Hier mein erster Beitrag in der Leselupe, es ist ein Auschnitt meines noch nicht ganz fertiggestellten SF-Comedy-Romans. Hoffentlich gefällt´s Euch! Auf jeden Fall freue ich mich über Eure Kritik, obwohl ich natürlich auch gern gelobt werde ;-)!!
...
Wir erreichten das kleine Solarium, `Zum Sonnensegel´ stand auf dem Schild über dem Eingang. Ich warf einen kurzen Blick auf die Karte neben der Tür, das Angebot sah vielversprechend aus und nicht allzu teuer. Hoswena hatte einen Platz für uns reservieren lassen, ein sehr dienstbeflissener Wasserträger geleitete uns zu unserer Nische, fragte nach unseren Wünschen und ließ dann erst mal die Karte da.
„Ich muss ein wenig auf die Figur achten“, murmelte ich vor mich hin, „höchstens ein paar Purpurquanten mit Gelbblitz heute.“
„Ach, kommen Sie, so macht das doch keinen Spaß. Sie können mich doch nicht einladen und mir dann beim Absorbieren zugucken. Wir könnten ja vielleicht etwas teilen. Hier, das hört sich doch interessant an: `Blue-Ray an prismengebrochenem Rainbow mit cardisianischer Photonentunke´ für zwei Personen. Und dazu vielleicht eine 36iger Träufelrinne?“
Der Geist ist willig, doch das Holz ist schwach.
Willensstärke in diesem Lebensbereich zählt zu meinen noch sehr ausbaubedürftigen Eigenschaften, ich war nur zu gerne bereit, den Beginn meiner Gelbblitzdiät auf unbestimmte Zeit zu verschieben, vielleicht irgendwann nach dem Prozess, dachte ich.
„Ich werde aber nur ein wenig probieren“, stimmte ich der Wahl zu, „wieviel Lux wohl die cardisianische Photonentunke hat?“
„Oh nun hören Sie doch auf! Wen interessiert schon der Lux-Wert, wenn es um exquisite Solariumskunst geht. Und außerdem sind Sie höchstens ein bisschen stattlich um die Mitte. Kommen Sie, ich bestelle rasch“, er winkte den Wasserträger mit der Frontranke heran, „und dann Schluss mit dieser leidigen Luxzählerei.“
An seiner drahtigen Gestalt mit der knorrigen Rinde und den konservativ korrekt linksgescheitelten Tentakeln war keine noch so winzige Schwellung erkennbar, da polemisiert es sich leicht gegen Luxzähler und Gelbblitzdiäten, dachte ich still bei mir. Irgendwie hat mich die Natur böse benachteiligt, mir sieht man jede Überbelichtung sofort an, wohl ein Erbe meines Stammbaums...
Während wir warteten, dass eine Lichtdusche freiwürde, servierte der Wasserträger die Träufelrinne.
„Wie alt ist Okela eigentlich?“ fragte ich.
„Wir haben seinen Sechzehntausendsten Circel vor zwei Mondwechseln gefeiert. Unglaublich, wie die Zeit vergeht.“
„War er schon immer so...“ ich suchte krampfhaft nach einem passenden Begriff, „...still? Ich dachte bisher immer, dass `Ganymed´ vor allem körperliche Schäden verursachte.“
„Still, ja, das ist er“, meinte Hoswena, versonnen die Ranke schlingend, „aber deshalb ist er keineswegs geistig beeinträchtigt. Er hat nur weder einen Sing- und Summschacht, noch einen Sprachausgang. Auch sonst ist sein Körper leider völlig paralysiert, `Ganymed´ hat in seinem Fall absolut verheerend gewirkt. Er verständigt sich mit den Blättern. Sie haben doch sicher seine großen, weißgezeichneten Blätter bemerkt? Er hat gelernt, sich durch Pigmentverschiebungen in einer eigenen, aber durchaus sehr differenzierten Sprache auszudrücken.“
„Oh, ist mir das unangenehm. Ich dachte, er wäre auch geistig...“
„...behindert? Oh nein, absolut nicht. Er ist mir bei meinen verschiedenen Arbeiten schon oft eine große Hilfe gewesen. Er hat sich im Laufe der Zeit ein profundes Allgemeinwissen angeeignet, und ist darüber hinaus zu einer juristischen Koryphäe gereift. Ich berate mich sehr oft mit ihm, ein wahrer Philosoph, mein Spross“, sagte er mit einem so warmen Unterton in der Stimme, dass sich mir sämtliche Rhizopodenhärchen aufstellten.
„Sie sagten, der `Ganymed´-Prozess wäre ihr erster Fall gewesen? Ich habe damals viel darüber gehört, so weit ich mich erinnere, ist das Verfahren damals doch ohne Urteil eingestellt worden.“
„Da erinnern Sie sich richtig, der Prozess endete nach rund 1000 Circeln mit einem Vergleich. Für keinen der damals Verantwortlichen hatte die `Ganymed´-Katastrophe strafrechtliche Konsequenzen. Die Chemie Grünes Tal GmbH zahlte freiwillig die damals beeindruckende Summe von 10 Millionen Rüpeln als Entschädigung an die Opfer ihres `Ganymed´. Die selbe Summe wurde später vom damaligen Rat der Hüter der Potis noch mal dazugelegt und das Ganze in eine Stiftung zugunsten der Geschädigten verwandelt, aus der die Opfer eine lebenslange Rente beziehen. Ich war der einzige, der auf die Rente verzichtete und lieber direkt einen Anteil der Entschädigung ausgezahlt bekommen wollte. Und ich habe Recht behalten: lieber die Photonenpumpe im Saugnapf, als den Fixstern am anderen Ende des Spiralarms, könnte man sagen. Niemand kann heute nämlich noch von der `Ganymed´-Rente allein leben, die reicht nicht mal mehr aus, eine bescheidene Unterkunft zu bezahlen. Während ich unseren Anteil damals mit glücklichem Saugnapf gewinnbringend anlegte und uns so diese Rüpel bis heute ein sorgenfreies Leben ermöglichen.“
Endlich brachte der eifrige Wasserträger die Lichtduschen, wir breiteten unsere Tentakel aus und genossen erst mal schweigend `Blue-Ray an prismengebrochenem Rainbow mit cardisianischer Photonentunke´. Die Träufelrinne war übrigens wunderbar temperiert serviert worden, frisch, aber nicht zu kalt.
„Ein Solarium, das ich mir merken werde“, seufzte Hoswena, sich genießerisch räkelnd.
„Ja, es reicht schon fast an den `Singenden Fixstern´ heran“, murmelte ich, ebenfalls beeindruckt von den Künsten des Maître du Soleil.
„Wie, Sie kannten mein Lieblingssolarium?“ Überrascht schüttelte Hoswena die Frontranke „Wilford, Wilford, bei einer solchen Anhäufung von Übereinstimmungen könnten wir doch unbesorgt zum `Du´ übergehen, was meinen Sie?“
„Oh, von mir aus gern, Euer Ehren, aber bitte Sie zuerst: Alter vor Übergewicht“, witzelte ich.
„Nun denn: Wilford, mein Freund, Du darfst mich Hoswena nennen.“ Wir reichten uns die Saugnäpfe.
„Ist mir eine Ehre, Euer Ehren – äh, Hoswena“, scherzte ich, feierliche Momente kann ich nur schwer ertragen, ohne sie mit kleinen Albernheiten aufzulockern. Wir klopften einander aufs Holz.
„Es wird Zeit für mich, es beginnt bald zu dämmern. Lass´ uns morgen im Büro weitersprechen, wenn Du die Klageschrift abgeholt hast.“
„Ja, wirklich, es ist sehr spät geworden... – Hallo, die Rechnung bitte!“ rief ich den eben vorbeieilenden Wasserträger herbei.
Er übergab mir die Rechnung auf einem kleinen Silberchip, diskret unter einem Blattpoliertüchlein verborgen. Ich lüftete das Tüchlein, las den Rechnungsbetrag und vergilbte leicht über dessen Höhe, die 36er Träufelrinne hatte mit ihrem stolzen Preis die Rechnung ordentlich in die Höhe getrieben. Aber es war ein netter Abend gewesen, ich hatte einen Freund gewonnen. Das war es allemal wert gewesen.
Ich griff mit der Frontranke in meinen Geldschacht. Da fiel es mir siedend heiß wieder ein, o heilige Überrübe, wie peinlich. Meine letzten Rüpel hatte ich doch den Zörkeln überlassen, mein Geldschacht war ratzekahl leer!
Hoswena und der Wasserträger sahen mich erwartungsvoll an. Die Gespräche in den Nachbarnischen erstarben, die Aufmerksamkeit aller konzentrierte sich auf mich. Es war unangenehm heiß hier, das war mir vorher gar nicht aufgefallen.
„Ich, äh, Hoswena, es ist mir schrecklich unangenehm, meine Zörkel, die letzten Rüpel...“ stotterte ich, bis in die Tentakelspitzen ergrünend, „das hatte ich völlig vergessen...“ Am liebsten hätte ich mich vor Scham in der Rhizopodenwanne verkrochen, ALLE sahen mich an, mein Grün verdunkelte sich weiter, noch ein wenig mehr, und mir tropft das Chlorophyll aus den Ranken, dachte ich. Ansonsten herrschte eher kosmisches Hochvakuum in meinem Denkapparat, durchzuckt von Fluchtgedanken.
Mittlerweile hatten auch die Gäste der entfernteren Nischen ihre Gespräche unterbrochen, um sich voll den Abläufen in unserer widmen zu können. Es war wirklich schrecklich heiß in diesem Solarium. Das Summen der Lichtdusche aus der Nachbarnische und das Schaben der Rhizopodenhärchen am Wannenrand nebenan dröhnte in meinen Hörbüscheln wie ein Raumkreuzer beim Start.
„Es war doch ausgemacht, dass ich das übernehme“, sagte Hoswena mit so lauter Stimme, dass es im ganzen Solarium widerhallte, „DU hast mich schließlich das letzte mal eingeladen.“
In den Nachbarnischen wurden die Gespräche wieder aufgenommen, der Wasserträger wandte sich Hoswena zu, der nach einem raschen Blick auf die Rechnung in seinen Geldschacht griff und mit einem „Stimmt so, herzlichen Dank!“ ein paar Rüpelscheine unter das Tüchlein auf dem Silberchip schob. Auch die letzten Gäste wandten sich wieder einander zu, das Solarium war wie zuvor von Stimmengewirr und Klappern der Rhizopodenwannen erfüllt, sogar die Temperatur senkte sich wieder in erträgliche Bereiche.
„Komm schon, alles in Ordnung“, sagte Hoswena leise, mir aufmunternd den Stamm klopfend. „Lass uns gehen.“
Immer noch tiefgrün schlich ich hinter ihm zum Ausgang. Kaum hatte sich die Tür hinter uns geschlossen, taumelte Hoswena, wie von einer Axt getroffen, gegen die nächste Häuserwand. „Heilige Überrübe, dass war die beste Darbietung seit mindestens 12000 Circeln“, prustete er los, „ich wusste gar nicht, dass Elektrolyte SO grün werden können“, er wischte sich das Heiterkeitssekret aus den Visualdetektoren, „ mir platzen gleich die Saugnäpfe, Wilford, Du bist ein richtiger Spaßwurz. Steht Dir übrigens gut der Farbton, und wenn Du Dich immer so eng mit der Frontranke umwickelst, hat sich das mit dem Figurproblem auch erledigt.“ Er konnte vor Lachen nicht weitersprechen, weitere Ströme von Heiterkeitssekret vergießend ließ er sich an der Wand zu Boden gleiten.
Tatsächlich hatte ich meine Frontranke, tief beschämt, so fest um den Stamm gewunden, dass dieser erheblich an Umfang verloren hatte. Mit einem Ächzer entließ ich mich aus der Umklammerung.
„DIES war das mit Abstand peinlichste Erlebnis meines Lebens. NOCH peinlicher, als damals das kleine Missgeschick mit dem Glitzerlack. Hoswena, ich werde Dir jeden Rüpel zurückzahlen, sobald ich das Preisgeld habe. Das schwöre ich beim Tentakelkranz der intergalaktischen Überrübe.“
„Vergihihihiiiisses...“ wieherte Hoswena, immer noch an der Mauer lehnend.
„Und ich danke Dir, dass Du mich im `Sonnensegel´ so taktvoll gerettet hast. Ich schätze mich sehr glücklich, einen so feinfühligen Anwalt und Freund gefunden zu haben.“
Ich half dem immer noch mit den Saugnäpfen glucksenden Hoswena wieder auf die Rhizopoden. „Und ich danke der heiligen Überrübe, dass mein Anwalt und Freund so weise ist, sich nicht mit leerem Geldschacht ins Solarium zu begeben. Selbst dann nicht, wenn er eigentlich eingeladen ist.“
„Was war denn mit dem Glitzerlack?“ fragte er, mit noch immer vom Heiterkeitssekret getrübtem Blick.
In Erinnerung an den nun nur noch zweitpeinlichsten Moment meines Lebens ergrünte ich erneut ein wenig. Hoswena kicherte gleich wieder los und versuchte, die neuen Ströme von Heiterkeitssekret mit seinem Battpoliertüchlein zu trocknen.
„Entschuldige, ist nur ein kleiner Lachkrampf“, keuchte er.
„Als ich mein Architekturstudium abschloss, gab es in der Universitätsaula einen feierlichen Empfang mit allen Absolventen und Professoren. Als Jahrgangsbester meines Studiengangs hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, eine kleine Begrüßungsrede zu halten.
Ich beherbergte zu der Zeit drei Zörkel mit einem besonders extravaganten Geschmack: sie pflegten sich vor dem Ausgehen die Saugnäpfe mit einem goldbronzenen Glitzerlack zu bemalen. Unglücklicherweise ähnelte der Tiegel dieses Lacks sehr der Dose meiner Tentakelpflegecreme...“, meine Frontranke knäuelte sich zusammen beim Gedanken an meine damalige Blamage, „...und unseligerweise war ich an jenem Morgen sehr in Eile. Es geschah, was geschehen musste, ich verwechselte in der Hast des Aufbruchs die beiden Gefäße...“
Hoswena blinzelte und tupfte mit dem Tüchlein an seinen Visualdetektoren herum.
„Als ich das Podium betrat, wandten sich mir sofort alle Blicke zu, das eben noch lebhafte Stimmengewirr verstummte schlagartig. Ich dachte geschmeichelt, dass das Auditorium auf diese Weise meiner eindrucksvollen Persönlichkeit Respekt zolle, und begann, beflügelt vom Gedanken an das offensichtlich an meinem Sprachausgang hängende Publikum, zu reden. Als ich meine Worte mit einer ausladenden Geste der Frontranke unterstreichen wollte, berührte sie dabei einen der unwissentlich frisch lackierten Tentakel. Die Farbe, noch nicht ganz getrocknet, war äußerst klebrig, und so blieb die Frontranke am Tentakel hängen. Hektisch versuchte ich, die Ranke zu lösen, dabei verfingen sich nach und nach auch alle anderen Tentakel und verkleisterten zu einem einzigen Klumpen, mir Visualdetektoren und Sprachausgang verschließend.“
Hoswena sank glucksend, mit beiden Saugnäpfen den Sprachausgang bedeckend, zurück gegen die Wand.
„Hörbüschelbetäubendes Gelächter brandete auf. Ich duckte mich hinters Rednerpult. Mein Professor erbarmte sich, half mir vom Podium und führte mich in die Hygienezelle. Ein Kommilitone brachte etwas Lösemittel und entfernte den Lack von meinen verklebten Visualdetektoren. Ich wünschte, er hätte mir erst die Tentakel abgebeizt. Der Anblick meines Desasters wäre mir erspart worden...ich muss ein groteskes Bild auf dem Podium abgegeben haben.“
Hoswena explodierten fast die Saugnäpfe, das hervorbrechende Gelächter ließ jeden einzelnen seiner Tentakel erbeben. „Dahaha hahahast Du sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen...“, presste er mühsam hervor.
„Ich habe danach die Universität rund dreihundert Circel nicht mehr betreten. Ich glaube, bevor ich diese Geschichte wirklich komisch finden kann, werden noch ein paar tausend Circel vergehen. Mindestens“
„Hmmmhmmhmmmm“, juchzte Hoswena, zu einer differenzierteren Antwort nicht mehr in der Lage.
So ein Spaßkrampf hat etwas ungemein ansteckendes, nachdem ich eine Weile Hoswenas vergeblichen Kampf mit dem Heiterkeitssekret betrachtet hatte, kitzelte es auch mich ganz unerwartet heftig unterm Saugnapf. Wenig später hatte es mich voll erwischt, ich fand mich engumschlungen, neben Hoswena an der Mauer lehnend und in Heiterkeitssekret aufgelöst, wieder.
„Ruhe da unten, Zörkelpack!“ brüllte es aus einem Fenster über uns.
Wir verstummten kurz und blickten uns an, “wir ungezogenen Zörkel, wir!“ alberte ich, bevor uns die nächste Lachsalve durchschüttelte.
„Ruhe, oder ich rufe die Wohlwacht!“ drohte die Stimme von oben.
Langsam gewann ich die Gewalt über meinen flatternden Lachmuskel zurück, auch Hoswena japste nur noch erschöpft und trocknete sich, wohl zum letzten Mal, die Visualdetektoren.
„Ach Wilford, mein Freund, es ist lange her, dass ich so viel Spaß hatte. Keine Sorge wegen dem Geld, ich leide keine Not, wie gesagt, das hat Zeit. Soll ich dir vielleicht eine Kleinigkeit vom Preisgeld vorstrecken, damit du nicht so ganz ohne...?“
Ein wahrer Freund, was bin ich doch für ein Glückspilz. Er hatte auch gleich, ohne eine Antwort abzuwarten, ein kleines Bündel Rüpel hervorgezogen und mir in den Geldschacht gesteckt.
„Danke, Hoswena, es wäre sonst wirklich schwierig geworden die nächsten Circel. Sobald ich das Preisgeld habe...“
„...schon klar, schon klar,“ unterbrach er mich. „Jetzt wird es aber wirklich höchste Zeit, bis morgen – oder vielmehr: bis nachher!“
„Ja, bis später, komm´ gut nach Haus!“
Wir winkten uns zum Abschied mit den Ranken, er ging zurück zu seinem Büro, ich in die andere Richtung, eine Abkürzung zu meinem Wohncontainer nehmend.
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Wir erreichten das kleine Solarium, `Zum Sonnensegel´ stand auf dem Schild über dem Eingang. Ich warf einen kurzen Blick auf die Karte neben der Tür, das Angebot sah vielversprechend aus und nicht allzu teuer. Hoswena hatte einen Platz für uns reservieren lassen, ein sehr dienstbeflissener Wasserträger geleitete uns zu unserer Nische, fragte nach unseren Wünschen und ließ dann erst mal die Karte da.
„Ich muss ein wenig auf die Figur achten“, murmelte ich vor mich hin, „höchstens ein paar Purpurquanten mit Gelbblitz heute.“
„Ach, kommen Sie, so macht das doch keinen Spaß. Sie können mich doch nicht einladen und mir dann beim Absorbieren zugucken. Wir könnten ja vielleicht etwas teilen. Hier, das hört sich doch interessant an: `Blue-Ray an prismengebrochenem Rainbow mit cardisianischer Photonentunke´ für zwei Personen. Und dazu vielleicht eine 36iger Träufelrinne?“
Der Geist ist willig, doch das Holz ist schwach.
Willensstärke in diesem Lebensbereich zählt zu meinen noch sehr ausbaubedürftigen Eigenschaften, ich war nur zu gerne bereit, den Beginn meiner Gelbblitzdiät auf unbestimmte Zeit zu verschieben, vielleicht irgendwann nach dem Prozess, dachte ich.
„Ich werde aber nur ein wenig probieren“, stimmte ich der Wahl zu, „wieviel Lux wohl die cardisianische Photonentunke hat?“
„Oh nun hören Sie doch auf! Wen interessiert schon der Lux-Wert, wenn es um exquisite Solariumskunst geht. Und außerdem sind Sie höchstens ein bisschen stattlich um die Mitte. Kommen Sie, ich bestelle rasch“, er winkte den Wasserträger mit der Frontranke heran, „und dann Schluss mit dieser leidigen Luxzählerei.“
An seiner drahtigen Gestalt mit der knorrigen Rinde und den konservativ korrekt linksgescheitelten Tentakeln war keine noch so winzige Schwellung erkennbar, da polemisiert es sich leicht gegen Luxzähler und Gelbblitzdiäten, dachte ich still bei mir. Irgendwie hat mich die Natur böse benachteiligt, mir sieht man jede Überbelichtung sofort an, wohl ein Erbe meines Stammbaums...
Während wir warteten, dass eine Lichtdusche freiwürde, servierte der Wasserträger die Träufelrinne.
„Wie alt ist Okela eigentlich?“ fragte ich.
„Wir haben seinen Sechzehntausendsten Circel vor zwei Mondwechseln gefeiert. Unglaublich, wie die Zeit vergeht.“
„War er schon immer so...“ ich suchte krampfhaft nach einem passenden Begriff, „...still? Ich dachte bisher immer, dass `Ganymed´ vor allem körperliche Schäden verursachte.“
„Still, ja, das ist er“, meinte Hoswena, versonnen die Ranke schlingend, „aber deshalb ist er keineswegs geistig beeinträchtigt. Er hat nur weder einen Sing- und Summschacht, noch einen Sprachausgang. Auch sonst ist sein Körper leider völlig paralysiert, `Ganymed´ hat in seinem Fall absolut verheerend gewirkt. Er verständigt sich mit den Blättern. Sie haben doch sicher seine großen, weißgezeichneten Blätter bemerkt? Er hat gelernt, sich durch Pigmentverschiebungen in einer eigenen, aber durchaus sehr differenzierten Sprache auszudrücken.“
„Oh, ist mir das unangenehm. Ich dachte, er wäre auch geistig...“
„...behindert? Oh nein, absolut nicht. Er ist mir bei meinen verschiedenen Arbeiten schon oft eine große Hilfe gewesen. Er hat sich im Laufe der Zeit ein profundes Allgemeinwissen angeeignet, und ist darüber hinaus zu einer juristischen Koryphäe gereift. Ich berate mich sehr oft mit ihm, ein wahrer Philosoph, mein Spross“, sagte er mit einem so warmen Unterton in der Stimme, dass sich mir sämtliche Rhizopodenhärchen aufstellten.
„Sie sagten, der `Ganymed´-Prozess wäre ihr erster Fall gewesen? Ich habe damals viel darüber gehört, so weit ich mich erinnere, ist das Verfahren damals doch ohne Urteil eingestellt worden.“
„Da erinnern Sie sich richtig, der Prozess endete nach rund 1000 Circeln mit einem Vergleich. Für keinen der damals Verantwortlichen hatte die `Ganymed´-Katastrophe strafrechtliche Konsequenzen. Die Chemie Grünes Tal GmbH zahlte freiwillig die damals beeindruckende Summe von 10 Millionen Rüpeln als Entschädigung an die Opfer ihres `Ganymed´. Die selbe Summe wurde später vom damaligen Rat der Hüter der Potis noch mal dazugelegt und das Ganze in eine Stiftung zugunsten der Geschädigten verwandelt, aus der die Opfer eine lebenslange Rente beziehen. Ich war der einzige, der auf die Rente verzichtete und lieber direkt einen Anteil der Entschädigung ausgezahlt bekommen wollte. Und ich habe Recht behalten: lieber die Photonenpumpe im Saugnapf, als den Fixstern am anderen Ende des Spiralarms, könnte man sagen. Niemand kann heute nämlich noch von der `Ganymed´-Rente allein leben, die reicht nicht mal mehr aus, eine bescheidene Unterkunft zu bezahlen. Während ich unseren Anteil damals mit glücklichem Saugnapf gewinnbringend anlegte und uns so diese Rüpel bis heute ein sorgenfreies Leben ermöglichen.“
Endlich brachte der eifrige Wasserträger die Lichtduschen, wir breiteten unsere Tentakel aus und genossen erst mal schweigend `Blue-Ray an prismengebrochenem Rainbow mit cardisianischer Photonentunke´. Die Träufelrinne war übrigens wunderbar temperiert serviert worden, frisch, aber nicht zu kalt.
„Ein Solarium, das ich mir merken werde“, seufzte Hoswena, sich genießerisch räkelnd.
„Ja, es reicht schon fast an den `Singenden Fixstern´ heran“, murmelte ich, ebenfalls beeindruckt von den Künsten des Maître du Soleil.
„Wie, Sie kannten mein Lieblingssolarium?“ Überrascht schüttelte Hoswena die Frontranke „Wilford, Wilford, bei einer solchen Anhäufung von Übereinstimmungen könnten wir doch unbesorgt zum `Du´ übergehen, was meinen Sie?“
„Oh, von mir aus gern, Euer Ehren, aber bitte Sie zuerst: Alter vor Übergewicht“, witzelte ich.
„Nun denn: Wilford, mein Freund, Du darfst mich Hoswena nennen.“ Wir reichten uns die Saugnäpfe.
„Ist mir eine Ehre, Euer Ehren – äh, Hoswena“, scherzte ich, feierliche Momente kann ich nur schwer ertragen, ohne sie mit kleinen Albernheiten aufzulockern. Wir klopften einander aufs Holz.
„Es wird Zeit für mich, es beginnt bald zu dämmern. Lass´ uns morgen im Büro weitersprechen, wenn Du die Klageschrift abgeholt hast.“
„Ja, wirklich, es ist sehr spät geworden... – Hallo, die Rechnung bitte!“ rief ich den eben vorbeieilenden Wasserträger herbei.
Er übergab mir die Rechnung auf einem kleinen Silberchip, diskret unter einem Blattpoliertüchlein verborgen. Ich lüftete das Tüchlein, las den Rechnungsbetrag und vergilbte leicht über dessen Höhe, die 36er Träufelrinne hatte mit ihrem stolzen Preis die Rechnung ordentlich in die Höhe getrieben. Aber es war ein netter Abend gewesen, ich hatte einen Freund gewonnen. Das war es allemal wert gewesen.
Ich griff mit der Frontranke in meinen Geldschacht. Da fiel es mir siedend heiß wieder ein, o heilige Überrübe, wie peinlich. Meine letzten Rüpel hatte ich doch den Zörkeln überlassen, mein Geldschacht war ratzekahl leer!
Hoswena und der Wasserträger sahen mich erwartungsvoll an. Die Gespräche in den Nachbarnischen erstarben, die Aufmerksamkeit aller konzentrierte sich auf mich. Es war unangenehm heiß hier, das war mir vorher gar nicht aufgefallen.
„Ich, äh, Hoswena, es ist mir schrecklich unangenehm, meine Zörkel, die letzten Rüpel...“ stotterte ich, bis in die Tentakelspitzen ergrünend, „das hatte ich völlig vergessen...“ Am liebsten hätte ich mich vor Scham in der Rhizopodenwanne verkrochen, ALLE sahen mich an, mein Grün verdunkelte sich weiter, noch ein wenig mehr, und mir tropft das Chlorophyll aus den Ranken, dachte ich. Ansonsten herrschte eher kosmisches Hochvakuum in meinem Denkapparat, durchzuckt von Fluchtgedanken.
Mittlerweile hatten auch die Gäste der entfernteren Nischen ihre Gespräche unterbrochen, um sich voll den Abläufen in unserer widmen zu können. Es war wirklich schrecklich heiß in diesem Solarium. Das Summen der Lichtdusche aus der Nachbarnische und das Schaben der Rhizopodenhärchen am Wannenrand nebenan dröhnte in meinen Hörbüscheln wie ein Raumkreuzer beim Start.
„Es war doch ausgemacht, dass ich das übernehme“, sagte Hoswena mit so lauter Stimme, dass es im ganzen Solarium widerhallte, „DU hast mich schließlich das letzte mal eingeladen.“
In den Nachbarnischen wurden die Gespräche wieder aufgenommen, der Wasserträger wandte sich Hoswena zu, der nach einem raschen Blick auf die Rechnung in seinen Geldschacht griff und mit einem „Stimmt so, herzlichen Dank!“ ein paar Rüpelscheine unter das Tüchlein auf dem Silberchip schob. Auch die letzten Gäste wandten sich wieder einander zu, das Solarium war wie zuvor von Stimmengewirr und Klappern der Rhizopodenwannen erfüllt, sogar die Temperatur senkte sich wieder in erträgliche Bereiche.
„Komm schon, alles in Ordnung“, sagte Hoswena leise, mir aufmunternd den Stamm klopfend. „Lass uns gehen.“
Immer noch tiefgrün schlich ich hinter ihm zum Ausgang. Kaum hatte sich die Tür hinter uns geschlossen, taumelte Hoswena, wie von einer Axt getroffen, gegen die nächste Häuserwand. „Heilige Überrübe, dass war die beste Darbietung seit mindestens 12000 Circeln“, prustete er los, „ich wusste gar nicht, dass Elektrolyte SO grün werden können“, er wischte sich das Heiterkeitssekret aus den Visualdetektoren, „ mir platzen gleich die Saugnäpfe, Wilford, Du bist ein richtiger Spaßwurz. Steht Dir übrigens gut der Farbton, und wenn Du Dich immer so eng mit der Frontranke umwickelst, hat sich das mit dem Figurproblem auch erledigt.“ Er konnte vor Lachen nicht weitersprechen, weitere Ströme von Heiterkeitssekret vergießend ließ er sich an der Wand zu Boden gleiten.
Tatsächlich hatte ich meine Frontranke, tief beschämt, so fest um den Stamm gewunden, dass dieser erheblich an Umfang verloren hatte. Mit einem Ächzer entließ ich mich aus der Umklammerung.
„DIES war das mit Abstand peinlichste Erlebnis meines Lebens. NOCH peinlicher, als damals das kleine Missgeschick mit dem Glitzerlack. Hoswena, ich werde Dir jeden Rüpel zurückzahlen, sobald ich das Preisgeld habe. Das schwöre ich beim Tentakelkranz der intergalaktischen Überrübe.“
„Vergihihihiiiisses...“ wieherte Hoswena, immer noch an der Mauer lehnend.
„Und ich danke Dir, dass Du mich im `Sonnensegel´ so taktvoll gerettet hast. Ich schätze mich sehr glücklich, einen so feinfühligen Anwalt und Freund gefunden zu haben.“
Ich half dem immer noch mit den Saugnäpfen glucksenden Hoswena wieder auf die Rhizopoden. „Und ich danke der heiligen Überrübe, dass mein Anwalt und Freund so weise ist, sich nicht mit leerem Geldschacht ins Solarium zu begeben. Selbst dann nicht, wenn er eigentlich eingeladen ist.“
„Was war denn mit dem Glitzerlack?“ fragte er, mit noch immer vom Heiterkeitssekret getrübtem Blick.
In Erinnerung an den nun nur noch zweitpeinlichsten Moment meines Lebens ergrünte ich erneut ein wenig. Hoswena kicherte gleich wieder los und versuchte, die neuen Ströme von Heiterkeitssekret mit seinem Battpoliertüchlein zu trocknen.
„Entschuldige, ist nur ein kleiner Lachkrampf“, keuchte er.
„Als ich mein Architekturstudium abschloss, gab es in der Universitätsaula einen feierlichen Empfang mit allen Absolventen und Professoren. Als Jahrgangsbester meines Studiengangs hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, eine kleine Begrüßungsrede zu halten.
Ich beherbergte zu der Zeit drei Zörkel mit einem besonders extravaganten Geschmack: sie pflegten sich vor dem Ausgehen die Saugnäpfe mit einem goldbronzenen Glitzerlack zu bemalen. Unglücklicherweise ähnelte der Tiegel dieses Lacks sehr der Dose meiner Tentakelpflegecreme...“, meine Frontranke knäuelte sich zusammen beim Gedanken an meine damalige Blamage, „...und unseligerweise war ich an jenem Morgen sehr in Eile. Es geschah, was geschehen musste, ich verwechselte in der Hast des Aufbruchs die beiden Gefäße...“
Hoswena blinzelte und tupfte mit dem Tüchlein an seinen Visualdetektoren herum.
„Als ich das Podium betrat, wandten sich mir sofort alle Blicke zu, das eben noch lebhafte Stimmengewirr verstummte schlagartig. Ich dachte geschmeichelt, dass das Auditorium auf diese Weise meiner eindrucksvollen Persönlichkeit Respekt zolle, und begann, beflügelt vom Gedanken an das offensichtlich an meinem Sprachausgang hängende Publikum, zu reden. Als ich meine Worte mit einer ausladenden Geste der Frontranke unterstreichen wollte, berührte sie dabei einen der unwissentlich frisch lackierten Tentakel. Die Farbe, noch nicht ganz getrocknet, war äußerst klebrig, und so blieb die Frontranke am Tentakel hängen. Hektisch versuchte ich, die Ranke zu lösen, dabei verfingen sich nach und nach auch alle anderen Tentakel und verkleisterten zu einem einzigen Klumpen, mir Visualdetektoren und Sprachausgang verschließend.“
Hoswena sank glucksend, mit beiden Saugnäpfen den Sprachausgang bedeckend, zurück gegen die Wand.
„Hörbüschelbetäubendes Gelächter brandete auf. Ich duckte mich hinters Rednerpult. Mein Professor erbarmte sich, half mir vom Podium und führte mich in die Hygienezelle. Ein Kommilitone brachte etwas Lösemittel und entfernte den Lack von meinen verklebten Visualdetektoren. Ich wünschte, er hätte mir erst die Tentakel abgebeizt. Der Anblick meines Desasters wäre mir erspart worden...ich muss ein groteskes Bild auf dem Podium abgegeben haben.“
Hoswena explodierten fast die Saugnäpfe, das hervorbrechende Gelächter ließ jeden einzelnen seiner Tentakel erbeben. „Dahaha hahahast Du sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen...“, presste er mühsam hervor.
„Ich habe danach die Universität rund dreihundert Circel nicht mehr betreten. Ich glaube, bevor ich diese Geschichte wirklich komisch finden kann, werden noch ein paar tausend Circel vergehen. Mindestens“
„Hmmmhmmhmmmm“, juchzte Hoswena, zu einer differenzierteren Antwort nicht mehr in der Lage.
So ein Spaßkrampf hat etwas ungemein ansteckendes, nachdem ich eine Weile Hoswenas vergeblichen Kampf mit dem Heiterkeitssekret betrachtet hatte, kitzelte es auch mich ganz unerwartet heftig unterm Saugnapf. Wenig später hatte es mich voll erwischt, ich fand mich engumschlungen, neben Hoswena an der Mauer lehnend und in Heiterkeitssekret aufgelöst, wieder.
„Ruhe da unten, Zörkelpack!“ brüllte es aus einem Fenster über uns.
Wir verstummten kurz und blickten uns an, “wir ungezogenen Zörkel, wir!“ alberte ich, bevor uns die nächste Lachsalve durchschüttelte.
„Ruhe, oder ich rufe die Wohlwacht!“ drohte die Stimme von oben.
Langsam gewann ich die Gewalt über meinen flatternden Lachmuskel zurück, auch Hoswena japste nur noch erschöpft und trocknete sich, wohl zum letzten Mal, die Visualdetektoren.
„Ach Wilford, mein Freund, es ist lange her, dass ich so viel Spaß hatte. Keine Sorge wegen dem Geld, ich leide keine Not, wie gesagt, das hat Zeit. Soll ich dir vielleicht eine Kleinigkeit vom Preisgeld vorstrecken, damit du nicht so ganz ohne...?“
Ein wahrer Freund, was bin ich doch für ein Glückspilz. Er hatte auch gleich, ohne eine Antwort abzuwarten, ein kleines Bündel Rüpel hervorgezogen und mir in den Geldschacht gesteckt.
„Danke, Hoswena, es wäre sonst wirklich schwierig geworden die nächsten Circel. Sobald ich das Preisgeld habe...“
„...schon klar, schon klar,“ unterbrach er mich. „Jetzt wird es aber wirklich höchste Zeit, bis morgen – oder vielmehr: bis nachher!“
„Ja, bis später, komm´ gut nach Haus!“
Wir winkten uns zum Abschied mit den Ranken, er ging zurück zu seinem Büro, ich in die andere Richtung, eine Abkürzung zu meinem Wohncontainer nehmend.