fortsetzung3

zettelstraum

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Doch gerade als er an ihn dachte, klopfte ihm jener auf die Schulter und flüsterte ihm zu, daß er ihm folgen solle. Florian folgte ihm also, durch geheime Gänge des Schlosses, welche er noch nie hatte betreten dürfen. Ihm schien als habe er das ganze Schloß unterwandert, als man plötzlich auch im Freien stand. Vor ihm erstreckte sich ein wunderschöner Garten, dessen Konturen in der Nacht allein schon die Schönheit der Anlage vermuten ließen. Thomas ließ ihn hier alleine zurück, nicht ohne ihn noch zu beschwichtigen, daß er keine Angst zu haben brauche und daß er sich in zwei Tagen bei ihm melden solle, er sei dann im Haus neben der Bäckerei.
Florian setzte sich auf eine Bank, zog seine Knie zum Kopf hoch und begann sich Gedanken zu machen. Er mochte es nicht glauben wollen, daß die Prinzessin sich hier alleine mit ihm treffen werde, er versuchte sich einen anderen Grund für diese Erfahrung, entführt worden zu sein, hinweg von einem Fest hin zu einem lauschigen Platz, welcher wie geschaffen schien für..., vorzustellen. Wieso sollte es ihm gelingen dürfen? Zweifel an der Echtheit der Situation kamen in ihm auf, der Bussard schien eingeschlafen zu sein, als plötzlich die Prinzessin aus einer Tür des Schlosses heraustrat und sich neben ihn setzte.
„Finden sie es schön hier?"
„Schön? Schönheit ist ein Gefühl, welches ich schon lange nicht mehr spüren durfte. Es ist eindrucksvoll."
„Wenn sie nicht über Gefühle reden können, dann sagen sie mir doch bitte etwas über den Hintergrund ihrer Kunst."
Florian stellte seine Füße auf den Boden zurück und fing an ihr von seinem Leben zu erzählen: „Ich bin bei meinen Eltern groß geworden, aber nie gewachsen. Stets fühlte ich mich unaufgehoben, an einem falschen Ort geboren und stets auf der Suche nach irgend etwas. Schon mit jungen Jahren flüchtete ich oftmals in die Werkstätte meines Vaters, um dort zu schnitzen. Stets hatte ich Angst, ertappt zu werden, da mein Vater mich zu anderen Dingen bewegen wollte."
„Zu welchen Dingen?", unterbrach ihn die Prinzessin.
„Er meinte, ich solle das Jagen lernen, das Reiten und all solche Dinge, die mich nicht interessierten."
„Ach ja."
„Langweile ich sie mit meiner Geschichte schon?"
„Nein, erzählen sie ruhig weiter."
Er teilte ihr also weiter mit, daß er seine ersten Kunstwerke einer frommen Frau widmete, die eine Woche auf ihn aufgepaßt hatte, als seine Eltern auf eine kurze Reise gegangen waren. Die fromme Frau hatte ihn sehr fasziniert, weil sie ihm mehr vom Leben erzählen konnte als seine Eltern ihm bisher darüber beigebracht hatten.
Er versteckte seine Schnitzereien in der Hütte der Familie eines Freundes und mußte erst dann aufhören, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, als man ihn zu Drängen begann, endlich eine geeignete Arbeit zu finden. Dies jedoch - einerseits der Verlust seiner Aufgabe, andrerseits der Zwang sich um etwas zu kümmern - führte zum Wunsch nach Freiheit.
Er hatte von einem Dorf gehört, in welchem viele junge Männer wohnten, die sich bei ihren Eltern nicht wohl gefühlt hatten und die dort nach ihren eigenen Gesetzen lebten.
„Dorthin sind sie dann auch gleich aufgebrochen?"
„Nein, nicht gleich, sondern erst nachdem ich versucht hatte, dem Wunsch der Eltern zu entsprechen. Allein, es gelang mir nicht. Ich empfand eine so große Unzufriedenheit dabei, daß ich nach einem Jahr mit einigen Münzen, die ich erhalten hatte, mich aufmachte zu einem Freund, ihn um ein Pferd zu bitten, mit welchem ich dann nach jenem Dorf ritt."
Hier unterbrach er seine Geschichte. Er stand auf und ging sich ein Blatt von einem Baum zu pflücken.
„Was haben sie?"
„Ein klein bißchen Traurigkeit, mehr nicht. Kümmern sie sich nicht darum."
Tief im Innern spürte er ein Gefühl aufkommen, welches ihn zu beherrschen drohte, ein Gefühl des Gefallenfindens an dieser Situation. Und inmitten dieses Gefühls war plötzlich wieder diese Angst eingeschlichen, die er nicht zurückdrängen konnte.
„Na, dann erzählen sie mir doch, was sie von mir wissen. Kennt man mich in ihrem Dorf oder sind sie rein zufällig hierher gekommen?"
Florian kam wieder zurück, setzte sich auf den Boden, mit dem Rücken an der Bank lehnend und gab ihr nur notdürftig Auskunft: „Sie existieren als Traumgestalt in manchen Köpfen, aber daß ich hier bin, ist wahrscheinlich nichts als Umtriebigkeit. Ich möchte ihnen auch nicht als jemand anderes erscheinen, als der, der ich bin.".
„Ja, aber das wollen sie mir nicht erzählen: wer sie sind."
„Sie wissen warum", sagte er, wobei er das erste Mal meinte, der Zielstrebigkeit des Bussards näher gekommen zu sein, und verschwand durch den Gang, welcher ihm den Eintritt zu diesem Platz gewährt hatte.
Seit jenem Abend wußte er um das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Thomas und der Prinzessin, und so hatte er ein eigenartiges Bedenken hinsichtlich des Treffens mit ihm in den nächsten Tagen.
Am darauffolgenden Tag ging er wieder einmal mit Marie spazieren und sie sprachen viel über ihn und seine Gedankenwelt. Er traute sich, ihr gegenüber offen zu sein, denn sie hatte sich ihm ebenfalls geöffnet.
Nicht ganz ohne Maries Absicht nahmen sie die Richtung zum Schloß, um dort in der Nähe eine Gaststätte aufzusuchen, in welcher es sich gut speisen ließ.
Mag es nun Zufall sein oder nicht, jedenfalls traf man die Prinzessin nicht unweit jener Gaststätte, die dort alleine einen Spaziergang machte. Florian und die Prinzessin grüßten sich alleine mit Blicken und einem höflichen Gruß, den man unter Wanderern zu geben pflegte, Marie aber schwieg. Erst in der Gaststätte kam es wieder zu einem Gespräch, aber Florian hatte seine Gedanken nicht mehr bei sich oder gar bei ihr, sondern so sehr bei der Prinzessin, daß er ihr am Liebsten sofort nachgegangen wäre.
Marie aber, in ihrem Glauben an die echte Freundschaft, die sie verband, bestellte ihm noch eine Nachspeise, um seine verschwommenen Augen zu trösten. Jener Abend war nun der erste seit der Ankunft auf dem Gehöft, an welchem er nicht in die Werkstatt ging, sondern nur stundenlang in seiner Kammer saß und zum Schloß blickte. Gab es eine Bestimmung, die den Zauber herbeiführt oder woher kam jene Einbildung, daß etwas zwischen ihnen existieren müsse, daß ganz andrer Art war als zwischen ihm und Marie? Er nahm sich vor in den nächsten Tagen mit Marie darüber zu reden, auch wenn es schmerzlich werden würde.
Als er bei jenem Haus neben der Bäckerei die Glocke schlug, begrüßte ihn dieser ganz herzlich und lud ihn ein, sich an den Tisch zu setzen, er habe eine kleine Brotzeit besorgt. Florian setzte sich und wartete.
Nachdem sie beide etwas zu sich genommen hatten, fragte Thomas ihn, ob er sich vorstellen könnte, gärtnerische Tätigkeiten auszuführen und beschrieb ihm kurz was er mache und wie kurz es nur gedauert hatte, bis er angelernt war. Florian meinte, daß er sich gut vorstellen könne im Dorf hier zu arbeiten, seine Zeit sei jedoch eingeschränkt, da er seine Unterkunft nicht mehr lange bewohnen dürfe. Thomas unterbreitete ihm darauf, daß es nicht um eine Arbeit im Dorf, sondern um Tätigkeiten im Schloß ginge und daß er bei Einwilligung selbstverständlich im Trakt der Dienerschaft wohnen könne.
Florian stand auf, umarmte Thomas und konnte es gar nicht richtig fassen. Er kam in jenes fremde Gebiet, lernte die Prinzessin kurz kennen, sie zeigte sich interessiert an seinen Kunstwerken und nun bot sie ihm auch noch eine Stellung und eine Wohnung an. Er verlangte trotzdem von Thomas eine kurze Bedenkzeit, aber versprach am nächsten Tag auf dem Schloß vorzusprechen. Thomas gab ihm die Hand zum Abschied und zeigte ihm, daß er ihm großen Respekt zolle hinsichtlich des Überdenkens des Vorschlags.
Am Mittagstisch bat Florian den Bauern um ein Gespräch unter vier Augen, zu welchem der Bauer selbstverständlich einwilligte, denn er wollte ja auch in nächster Zeit mit ihm bezüglich des Zurückkehrens seines Sohnes reden.
Florian erzählte dem Bauern von jenem Angebot und teilte auch gleichzeitig mit, daß man sich sicher besuchen könne, insbesondere um das Schachspiel fertig zu schnitzen. Der Bauer zeigte sich überrascht, doch lag es nicht in seiner Art ihn auszufragen und so erkundigte er sich nur, ob er denn schon mit Marie gesprochen habe. Thomas versicherte ihm, daß er dies noch tun werde und daß er hoffe, daß es auf dem Hof auch ohne ihn weitergehen könne wie davor. Außerdem gab er ihm noch einen seiner beiden Säcke voller Münzen als Bezahlung, bevor er sich mit einer Umarmung verabschiedete und auf sein Zimmer ging. Er wollte Marie noch nichts erzählen, als bis daß er sicher war, daß er Stellung und Wohnung haben würde, deswegen wartete er bis es Zeit war, die Kühe zu melken und machte sich dann davon.
In der Abenddämmerung kam er mit seinem Hab und Gut vor dem Tor des Schlosses an und bat um Einlaß. Man nahm ihm sein Pferd ab und brachte es zu den Stallungen, nahm seine Taschen und brachte sie in sein Zimmer. Kurz gewahrte er den verstohlenen Blick der Frau, welche die Prinzessin auf dem Markt begleitet hatte. Man hatte mit ihm gerechnet, er würde nun eine Zeitlang Marionette dieser Menschen spielen müssen.
So ging er denn in das lange Haus, in welchem die Dienerschaft untergebracht war und erkundigte sich nach den Formalitäten, die ein kommender Gärtnergehilfe zu erfüllen habe. Man schickte ihn zu einem älteren Herrn, der seine Personalien entgegennahm, seine Größe maß und ihm einige Fragen stellte. Florian bekam daraufhin Anweisungen für die nächsten Tage und einen Lageplan des Schlößchen.
Den Abend verbrachte er in seiner Kammer, mit dem Wissen, daß es nun an ihm läge, da sie die Türen geöffnet hatte.
Am nächsten Tag weckte ihn Thomas mit der Einladung zum Frühstück. Es gab Brot und Käse, sowie frische Milch. Florian fühlte sich zwar ein wenig verschlafen, doch aufgrund der Motivation die Prinzessin nicht enttäuschen zu wollen, konnte er seine Trägheit überwinden.
Am Tische saßen viele junge Männer, welche die verschiedensten Arbeiten zu verrichten hatten.
Thomas führte Florian nach dem Frühstück zu jenem Garten, in welchem er sich mit der Prinzessin treffen durfte. Er konnte spüren, wie sich der Vorhang hob, um ihm die traumhafte Welt hervorzuzaubern, als er auf eine weiche Mooswiese trat und vor sich ein Meer verschiedener Pflanzen und Bäume erblickte. Einige hölzerne Wegweiser befanden sich an Gabelungen, die auf Pavillons hinwiesen, Wasserspiele gab es an den verschiedensten Stellen. Florian sah, daß er hier vorsichtig zu Werk zu gehen habe, denn anders als das Holz schien hier viel lebendiges Material zu sein.
Doch Thomas blieb den ersten Tag stets an seiner Seite, um ihn in die verschiedene Künste der Gartengestaltung und -verschönerung einzuführen. Um die Mittagszeit hatte er sich vom Garten fernzuhalten und spätestens bei Einbruch der Dämmerung sollte er seine Arbeit beendet haben.
Am Abend gab es eine stärkende Mahlzeit und danach habe er die Möglichkeit sich mit Thomas zu unterhalten.
Seine Gefühle zu Thomas befanden sich irgendwo zwischen Bewunderung und Ausnützung für seine Zwecke. Denn einerseits fragte er sich, wie es komme, daß dieser Mann einen so besonderen Kontakt zur Prinzessin halten konnte, ohne sich in den Gefühlen zu verlieren und andrerseits wußte er mittlerweile um die Vorteile, die man über ihn erlangen konnte. Seine Freundschaft zu ihm war jedoch von solch einer Ehrlichkeit wie sie sonst selten bei Menschen vorkam.
In der folgenden Woche provozierte Florian eine Antwort auf die Frage, warum er denn mittags sich aus dem Garten zurückzuziehen habe. Er versteckte sich in einer hohlen Eiche und wartete ab was geschah.
 



 
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