6
Achmed legte sein Handy weg, löschte das Licht und kroch neben Lefa ins Bett. Vorsichtig tastete er nach ihr, sie schlief fest. Mit dem Einschlafen war das so eine Sache bei ihm, nachts kam, was er tagsüber beiseite geschoben, zu Besuch.
Er war seit einer Woche mit Abdul Began, wegen der Schiffe im Gespräch. Der Inder verstand ihn nicht, oder tat, als ob er ihn nicht verstände. Willst du Schiffe die was taugen, oder willst du Schrotteimer zum Abwracken, war seine Frage. Einerseits ging es Abdul nichts an, was er mit den Schiffen vorhatte, andererseits verstand er dessen Sorge.
Die ganze Welt fürchtete Terroranschläge. Einen maroden Pott mit Dynamit vollstopfen, der dann in einem europäischen Hafen hochging, war sein Albtraum. Die Fahndung hätte Abdul binnen vierundzwanzig Stunden am Kragen.
Habe ich falsch angefangen, muss die Schiffe direkt vom Reeder kaufen, die wollen die Pötte los sein, fragen nicht so viel, grübelte Achmed.
Da muss Kefr ran. Im Internet nach Frachtern forschen, die in den sechziger Jahren in Dienst gestellt worden waren. Sollte es noch welche geben, rauskriegen wer die fahren ließ, Flagge, Eigner, Charterer. Wenn er sich die Schrotthaufen vorstellte, die täglich im Hafen festmachten, sollte das nicht allzu schwer sein.
Die Schwierigkeit war das Timing, die Schiffe durften nicht gleichzeitig im Hafen liegen, aber auch die Lücken zwischen den Abfahrten, durften nicht mehr als vierundzwanzig Stunden betragen. Wenn jeden Tag ein Schiff mit Menschenfracht in Frankreich strandete, blieb das nicht verborgen, da wird schnell ein Empfangskomitee bereitstehen. Auf See müssen die einen Konvoi bilden, um möglichst gleichzeitig zu stranden, sonst war der Überraschungseffekt futsch.
Da gab es viel zu tun, Robert soll das organisieren, hoffentlich enttäuscht er mein in ihn gesetztes Vertrauen nicht. Ich habe keine Vorstellung, wie das hinzukriegen ist.
Darja hält große Stücke auf ihn, wird Hahn im Korb bei Abu Dar sein, wird den sicher um den Finger wickeln, schrieb sie. Robert wird die schöne Darja um den Finger gewickelt und fachgerecht verstöpselt haben, schmunzelte er. War genug Gelegenheit, die Wüstennächte sind bitterkalt, nur dicht aneinander geschmiegt, hält man das aus. Darja ist ein heißblütiges Weib, seit Jahren Witwe. Wird Zuhaus auf ihren Ruf achten, da ist ihr der Robert willkommener Feuerlöscher.
Er wälzte sich, plötzlich Lefas leise, schlaftrunkene Stimme. „Kannst du nicht schlafen, lieber Mann? Soll ich dir den Nacken massieren?“
Fast hätte Achmed vor Freude geschluchzt, keine seiner drei Frauen hatte sich so seiner Sorgen angenommen. Dieses Mädchen, dem er Großvater sein konnte, hüllte ihn ein in ihre Liebe. Ob es wirklich Liebe war bezweifelte er, für ihre taufrische Schönheit war er zu verbraucht. Doch spielte das keine Rolle, er hoffte sie würde nach seinem Tod einen zu ihr passenden Mann finden. Er hatte auf ihren Namen Häuser und Grundstücke überschreiben lassen, die ihr ein sorgenfreies Leben, mit oder ohne Mann ermöglichen würden.
Er gab sich ihren sanften Händen hin, die die Gedanken aus seinem Kopf vertrieben, ihn hinübergleiten ließen, in Schlaf und Traum.
Seit Lefa sich seiner Schlaflosigkeit annahm, ihm Entspannung verschaffte, träumte er. Nicht nur das, er erinnerte seine Träume am nächsten Morgen, konnte sich tief in seine Vergangenheit hinein erinnern, ja regelrecht in seiner Vergangenheit leben.
Eine lange Vergangenheit war das. In Nkule, dem Dorf das seinem Vater gehörte, war er zwar Sohn aus angesehener Familie, jedoch der jüngste unter fünfzehn Söhnen gewesen. Seine Mutter war des Vaters dritte Frau und sehr glücklich über seine Geburt, vor ihm hatte sie vier Mädchen geboren, sehr zum Missfallen der ganzen Sippe.
Als er mit zwölf anderen Dorfjungen beschnitten und in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen worden war, schickte der Zulewa nach ihm.
Sein Vater barst vor Stolz! Der Zulewa, Herr über hundert Dörfer, holte einen seiner Söhne in die Residenz. Er befahl Achmed in sein Haus, hieß ihn sich setzen, um ihm freudig erregt, aber mit verhaltenem Zorn in der Stimme, eine stundenlange Predigt über das hohe Ansehen Nkules zu halten, das nun auf seinen Schultern ruhe. Er zählte ihm, sich unermüdlich wiederholend, die zu beachtenden Regeln beim Umgang mit dem Zulewa, dessen Familie und Beamten auf. Halte die Augen gesenkt, wasche dich zu den Gebeten und bade deinen Körper täglich. Besonderen Wert lege auf die Reinigung des hinteren Ausgangs, der Kastanien und des Stößels. Greife beim Waschen bis hoch zum Ende des Arschritzes, wasche durch die Beine hindurch bis zum Bauchnabel. Danach pflege das Gewaschene mit Palmöl. Mache mir keine Schande! Sei dir der Verantwortung für Nkule stets bewusst. Sei geistesgegenwärtig! Sollte eine der Cousinen, Tanten oder Töchter des Zulewa dich wollen, sollst du bereit sein, sie nicht auf später vertrösten müssen, weil in deinem Arschritz die Beeren wuchern.
Ob dieser Vorstellung packte ihn die Wut, und er versetzte ihm eine schallende Backpfeife. Das war zuviel, Achmed sprang auf und schrie: „Vater du entehrst mich, ich bin ein Mann!“ Sie standen sich vor Wut zitternd gegenüber. Doch der Vater meisterte den kritischen Moment, ging zu einer Truhe im Hintergrund des Raumes, entnahm Jacken, Hosen, Hemden wie Europäer sie tragen, sowie einige traditionelle Gewänder und legte sie auf den Tisch. Er winkte ihn zu sich, zeigte auf die Sachen und sagte: „Dies ist deine Austeuer für den Hof des Zulewa, geh damit zu den Frauen und lass nachsehen, ob sie dir passen. Wenn nicht, sollen sie was nötig ist ändern.
Du wirst in einer Woche reisen, bevor du gehst komme zu mir, ich werde dir $50.- geben. Die sollst du nicht verprassen, sondern mehren. Am Hofe gibt es mannigfache Gelegenheiten Geld zu verdienen, aber auch zu verlieren. Verhalte dich besonnen, zeige mir nach Ende deines Dienstes $500.-, dann weiß ich, mein Sohn ist ein Mann.“
In Hibo, dort residierte der Zulewa, nahm sein Palast die Hälfte der Stadt ein. Achmed fragte sich einen Tag lang durch, bis er endlich wusste wo er sich vorzustellen hatte. Hibo war mit Nkule nicht zu vergleichen. Selbst mittags, wenn die Sonne unerträglich heiß auf die Wolle brannte, nahm niemand davon Notiz. Auch der unablässige Lärm der von allen Seiten, aus der Luft und er hatte den Eindruck, auch aus dem Boden kreischte, bollerte und blöckte, schien keinen zu stören. Als er den Erstbesten fragte, wie er zum Eingang des Palastes komme, wollte der 5 Centimes für die Auskunft.
Na ja, der Vater hatte ihn gewarnt, also suchte und fand er den Eingang auf eigene Faust. Aber hier gab es Schwierigkeiten. Der Türhüter, dem er sich vorstellte und um Hilfe bat, sah durch ihn hindurch. Hockte auf seinen Fersen und bewachte eine grün-rot-blau, in den Farben des Sultanats gestrichene Schranke, die er über ein Seil mit Rolle hochzog oder senkte, um Eselskarren oder Automobile durchzulassen. „He du!“ sprach er ihn nochmals an, „ich habe dich was gefragt!“ Als der Kerl zuckte mit keiner Wimper, also packte er sein Bündel und ging an ihm vorbei durch das Tor.
Das machte ihn wach, er brüllte, „bleib sofort stehen, ich lasse dich verhaften! Stopp! Bleib stehen!“ Achmed ließ sich nicht beirren und ging weiter, eine Frau die ihm mit einem großen Korb auf dem Kopf entgegenkam, bat er um Auskunft. Sie zeigte auf ein großes Haus mit vielen offenen Luken, da hinein müsse er gehen. Während er mit ihr sprach, war der Onbashi, die Frau grüßte ihn so, herangekommen und stellte sich ihm in den Weg. Achmed legte sein Bündel auf den Boden, exerzierte drei hohe Kampfsprünge und stieß zu jedem Sprung einen dumpfen Laut aus, dann ging er mit kleinen wiegenden Schritten auf den Türhüter zu, bis ihn nur eine halbe Armlänge von ihm trennte und flüsterte: „Was willst du?“
„Nichts, nichts, Herr, wollte dir sagen, das große Haus dort, da musst du dich melden! Ja, sonst nichts, bin extra hinter dir hergelaufen.“ Diesmal sah Achmed, durch den Kerl hindurch, packte sein Bündel und ging auf das Haus zu.
Ganz gefangen in seinen Gedanken, drehte er sich zu Lefa und horchte nach ihrem Atem, erkannte an seinem gleichmäßig sanftem Schnurren, sie schlief. Da hat mich die Aufregung meines ersten Tages in Hibo geweckt, ging es ihm durch den Kopf. Verwunderlich wie frisch die Erinnerung nach all den Jahren war. Er erinnerte genau, was ihn in dem großen Haus erwartet hatte. Sah den greisen Onbashi, alle die etwas beaufsichtigten, nannten sich so, genau vor sich. Sein fleckiges Gesicht, die knochendürren Arme, die pfeifende Stimme. Wo kommst du her, hatte er so leise gepiepst, das er sich tief zu ihm herunterbeugen musste, um zu verstehen. „So aus Nkule kommst du, aus Nkule, ja da kenne ich deinen Vater! Du wirst Ruderer, wie er es gewesen, zehnmal im Jahr darfst du mithelfen, die Barke des Erhabenen auf dem großen Fluß zu rudern. Jetzt geh zu der Frau die dort an der Tür sitzt, sie wird dir sagen was weiter mit dir geschieht.“
„Ich bin die Banda,“ sagte die Frau. „Du Junge aus Nkule, wohnst im Haus der Ruderer, dort bekommst du auch dein Essen. Halte dich gut, keine Händel, Schlägereien und schwängere mir nicht die Mädchen, sieh dich vor! Verstehst du mich? Nein? Ich seh es dir an. Weißt du mit dem Gummi umzugehen? Was frag ich, komm setz dich!
Hör gut zu! Der Erhabene hat in Europa Medizin studiert. Er hasst ungewollte Schwangerschaften und verabscheut Geschlechtskrankheiten. Wer das eine veranlasst, sich das andere holt, fliegt! Sofort! Hast du deinen Stößel schon ausprobiert? was guckst du? antworte! Ach der junge Herr geniert sich, ha, ha! Ich frage, du sagst einfach ja oder nein, kapiert?
Hast du deinen Stößel selbst bedient, mit der Hand ohne Frau?
Ja? Gut so kommen wir weiter. Hast du deinen Stößel schon in ein Mädchen gesteckt? Nein? Aha, das kommt noch. Du siehst hier die Banane in meiner linken Hand, in meiner rechten das Gummi, aufgerollt. So bekommst du die Gummis, aufgerollt! Gib acht, ich rolle das Gummi jetzt über die Banane, siehst du, sie ist ganz vom Gummi bedeckt, am unteren Ende ist eine Blase. In diese Blase spritzt dein Saft, so wird Schwangerschaft und Geschlechtskrankheit verhindert.
Noch Fragen? Genierst dich immer noch? Gut dass ich Gedanken lesen kann. Also die Gummis haben die Frauen, mit denen du es treiben wirst. Jedes Mädchen, sobald ihr Brüste wachsen und die Lust in sie einschießt, bekommt so viel Gummis wie sie braucht. Bevor du sie stöpselst, rollst du dir den Gummi über, wie ich es dir an der Banane gezeigt habe. Klar? Dann troll dich zum Haus der Ruderer. Fanto! Rief sie einen Knaben, nimm sein Bündel und zeig ihm wo er wohnt!“
Im Haus der Ruderer waren viele Zimmer, je vier Jungen teilten sich eins. Es gab zwei Fächer und eine Liege für jeden. Sonst war da nichts. Das Haus war wie alle anderen Häuser aus Lehm. Das war gut, es war kühl. Das Zimmer in das Fanto ihn führte, war von zwei Jungen bewohnt, sie waren die Chefs der Ruderer. Einer hob die linke Hand, den Daumen vor der Handfläche versteckt, Achmed übersahe er. Fanto nickte, winkte mit dem Kopf, und er folgte ihm viele Lehmstufen hinauf. Er hatte mitgezählt, sie waren auf dem vierten Flur, von hier ging es nicht weiter. Die Flure waren immer enger geworden, der vierte war sehr eng. Das Zimmer war ein dunkles Loch, er hatte es mit zwei Jungen zu teilen. Die beiden hockten links und rechts vor der Tür und sahen ihn böse an. Er grüßte freundlch auf Dinki, bekam Antwort in einem Dialekt den er nicht verstand. Er versuchte es französisch, sagte Bon Jour. Einer stand auf, gab ihm die Hand und sagte ebenfalls Bon Jour. Der andere blieb auf dem Boden hocken.
Es störte ihn nicht, beide waren kleiner als er und weniger kräftig, die musste er nicht fürchten. Unangenehm war sein knurrender Magen, er drehte sich um zu Fanto, aber der war verschwunden.
Scheiße! Achmed war nun vollends wach, er starrte in die Dunkelheit und betrachtete die wenig schöne Vergangenheit, seiner ersten Monate in Hibo. Das war eine einzige Schubserei, ein ständiges Drängeln um kleinste Vorteile gewesen. Er hatte viel gelernt dabei, aber als Erinnerung taugte die Zeit ganz und gar nicht. Aber es gab auch den Aufstieg.
Er geizte mit dem Bild dieses bemerkenswerten Tages, an dem er zum neunten mal die Barke des Zulewa mitrudern durfte. An jeder Seite waren sie zehn Ruderer, der Zulewa saß in der Mitte, auf einem mit rotem und goldenem Brokat verhüllten Podest, dem Thron ähnlich, auf dem er die Huldigungen seiner Untertanen im Palast entgegennahm. Er saß auf der Ruderbank genau unter dem Zulewa und seiner jüngste Tochter, die der auf seinen Knien hielt. Sie machten gute Fahrt auf dem großen Strom, ein leichter Wind wehte und vertrieb die drückende Schwüle, die oft auf dem Wasser lastet. An den Ufern lagerten Krokodile, Madenhacker stritten sich um die besten Plätze auf ihren schuppigen Rücken und aufgesperrten Rachen. Störche, Pelikane und Reiher stolzierten, die Bestien ignorierend, auf Beute aus, in dem Durcheinander umher.
Plötzlich, ohne ersichtliche Ursache, neigte sich das Boot zur Seite, ein Schrei und Sila des Zulewas Tochter, flog dicht über Achmeds Kopf, er spürte den Luftzug, ins Wasser. Wie im einzelnen ablief, was nun geschah, erinnerte er nicht. Nur die in breiter Front in den Fluß stürzenden Krokodile, sah er.
Sila tauchte eine Ruderlänge vom Boot entfernt auf, er nutzte diesen einzigen Moment, schob sein Ruderblatt unter den kleinen Körper und hob das Kind, die Echsen im Auge haltend, vorsichtig die Balance beachtend, aus dem Wasser. Noch war sie den Krokodilen nicht entronnen, sie musste sich unbedingt ruhig verhalten, durfte nicht von dem glitschigen Ruderblatt rutschen. Doch Allah half, das kleine Wesen schlang beide Ärmchen um das Holz, sicherte sich so vor dem heruntergleiten. Jetzt nur noch ein Schwenk und er konnte sie ihrem Vater in die Arme legen.
Die Fahrt wurde augenblicklich abgebrochen, das Boot zum nächsten Landepunkt gefahren, wo der Zulewa und seine Wachen ausstiegen. Die Anderen fuhren in gedrückter Stimmung zurück nach Hibo. Der Erhabene hatte nach Silas Rettung, zu niemandem ein Wort gesagt, saß stumm, mit geschlossenen Augen auf seinem Thron. Das verhieß nichts Gutes, sicher verlor der Steuermann seine Stellung, auch die Ruderer würden nach Hause geschickt werden.
Als sie in Hibo anlegten, erwartete sie ein schweißbedeckter Läufer, der den Mann suchte, der Sila aus dem Wasser gefischt hatte? Achmed meldete sich. Der Läufer fragte: „Kannst du laufen?“ Er nickte, der Läufer befahl: „Dann folge mir!“ Zuerst war es leicht mitzuhalten, aber mit der Zeit fühlte er wie ihm die Beine schwer wurden. Er blieb zurück, nach ihm war geschickt worden, das würde dem Läufer schon aufgehen.
Achmed machte einen Gedankensprung, jetzt kam seine Lieblingsszene, sein Einmarsch in die Sommerresidenz.
Der Läufer führte ihn in ein Badehaus, und sie erfrischten sich mit einigen Kübeln kalten Wassers, das durch ein Loch in der Decke, über ihre Köpfe geschüttet wurde. Danach führte er ihn in das Haus des Zulewa. Ein sehr freundlicher, dicker Türsteher zeigte auf einen fremdartigen Stuhl und hieß ihn sich setzen. „Der Erhabene wird dich rufen lassen, er erwartet dich, gedulde dich eine kleine Weile.“ erklärte er beflissen.
Er saß auf dem weichgepolsterten Stuhl und fühlte sich unwohl. Es gab keinen Grund sich zu fürchten. Er war nicht geholt worden um gescholten zu werden, er hatte das Boot nicht gesteuert, jedoch die kleine Sila vor den Krokodilen oder dem Ertrinken gerettet. Er winkte dem Dicken und fragte ob es den Zulewa kränke, wenn er sich auf die Fersen hocke. Der wiegte den Kopf, schob die Lippen vor und meinte: „Nein es wird ihn nicht kränken, setz dich nur auf deine Hacken, der Arsch kocht dir, nehme ich an? Bist es nicht gewohnt weich zu sitzen, ist nicht unsere Art, der Erhabene hat die Stühle aus Europa mitgebracht.“
Wie gewohnt zu sitzen, verschaffte Erleichterung, zwar schlug ihm das Herz heftiger als gewöhnlich, doch das war auszuhalten. Er legte sein Gesicht in die Hände und dachte an nichts.
Eine Hand auf der Schulter weckte ihn. Er sprang auf, vor ihm stand ein Mann, nein ein Herr, jedenfalls trug er einen blendendweißen, europäischen Anzug, weiße Schuhe, hatte helle, strähnige Haare und war ein Weißer. Er nahm seine Hand und zog ihn mit sich. Sie kamen durch zwei hohe Türen in einen Raum, in dessen einer Ecke ein riesiger, runder Tisch und viele gepolsterte Stühle standen. Auf den Stühlen saßen Männer, Frauen und Kinder, Schwarze und Weiße durcheinander, es wurde gelacht und geschnattert, und mitten drin der Zulewa, der jetzt auch einen weißen europäischen Anzug trug.
Als man seiner ansichtig wurde, verstummten alle einen Augenblick, um sodann gemeinsam „Er lebe hoch, er lebe hoch!“ zu singen. Der Zulewa trat auf ihn zu, er wollte wie es der Sitte entsprach niederknieen, doch der Erhabene verhinderte das, zog ihn an sich und küsste ihn auf beide Wangen.
Die Leute im Raum schlugen die Handflächen wild aneinander, bis der Erhabene seine Rechte hob. Augenblicklich war Ruhe und er hielt eine kleine Rede: „Lieber Achmed Nkule,“ begann er, „Retter meines Sonnenscheins, deiner Geistesgegenwart, haben wir unser zweites Leben zu verdanken. Wir werden immer in deiner Schuld stehen. Wenn du magst, wirst du ab sofort ein ständiges Auge auf meine Sila haben. Solltest du wollen, wirst du eingekleidet und von einem nur für dich zuständigen Diener, in alle Belange des Palastes eingewiesen. Sollte sich der Kerl dir gegenüber eine Unverschämtheit herausnehmen, beschwere dich bei mir.“
Ich stand nicht vor einem Spiegel, konnte mein Gesicht nicht sehen, aber der Herr der mich hierher geführt hatte, bemerkte meine Verblüffung.
„Doktor, sagte er zu dem Zulewa, warum gibst du ihm keine Dienerin? Eine die die Gebräuche kennt, nicht älter als dreißig und hübsch. Das wäre eine echte Belohnung für unseren Freund!“
Sein französisch war schnell, es hörte sich anders an, als ich es gelernt hatte, aber ich verstand den Sinn der Worte, und dieser Sinn gefiel mir so ungemein, dass er ein breites Grinsen in mein Gesicht zauberte.
Der Zulewa bemerkte es, sah seinen Freund an, klopfte sich auf die Schenkel und lachte schallend. Zu mir sagte er. „Du bist einverstanden, ich sehe es, bedarf keiner Worte.“ Er klatschte in die Hände, eine in einen herrlichen Bou Bou gewandete Dame erschien, nahm meine beiden Hände, küsste sie und bat mich, ihr zu folgen.
Was nun folgte, Achmed streckte sich in seinem Bett bis die Knochen knackten, hatte er sich schon ungezählte Male vor Augen geführt. Die Frau führte ihn in ein großes Zimmer, indem, in Reihen hintereinander Schreiber saßen, die mit gesenkten Köpfen Papiere bearbeiteten. Vor ihnen, auf einem erhöhten Podest saßen drei Männer neben einander, jeder hatte eine kleines Hämmerchen in der Hand.
Über den Dreien thronte ein einzelner, kostbar gekleideter alter Herr, mit gelblichem bis auf die Brust reichenden Bart.
Direkt zu ihm, führte ihn die Dame. „Mustafa, redete sie ihn an, „dieser junge Mann hier, ist ein Tropfen vom Herzblut des Erhabenen. Er ist Sinas Retter, ihr ab sofort als ständiger Begleiter attachiert. Er soll eine hübsche, in allen Dingen des Palastes kundige Dienerin bekommen, nicht älter als dreißig. Außerdem standesgemässe Ausstattung und entsprechenden Lohn. Unterbreite mir deine Vorschläge, die ich dem Erhabenen vorlegen muss. Mustafa merk auf! Eine Nummer Eins Angelegenheit.
Mustafa erhob sich, verbeugte sich und zischte einen leisen Befehl an die unter ihm sitzenden Männer. Einer der Drei, trommelte darauf mit seinem Hämmerchen, eine ganze Folge von Schlägen auf ein vor ihm liegendes, mit Fell bespanntes Brett.
Die Dame nahm meine Hand, sah mir freundlich lachend in die Augen und fragte: „Achmed, wie steht es mit deinem Hunger?“ Dies war genau was mir dringlichst am Herzen lag, so gab ich statt einer gesprochenen Antwort, ein Hyänen keckern von mir, täuschend ähnlich dem nachts den Busch erfüllenden Laut.
Achmed wurde selbst in der Erinnerung atemlos, wenn er sich vor Augen führte wie die Speisenfolge die ihm, kaum hatte er einen Bissen von einem üppig gefüllten Teller verzehrt, auf einem nächsten und übernächsten angeboten wurde. Es war ihm unverständlich, warum er von einer schmackhaften Speise nur einen Bissen nehmen sollte, um sich einer nächsten zuzuwenden, an der er wiederum nur nippen durfte.
Erst viel später erkannte er den Hintergrund des Verfahrens. Es handelte sich keineswegs um Verschwendung, sondern war ein notwendiges Ritual, um den gehobenen Hofstaat, von der ewigen Hirsegrütze zu befreien. Genau wie ihm der Teller nach einem Bissen entzogen wurde, ging es die Spirale weiter abwärts, bis der letzte Bissen vertilgt war. Gleichzeitig wusste jeder, welchen Rang er, und die Anderen innehatten. Der unberührte Teller gebührte den höchsten Chargen, zu denen gehörte er jetzt.
Was dann geschah, machten es ihm schwer Haltung zu bewahren. Wieder nahm sich die Dame im Bou-Bou seiner an. Sie bat ihn, sie Fjuke zu nennen, und geleitete ihn zu seinem Haus. Dorthin werden alle kommen, die für dich Besorgungen zu erledigen haben. Ich glaube da warten schon die Schneider, rief sie, und zeigte auf eine Gruppe Männer die vor einem Haus hockten.
Die Männer begrüßten uns mit vielen Verbeugungen, ihr Chef haschte nach meiner Hand und küsste sie. Ich fragte Fjuke, ob die Handküsserei zum Hofzeremoniell gehöre, was sie verneinte und erklärte, es sei Ausdruck der Achtung die dem Eretter der Prinzessin gebühre. Jeder wird dir die Hand nur einmal küssen, in ein paar Wochen wird sich der Hof durchgeküsst haben. Ich dankte und versicherte das beruhige mich ungemein.
Wir traten in das Haus und die Schneider machten sich über mich her, nahmen Maß, schleppten Stoffballen heran und forderten mich auf zu bestimmen, aus welchem Stoff welches Kleidungsstück geschneidert werden solle. Ich sandte Fjuke einen ratlosen, nach Hilfe schreienden Blick, sie lächelte und vertiefte sich in ein stundenlanges Gespräch mit den Männern, während ich das Haus inspizierte, das ich nun mit dem Loch im Haus der Ruderer tauschte.
Ein solches Haus, wie ich es jetzt bewohnen würde, hatte ich mein Lebtag nicht betreten, nicht einmal geahnt hatte ich, dass es so etwas gab. Hier sah ich das erste Spülklo meines Lebens. Die Luken in den Lehmwänden waren von Innen mit Netzen zu verschließen, von Außen mit hölzernen Türen. Die Schränke, Betten, Tische waren nicht aus Lehm geformt, sondern allesamt aus Holz und ohne weiteres von einem Zimmer ins andere zu transportieren. Ich war völlig gefangen von der Vorstellung meines künftigen Lebens in diesem wunderbaren Haus, als eine sanfte Stimme fragte: „Gefällt dir dein neues Zuhause?“
Ich fuhr herum und sah mich zwei strahlenden Augen gegenüber, die zu einer jungen Frau gehörten an der sämtliches purer Liebreiz war. „Wer bist du?“ fragte ich, statt einer Antwort nahm sie meine Hand und drückte ihre weichen Lippen in die Handfläche. Sie sah zu mir auf und antwortete, ich bin deine persönliche Dienerin, wenn du magst.“
„Wenn ich mag, wer möchte dich nicht mögen, wie heißt du?“
„Fatima, aber genannt werde ich Tima.“
„Wirst du hier einziehen, Tima?“
„Gerne, Achmed, wenn du es zulässt.“
„Gerne Tima lass ich es zu, such dir ein Zimmer aus, es sind genug vorhanden.“
„Das freut mich, aber wir sollten das Haus zuerst wohnlich machen. Da du mich annimmst, gehe ich sofort los und rufe Händler herbei, die uns Vorschläge unterbreiten werden. Hast du eine Vorstellung was dir gefallen könnte?“
„Keine Tima. Weißt du wo ich gewohnt habe?“
„Im Haus der Ruderer, wurde mir gesagt und natürlich in Nkule.“
„Richtig, aber hast du eine Ahnung wie es dort aussieht?“
„Keine Vorstellung vom Haus der Ruderer, aber von Nkule schon. Ich komme aus einem Kral in der Nähe zur Grenze des Dafur. Sehr karge Gegend, Wind, Staub und Sand im Überfluss. Kannst dich nicht vor dem Dreck schützen, sitzt dir in Augen, Ohren, Nase, Mund und jeder Ritze. Die Baby’s kommen bei uns mit Sand im Bauch auf die Welt, machst du sie sauber, reibst danach die Finger gegeneinander, fühlst du den verdammten Schmirgel.“
„Na ja, bis auf den Wind geht es dir in Nkule ähnlich, freuen wir uns, dass wir hier sind. Seit wann dienst du dem Erhabenem?“
„Er hat mich mit fünzehn aufgelesen, jetzt bin ich fünfundzwanzig.“
„Aufgelesen, Tima?“
„Genau, in Toulon von der Straße aufgeklaubt. Ich bin von Zuhause weggelaufen, hab mich bis zum Mittelmeer durchgeschlagen, mich dort auf ein Schiff geschlichen, bin als blinder Passagier von Tunis nach Marseille gekommen. Dabei kam ich vom Regen in die Traufe. Bevor ich jedoch entgültig verhungerte, fand mich Doktor Gebgid. Der Zulewa ist in Europa Arzt, heißt dort Dr. Gebgid.
Er nahm mich mit nach Hause, seine französische Frau steckte mich drei Stunden in einen Waschzuber im Hof. Danach durfte ich ins Haus, kam dort aber noch einmal in die Badewanne. War wunderbar, das Wasser duftete wie Jasminblüte. Nachdem ich davon genug hatte, anfing zu quengeln, rieb sie mich mit Olivenöl ein und steckte mich in ein herrlich weiches Bett, mit so weißen Tüchern, wie ich sie mein Lebtag nicht gesehen hatte. Bei seinem nächsten Trip nach Hibo, nahm mich der Zulewa mit, seitdem bin ich Palastdienerin.“
Achmed erinnerte sich genüßlich, an dieses erste längere Gespräch mit einem Menschen, seit er von Nkule fort war. Es war schwer zu verkraften gewesen, aus der geschwätzigen Anteilnahme seines Dorfes, in das absolute Desinteresse an seiner Person, im Palast zu fallen. Mit Tima zu schwätzen, war für ihn wie ein kühlender Verband, auf sonnenverbrannter Haut. Sie hatten sich auf den blanken Boden gehockt und erkundigten so intensiv, und voll Neugier die jeweiligen Vergangenheiten, dass sie nicht bemerkten wie die Zeit verrann. Als die Stimme des Muezzin zum Abendgebet rief, sprang Tima auf und tadelte sich: „Jetzt haben wir uns verschwätzt, es ist zu spät Bettzeug und Unterlagen für die Nacht zu besorgen. Ich schäme mich, wie konnt ich mich so vergessen.“
Achmed sah sie vor sich: Ihr beschämtes Gesicht, die schuldbewusst niedergeschlagenen Augen, ihre betörende Figur deren Linien er in den Händen zu spüren meinte.
Er kicherte, alter Gipskopf, hier betrachtest du die Vergangenheit die der Zukunft entgegenzittert, aus der Gegenwart. Nächste Zukunft, in dieser Nacht erfuhr er welche Sensation ein herrlicher Frauenkörper für einen bereiten Mann war. Er schloss die Augen, entspannte sich und schon lag er auf dem Lehmboden seines neuen Hauses, sich den Händen Timas anvertrauend, die aus seinem Wurm einen achtunggebietenden Pfahl streichelte. Die Erregung ließ ihn Löcher in die Luft stoßen. Tima ermahnte ihn stillzuhalten, sie habe den Befehl des Zulewa zu befolgen, ihm den Gummi überzustülpen. Er zwang sich Beherrschung ab, sie tat was sie musste, ehe er sich versah, war er bestiegen, sein Stößel in ihr verschwunden.
Achmed stöhnte vor Lust, glaubte sich gänzlich an dieses Bild verloren, Vergangenheit und Gegenwart verschmolzen. Doch die samtweiche Haut unter seinen Händen war nicht Traum, die pulsierende Möse nicht Fatamorgana!
Lefa hatte sich seines Traums bemächtigt, ließ Vergangenheit Gegenwart werden.
Achmed legte sein Handy weg, löschte das Licht und kroch neben Lefa ins Bett. Vorsichtig tastete er nach ihr, sie schlief fest. Mit dem Einschlafen war das so eine Sache bei ihm, nachts kam, was er tagsüber beiseite geschoben, zu Besuch.
Er war seit einer Woche mit Abdul Began, wegen der Schiffe im Gespräch. Der Inder verstand ihn nicht, oder tat, als ob er ihn nicht verstände. Willst du Schiffe die was taugen, oder willst du Schrotteimer zum Abwracken, war seine Frage. Einerseits ging es Abdul nichts an, was er mit den Schiffen vorhatte, andererseits verstand er dessen Sorge.
Die ganze Welt fürchtete Terroranschläge. Einen maroden Pott mit Dynamit vollstopfen, der dann in einem europäischen Hafen hochging, war sein Albtraum. Die Fahndung hätte Abdul binnen vierundzwanzig Stunden am Kragen.
Habe ich falsch angefangen, muss die Schiffe direkt vom Reeder kaufen, die wollen die Pötte los sein, fragen nicht so viel, grübelte Achmed.
Da muss Kefr ran. Im Internet nach Frachtern forschen, die in den sechziger Jahren in Dienst gestellt worden waren. Sollte es noch welche geben, rauskriegen wer die fahren ließ, Flagge, Eigner, Charterer. Wenn er sich die Schrotthaufen vorstellte, die täglich im Hafen festmachten, sollte das nicht allzu schwer sein.
Die Schwierigkeit war das Timing, die Schiffe durften nicht gleichzeitig im Hafen liegen, aber auch die Lücken zwischen den Abfahrten, durften nicht mehr als vierundzwanzig Stunden betragen. Wenn jeden Tag ein Schiff mit Menschenfracht in Frankreich strandete, blieb das nicht verborgen, da wird schnell ein Empfangskomitee bereitstehen. Auf See müssen die einen Konvoi bilden, um möglichst gleichzeitig zu stranden, sonst war der Überraschungseffekt futsch.
Da gab es viel zu tun, Robert soll das organisieren, hoffentlich enttäuscht er mein in ihn gesetztes Vertrauen nicht. Ich habe keine Vorstellung, wie das hinzukriegen ist.
Darja hält große Stücke auf ihn, wird Hahn im Korb bei Abu Dar sein, wird den sicher um den Finger wickeln, schrieb sie. Robert wird die schöne Darja um den Finger gewickelt und fachgerecht verstöpselt haben, schmunzelte er. War genug Gelegenheit, die Wüstennächte sind bitterkalt, nur dicht aneinander geschmiegt, hält man das aus. Darja ist ein heißblütiges Weib, seit Jahren Witwe. Wird Zuhaus auf ihren Ruf achten, da ist ihr der Robert willkommener Feuerlöscher.
Er wälzte sich, plötzlich Lefas leise, schlaftrunkene Stimme. „Kannst du nicht schlafen, lieber Mann? Soll ich dir den Nacken massieren?“
Fast hätte Achmed vor Freude geschluchzt, keine seiner drei Frauen hatte sich so seiner Sorgen angenommen. Dieses Mädchen, dem er Großvater sein konnte, hüllte ihn ein in ihre Liebe. Ob es wirklich Liebe war bezweifelte er, für ihre taufrische Schönheit war er zu verbraucht. Doch spielte das keine Rolle, er hoffte sie würde nach seinem Tod einen zu ihr passenden Mann finden. Er hatte auf ihren Namen Häuser und Grundstücke überschreiben lassen, die ihr ein sorgenfreies Leben, mit oder ohne Mann ermöglichen würden.
Er gab sich ihren sanften Händen hin, die die Gedanken aus seinem Kopf vertrieben, ihn hinübergleiten ließen, in Schlaf und Traum.
Seit Lefa sich seiner Schlaflosigkeit annahm, ihm Entspannung verschaffte, träumte er. Nicht nur das, er erinnerte seine Träume am nächsten Morgen, konnte sich tief in seine Vergangenheit hinein erinnern, ja regelrecht in seiner Vergangenheit leben.
Eine lange Vergangenheit war das. In Nkule, dem Dorf das seinem Vater gehörte, war er zwar Sohn aus angesehener Familie, jedoch der jüngste unter fünfzehn Söhnen gewesen. Seine Mutter war des Vaters dritte Frau und sehr glücklich über seine Geburt, vor ihm hatte sie vier Mädchen geboren, sehr zum Missfallen der ganzen Sippe.
Als er mit zwölf anderen Dorfjungen beschnitten und in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen worden war, schickte der Zulewa nach ihm.
Sein Vater barst vor Stolz! Der Zulewa, Herr über hundert Dörfer, holte einen seiner Söhne in die Residenz. Er befahl Achmed in sein Haus, hieß ihn sich setzen, um ihm freudig erregt, aber mit verhaltenem Zorn in der Stimme, eine stundenlange Predigt über das hohe Ansehen Nkules zu halten, das nun auf seinen Schultern ruhe. Er zählte ihm, sich unermüdlich wiederholend, die zu beachtenden Regeln beim Umgang mit dem Zulewa, dessen Familie und Beamten auf. Halte die Augen gesenkt, wasche dich zu den Gebeten und bade deinen Körper täglich. Besonderen Wert lege auf die Reinigung des hinteren Ausgangs, der Kastanien und des Stößels. Greife beim Waschen bis hoch zum Ende des Arschritzes, wasche durch die Beine hindurch bis zum Bauchnabel. Danach pflege das Gewaschene mit Palmöl. Mache mir keine Schande! Sei dir der Verantwortung für Nkule stets bewusst. Sei geistesgegenwärtig! Sollte eine der Cousinen, Tanten oder Töchter des Zulewa dich wollen, sollst du bereit sein, sie nicht auf später vertrösten müssen, weil in deinem Arschritz die Beeren wuchern.
Ob dieser Vorstellung packte ihn die Wut, und er versetzte ihm eine schallende Backpfeife. Das war zuviel, Achmed sprang auf und schrie: „Vater du entehrst mich, ich bin ein Mann!“ Sie standen sich vor Wut zitternd gegenüber. Doch der Vater meisterte den kritischen Moment, ging zu einer Truhe im Hintergrund des Raumes, entnahm Jacken, Hosen, Hemden wie Europäer sie tragen, sowie einige traditionelle Gewänder und legte sie auf den Tisch. Er winkte ihn zu sich, zeigte auf die Sachen und sagte: „Dies ist deine Austeuer für den Hof des Zulewa, geh damit zu den Frauen und lass nachsehen, ob sie dir passen. Wenn nicht, sollen sie was nötig ist ändern.
Du wirst in einer Woche reisen, bevor du gehst komme zu mir, ich werde dir $50.- geben. Die sollst du nicht verprassen, sondern mehren. Am Hofe gibt es mannigfache Gelegenheiten Geld zu verdienen, aber auch zu verlieren. Verhalte dich besonnen, zeige mir nach Ende deines Dienstes $500.-, dann weiß ich, mein Sohn ist ein Mann.“
In Hibo, dort residierte der Zulewa, nahm sein Palast die Hälfte der Stadt ein. Achmed fragte sich einen Tag lang durch, bis er endlich wusste wo er sich vorzustellen hatte. Hibo war mit Nkule nicht zu vergleichen. Selbst mittags, wenn die Sonne unerträglich heiß auf die Wolle brannte, nahm niemand davon Notiz. Auch der unablässige Lärm der von allen Seiten, aus der Luft und er hatte den Eindruck, auch aus dem Boden kreischte, bollerte und blöckte, schien keinen zu stören. Als er den Erstbesten fragte, wie er zum Eingang des Palastes komme, wollte der 5 Centimes für die Auskunft.
Na ja, der Vater hatte ihn gewarnt, also suchte und fand er den Eingang auf eigene Faust. Aber hier gab es Schwierigkeiten. Der Türhüter, dem er sich vorstellte und um Hilfe bat, sah durch ihn hindurch. Hockte auf seinen Fersen und bewachte eine grün-rot-blau, in den Farben des Sultanats gestrichene Schranke, die er über ein Seil mit Rolle hochzog oder senkte, um Eselskarren oder Automobile durchzulassen. „He du!“ sprach er ihn nochmals an, „ich habe dich was gefragt!“ Als der Kerl zuckte mit keiner Wimper, also packte er sein Bündel und ging an ihm vorbei durch das Tor.
Das machte ihn wach, er brüllte, „bleib sofort stehen, ich lasse dich verhaften! Stopp! Bleib stehen!“ Achmed ließ sich nicht beirren und ging weiter, eine Frau die ihm mit einem großen Korb auf dem Kopf entgegenkam, bat er um Auskunft. Sie zeigte auf ein großes Haus mit vielen offenen Luken, da hinein müsse er gehen. Während er mit ihr sprach, war der Onbashi, die Frau grüßte ihn so, herangekommen und stellte sich ihm in den Weg. Achmed legte sein Bündel auf den Boden, exerzierte drei hohe Kampfsprünge und stieß zu jedem Sprung einen dumpfen Laut aus, dann ging er mit kleinen wiegenden Schritten auf den Türhüter zu, bis ihn nur eine halbe Armlänge von ihm trennte und flüsterte: „Was willst du?“
„Nichts, nichts, Herr, wollte dir sagen, das große Haus dort, da musst du dich melden! Ja, sonst nichts, bin extra hinter dir hergelaufen.“ Diesmal sah Achmed, durch den Kerl hindurch, packte sein Bündel und ging auf das Haus zu.
Ganz gefangen in seinen Gedanken, drehte er sich zu Lefa und horchte nach ihrem Atem, erkannte an seinem gleichmäßig sanftem Schnurren, sie schlief. Da hat mich die Aufregung meines ersten Tages in Hibo geweckt, ging es ihm durch den Kopf. Verwunderlich wie frisch die Erinnerung nach all den Jahren war. Er erinnerte genau, was ihn in dem großen Haus erwartet hatte. Sah den greisen Onbashi, alle die etwas beaufsichtigten, nannten sich so, genau vor sich. Sein fleckiges Gesicht, die knochendürren Arme, die pfeifende Stimme. Wo kommst du her, hatte er so leise gepiepst, das er sich tief zu ihm herunterbeugen musste, um zu verstehen. „So aus Nkule kommst du, aus Nkule, ja da kenne ich deinen Vater! Du wirst Ruderer, wie er es gewesen, zehnmal im Jahr darfst du mithelfen, die Barke des Erhabenen auf dem großen Fluß zu rudern. Jetzt geh zu der Frau die dort an der Tür sitzt, sie wird dir sagen was weiter mit dir geschieht.“
„Ich bin die Banda,“ sagte die Frau. „Du Junge aus Nkule, wohnst im Haus der Ruderer, dort bekommst du auch dein Essen. Halte dich gut, keine Händel, Schlägereien und schwängere mir nicht die Mädchen, sieh dich vor! Verstehst du mich? Nein? Ich seh es dir an. Weißt du mit dem Gummi umzugehen? Was frag ich, komm setz dich!
Hör gut zu! Der Erhabene hat in Europa Medizin studiert. Er hasst ungewollte Schwangerschaften und verabscheut Geschlechtskrankheiten. Wer das eine veranlasst, sich das andere holt, fliegt! Sofort! Hast du deinen Stößel schon ausprobiert? was guckst du? antworte! Ach der junge Herr geniert sich, ha, ha! Ich frage, du sagst einfach ja oder nein, kapiert?
Hast du deinen Stößel selbst bedient, mit der Hand ohne Frau?
Ja? Gut so kommen wir weiter. Hast du deinen Stößel schon in ein Mädchen gesteckt? Nein? Aha, das kommt noch. Du siehst hier die Banane in meiner linken Hand, in meiner rechten das Gummi, aufgerollt. So bekommst du die Gummis, aufgerollt! Gib acht, ich rolle das Gummi jetzt über die Banane, siehst du, sie ist ganz vom Gummi bedeckt, am unteren Ende ist eine Blase. In diese Blase spritzt dein Saft, so wird Schwangerschaft und Geschlechtskrankheit verhindert.
Noch Fragen? Genierst dich immer noch? Gut dass ich Gedanken lesen kann. Also die Gummis haben die Frauen, mit denen du es treiben wirst. Jedes Mädchen, sobald ihr Brüste wachsen und die Lust in sie einschießt, bekommt so viel Gummis wie sie braucht. Bevor du sie stöpselst, rollst du dir den Gummi über, wie ich es dir an der Banane gezeigt habe. Klar? Dann troll dich zum Haus der Ruderer. Fanto! Rief sie einen Knaben, nimm sein Bündel und zeig ihm wo er wohnt!“
Im Haus der Ruderer waren viele Zimmer, je vier Jungen teilten sich eins. Es gab zwei Fächer und eine Liege für jeden. Sonst war da nichts. Das Haus war wie alle anderen Häuser aus Lehm. Das war gut, es war kühl. Das Zimmer in das Fanto ihn führte, war von zwei Jungen bewohnt, sie waren die Chefs der Ruderer. Einer hob die linke Hand, den Daumen vor der Handfläche versteckt, Achmed übersahe er. Fanto nickte, winkte mit dem Kopf, und er folgte ihm viele Lehmstufen hinauf. Er hatte mitgezählt, sie waren auf dem vierten Flur, von hier ging es nicht weiter. Die Flure waren immer enger geworden, der vierte war sehr eng. Das Zimmer war ein dunkles Loch, er hatte es mit zwei Jungen zu teilen. Die beiden hockten links und rechts vor der Tür und sahen ihn böse an. Er grüßte freundlch auf Dinki, bekam Antwort in einem Dialekt den er nicht verstand. Er versuchte es französisch, sagte Bon Jour. Einer stand auf, gab ihm die Hand und sagte ebenfalls Bon Jour. Der andere blieb auf dem Boden hocken.
Es störte ihn nicht, beide waren kleiner als er und weniger kräftig, die musste er nicht fürchten. Unangenehm war sein knurrender Magen, er drehte sich um zu Fanto, aber der war verschwunden.
Scheiße! Achmed war nun vollends wach, er starrte in die Dunkelheit und betrachtete die wenig schöne Vergangenheit, seiner ersten Monate in Hibo. Das war eine einzige Schubserei, ein ständiges Drängeln um kleinste Vorteile gewesen. Er hatte viel gelernt dabei, aber als Erinnerung taugte die Zeit ganz und gar nicht. Aber es gab auch den Aufstieg.
Er geizte mit dem Bild dieses bemerkenswerten Tages, an dem er zum neunten mal die Barke des Zulewa mitrudern durfte. An jeder Seite waren sie zehn Ruderer, der Zulewa saß in der Mitte, auf einem mit rotem und goldenem Brokat verhüllten Podest, dem Thron ähnlich, auf dem er die Huldigungen seiner Untertanen im Palast entgegennahm. Er saß auf der Ruderbank genau unter dem Zulewa und seiner jüngste Tochter, die der auf seinen Knien hielt. Sie machten gute Fahrt auf dem großen Strom, ein leichter Wind wehte und vertrieb die drückende Schwüle, die oft auf dem Wasser lastet. An den Ufern lagerten Krokodile, Madenhacker stritten sich um die besten Plätze auf ihren schuppigen Rücken und aufgesperrten Rachen. Störche, Pelikane und Reiher stolzierten, die Bestien ignorierend, auf Beute aus, in dem Durcheinander umher.
Plötzlich, ohne ersichtliche Ursache, neigte sich das Boot zur Seite, ein Schrei und Sila des Zulewas Tochter, flog dicht über Achmeds Kopf, er spürte den Luftzug, ins Wasser. Wie im einzelnen ablief, was nun geschah, erinnerte er nicht. Nur die in breiter Front in den Fluß stürzenden Krokodile, sah er.
Sila tauchte eine Ruderlänge vom Boot entfernt auf, er nutzte diesen einzigen Moment, schob sein Ruderblatt unter den kleinen Körper und hob das Kind, die Echsen im Auge haltend, vorsichtig die Balance beachtend, aus dem Wasser. Noch war sie den Krokodilen nicht entronnen, sie musste sich unbedingt ruhig verhalten, durfte nicht von dem glitschigen Ruderblatt rutschen. Doch Allah half, das kleine Wesen schlang beide Ärmchen um das Holz, sicherte sich so vor dem heruntergleiten. Jetzt nur noch ein Schwenk und er konnte sie ihrem Vater in die Arme legen.
Die Fahrt wurde augenblicklich abgebrochen, das Boot zum nächsten Landepunkt gefahren, wo der Zulewa und seine Wachen ausstiegen. Die Anderen fuhren in gedrückter Stimmung zurück nach Hibo. Der Erhabene hatte nach Silas Rettung, zu niemandem ein Wort gesagt, saß stumm, mit geschlossenen Augen auf seinem Thron. Das verhieß nichts Gutes, sicher verlor der Steuermann seine Stellung, auch die Ruderer würden nach Hause geschickt werden.
Als sie in Hibo anlegten, erwartete sie ein schweißbedeckter Läufer, der den Mann suchte, der Sila aus dem Wasser gefischt hatte? Achmed meldete sich. Der Läufer fragte: „Kannst du laufen?“ Er nickte, der Läufer befahl: „Dann folge mir!“ Zuerst war es leicht mitzuhalten, aber mit der Zeit fühlte er wie ihm die Beine schwer wurden. Er blieb zurück, nach ihm war geschickt worden, das würde dem Läufer schon aufgehen.
Achmed machte einen Gedankensprung, jetzt kam seine Lieblingsszene, sein Einmarsch in die Sommerresidenz.
Der Läufer führte ihn in ein Badehaus, und sie erfrischten sich mit einigen Kübeln kalten Wassers, das durch ein Loch in der Decke, über ihre Köpfe geschüttet wurde. Danach führte er ihn in das Haus des Zulewa. Ein sehr freundlicher, dicker Türsteher zeigte auf einen fremdartigen Stuhl und hieß ihn sich setzen. „Der Erhabene wird dich rufen lassen, er erwartet dich, gedulde dich eine kleine Weile.“ erklärte er beflissen.
Er saß auf dem weichgepolsterten Stuhl und fühlte sich unwohl. Es gab keinen Grund sich zu fürchten. Er war nicht geholt worden um gescholten zu werden, er hatte das Boot nicht gesteuert, jedoch die kleine Sila vor den Krokodilen oder dem Ertrinken gerettet. Er winkte dem Dicken und fragte ob es den Zulewa kränke, wenn er sich auf die Fersen hocke. Der wiegte den Kopf, schob die Lippen vor und meinte: „Nein es wird ihn nicht kränken, setz dich nur auf deine Hacken, der Arsch kocht dir, nehme ich an? Bist es nicht gewohnt weich zu sitzen, ist nicht unsere Art, der Erhabene hat die Stühle aus Europa mitgebracht.“
Wie gewohnt zu sitzen, verschaffte Erleichterung, zwar schlug ihm das Herz heftiger als gewöhnlich, doch das war auszuhalten. Er legte sein Gesicht in die Hände und dachte an nichts.
Eine Hand auf der Schulter weckte ihn. Er sprang auf, vor ihm stand ein Mann, nein ein Herr, jedenfalls trug er einen blendendweißen, europäischen Anzug, weiße Schuhe, hatte helle, strähnige Haare und war ein Weißer. Er nahm seine Hand und zog ihn mit sich. Sie kamen durch zwei hohe Türen in einen Raum, in dessen einer Ecke ein riesiger, runder Tisch und viele gepolsterte Stühle standen. Auf den Stühlen saßen Männer, Frauen und Kinder, Schwarze und Weiße durcheinander, es wurde gelacht und geschnattert, und mitten drin der Zulewa, der jetzt auch einen weißen europäischen Anzug trug.
Als man seiner ansichtig wurde, verstummten alle einen Augenblick, um sodann gemeinsam „Er lebe hoch, er lebe hoch!“ zu singen. Der Zulewa trat auf ihn zu, er wollte wie es der Sitte entsprach niederknieen, doch der Erhabene verhinderte das, zog ihn an sich und küsste ihn auf beide Wangen.
Die Leute im Raum schlugen die Handflächen wild aneinander, bis der Erhabene seine Rechte hob. Augenblicklich war Ruhe und er hielt eine kleine Rede: „Lieber Achmed Nkule,“ begann er, „Retter meines Sonnenscheins, deiner Geistesgegenwart, haben wir unser zweites Leben zu verdanken. Wir werden immer in deiner Schuld stehen. Wenn du magst, wirst du ab sofort ein ständiges Auge auf meine Sila haben. Solltest du wollen, wirst du eingekleidet und von einem nur für dich zuständigen Diener, in alle Belange des Palastes eingewiesen. Sollte sich der Kerl dir gegenüber eine Unverschämtheit herausnehmen, beschwere dich bei mir.“
Ich stand nicht vor einem Spiegel, konnte mein Gesicht nicht sehen, aber der Herr der mich hierher geführt hatte, bemerkte meine Verblüffung.
„Doktor, sagte er zu dem Zulewa, warum gibst du ihm keine Dienerin? Eine die die Gebräuche kennt, nicht älter als dreißig und hübsch. Das wäre eine echte Belohnung für unseren Freund!“
Sein französisch war schnell, es hörte sich anders an, als ich es gelernt hatte, aber ich verstand den Sinn der Worte, und dieser Sinn gefiel mir so ungemein, dass er ein breites Grinsen in mein Gesicht zauberte.
Der Zulewa bemerkte es, sah seinen Freund an, klopfte sich auf die Schenkel und lachte schallend. Zu mir sagte er. „Du bist einverstanden, ich sehe es, bedarf keiner Worte.“ Er klatschte in die Hände, eine in einen herrlichen Bou Bou gewandete Dame erschien, nahm meine beiden Hände, küsste sie und bat mich, ihr zu folgen.
Was nun folgte, Achmed streckte sich in seinem Bett bis die Knochen knackten, hatte er sich schon ungezählte Male vor Augen geführt. Die Frau führte ihn in ein großes Zimmer, indem, in Reihen hintereinander Schreiber saßen, die mit gesenkten Köpfen Papiere bearbeiteten. Vor ihnen, auf einem erhöhten Podest saßen drei Männer neben einander, jeder hatte eine kleines Hämmerchen in der Hand.
Über den Dreien thronte ein einzelner, kostbar gekleideter alter Herr, mit gelblichem bis auf die Brust reichenden Bart.
Direkt zu ihm, führte ihn die Dame. „Mustafa, redete sie ihn an, „dieser junge Mann hier, ist ein Tropfen vom Herzblut des Erhabenen. Er ist Sinas Retter, ihr ab sofort als ständiger Begleiter attachiert. Er soll eine hübsche, in allen Dingen des Palastes kundige Dienerin bekommen, nicht älter als dreißig. Außerdem standesgemässe Ausstattung und entsprechenden Lohn. Unterbreite mir deine Vorschläge, die ich dem Erhabenen vorlegen muss. Mustafa merk auf! Eine Nummer Eins Angelegenheit.
Mustafa erhob sich, verbeugte sich und zischte einen leisen Befehl an die unter ihm sitzenden Männer. Einer der Drei, trommelte darauf mit seinem Hämmerchen, eine ganze Folge von Schlägen auf ein vor ihm liegendes, mit Fell bespanntes Brett.
Die Dame nahm meine Hand, sah mir freundlich lachend in die Augen und fragte: „Achmed, wie steht es mit deinem Hunger?“ Dies war genau was mir dringlichst am Herzen lag, so gab ich statt einer gesprochenen Antwort, ein Hyänen keckern von mir, täuschend ähnlich dem nachts den Busch erfüllenden Laut.
Achmed wurde selbst in der Erinnerung atemlos, wenn er sich vor Augen führte wie die Speisenfolge die ihm, kaum hatte er einen Bissen von einem üppig gefüllten Teller verzehrt, auf einem nächsten und übernächsten angeboten wurde. Es war ihm unverständlich, warum er von einer schmackhaften Speise nur einen Bissen nehmen sollte, um sich einer nächsten zuzuwenden, an der er wiederum nur nippen durfte.
Erst viel später erkannte er den Hintergrund des Verfahrens. Es handelte sich keineswegs um Verschwendung, sondern war ein notwendiges Ritual, um den gehobenen Hofstaat, von der ewigen Hirsegrütze zu befreien. Genau wie ihm der Teller nach einem Bissen entzogen wurde, ging es die Spirale weiter abwärts, bis der letzte Bissen vertilgt war. Gleichzeitig wusste jeder, welchen Rang er, und die Anderen innehatten. Der unberührte Teller gebührte den höchsten Chargen, zu denen gehörte er jetzt.
Was dann geschah, machten es ihm schwer Haltung zu bewahren. Wieder nahm sich die Dame im Bou-Bou seiner an. Sie bat ihn, sie Fjuke zu nennen, und geleitete ihn zu seinem Haus. Dorthin werden alle kommen, die für dich Besorgungen zu erledigen haben. Ich glaube da warten schon die Schneider, rief sie, und zeigte auf eine Gruppe Männer die vor einem Haus hockten.
Die Männer begrüßten uns mit vielen Verbeugungen, ihr Chef haschte nach meiner Hand und küsste sie. Ich fragte Fjuke, ob die Handküsserei zum Hofzeremoniell gehöre, was sie verneinte und erklärte, es sei Ausdruck der Achtung die dem Eretter der Prinzessin gebühre. Jeder wird dir die Hand nur einmal küssen, in ein paar Wochen wird sich der Hof durchgeküsst haben. Ich dankte und versicherte das beruhige mich ungemein.
Wir traten in das Haus und die Schneider machten sich über mich her, nahmen Maß, schleppten Stoffballen heran und forderten mich auf zu bestimmen, aus welchem Stoff welches Kleidungsstück geschneidert werden solle. Ich sandte Fjuke einen ratlosen, nach Hilfe schreienden Blick, sie lächelte und vertiefte sich in ein stundenlanges Gespräch mit den Männern, während ich das Haus inspizierte, das ich nun mit dem Loch im Haus der Ruderer tauschte.
Ein solches Haus, wie ich es jetzt bewohnen würde, hatte ich mein Lebtag nicht betreten, nicht einmal geahnt hatte ich, dass es so etwas gab. Hier sah ich das erste Spülklo meines Lebens. Die Luken in den Lehmwänden waren von Innen mit Netzen zu verschließen, von Außen mit hölzernen Türen. Die Schränke, Betten, Tische waren nicht aus Lehm geformt, sondern allesamt aus Holz und ohne weiteres von einem Zimmer ins andere zu transportieren. Ich war völlig gefangen von der Vorstellung meines künftigen Lebens in diesem wunderbaren Haus, als eine sanfte Stimme fragte: „Gefällt dir dein neues Zuhause?“
Ich fuhr herum und sah mich zwei strahlenden Augen gegenüber, die zu einer jungen Frau gehörten an der sämtliches purer Liebreiz war. „Wer bist du?“ fragte ich, statt einer Antwort nahm sie meine Hand und drückte ihre weichen Lippen in die Handfläche. Sie sah zu mir auf und antwortete, ich bin deine persönliche Dienerin, wenn du magst.“
„Wenn ich mag, wer möchte dich nicht mögen, wie heißt du?“
„Fatima, aber genannt werde ich Tima.“
„Wirst du hier einziehen, Tima?“
„Gerne, Achmed, wenn du es zulässt.“
„Gerne Tima lass ich es zu, such dir ein Zimmer aus, es sind genug vorhanden.“
„Das freut mich, aber wir sollten das Haus zuerst wohnlich machen. Da du mich annimmst, gehe ich sofort los und rufe Händler herbei, die uns Vorschläge unterbreiten werden. Hast du eine Vorstellung was dir gefallen könnte?“
„Keine Tima. Weißt du wo ich gewohnt habe?“
„Im Haus der Ruderer, wurde mir gesagt und natürlich in Nkule.“
„Richtig, aber hast du eine Ahnung wie es dort aussieht?“
„Keine Vorstellung vom Haus der Ruderer, aber von Nkule schon. Ich komme aus einem Kral in der Nähe zur Grenze des Dafur. Sehr karge Gegend, Wind, Staub und Sand im Überfluss. Kannst dich nicht vor dem Dreck schützen, sitzt dir in Augen, Ohren, Nase, Mund und jeder Ritze. Die Baby’s kommen bei uns mit Sand im Bauch auf die Welt, machst du sie sauber, reibst danach die Finger gegeneinander, fühlst du den verdammten Schmirgel.“
„Na ja, bis auf den Wind geht es dir in Nkule ähnlich, freuen wir uns, dass wir hier sind. Seit wann dienst du dem Erhabenem?“
„Er hat mich mit fünzehn aufgelesen, jetzt bin ich fünfundzwanzig.“
„Aufgelesen, Tima?“
„Genau, in Toulon von der Straße aufgeklaubt. Ich bin von Zuhause weggelaufen, hab mich bis zum Mittelmeer durchgeschlagen, mich dort auf ein Schiff geschlichen, bin als blinder Passagier von Tunis nach Marseille gekommen. Dabei kam ich vom Regen in die Traufe. Bevor ich jedoch entgültig verhungerte, fand mich Doktor Gebgid. Der Zulewa ist in Europa Arzt, heißt dort Dr. Gebgid.
Er nahm mich mit nach Hause, seine französische Frau steckte mich drei Stunden in einen Waschzuber im Hof. Danach durfte ich ins Haus, kam dort aber noch einmal in die Badewanne. War wunderbar, das Wasser duftete wie Jasminblüte. Nachdem ich davon genug hatte, anfing zu quengeln, rieb sie mich mit Olivenöl ein und steckte mich in ein herrlich weiches Bett, mit so weißen Tüchern, wie ich sie mein Lebtag nicht gesehen hatte. Bei seinem nächsten Trip nach Hibo, nahm mich der Zulewa mit, seitdem bin ich Palastdienerin.“
Achmed erinnerte sich genüßlich, an dieses erste längere Gespräch mit einem Menschen, seit er von Nkule fort war. Es war schwer zu verkraften gewesen, aus der geschwätzigen Anteilnahme seines Dorfes, in das absolute Desinteresse an seiner Person, im Palast zu fallen. Mit Tima zu schwätzen, war für ihn wie ein kühlender Verband, auf sonnenverbrannter Haut. Sie hatten sich auf den blanken Boden gehockt und erkundigten so intensiv, und voll Neugier die jeweiligen Vergangenheiten, dass sie nicht bemerkten wie die Zeit verrann. Als die Stimme des Muezzin zum Abendgebet rief, sprang Tima auf und tadelte sich: „Jetzt haben wir uns verschwätzt, es ist zu spät Bettzeug und Unterlagen für die Nacht zu besorgen. Ich schäme mich, wie konnt ich mich so vergessen.“
Achmed sah sie vor sich: Ihr beschämtes Gesicht, die schuldbewusst niedergeschlagenen Augen, ihre betörende Figur deren Linien er in den Händen zu spüren meinte.
Er kicherte, alter Gipskopf, hier betrachtest du die Vergangenheit die der Zukunft entgegenzittert, aus der Gegenwart. Nächste Zukunft, in dieser Nacht erfuhr er welche Sensation ein herrlicher Frauenkörper für einen bereiten Mann war. Er schloss die Augen, entspannte sich und schon lag er auf dem Lehmboden seines neuen Hauses, sich den Händen Timas anvertrauend, die aus seinem Wurm einen achtunggebietenden Pfahl streichelte. Die Erregung ließ ihn Löcher in die Luft stoßen. Tima ermahnte ihn stillzuhalten, sie habe den Befehl des Zulewa zu befolgen, ihm den Gummi überzustülpen. Er zwang sich Beherrschung ab, sie tat was sie musste, ehe er sich versah, war er bestiegen, sein Stößel in ihr verschwunden.
Achmed stöhnte vor Lust, glaubte sich gänzlich an dieses Bild verloren, Vergangenheit und Gegenwart verschmolzen. Doch die samtweiche Haut unter seinen Händen war nicht Traum, die pulsierende Möse nicht Fatamorgana!
Lefa hatte sich seines Traums bemächtigt, ließ Vergangenheit Gegenwart werden.