Flutenkolosseum

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Flutenkolosseum

Ein Antarktis-B-Bulle zirkelt im grauen Möwengedümpel
seine Lauerbahnen, buckelt sich plötzlich in die Tiefe:

Eine Schwertwalwelle wischt zwei feiste Robbenjunge
von der Scholle ins kopf- und flügelschüttelnde Gezeter.
Gähnend beäugt das Robbenmuttertier aus der Ferne
das grausame Getümmel im kalten Flutenkolosseum,
doch flink flitzen die frechen Heuler aufs Eis zurück.

Der Butskopf aber lugt wie eine listige Killerlitfaßsäule
aus dem Wasser, wälzt sich drüber, will sie schlucken,
will sie packen - dann die Wende: Im Brasst verbeißt sich
eins der Biester in die Orkafluke und das zweite krallt
dem Bullen rote Striemen durch den dicken Blubber.

Vom Clinch noch schwer beeindruckt knarzt der Koloss
sein Friedensangebot, drückt die bölkenden Zwerge
mit seinen Finnen an sich - und bläst zum Aufbruch.

Die Robben ziehen eine Schnute und verschwinden
in den unergründlichen Tiefen
der warmen Dusche.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Einige durchaus professionelle Wortkünstler, lieber Artbeck,

werden Dir vorwerfen, daß Du einen Prosatext in Zeilen gelegt hast.

In der Tat sind dramatische Erzählungen Stoff dichterisch geformter Werke oder Stücke, so insbesondere in antiken und mittelalterlichen Epen. In Hexametern wäre das selbstverständlich.

Allerdings spricht nichts gegen frei schwingende Verse ohne Zählung von irgendwas (Silben, Hebungen, Versfüßen). Die inhaltliche Spannung wird dann entscheidend für den Schwung der Verse. Wie hier.

grusz, hansz
 
Guten Abend, Hansz!

Vielen Dank für deine Rückmeldung!

Du sprichst in deiner Kritik genau das an, was mich beim Verfassen dieses Textes beschäftigte und was ich noch auszuloten versuche: die Antwort auf die Frage, wo der Prosaist dem Lyriker den Staffelstab in die Hand drückt! Wo endet das alleinige Territorium des Erstgenannten, wo liegen die Wechselmarken, zwischen denen der Prosaist dem Lyriker ein „Hepp“ zuruft? Wo startet der Lyriker voll durch? Wie wichtig ist eine Trennschärfe? Manchmal, so kommt es mir vor, rudere ich noch zu sehr mit dem Arm nach hinten, besonders, weil ich das erzählerische Moment sehr mag.
Deine Definition, dass bei „frei schwingenden Versen die inhaltliche Spannung für den Schwung der Verse entscheidend wird“, finde ich in diesem Zusammenhang sehr hilfreich.

Umso mehr freue ich mich auch über deine positive Bewertung!

Herzlichen Dank dafür!

Gruß,
Artbeck
 
Guten Morgen, HerbertH!

Dein Gedicht “tief im norden“ fand ich sehr inspirierend und es hat mich dazu angeregt, auch eine Art Robbentext zu schreiben (wenngleich zu einem anderen thematischen Schwerpunkt).

Umso mehr freue ich mich über deine Bewertung! Danke dafür.

Gruß,
Artbeck
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gerne, das ist ein wirklich hervorragendes Gedicht, lieber Artbeck!
Ich mag deine Gedichte ja sowieso, du bist ein guter Autor.

L.G
Patrick
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Artbeck,

eine interessante Kurzprosa, wie ich finde.
Eine Frage nur: Was bedeutet "Brasst"? Meinst Du Wut, Ärger? Dann müsste es "Brass" sein, ohne "t".

Gruß Ciconia
 
Hallo, Ciconia!

Ja, genau die Bedeutung meinte ich: Wut, Zorn, fuchsteufelswild sein. Ich habe noch einmal nachgeschaut: Im Duden wird deine Variante “Brass“ genannt. Ich glaube, dass dieser Begriff aber regional variiert. Mir als Osnabrücker kommt “Bras(s)t“ leichter über die Lippen und auf manchen Internetseiten (z. B. Wortbedeutung.info) wird es auch so aufgeführt. Aber das mag in Kölle oder in Hamburg anders sein, beharren möchte ich darauf nicht. Ich lasse mir das noch einmal durch den Kopf gehen.

Vielen Dank für deinen Denkanstoß! Mich würde einmal interessieren, wie bekannt oder ausgeprägt der Begriff in anderen Regionen ist.

Gruß,
Artbeck
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Artbeck,

mag sein, dass es regionale Unterschiede gibt. Ich kenne nur die Variante ohne „t“, würde mich im Zweifelsfall aber immer auf den Duden verlassen.
Ist wohl auch nicht so wichtig, ich wollte nur sichergehen, dass ich die Bedeutung richtig verstanden hatte.

Gruß Ciconia
 
Flutenkolosseum

Ein Antarktis-B-Bulle zirkelt im grauen Möwengedümpel
seine Lauerbahnen, buckelt sich plötzlich in die Tiefe:

Eine Schwertwalwelle wischt zwei feiste Robbenjunge
von der Scholle ins kopf- und flügelschüttelnde Gezeter.
Gähnend beäugt das Robbenmuttertier aus der Ferne
das grausame Getümmel im kalten Flutenkolosseum,
doch flink flitzen die frechen Heuler aufs Eis zurück.

Der Butskopf aber lugt wie eine listige Killerlitfaßsäule
aus dem Wasser, wälzt sich drüber, will sie schlucken,
will sie packen - dann die Wende: Im Brass verbeißt sich
eins der Biester in die Orkafluke und das zweite krallt
dem Bullen rote Striemen durch den dicken Blubber.

Vom Clinch noch schwer beeindruckt knarzt der Koloss
sein Friedensangebot, drückt die bölkenden Zwerge
mit seinen Finnen an sich - und bläst zum Aufbruch.

Die Robben ziehen eine Schnute und verschwinden
in den unergründlichen Tiefen
der warmen Dusche.
 
Hallo, Ciconia!

Habe noch mal nachgedacht und mich für das gängigere “Brass“ entschieden.

Danke fürs Lesen und deinen entsprechenden Hinweis!

Gruß,
Artbeck
 
Flutenkolosseum

Ein Antarktis-B-Bulle zirkelt im grauen Möwengedümpel
seine Lauerbahnen, buckelt sich plötzlich in die Tiefe:

Eine Schwertwalwelle wischt zwei feiste Robbenjunge
von der Scholle ins kopf- und flügelschüttelnde Gezeter.
Gähnend beäugt das Robbenmuttertier aus der Ferne
das grausame Getümmel im kalten Flutenkolosseum,
doch flink flitzen die frechen Heuler aufs Eis zurück.

Der Butskopf aber lugt wie eine listige Killerlitfaßsäule
aus dem Wasser, wälzt sich drüber, will sie schlucken,
will sie packen - dann die Wende: Im Brass verbeißt sich
eins der Biester in die Orkafluke und das zweite krallt
dem Bullen rote Striemen durch den dicken Blubber.

Vom Clinch noch schwer beeindruckt knarzt der Koloss
sein Friedensangebot, drückt die bölkenden Zwerge
mit seinen Finnen an sich - und bläst zum Aufbruch.

Die Robben ziehen eine Schnute und verschwinden
in den unergründlichen Tiefen
der warmen Dusche.
 
Flutenkolosseum

Ein Antarktis-B-Bulle zirkelt im grauen Möwengedümpel
seine Lauerbahnen, buckelt sich plötzlich in die Tiefe:

Eine Schwertwalwelle wischt zwei feiste Robbenjunge
von der Scholle ins kopf- und flügelschüttelnde Gezeter.
Gähnend beäugt das Robbenmuttertier aus der Ferne
das grausame Getümmel im kalten Flutenkolosseum,
doch flink flitzen die frechen Heuler aufs Eis zurück.

Der Butskopf aber lugt wie eine listige Killerlitfaßsäule
aus dem Wasser, wälzt sich drüber, will sie schlucken,
will sie packen - dann die Wende: Im Brass verbeißt sich
eins der Biester in die Orcafluke und das zweite krallt
dem Bullen rote Striemen durch den dicken Blubber.

Vom Clinch noch schwer beeindruckt knarzt der Koloss
sein Friedensangebot, drückt die bölkenden Zwerge
mit seinen Finnen an sich - und bläst zum Aufbruch.

Die Robben ziehen eine Schnute und verschwinden
in den unergründlichen Tiefen
der warmen Dusche.
 



 
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