Frederik

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Hagen

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Frederik

Lange schlafen ist momentan der einzige Luxus, den ich mir leisten kann.
Als ich dann so eines Morgens zwar noch etwas müde aber immerhin frisch genug um zu entscheiden, ob meine liebe Frau und ich auf der Terrasse frühstücken könnten, oder in der Küche, vernahm ich unseren Frederik, der auf der Bank saß und meinte:
„Na, es wird aber auch Zeit, dass du mir was zu essen bringst! Guck dir doch mal die Schale für das Futter an! Total leer! Kannst du nicht ein bisschen eher aufstehen und mir was zu essen bringen? Frühes Aufstehen ist nämlich eine Tugend!“
Um irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen; - Frederik ist eine ‘unserer‘ Amseln.
Als ich eines Tages mal nach Hause kam, ich bin nämlich auch mal einem ordentlichen Beruf nachgegangen, war er dabei, Regenwürmer aus dem Rasen zu ziehen.
„Na“, fragte ich, „was bist du denn für einer?“
„Frederik!“, antwortete er, es hörte sich jedenfalls genauso an.
Da meine liebe Frau allen Lebewesen Namen gibt, blieb es bei ‘Frederik‘.
So ist es auch bei ‘unseren‘ Eichhörnchen, das sind ‘Fitzgerald‘ und ‘Schewardnadse‘, aber das nebenbei.
Ich war zunächst etwas irritiert, aber als Frederik dann „Na, wird’s bald?“ sagte, beeilte ich mich doch, Fettfutter und Sonnenblumenkerne in die Schale zu tun. Noch ein neuer Meisenknödel an den Ast des Hibiskus gehängt und Erdnussbruch in das Futterhäuschen getan.
„Danke schön“, sagte Fitzgerald, der schon eine Weile gewartet hatte, „kannst du mir nicht auch mal ein Paar richtige Nüsse bringen? Ich habe so einen Hunger.“
„Ja, natürlich. Wallnüsse?“
„Wäre nicht schlecht. Hauptsache in einer Schale, sonst kommt nämlich immer der Eichelhäher, dieser blöde Hund, und nimmt die Erdnüsse mit.“
„Das verstehe ich. Bei meinem nächsten Einkauf werde ich dran denken.“
„Oh, danke schön. – Du bist ein richtig lieber Mensch.“
„Das ich nicht lache!“, ließ Frederik sich wieder vernehmen, „Der und lieb? Wo sind denn meine Regenwürmer und Käfer? Wo denn wo? Schnecken, Blutegel, Tausendfüßer, Spinnen, Eidechsen, Schwanz- und Froschlurche, Mäuse und Spitzmäuse? Die esse ich nämlich viel lieber, als immer nur diese Scheißkörner! Besorge mir gefälligst mal sowas!“
„Wie hast du dir das denn vorgestellt?“
„Ist mir doch egal, wie du das Zeugs beschaffst! Den Scheißmeisen hängst du ja auch Knödel hin!“
„Ja, aber …“
„Nix aber! Für dieses fliegende Kroppzeug hast du das Futter, das die brauchen! Aber für mich, die Krone der Schöpfung, sind nur ein paar Körner übrig! Da solltest dich aber schämen! - Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich will endlich in Ruhe frühstücken, auch wenn es nur diese Scheißkörner sind! Und das nächste Mal gefälligst etwas eher und was Anständiges!“
Etwas irritiert begann ich in der Küche den Frühstückstisch zu decken. Als meine liebe Frau runter kam, fand sie mich etwas ratlos vor.
„Wo soll ich bloß Schnecken, Blutegel, Tausendfüßer, Spinnen, Eidechsen, Schwanz- und Froschlurche herkriegen?“
„Ach, hast du dich wieder mit Frederik unterhalten? Langsam wird der Bursche etwas unverschämt! - Schau mal, da ist ein Buchfink zum Essen gekommen, und der hat sogar seine Frau mitgebracht. Wie wollen wir die denn nennen?“
„Goethe.“
„Wieso denn Goethe?“
„Weil Goethe Bücher geschrieben hat, und das ist ein Buchfink.“
„Ah ja. Leuchtet ein. - Schau, Goethe isst Körner.“
„Theodor Körner?“
„Komm, trink erst mal Kaffee. Vorher bringst du alles durcheinander!“
 

Val Sidal

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Hagen,

der Text ist zum Glück kurz. Eine kurze Ode an „meine liebe Frau“, die es mit deinem Protagonisten wirklich nicht leicht hat.
Der Einstieg stolpert in die Geschichte und verläuft sich sprachlich, noch bevor er sein Verb gefunden hat:
Als ich dann so eines Morgens zwar noch etwas müde aber immerhin frisch genug um zu entscheiden, ob meine liebe Frau und ich auf der Terrasse frühstücken könnten, oder in der Küche, vernahm ich unseren Frederik, der auf der Bank saß und meinte:
Der Dialog zwischen den Artenvertretern wäre im Phantasy-Bereich sicherlich besser aufgehoben, denn er wird nicht etwa symbolisch geführt, sondern findet selbstverständlich einfach statt.

Ob die Abstimmung der Speisepläne und der Einkaufslogistik als Stoff für eine Kurzgeschichte prädestiniert ist, weiß ich nicht; schreiben kann man jedenfalls über alles – wenn man kann.

Vor dem Hintergrund der Dialoge muss der Leser annehmen, dass die Schlussfrage des Protagonisten im Wortsinne ernst gemeint ist: er sorgt sich um das Wohl eines seit fast auf den Tag genau vor zweihundert Jahren verstorbenen Poeten und suggeriert, dass Goethe (DER Goethe) im doppelten Sinne kannibalistisch veranlagt war: Mensch frisst Mensch, Dichter verspeist Dichter.
„Ah ja. Leuchtet ein. - Schau, Goethe isst Körner.“
„Theodor Körner?“
„Komm, trink erst mal Kaffee. Vorher bringst du alles durcheinander!“
Ich fürchte, Kaffee wird da nicht helfen.
Und eine Kurzgeschichte wird aus diesem Text auch nicht mehr.
 

Hagen

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Hallo Val,

Du interpretierst da ja Sachen rein, die selbst ich nicht gesehen habe.
Wieso gehört diese Geschichte in den Fantasy-Bereich?
Nimm‘s alles ein wenig lockerer, dann haut es schon hin.
Ich werde jetzt erst mal Kaffee trinken und dann nochmal darüber nachdenken.
Fitzgerald muss aber zunächst seine Nüsse haben.

Viele, liebe Grüße
Yours Hagen

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nichts endet wie geplant!
 

Val Sidal

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Hagen,

auf meinem Schreibtisch stand kein Kaffee, nur eine Holunderschorle. Die Terrassentür war geöffnet, die kräftigen Windböen fegten und wirbelten Ahornsamen durch den Garten. Die Straßenkatzen, die uns gelegentlich besuchen, hatten irgendwo Schutz gefunden. Die Nachtigall hat wohl auch Schiss bekommen – hören konnte ich sie jedenfalls nicht. Das Buchfinkpärchen, die Amselfamilie, die Meisen – sie alle hatten sich in Sicherheit gebracht. Nur der bekloppte Igel, nachtaktiv wie ich, klopfte die Terrasse auf Futterreste ab.

Ob es wieder so schlimm werden würde, wie die Nacht zuvor: infernalisches Gewitter, Monsunregen und endlose Hagelsalven?

Gegen zwei Uhr entdeckte ich Frederik unter der Zeder. Und das, nach einem Tag, dessen Highlight der Besuch des Versicherungsagenten zur Begutachtung von einem Wasserschaden im Keller war. Wir hatten über Klimawandel und Versicherungsprämien geplaudert.

Klickst du oder nicht, das ist hier die Frage, dachte ich.

Sei vorsichtig, sagte mir mein Alterego, Texte, wenn sie einmal die Retina erreichen, verselbstständigen sich in den High-Speed-Leitungen der Wahrnehmung, ob Tag oder Nacht, sie aktivieren die graue Assoziationsmaschine in deinem Schädel. Niemand kann voraussagen, was dann geschieht – alles scheint möglich zu sein. Hirnforscher behaupten, unbekannte Kräfte des Unbewussten übernehmen das Heft des Handelns, und bevor dein „freier Wille“ zum Zuge kommt, treffen sie Entscheidungen für dich, schütten Adrenalin aus, spannen Muskeln.

Und tatsächlich: ich beobachtete eine gewisse Spannung in der Brust. Atme! Entspann dich, munterte ich mich auf. Nahm einen kräftigen Schluck Holundersaft. Trinken soll entspannen.

Ich starrte auf den Bildschirm: Frederik.
Nein, werde mich ihm heute nicht mehr stellen, entschied ich. Nicht in einer Nacht, die droht, die katastrophale Vorausgegangene zu toppen.

Aber ich hatte die Rechnung ohne das mächtigste Tier gemacht!

Sorgenvoll beobachtete ich die plötzliche Veränderung auf meinem Schreibtisch: der Ableger einer Sturmböe fand den Weg zum losen Blatt eines Manuskripts, nahm es mit, und als wäre mein Text für Höheres nicht berufen, warf es einfach auf den Boden – eine bodenlose Unverschämtheit! Die Natur dreht durch!

In dem Moment geschah es. Die Maus bewegte sich heimtückisch und lautlos auf der Tischplatte. Keine Computerkatze konnte sie aufhalten!
Wie gelähmt starrte ich auf den Schirm: Frederik. Ich sah: Frederik. Ich hörte: Frederik. Scheiße, du wolltest es eigentlich nicht! Nicht heute! Nicht in dieser gottverdammten, dem Untergang geweihten Nacht.

Verzweifelt versuchte ich die Maus zu fangen. Mein Zeigefinger, wie in einem ferngelenkten Krampf verrenkt, rutschte aus. Die Maus war nicht mehr aufzuhalten: Klick!

Der Wind teleportierte ein Futternapf auf der Terrasse mit großem Getöse. Oder war es doch der tollpatschige Igel, dem nichts heilig ist?

Rechts unten auf dem Bildschirm: 02:00.
Ich wusste, es ist soweit: Widerstand ist zwecklos, der Text wird mich assimilieren.

Als ich heute Morgen endlich wieder am Schreibtisch saß, waren die Überreste der Nacht durch mächtige Photonenstrahlen vernichtet.
Der Bildschirm schwarz und tot.
Die Maus schlief noch.
Ich schenkte mir einen Kaffee ein.
Du hast Recht: Kaffee hilft.
 

Hagen

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Hallo Val,

das ist ja ein sauguter Text!!!!!
Warum verbumfiedelst Du ihn für einen ‘Leserbrief‘, den 1. Keiner liest und der 2. Für die meisten der LL-Leser zu hoch ist?
Ich bitte Dich inständig, den unter Deinem Namen zu veröffentlichen!!

Viele, liebe Grüße
Yours Hagen


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nichts endet wie geplant!
 

Hagen

Mitglied
Hallo Val,

klar bin ich einverstanden!
Und nun raus damit!
Je eher desto besser, damit die LL endlich mal mit gehobener, anspruchsvoller Literatur in Berühring kommt.

Viele liebe Grüße
yours Hagen


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nichts endet wie geplant!
 



 
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