Fötaler Abgang

3,70 Stern(e) 3 Bewertungen

Matula

Mitglied
Da ich mich entschlossen habe, mein Leben vorzeitig zu beenden, ja erst gar nicht recht zu beginnen, fühle ich Ruhe und Erleichterung. Auch meine Mutter wird erleichtert sein, später, wenn mein Vater sie verlassen haben wird. Schon jetzt ahnt sie, dass ihn das Kind nicht am Fortgehen hindern wird. Sie wird weinen, meinen Tod beklagen und ihm Trost abnötigen, aber sie wird auch spüren, dass eine Last von ihr genommen wurde.

Ich weiß nicht, wo meine Eltern einander kennengelernt haben. Die Vergangenheit ist keine Angelegenheit der Ungeborenen. Wir sind reines Werden, wissen nichts vom Gestern, aber fühlen das Morgen in einer Deutlichkeit, die Gewissheit ist. Sind wir geboren, ist alles vergessen und die Vergangenheit beginnt. Ich weiß also nicht, wo und wie sie einander begegnet sind, nur, dass sich ihre Lebenswege bald trennen werden. Man wird vermuten, dass der Verlust des Kindes das junge Paar einander entfremdet hat, aber das ist nicht der Fall. Aus der Sicht meines Vaters macht er die Trennung nur ein wenig leichter, denn er will nicht die Frau und nicht das Kind, jetzt jedenfalls nicht, später vielleicht, eine andere Frau und ein anderes Kind. Sein Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen.

Meine Mutter ist noch sehr jung, selbst noch "ein halbes Kind", sagt meine Großmutter. Sie hätte sich nicht schwängern lassen sollen, jetzt jedenfalls nicht. Sie arbeitet als Sekretärin in der Kanzlei eines Steuerberaters, wo sie wie ein Kind behandelt und bezahlt wird. Das gefällt ihr nicht, es langweilt sie und macht den Rücken krumm und die Schenkel dick. Die Worte, die sie schreibt, sind nicht ihre Worte, nur hin und wieder macht ihr ein Klient Komplimente. Sie muss immer tun, was ihr andere sagen, in der Arbeit und daheim bei der Mutter. Immer ist sie das Werkzeug, das funktionieren muss. Sie will ein Reich gründen, ein Familienreich, in dem sie die Herrscherin ist und die anderen ihre Untertanen. Dann wäre auch die Kanzleiarbeit leichter, meint sie. Mit dem richtigen Mann will sie ein Kind formen, erst eins, dann ein zweites, aber nicht mehr, weil ihr sonst die Familienregentschaft über den Kopf wachsen könnte. Auch ihr Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen.

Meine Eltern streiten viel, wenn sie allein sind. Wenn andere dabei sind, küssen sie sich und sind zärtlich miteinander. Der Neid der anderen ist ihnen wichtig, vor allem meiner Mutter. Sie möchte jeden Abend ausgehen und versteht nicht, weshalb mein Vater soviel lernen muss. Er hat doch den ganzen Tag Zeit dafür, während sie sich den ganzen Tag auf ihn und aufs Ausgehen freut, vor allem aufs Zurechtmachen. Er ist ein Mann zum Vorführen und Herzeigen und er weiß Dinge, von denen sie nicht die geringste Ahnung hat. Manchmal versteht sie nicht einmal, was er sagt. Das ist ihr peinlich, vor allem, wenn seine Freunde dabei sind, und sie spürt, dass auch er sich geniert. Später wird er sie mit Absicht bloßstellen und sich mit den anderen über sie lustig machen. Aber noch ist es nicht soweit, noch ist sie jung, hübsch und schwanger. Wenn das Kind da ist, denkt sie, wird sie alles nachholen, was sie versäumt hat. Er wird ihr alles beibringen und ihr sagen, was sie lesen soll. Das Wichtigste aber ist, dass sie während der Schwangerschaft nicht viel zunimmt und nach der Entbindung schnell wieder zu ihrem alten Gewicht zurückkehrt. Es soll ein Kaiserschnitt werden, damit man ihr nicht die Mutter zwischen den Beinen ansieht. Es reicht schon, wenn der Busen dann hängt.

Mein Vater studiert Politik und Ökonomie. Er hat Großes mit sich vor. Was es genau ist, weiß er noch nicht, aber er wird alles ausschalten, was ihm im Weg steht. Seit er weiß, dass seine Freundin schwanger ist, ist sein Leben aus den Fugen. Eine Abtreibung kommt nicht in Betracht, weil ihm die Eltern dann die finanzielle Unterstützung entziehen würden. Sie sagen, dass er sich hat reinlegen lassen und jetzt die Suppe auslöffeln muss. Es gibt fast täglich Streit deswegen. Wenn sie es von sich aus tut, sagen sie, können wir das natürlich nicht verhindern, aber von uns gibt es kein Geld dafür.

Das Geld ist ein großes Thema für meine Eltern, vor allem für meine Mutter. Sie verdient sehr wenig und muss davon noch die Hälfte für Kost und Logis an die eigene Mutter abliefern. Du bist zwanzig, heißt es, seit zwei Jahren volljährig, willst du alles für Fetzen, Kosmetik und fürs Telefonieren ausgeben ? Ja, das will sie, weil es sonst nichts gibt, was ihr Spaß macht. Sie will jeden Tag auf dem Heimweg nach der Arbeit mit ihrer Freundin telefonieren und ihr dann Bilder schicken, bevor sie meinen Vater trifft. - Wie findest Du mich ? Glaubst Du, dass ihm die Farbe gefallen wird ? Ich würde ihr gern sagen, dass ihn keine Farbe interessiert, bis auf das Rot meines Blutes. Er hofft auf einen spontanen Abortus, aber er geniert sich für solche Gedanken. Er hat Angst vor mir. Das tote Kind könnte ihn plötzlich aus der Dunkelheit anstarren: Du bist es, der mir das Leben vorenthalten hat. Seine Freunde lachen über solche Phantasien. Es ist ein Zellklumpen, nicht größer als eine Faust, sag ihr, sie soll es wegmachen lassen. Er will, dass meine Mutter ohne sein Zutun auf mich verzichtet. Wird dir denn das alles nicht über den Kopf wachsen: die Arbeit, das Kind, ein eigener Haushalt ? Wenn er so redet, wird sie auch ängstlich. Aber wir werden doch zusammenziehen, wenn Du fertigstudiert hast ?

Mütter müssen zum Leben verführen, müssen mit ihren Küssen und ihrem Lachen das Unbehagen vertreiben, das aus dem unfertigen Körper kommt, müssen die Angst verjagen, wenn die Ahnung aufsteigt, dass man ein Einzelnes ist, müssen wärmen, kühlen, streicheln und nähren. Meine Mutter wird oft weinen und mich nicht beachten, weil sie soviel nachdenken muss. Sie wird sich um ihre Jugend betrogen fühlen und gegen ihr schlechtes Gewissen kämpfen, wenn sie mich allein lässt. Sie wird ihre Launen an mir auslassen. Mein Vater wird zweimal im Jahr Geld und Spielzeug vorbeibringen.

Da ich mich entschlossen habe, mein Leben vorzeitig zu beenden, ja erst gar nicht recht zu beginnen, fühle ich Ruhe und Erleichterung.
 
Zuletzt bearbeitet:

Matula

Mitglied
Die Ursachen für Fehlgeburten sind vielfältig, im Einzelfall idR unbekannt. Oft liegt es an einer Unterversorgung, die zu einer Entwicklungsstörung führt. Hier wird unterstellt, dass sich der Fötus gegen eine weitere Zufuhr von Nährstoffen wehrt. Nicht aber legt er sich die Nabelschlinge um den Hals ... das wäre ein späterer Entwicklungsschritt.
 
Cool.

Wie es der Fötus anstellt, dass er sich selbst das Leben nimmt, darf ruhig Geheimnis und der Phantasie überlassen bleiben.
Vielleicht reicht ja allein der einmal gefasste Entschluss aus und macht den Unterschied zwischen Sein und Nichtsein.


Ein paar Anmerkungen/Verbesserungsvorschläge von mir:

„…nur hin und wieder macht ihr ein Klient ein Kompliment…“
Der ungewollte Reim (Klient – Kompliment) hört sich ein wenig plump und komisch an.


„Es soll ein Kaiserschnitt werden, damit man ihr nicht die Mutter zwischen den Beinen ansieht.“
Ist ein starker Satz und hat schon seinen Reiz, aber um der Wahrheit gerecht zu werden: Ob eine Frau bereits geboren hat oder nicht, sieht man ihr nicht unbedingt zwischen den Beinen an. Dafür bräuchte es schon, wenn überhaupt, den gynäkologisch geschulten Blick und eine medizinische Untersuchung.
Das lässt sich im Übrigen auch beim Sex nicht erspüren.
Indirekt unterstellst du ja allen Müttern dieser Welt, nur noch bedingt fickbar zu sein; als wären Frauen nach einer Geburt für immer vaginal ausgeleiert – dem ist natürlich nicht so.
Die Überlegung geht jedenfalls nicht auf, dass Frauen nach einer normalen Entbindung physiologisch irgendwie gebrandmarkt sind, was durch einen Kaiserschnitt zu vermeiden wäre.
Im Gegenteil: Grad die Kaiserschnittnarbe wäre ja doch ein eindeutiges optisches Erkennungszeichen für Mutterschaft, oder nicht?


Flüchtigkeits/Tippfehler sind mir aufgefallen:

„Wird Dir denn das alles nicht über den Kopf wachsen…“
 „Dir“ großgeschrieben – warum?


„…müssen die Angst verjagen, wenn die Ahnung aufsteigt, das man ein Einzelnes ist…“
 „…dass man …“


„Mein Mutter wird…“
 Meine Mutter…


Der letzte Absatz erscheint mir schließlich leicht fehlerhaft von der Logik her.
Nachdem der Suizid des Fötus beschlossene Sache ist und der auktoriale Ich-Erzähler augenscheinlich befähigt ist, in die Zukunft zu blicken und somit weiß, dass er nie geboren werden wird, müssten die Spekulationen zu seinem hypothetischen Leben doch eigentlich im Konjunktiv stehen.
Derart: „Die Mutter WÜRDE ihre Launen an mir auslassen“ etc.

Den Schlusssatz könnte man vielleicht auch noch ein wenig nachschärfen, auf dass er nochmal richtig schön Eindruck hinterlässt.


Aber insgesamt coole Geschichte, findet


Erdling
 

GerRey

Mitglied
Hallo Matula!

Ich hadere ein wenig mit dem Plot. Ein Fötus, der sich und seine Situation soweit reflektiert, dass er zum Entschluss kommt, sich selbst zu töten? Ich denke, wenn das funktionieren soll, müsste man wohl mehr über den Hintergrund einer solchen Entscheidung wissen. Dass es die Angelegenheiten von Papa, Mama oder Oma sind, erscheint mir wenig einleuchtend. Quasi: "Ihr wollt mich nicht, also bringe ich mich um. Ich weiß ja ohnehin nichts von da draußen." Das ist nicht sehr spannend - oder?

Auch weiß ich nicht, ob die sozialkritischen Aspekte noch relevant sind. Ist das immer noch ein Problem, wenn ein Mädchen schwanger wird? Ich kannte in meiner Jugend eine 13jährige, die ein Kind bekam (nicht von mir!). Der Vater, den sie in den Wind schoss, war nicht viel älter. Das Kind zogen die Eltern des Mädchens groß. Sie konnte ganz normal ihre Ausbildung beginnen und beenden.

Ausgezeichnet finde ich die Beschreibung der Mutter. Da entstand ein richtiges Bild in mir. Auch eine gewisse Affinität zu diesem Mädchen, das so wenig mit sich anzufangen weiß. Wäre ich um 30 Jahre jünger, würde ich Dich direkt um ihre Telefonnummer anhauen.

Gruß

GerRey
 

Matula

Mitglied
Guten Abend Dichter Erdling,
guten Abend GerRey,

die Tippfehler sind beseitigt - danke für die Hinweise. Aus dem "Kompliment" wurden "nette Worte".
Den Konjunktiv habe ich vermieden, weil der Fötus seine Zukunft klar vor sich sieht und beschreibt.

Zum Inhaltlichen:
Bei der Wahl der Entbindungsart geht es um die Phantasie einer einfachen jungen Frau, deren Hauptsorge die sexuelle Attraktivität nach der Schwangerschaft ist. Sie möchte alle Spuren beseitigen, am liebsten auch das Kind, wäre es nicht ein Faustpfand für eine bessere Zukunft mit dem Partner.
Gestern wurde in Wien ein junger Mann zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil er auf seine schwangere Freundin so lange eingestochen hatte, bis sie starb. Aus zwei mach drei ist offenbar auch heute nicht einfach. Als ungewolltes Kind aufzuwachsen, ist eine schwere Hypothek. Es impliziert ein Leben im elementaren Widerstand mit allen Begleiterscheinungen ("Und ich bin dennoch da !"). In meiner Geschichte verzichtet der Fötus auf so ein Leben.

Schöne Grüße aus Wien,
Matula
 
Die UNO hat vor ein paar Tagen einen Bericht veröffentlicht, wonach die Hälfte aller Schwangerschaften weltweit ungewollt sind.
Davon werden 60% abgetrieben.

Auch wenn „ungewollt“ nicht gleich „ungeliebt“ bedeuten muss, sind das am Ende ganz schön viele Menschen, die schon mal nicht vollumfänglich mit offenen Armen im Leben empfangen werden. Traurig irgendwie.
 

Matula

Mitglied
Ja, traurig und mit vielen Folgewirkungen. Aber auch für ungewollte, vernachlässigte Kinder kommt der Tag der Abrechnung: wenn Mütterchen oder Väterchen im Pflegeheim liegt und besucht werden möchte ... aber das ist eine andere Kurzgeschichte.
 

GerRey

Mitglied
Ja, Familie kann Krampf sein. Ich glaube nicht, dass es nur um Rache geht, seine Alten nicht im Pflegeheim zu besuchen. Welche Rache kann man an dementen Personen nehmen? Ein Pflegeheim passt nicht ins moderne Weltbild. Krankheit, Tod sind Schwächen im System, die man nicht wahrhaben will, solange man am Steuer sitzt und es vorwärts geht.

Aber was sagt die Abtreibungs-Statistik aus? Viele Frauen haben heute gute Jobs, sind selbstbewusst und erfolgreich. Da kann es schon sein, dass ihnen da ein Kind nicht in die Lebensplanung passt.

Früher war das anders. Hatte eine Frau ein Kind, ohne den Mann dazu zu haben, war sie gesellschaftlich ausgegrenzt. Das ist ein anderer Druck als der, Erfolg zu haben und alles dafür zu tun, ihn zu behalten.

Die klassische Familie ist bereits eine überkommene Vorstellung. Wahrscheinlich geht der Trend eher nach Zweckgemeinschaften. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Wohin entwickeln wir uns in Europa? Wir sind ein Einwanderungsland; dieser deutlich sichtbare Umstand gibt dem Entwicklungsprozess zusätzliche Dynamiken. Eigentlich ein spannendes Szenario - für Traditionalisten allerdings eine Horrorvorstellung.
 
Ich glaube, die Schwangerschafts-Statistik ist in einem größeren, im globalen Maßstab zu betrachten.
Hat viel mit Armut, Verteilungsungerechtigkeit, Krisen, Konflikten, Kriegen, Vertreibung, Flucht, sexueller Gewalt, mangelhaftem Zugang zu Verhütungsmitteln … zu tun.
Dass mit steigendem Wohlstand und individuellen Selbstbestimmungsmöglichkeiten die Geburtenrate erfahrungsgemäß zurückgeht, ist demgegenüber wohl kaum als Manko zu werten.

Und Wohlstand: Nach wenigen Jahren des Aufwärtsglaubens nimmt dieser ohnehin schon wieder generell und deutlich ab bei den meisten; das spüren und sehen wir doch täglich.
Die guten Jobs und die steilen Karrieren sind Mangelware; relative Ausnahmeerscheinung in allen Breitengraden.
Selbst in den sogenannten „reichsten“ Ländern dieser Erde müssen immens viele Kinder prekär arm oder armutsgefährdet aufwachsen, Tendenz stark steigend.
Der wirtschaftliche/ökonomische/finanzielle Aspekt ist denn auch allzu meist der ausschlaggebende Faktor, wenn es um die Entscheidung „Kind oder kein Kind“ geht.
Adoptivgeschichten fangen doch fast immer so an: Eltern legen schweren Herzens ihr Neugeborenes in fremde Hände, weil ihnen irgendwelche Mittel fehlen.
Selbst in der Geschichte von Matula spielt das Finanzielle durchwegs eine tragende Rolle.

Die Welt könnte in jeder Hinsicht eine weitaus bessere sein, wäre der Mensch nicht unentwegt dieser omnipräsenten Verwertungslogik und den Geldzwängen unterworfen.
Er hätte die Zeit und die Freiheit, sich selbst und seine Kinder (oder einfach nur seinen „Nächsten“) zu lieben.

Man muss ja auch keine klassische Familie sein, um sich zu lieben (oder zu hassen und alles dazwischen).
Gefühl ist doch überall, wo Menschen beisammen sind.
Rein vernunftgetriebene „Zweckgemeinschaften“ braucht es wohl nur dort, wo äußere Zwecke und Zwänge übermächtig werden.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bitte nicht zu weit vom Text entfernen!

Zurück zum Text:

Mich stört der "fötale Abgang". Fötus bezeichnet den sich entwickelnden Menschen ab der neunten Schwangerschaftswoche bis zum Ende. Da ist das schon kein "Zellhaufen" mehr, sondern ein kleiner Mensch. Obwohl es natürlich von Anfang an ein Mensch ist/wird. Zwar gilt bis zur zwölften Woche das "Alles oder nichts"-Gesetz und es gibt oft spontane Abgänge. Die meisten sind aber in der Frühschwangerschaft, oft so früh, dass die Frau noch gar nichts von der Schwangerschaft weiß und nur eine verstärkte Periode hat oder es dafür hält.

Deshalb würde ich den Begriff "Embryo" vorziehen, er ist eben "jünger" und ein Abgang erscheint plausibler.

Die Geschichte aus der Sicht des werdenden Lebens zu erzählen ist eine gute Idee. Umsetzung hapert etwas, das wurde ja schon gesagt. Jede Spontangeburt zieht kleinste Verletzungen der Vagina mit sich, und auch die Beschaffenheit ist nie mehr so wie früher. Aber das sieht nur der Fachmann und eine Kaiserschnittnarbe, auch wenn es ein "Bikini-Schnitt" ist, gestaltet sich auffälliger.

Und sehr wohl sind "ungeplante" Schwangerschaften - allerdings werden die meisten Menschen ungeplant sein - oder besser ungewollte Schwangerschaften auch im 21. Jahrhundert noch ein (trauriges) Thema.

Das gibt der Text gut wieder!
 

Matula

Mitglied
Die Geschichte meint einen Fötus ! Dass die Freunde des Vaters von einem "Zellklumpen" sprechen, dient der Intention. Und natürlich können auch Föten absterben und mitunter lange im Körper der Mutter bleiben.
Zu GerRey noch ein Wort zur Klarstellung: "Welche Rache kann man an dementen Personen nehmen ?" Das ist ein Argument, das nach der Sinnhaftigkeit solcher Rache fragt, aber auch einen ethischen Kern enthält, im Sinne von "darf man an dementen Personen Rache nehmen ?" Beides ist natürlich richtig, aber stark intellektualisiert. Ich beobachte, dass die alten Geschichten zwischen Eltern und Kindern nie ganz kalt werden, nicht die einzelnen Vorkommnisse, aber das zugrundeliegende Muster. Hast du mich jeden Tag weggegeben, obwohl ich geweint und geschrien habe, kannst du mir nicht vorwerfen, dasselbe heute mit dir zu tun. Damals war es dein Job, heute ist es meiner, der wichtiger ist.
Ich bezweifle auch, dass die zeitgenössische Gesellschaft auf die Familie verzichten will. Sie scheint noch immer das Wunschmodell zu sein, neuerdings beflügelt durch die Schrecknisse der Epidemie, auch wenn es später manchmal anders kommt. Die Zuwanderung, die du ansprichst, idR aus ländlich-wertekonservativen Regionen, hat da manchen Trend blockiert bzw umgekehrt. Man kann das an den Umfrageergebnissen unter jungen Leuten ablesen (zuletzt "Generation What ?" des SORA-Instituts, allerdings für Österreich, entsprechende Studien aus Deutschland kenne ich leider nicht).

Schöne Grüße,
Matula
 
Hallo Matula,

eine Geschichte aus Sicht des Fötus, die mich mitnimmt. Sozialkritisch, traurig, aber leider (viel zu oft) wahr.
Wieder sehr schöne Formulierungen, wie z.B.:

Es soll ein Kaiserschnitt werden, damit man ihr nicht die Mutter zwischen den Beinen ansieht.
Es ist schon einiges zum Text gesagt worden, viel kann ich nicht mehr beitragen.

Sie sagen, dass er sich hat reinlegen lassen und jetzt die Suppe auslöffeln muss. Es gibt fast täglich Streit deswegen.
Ist denn die werdende Mutter dabei, wenn seine Eltern ihm dies vorwerfen oder wie hat der Fötus das mitbekommen?

Kosmetik und fürs Telefonieren ausgeben ? - Ja, das will
Leerzeichen und Bindestrich sind überflüssig.

Für gute, sozialkritische Texte zum Drübernachdenken bin ich immer zu haben. Danke für den Text.

Liebe Grüße, Franklyn
 

Matula

Mitglied
Grüß Dich Franklyn,

vielen Dank für Deine Ermutigung.

Was diese Bindestriche betrifft, die eigentlich Gedankenstriche sein sollen, so setze ich sie fast instinktiv, wenn ich einen Perspektivwechsel vornehme. Damit der Leser weiß: Aha! Jetzt muss ich umdenken. Das ist natürlich überflüssig und grammatikalisch falsch, aber dass ich mit manchen Satzzeichen hadere, habe ich ja schon eingestanden.

Es ist richtig, dass der Fötus nicht hören kann, was Vater und Großeltern besprechen, aber hier werden nicht Vermutungen über die pränatale Wahrnehmung angestellt, sondern wird dem Fötus ein auf sich selbst bezogenes Wissen unterstellt, das ihm die Bedingungen seines Werdens und seines bevorstehenden Lebens enthüllt.

Und ja, da gibt es diesen Satz, der soviel Aufmerksamkeit erregt hat ... Der wird nicht geändert, weil er der einzig authentische ist. Ich habe ihn genauso aus dem Mund einer jungen Schwangeren mit Verweis auf ähnliche Überlegungen anderer Erstgebärender gehört. Es handelt sich also nicht um eine gynäkologische Aussage, sondern um eine gynäkologische Angstphantasie.

Auch Dir noch einen schönen Tag
und liebe Grüße aus Wien,
Matula
 

Maribu

Mitglied
Hallo Matula,
"Fötaler Abgang" ist ein origineller Einfall!
Der Text aus der Perspektive und dem Gefühlsleben des werdenden Kindes
ist interessant und gekonnt geschrieben.
Die Frage, wie der Fötus sein Leben beenden will, erübrigt sich, da das "Denken"
ja auch nur fiktiv sein kann! Jeder kann denken, wie er möchte.
Ich stelle mir vor, er beißt die Nabelschnur mit seinen noch nicht ausgebildeten
Zähnen durch.
Freundliche Grüße
Maribu
 

onivido

Mitglied
Hallo Matula, bin erst jetzt auf deine Geschichte gestossen. Aus Mangel an literaturischem und handwerklichem Wissen kann ich nur sagen, dass sie mir sehr gut gefallen hat, ohne wenn und aber.
Gruesse Onivido
 



 
Oben Unten