Fluchten Teil 7

Haarkranz

Mitglied
7

Robert glaubte kaum geschlafen zu haben, als ihm jemand unsanft die leichte Decke wegzog, und „Aufstehen, Langschläfer!“keifte. Es war Mze, die mit glimmenden Augen vor seinem Bett stand und ihren Spruch „Aufstehen, Langschläfer!“ leierte. Er sah sie an und gähnte ausgiebig, die Decke hielt sie immer noch in der Hand, vergriff sich aber nicht an seinen männlichen Kostbarkeiten, die entblößt in Reichweite vor ihr lagen. Entweder war sie beleidigt oder Darja hatte ihr Mäßigung verordnet.
Er setzte sich auf, machte keine Anstalten seine Blöße zu bedecken und wünschte ihr einen Guten Morgen. Wie früh ist es, wollte er wissen? In einer Stunde geht es los, gab Mze Auskunft, ohne ihm zu sagen wieviel Uhr es war.
Ist nicht nötig, liebe Tante, dachte er und ging ins Bad.
Er war fertig angezogen als es an seiner Zimmertür klopfte, er öffnete, es war Darja die ihn freundlich anlächelte und fragte: „Abfahr bereit?“ Robert nickte und sie ging vor ihm her in ihre Räume, wo wie gestern der Frühstückstisch gedeckt war.
„Viel trinken Robert, empfahl Darja, wir haben vier Uhr, wenn wir gleich losfahren, haben wir zwei Stunden bis die Sonne richtig loslegt. Hast du schon einmal am Steuer gesessen?“
Robert schüttelte den Kopf, „nein noch nie, aber ich saß auf der Fahrt nach hier neben dem Busfahrer und habe mir eingeprägt, wie der die Kiste zum Fahren brachte. Linkes Pedal treten, Gang nach oben schieben, Pedal loslassen, etwas Gas geben usw., bis du beim fünften Gang angekommen bist. Dabei die Straße im Auge behalten und richtig lenken. So sah das jedenfalls für mich aus. Wenn du mich lässt, Darja, würde ich es gerne versuchen. Viel Verkehr wird es, nehme ich an, nicht geben.“
Darja stimmte zu, „wir versuchen es später auf der Piste, beachte bitte die Kupplung, die will liebevoll behandelt sein. Also langsam loslassen, wennn du den Gang eingelegt hast, sonst springt das Auto wie ein Ziegenbock! Los auf mit uns! Mze wo steckst du? Wir sind so gut wie weg!“
Mze, im Gefolge zwei Boys mit Körben und Isolierbehältern rief: „Alles klar, hier kommt die Ernährung und die Tränke.“ Als die Boys alles verstaut hatten, war nur noch Platz auf den Vordersitzen, Körbe und Behälter nahmen allen übrigen Raum ein und waren sorgfältig unter Isolierplanen verstaut.
„Herrin,“ ermahnte Mze, „halte dich bitte genau an den Plan! Vorne links anfangen, die erste Reihe bis ganz nach rechts abräumen, dann die zweite.“
„Ich weiß es, meine Liebe,“ unterbrach sie Darja, „wenn wir genau so verfahren, müssen wir kein einziges mal umpacken, und die Isolierung bleibt bestmöglich erhalten.“
„So ist es,“ bestätigte Mze, nahm Darja in den Arm und küsste sie auf beide Wangen. „Komm gesund zurück,“ flüsterte sie, und wischte sich ein Tränchen aus dem Auge. „Und du Lumpenhund benimmst dich!“ herrschte sie Robert an, und drückte ihm einen dicken Schmatzer mitten auf den Mund.
Darja gab Gas, bald hatte die Piste sie im Griff, die aus immer gleichem Horizont, grau-gelbem Sand und blauem Himmel bestand. Sie redeten kaum, Robert sorgte für regelmäßige Wasserzufuhr. Alle halbe Stunde reichte er Darja einen Becher und trank selbst. Sie mussten die Feuchtigkeit verdunsten, nicht über die Blase ausscheiden, deshalb war kleiner aber beständiger Nachschub wichtig. Nach sechs Stunden Fahrt ohne jede Begegnung, hielt Darja an. „Jetzt du!“ sagte sie, und stieg aus. Robert klemmte sich hinter das Lenkrad, sie zeigte ihm den Mechanismus der Sitzverstellung, er justierte die passende Position für seine langen Beine, trat die Kupplung, legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung vorsichtig los, der Wagen sprang vorwärts und der Motor stand.
„Abgewürgt!“ stellte Darja fest. Robert nickte, trat die Kupplung, legte den Gang ein und ließ das Kupplungspedal langsam hochkommen. Wortlos übte er: Treten, einlegen, hochgleiten, mindestens zehn mal. Dann startete er den Motor und legte den ersten Gang ein, den zweiten, den dritten, den vierten, der Wagen glitt rucklos vorwärts. Ein Seitenblick zu Darja, sie schenkte ihm ein anerkennendes Lächeln und reicht ihm einen halben Becher Wasser.
Nach einer Stunde Fahrt, fühlte Robert wie sich sein Auge an die zuerst beängstigende Geschwindigkeit, angepasst hatte. Er lachte und erklärte Darja das Phänomen. Sie nickte und sagte: „Drück mal ordentlich auf die Tube.“ Die Tachonadel kletterte von 60 kmh auf 70 von da auf 80. Robert nahm den Fuß vom Gas. „Ist wieder da, Darja!“ „Üben, Robert, dann verschwindet es für immer,“ ermunterte sie ihn. Die nächsten Stunden war er damit beschäftigt ein Fahrer zu werden, er schaltete, bremste, beschleunigte bis die Piste sich rumpelnd meldete. Darja stoppte ihn. „Kosten zu viel Sprit, Robert, deine Manöver, unser Vorrat ist genau kalkuliert, gibt keine Tankstelle bis Timbuktu. Du beherrscht die Kiste jetzt, jedenfalls für die gerade Piste. In der Stadt sieht das anders aus, aber für unsere Fahrt bist du ein prima Copilot.“
Sie sah auf die Uhr, wir sind zehn Stunden unterwegs, in zwei Stunden löse ich dich ab, fahre bis es dunkel wird. Bist du hungrig?“ „Nein, keine Spur,“ wunderte er sich, „wird an der Aufregung liegen.“ „Aufregung?“ Darja dehnte das Wort fragend, „machst mir keinen aufgeregten Eindruck, beherrscht den Wagen doch aus dem FF.“ Er lachte laut, „Darja, als ob die Blechkiste mich aufregte, hab Erregenderes an Bord.“
„Richtig, mein Lieber, hab die Darja ganz aus dem Auge verloren, freut mich, das sie dich kribbelig macht.“
Als sie ihn ablöste, reckte er sich ordentlich, kletterte auf den Beifahrersitz und schlief sofort fest ein. Die Sonne stand tief im Westen und schien Darja direkt ins Gesicht, die Blendung war so stark, da half die Sonnenbrille kaum. Immer wieder verlangsamte sie die Fahrt, um sich Tränen aus den Augen zu wischen.
Das prächtige Szenario der sich verabschiedenden Sonne, war ihr heute völlig schnuppe. Tauch schon ab du Biest, war das Einzige was sie ihr nach rief. In wenigen Minuten würde es stockfinster sein, sie legte das Allradgetriebe ein und fuhr in eine Senke einige 100 Meter von der Piste entfernt. Das Auto würde in der Finsternis unsichtbar werden, und sie sicher vor ungebetenem Besuch.
Robert rieb sich die Augen. „Wo sind wir?“ fragte er. „Am Ende unserer ersten Etappe, wir haben gut Kilometer gemacht, wenn es so weiter läuft, schaffen wir Timbuktu in vier Tagen.“
„Schade,“ muffelte Robert, „ich genieße die Fahrt, könnte ewig dranbleiben. Morgen fahr ich eine längere Etappe, heute hat mich die Konzentration auf das Neue, viel Kraft gekostet. War froh als du mich ablöstest, konnte die Augen kaum noch auf halten.“
Während er das sagte, kreiste in seinem Hirn der Gedanke, was die Nacht mit Darja bringen mochte. Den ersten Schritt konnte er nicht tun, würde seine gestrige Haltung entwerten. Keine Ahnung hatte er von ihrer künftigen Stellung im Projekt. Würde sie oft in Hatta sein, oder bleibt sie in Agadez um die Flüchtligsströme umzudirigieren. Sie erregt ihn, wie keine Frau ihn je erregt hatte, aber was hatte er schon für Erfahrungen mit Frauen? Vor Nellie gab es Nächte mit den Zugänglicheren im Dorf, die meisten Witwen oder Frauen von Männern die schon seit Jahren in Frankreich arbeiteten, alljährlich für ein paar Tage auftauchten, bald wieder fort gingen, oft nie mehr von sich hören ließen.
„Robert?“ unterbrach Darja seine Gedanken, „hilfst du mir bitte!“
„Sofort, Darja, entschuldige, bin noch nicht ganz wach!“
Sie hockte hinter den Vordersitzen und gab ihm an, was zuerst ausgepackt werden sollte. Es würde frisch gebratene Hähnchen mit Reis in Chillisoße geben. Herrlich, vorsichtig stellte er die Plastikschüssel auf den Boden. „Ist noch nicht alles, Robert!“ schnaufte Darja die sich in der Enge kaum regen konnte. „Hier nimm zwei Flaschen Bier, eiskalt,“ sie reichte ihm die Flaschen raus. „So jetzt deine Hand, ich stütz mich ab, Robert, halt fest.“ Sie ächzte sich heraus aus dem Spalt, „wird von Tag zu Tag mehr Platz werden, dafür unsere Mahlzeiten karger. Frisches Hühnchen gibt es nur heute, hat Mze kurz bevor wir abfuhren gebraten. Ab morgen gibt es Konserven, Bier haben wir noch bis übermorgen, solange reicht unsere Eis.“
Sie klappte die Hecktür hoch, an der innen ein Klapptisch und zwei Segeltuchsessel geschraubt waren. Robert löste die Flügelschrauben, stellte Stühle und Tisch auf den Boden. Der Mond schien so strahlend hell, dass Darja entschied es bedürfe keiner weiteren Lichtquelle. Sie packte die Hähnchen aus, die schon auf Plastiktellern lagen. Aus dem Handschuhfach kam das Besteck, Robert öffnete die Flaschen und sie setzten sich.
„Auf gutes Gelingen!“ Darja hob ihr Bier und prostete ihm zu. Beide setzten gleichzeitig die Flaschen an den Mund, tranken das herrlich kühle Bier mit durstigen, langen Zügen. Darja setzte als erste ab, lehnte sich vorsichtig auf dem kippeligen Stuhl zurück. Mit geschlossenen Augen saß sie da und sah in sich hinein. Ja gestand sie sich, ich will ihn nicht nur, ich muss ihn haben. Werde es geschickt anstellen, ihm nicht auf die Ehre treten. Wenn ich mir sein mächtiges Werkzeug in meinem maunzenden Spundloch vorstelle, wissend das eine kleine Blödheit die Freuden dieser Nacht über den Haufen werfen könnte, dreh ich durch.
„Das war ein Schluck, Robert. Nie schmeckt Bier besser als nach langer Vorfreude. Durst haben wir Dank unserer halbstündigen Tränkungen nicht gelitten, aber lauwarmes Wasser hängt einem schnell zum Hals heraus.“
Robert steuerte nur ein schweigsames Nicken bei, und machte sich über sein Chilli-Hähnchen her. Sein Teller waren bald leer, sie bot ihm den Rest ihrer Portion an und hoffte dabei auf die segensreiche Wirkung des scharfen Chilli.
Auch damit wurde er schnell fertig, jetzt saß er da und starrte an ihr vorbei ein Loch in die Dunkelheit.
„Ich möchte noch ein Bier, Robert,“ versuchte Darja eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Wieder nickter er bloß, sah sie dann aber an, nachdem er sich mit sichtbarer Anstrengung, von dem offensichtlich sehr interessanten Objekt hinter ihrem Rücken gelöst hatte.
„Habe im Leben keinen solchen Sternenhimmel gesehen,“ flüsterte er so leise als ob er fürchtete, seine Stimme könne die Sterne vom Firmament vertreiben.
Darja war erleichtert, ein komischer Kauz dieser Mann, geriet aus dem Häuschen wegen des Wüstenhimmels. Jedenfalls hab ich ihm nicht schon wieder auf die Zehen getreten, stellte sie erleichtert fest. Nahm aber den Faden auf und antwortete: „Dabei stiehlt ihnen der Vollmond viel von ihrem Glanz, bei Neumond verwandeln sie sich in strahlende Fackeln. Trinken wir noch ein Fläschchen?“ Sie wartete seine Antwort nicht ab, ging zum Auto und suchte die Kühlbox. Sie kroch hinter die Sitze und sah aus den Augenwinkeln, wie er aufstand ihr zu helfen. Sie wartete bis er hinter ihr war, kroch zurück, suchte mit einem Fuß halt auf dem Boden, konnte sich wegen der Flaschen in ihren Händen nicht festhalten, wäre hinterrücks aus dem Wagen gestürzt, doch da waren Roberts starke Arme.
Von der Weicheit, dem Duft ihres Körpers überwältigt, hielt Robert sie einige vielsagende Sekunden zu lang. Sie ließ die Flaschen in den Sand fallen, drehte sich um, zog seinen Kopf herunter zu ihrem Mund, wo beider Lippen mit einem tiefen Seufzer verschmolzen. Sie ließen erst voneinander ab, als Luftmangel dazu zwang. Ohne ein Wort zu verlieren, breitete Darja eine Polsterdecke über den Boden, darauf einen Schlafsack für zwei Personen, zog in Windeseile Bluse, Hose alles Störende aus und schob sich zusammen mit Robert, der es ihr gleichgetan, in die warme Hülle. Sie fühlte seine sanft tastenden Hände, den Druck seiner sich aufrichtenden Stange, ein Schauer der ihre Zähne klappern ließ, durchrann sie. Sie klammerte sich mit geöffneten Beinen an ihn, und erwartete mit ungeduldiger Wildheit seinen Stoß.
Robert nahm sich Zeit, er schob sich, als wolle er gefährliches, unbekanntes Terrain erkunden, Zentimeter für Zentimeter in ihre Höhle vor, wich zurück, kam wieder, wich zurück, fuhr einen kurzen Angriff, drang tiefer ein, wich abermals zurück.
Darja versuchte sich erfolglos über ihn zu stülpen, er hielt sie geschickt auf Distanz, ihr Drängen provozierte nur Rückzug.
Also ergab sie sich, ließ ihn sein Spiel spielen, schaltete alles Wollen ab, war nur noch Ding, das endlose Augenblicke am Rande des Wahnsinns genoss.
Endlich stürmte er sie, sein wuchtiger Stoß füllte sie bis zum Bersten, ihr Bauch wandt sich in Zuckungen, ein herrliches Glücksgefühl raste den Rücken hinauf in den Kopf, breitete sich dort aus mit dem Wunsch nach mehr, bitte immer noch mehr.
Robert zog sich weit zurück, verharrte einen Moment, stieß vor, verharrte, stieß nach. Darja verlor die Fassung, sie klammerte sich an ihn, rieb ihr Kätzchen wie rasend an seinem prallen Ständer und schrie: Weiter, weiter, o bitte Robert, mach weiter, wenn du kannst, bitte!“
Er hielt still, schob sich ein wenig über sie, ihrem Kätzchen mehr Stange zum Reiben bietend, und widmete sich ihrem Ohrläppchen.
„O Robert, du Schuft stöhnte ihr Mund dicht an seinem Ohr, wo hast du das gelernt? Warte sag nichts, mein Kätzchen ist ganz hoch oben, halt mich fest, ja drück gegen, o dieser Schwanz, drück, drück. Da kommt es, ich zucke, zucke, zucke, herrlich, herrlich, mit dir hab ich zwei Kätzchen, eines tief in mir, und eines das sich an dir reibt. Ah ich halt es nicht mehr aus, o Robert ich bin leer, ausgebrannt und will doch immer noch mehr. Aber du Robert, hast nicht gespritzt?“
„Kommt noch, Kätzchen. Die Nacht ist lang. Ruh dich ein wenig aus, dann legst du dich auf den Bauch.“
„Aber nur das vorgesehene Loch, Robert!“
„Kätzchen, ich bin kein Ziegenficker. Weißt du wie spät es ist?“
„Ich schätze zehn Uhr.“
„Wir fahren um vier weiter?“
„So hab ich kalkuliert.“
„Fein, dann haben wir noch ein wenig Zeit. Dreh dich um.“
Darja gehorchte, war aber auf der Hut, was das richtige Loch anging. Sie streckte eine Hand zwischen ihre Beine durch und angelte nach Robert. Er vertraute sich ihr an, sie zeigte ihm den Weg, zu ihren schon wieder begierig wartenden Lippen. Vorsichtig installierte sie ihn, stützte sich mit den Unterarmen auf und schob ihm ihr Hinterteil entgegen.
Wieder überraschte er sie. Diesmal stieß er mit rücksichtsloser Wildheit zu, schon beim dritten rein und raus, stand sie in lodernden Flammen, sie stöhnte nicht, sie quickte, stieß schrille Schreie aus, die Robert mit einem grollenden, langezogenem Brüllen beantwortete, wobei er die Frequenz seiner Stöße erhöhte, bis sie plötzlich den heißen Strahl seiner Entladung spürte. Eine Weile rührte er sich nicht, sie spürte sein Herz in seinem langsam schrumpfenden Schwanz klopfen. Ein Klaps auf ihren Po, zeigte das Ende der Vorstellung an.
Als der Wecker um vier piepte, blieb Darja, nachdem sie das verdammte Ding abgestellt hatte, liegen. Schloss sich ein in die berauschende Erinnerung des vergangenen Abends. Wanderte durch ihren Körper, machte halt bei den Stationen der Wolllust, die ihr Lover so einzigartig zu bedienen verstanden hatte. Verfluchte Timbuktu, den Griot, Achmed, der sie unter sein Joch gezwungen und wusste, ohne dies alles hätte sie Robert nie getroffen. Flügel sollte der Mensch haben, träumte sie, Flügel um sich hinauf zu schwingen in den grenzenlosen Himmel, einen Ort zu finden wo nur sie und er, ewig vor dem Altar der Liebe opfern würden. Sie presste die Beine zusammen, versuchte eine Spur der Lust aus dem Gestern zurückzuholen.
Robert neben ihr regte sich nicht, auch als sie sich aus dem gemeinsamen Schlafsack schälte, wurde er nicht wach. War ihr lieb, so konnte sie ungestört ihre Notdurft verrichten, mit so wenig Wasser wie möglich, Katzenwäsche betreiben. Bis wir in Timbuktu sind, werden wir stinken wie die Otter, aber uns nicht riechen. Sie kannte das, begann man gleichzeitig zu müffeln, gewöhnten sich die Nasen an den Ranz.
Das Pistenfrühstück stand auf dem Tisch, als sie Robert weckte. Er guckte verschlafen, sah sich um, sprang auf und verschwand hinter der Düne. Nach einer Weile kam er zurück, sah die winzige Waschschüssel, säuberte sich mit dem Schluck Wasser den Daria übriggelassen hatte, und küsste sie sehr zart auf den Mund.
Sie setzten sich, und er machte sich über frische Datteln und einen grossen Becher Wasser her. Daria begnügte sich mit Wasser. „Fällt mir schwer, so früh zu essen, erklärte sie, und wenn schon, muss es mir schmecken. Macht mir nichts aus zu fasten, bis wirklicher Hunger sich meldet.
Im Handschuhfach, Robert, liegt eine kleine Maschinenpistole aus israelischer Produktion und eine Pistole. Ich fahre die erste Etappe, mach du dich mit den Waffen vertraut, es ist möglich wir müssen drohen, ich hoffe nicht schießen. Seit einem halben Jahr soll sich, dort wo wir durch müssen, Gesindel herumtreiben. Könnte sein wir begegnen dem Geschmeiß. Ich halt nicht an, egal was kommt. Du zeigst ihnen unsere Waffen, die Drohung hält sie hoffentlich in Schach.“
Eine Viertelstunde später waren sie unterwegs, Darja gab sofort ordentlich Gas. Robert ließ den Sicherungsschalter der MP klicken, wog das Maschinchen in der Hand, sah Darja an, grinste: „Tödliches kleines Ding, kaum Gewicht und doch so rasend gefährlich. Im Dreckloch war die bei den Dealern sehr beliebt, hab Dutzende an ihr sterben sehen.“
Darja krauste die Stirn, der Mann war für Überraschungen gut, sie hatte es in der Nacht erlebt. „Schon mit dem Ding geschossen, Robert?“
„Nicht auf Menschen, Darja, aber geübt, getan als ob, schon oft. Musstest mit den Wölfen heulen, wolltest du im Dreckloch ungeschoren bleiben.“
„Siehst du den Kanister dort auf der Düne, triffst du den?“fragte sie etwas skeptisch. „Wenn du anhälst, nicht mit der MP, mit der Pistole könnt ich es versuchen. Die Kleine ist für große Ziele, aus nächster Nähe gut. Dazwischen halten, da schafft sie Platz.“
Als der Wagen stand, stieg er aus, zielte, zwei Schüsse bellten auf, der Kanister hopste kurz. Darja suchte mit dem Fernglas, tatsächlich, kaum eine handbreit von einander, zwei Einschusslöcher. Robert schob sich auf seinen Sitz, grinste und lobte: „Gute Pistole, liegt prima in der Hand. Darja, bevor wir weiterfahren möchte ich die Dachluke aufschrauben, sollten uns Wegelagerer auflauern, sehen wir sie von Weitem, ich stelle mich in die Luke und habe alles im Blick. Du holst aus der Kiste raus was sie hergibt, und ich zeige ihnen die Instrumente. Je nach Situation schicke ich eine Salve über ihre Köpfe oder halte tiefer. Haben wir Glück, sind wir durch bevor die kapieren was passiert.“
„Mein Gott bin ich froh, das es dich gibt, Robert,“ seufzte Darja erleichtert, „wie du das in die Hand nimmst, macht mich fast noch mehr an, als deine Performance im Schlafsack!“
„Ich hab meine Familie zehn Jahre ohne Job durchgebracht, Mädchen, in Konkurrenz mit hunderttausenden Leidensgenossen. Wenn du dir da nicht jeden Trick a Tempo aneignest, bist du verratzt.“
Sie nickte und versuchte sein Talent als Lover, mit dem eines Desperados in Einklang zu bringen. Desperado war falsch, er ist kaltblütig, zeigt nicht den leisesten Anflug von Angst. Aber er erklärt es, zehn Jahre mit dem Rücken zur Wand, heißt jeden Tag erneut ums nackte Leben kämpfen.
Robert versuchte sich fluchend, an den festgerosteten Schrauben der Luke, der Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht. Sie reichte ihm ein Tuch und er wischte sich Gesicht und Hände trocken. „Haben wir nicht irgendeinen rostlösenden Spray bei uns? Gibt es eine Werkzeugkiste?“
„Lass mich nachdenken, Robert, hinter dem Reserverad, in der Ausbuchtung ist Werkzeug, glaube ich.“
Glaube ich, er verschluckte seinen Unmut und versuchte sich am Reserverad, die Schrauben ließen sich wie geschmiert drehen, es gab gepflegtes Werkzeug und eine Dose Spray. Als er mit der Dose auftauchte, entspannte sich Darja. Er besprühte Schrauben und Deckelrand von innen, kletterte aufs Dach und besprühte den Schlitz zwischen Karosserie und Lukendeckel sorgfältig. „Darja,“ rief er, „von hier oben kannst du eine Meile weiter sehen, als aus der Sitzposition hinter dem Lenkrad. Ich werde wie ein Panzersoldat solange wir durch gefährliches Gebiet fahren, den Beobachtungsposten halten. Achtung jetzt wird es laut!“
Er beklopfte den Rand der Öffnung mit dem Hammer, den er bei dem Werkzeug gefunden hatte. Darja sprang raus und schrie: „Willst du mich taub klopfen?“
Er antwortete nicht, nahm den Schlüssel der in einer Klammer neben der Luke klemmte, und warf ihn weg. Mit einem nicht abgenutzen Maulschlüssel setzte er bei der ersten Schraube an, drehte sie mühelos aus ihrem Gewinde. Nach zehn Minuten war Deckel und Werkzeug hinter dem Reserverad verstaut und sie fuhren weiter.
Robert überragte das Autodach um einen Meter, mit dem Fernglas konnte er die Piste viele Kilometer weit einsehen.
Wie gestern fuhren sie Stunde um Stunde, oft machte Robert die Ruinen verfallener Dörfer in der Trockensteppe aus. Mit dem Glas versuchte er Einzelheiten zu erkennen, aber da gab es kein Leben. Weder Palmen noch Sträucher, nichts als trockene Erde und verdorrtes Gras. Er dachte an sein Dorf, sicher unterschied es sich in nichts, von dem was er sah. Er spürte wie seine Kehle sich verengte. Wie hatte der alte Griot Madanga gesungen, meine Zehen und Finger reichen nicht aus, um meine Vorfahren aufzuzählen, die als Griots Mutpela besucht haben. Er überschlug zwanzig Generationen Griots, die waren nicht mit vier Männern auf ein Jahrhundert anzusetzen, da kamen höchsten zwei auf hundert Jahre. Das wären Tausend Jahre Mutpela, unmöglich. Also doch vier auf ein Jahrhundert, dann wäre das Dorf fünfhundert Jahre alt gewesen.
Er spähte wieder durch das Glas, nichts, nichts als Sand, Steine und ihr Auto, das wie eine Laus am Bauch der Erde, auf ein Ziel mit Wasser und Nahrung, zukrabbelte. Fünfhundert Jahre, die Zahl war zu verdauen, das waren zwanzig Generationen Membas, Mütter und Großmütter, er hatte seine beiden lebhaft vor Augen. Dann die lange Reihe der Ur und Urur-Großmütter, achtzehn Ur kamen da zusammen. Er versuchte sich die Reihe leibhaftig vorzustellen, sah von der Last der Arbeit und des Gebärens verbrauchte Frauen. Aber sie alle waren einmal jung und begehrenswert gewesen, warum erschienen sie ihm als Alte? Bevor er weiter dachte, tauchte Nellies liebes, verbrauchtes Gesicht auf, er riss seinen Blick von ihren Augen, die ihn nicht loslassen wollten, ihn zwangen über ihren verwüsteten Körper zu wandern. Mein Gott, wie genau er sich an ihre einstige, nymphenhafte Schönheit erinnerte. Der Samtglanz ihrer Haut, die Brüste zwei hüpfende Hügel. Er hatte sie bis jetzt einfach so gesehen, wenn auch der Augenschein dem nicht standhielt, so hielt es doch sie, ihn und die Familie zusammen. War das jetzt zerstört, vorbei?
Die Muslime taten sich da leichter, nahmen eine zweite junge Frau, die alte erste, wich aus dem Schlafzimmer, blieb aber unumschränkte, hochgeachtete Herrin des Hauses. Da war Wahrheit und Wirklichkeit eins, ohne Heuchelei. Wie sollte er Darja je vergessen, und weiter mit Nellie schlafen, mit der, von vor zwanzig Jahren? Selbst wenn es ginge, war es barmherzige Lüge, und seiner Frau nicht würdig.
Er nahm das Glas und inspizierte die Piste, nichts rührte sich, er wollte seinen Gedanken an Nellie wieder aufnehmen, als er Darjas Hand an seinem Oberschenkel fühlte, die sich zielstrebig auf der Jagd nach ihrem Beutetier, in ein Hosenbein seiner Shorts schob.
Er rührte sich nicht, genoss den Schauer, der seinen Leib überrieselte. Sie hielt inne, spürte sein Fiebern, bemächtigte sich seiner mit schnellem Griff.
„Darja, schrie er, halt ein, ich bin Soldat auf Posten! Sollten wir erwischt werden, kostet mich das den Kopf!“
„Wer soll uns erwischen,“ schrie sie zurück und trat in die Bremse. Robert wusste er würde nicht widerstehen und antwortete: „Einen letzten Blick noch zu unserer Sicherheit, dann bin ich bei dir.“ Es war ihm klar, es würde sich, wie seit Stunden, nichts verändert haben. Gleichzeitig standen ihm, die so oft beobachteten Folgen des Leichtsinns vor Augen.
Er nahm das Glas und suchte nicht nur den Vordergrund, sondern das ganze Gebiet, auch den hinter ihnen liegenden Streifen ab, hörte Darja quengeln, „nun mach! ich bin untenherum schon frei, was ist mit dir, kapput?“
Er ließ sich nicht stören, saugte sich fest an dem Stück Steppe das vor ihm lag und tatsächlich, was war das? Eine ferne Staubwolke? Er setzte das Glas ab, verharrte mit geschlossenen Augen, zählte bis sechzig, taub für Darjas maunzen. Als er das Glas wieder justierte, war die Diagnose eindeutig.
Vor ihnen bewegte sich etwas Großes, das Staub aufwirbelte. Entweder kam es ihnen entgegen, entpuppte sich als harmlos oder es blieb da wo er es sah.
Das konnte bedeuten, ein größerer Trupp hatte sich bewegt, dabei Staub aufgewirbelt und lag nun im Hinterhalt. Ohne seine vorbeugende Maßnahme mit der Luke, wäre ihm das entgangen. Konnte immer noch Fatamorgana sein, sie würden es bald wissen.
Robert stieg auf seinen Sitz hinunter, Darja stürzte sich auf ihn und schimpfte: „Was fällt dir ein, eine Dame warten zu lassen!?“ Er setzte sein breitestes Grinsen auf, packte sie wie einen jungen Hund im Nacken und küsste sie wild.
„So Madame das war‘s, mehr ist nicht. O Madame hat sich schon in Stellung gebracht, nein, ich sagte schon, bin im Dienst, kann Madame nicht beehren.
Darja! Zieh dich an! Es ist soweit. Ungefähr vier Kilometer weiter, ist schlecht zu schätzen in der Einöde, könnte man auf uns warten.“ Ich sagte könnte, und er berichtete was er beobachtet hatte.
Darja fuhr wie der Blitz in die Hosen, startete und fuhr mit normalem Tempo weiter. Robert blieb neben ihr sitzen, es war möglich, sie wurden ihrerseits durch einen Feldstecher beobachtet. Nach vier Kilometern, konzentrierte er sich auf die vor ihm liegende Aktion. Sobald Leute auftauchten, würde Darja mit erkennbar, gedrosseltem Tempo heranfahren, langsamer werden, fast ausrollen. In dem Augenblick springt er in die Lucke und ballert eine Salve dicht über die Köpfe der Banditen, während Darja Vollgas gab.
Das war das Drehbuch, jetzt ging es um die Wurst. Nach weiteren zwei Kilometern, Darja sang die Kilometer wie ein Matrose beim Loten aus, stand ein Pulk Männer auf der Piste, sie winkten und versperrten den Weg. Darja verringerte das Tempo deutlich, die Männer sahen sich als Sieger, machten durch Handzeichen klar, der Wagen habe stehen zu bleiben. Ungefähr zehn Meter trennten sie von den Räubern, als Robert in die Luke sprang, die Uzzi rattern ließ. Völlig überrumpelt suchte das Gesindel sich zu schützen, einige warfen sich zu Boden, andere rannten. Darja gab Vollgas, eine Minute später lag die Piste wieder vor ihnen als ob nichts gewesen wäre.
 



 
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