freiem Zugang für deine Anwälte. Schließlich bist du einer der ersten Bürger Hattas.“
Selim rief: „Kommissar Petaux, ich will ein umfassendes Geständnis ablegen!“
Felix stieß die Tür auf, justierte die Kamera und kommandierte: „Bevor ich die Kamera einschalte, rufe ich Aufnahme. Ich werde keine Fragen stellen, erwarte eine lückenlose Darstellung der Vorfälle in der Mordnacht von Anfang bis Ende, mit allen Einzelheiten, besonders auch wie Achmed Ondurman, Lefa Ondurman, Nellie Memba und die Fischerin Geb umgebracht und evtl. vergewaltigt wurden. Aufnahme!“
Selim begann flüssig in die Kamera zu sprechen, auf Tonkassetten zu diktieren war tägliches Brot für ihn. Felix hörte eine Weile zu, dann zog er sich mit Agib ins Auto zurück. Agib schaltete das Radio ein und sanfter African Rock schickte Felix schnell in den Schlaf. Als Agib ihn weckte hatte er drei Stunden geschlafen. „Unser Baby war fleißig, lachte er. Die letzten Worte auf dem Band lauten: die Leichen warfen wir in den Fluss.“
Felix schüttelte sich den Schlaf aus den Gliedern und ging ins Depot. Selim schaute ihm erwartungsvoll entgegen. „Ich habe alles gestanden, ohne mich zu schonen, sagte er leise. Bitte kann ich jetzt zu trinken bekommen?“
Felix schaute Agib fragend an. „Nicht ohne deine Genehmigung, Boss.“ Felix nickte, Agib öffnete Selims Handschelle und reichte ihm eine Flasche. Der trank den Liter Wasser fast in einem Zug, und sagte mehr. Agib schüttelte den Kopf, „in einer Stunde, Selim, den nächsten Liter. Solange werden wir mit deiner Aussage beschäftigt sein. Zuviel Wasser auf einmal läuft nur durch, gib ihm Zeit sich in deinem ausgetrockneten Körper breitzumachen.“
Felix spulte zurück, Agib hatte zwei Stühle organisiert, sie setzten sich und ließen das Band laufen. Bald erfüllte Selims Stimme den Raum.
Felix machte sich ab und zu Notizen, schien aber keine grundsätzlichen Einwände zu haben. Auch am Ende des Bandes als es um die Ermordung des Vaters und der drei Frauen ging, schob Selim die Morde der Soldateska, wie er sie jetzt nannte, in die Schuhe. Er sei selbst ein quasi Gefangener gewesen, froh mit dem Leben davon gekommen zu sein.
Das Band schaltete ab, Felix stand auf, Selim sah ihn erwartungsvoll an.
Felix erwiderte seinen Blick, sprach aber mehr zu sich selbst, als er sagte, das werden wir jetzt mit der Aussage Alis abgleichen. Ali schlief, neben sich zehn eng beschriebene Seiten, jede Seite paraphiert. Die letzte Seite mit Datum und Hinweis auf die nummerierten und paraphierten Seiten unterschrieben.