Freitag der 13.
Es war ein Freitag der 13., an dem ich beschloss, meinem Leben ein Ende zu setzen.
Weshalb?
Es gab keinen besonderen Anlass. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Basta.
Und welcher Tag war geeigneter dafür, den Löffel abzugeben, als ein Freitag der 13.? Wenn ich Glück hatte, musste ich mir gar nicht selbst die Hände schmutzig machen, denn dann überfuhr mich ein Auto. Nein, viel zu simpel für diesen Tag, der der ganzen Welt solche Angst einflößte. Ein Klavier würde aus dem zehnten Stock stürzen und mich erschlagen. Oder ein Blitz traf mich. Nein, für heute war ja schönes Wetter angesagt. Trotzdem würde das gut zu Freitag dem 13. passen. Mehr Unglück, als bei gutem Wetter von einem Blitz erschlagen zu werden, kann ein Mensch gar nicht haben, oder?
Ich wartete bis 13 Uhr (13 – das war ja wohl klar), aber nichts passierte. Ich hatte meine üblichen Einkäufe erledigt (kein Auto hatte mich überfahren), war dabei an zahlreichen Hochhäusern vorbeigekommen (kein Klavier hatte mich erschlagen) und hatte mir schließlich mein Mittagessen gekocht (nicht einmal der Herd war explodiert). Bevor mich das lahme Fußballspiel im TV umbrachte, beschloss ich deshalb, selbst zur Tat zu schreiten.
Wochen zuvor hatte ich mir überlegt, was wohl der angenehmste Tod sein mochte. Meine Wahl fiel schließlich auf Schlaftabletten. Jedoch hatte ich nicht so weit gedacht, dass man diese zuerst auch besorgen müsste, und wie es der Zufall so wollte, hatte die Apotheke heute ihren Ruhetag. Eine Stunde lang suchte ich in der ganzen Wohnung und hielt letztlich als klägliches Ergebnis drei Tabletten in der Hand, die ich frustriert in den Mülleimer warf.
Da mein friedlicher Schlummer auf diese Weise wohl aus dem Rennen war, machte ich mir neue Gedanken über meine nächsten Schritte. Mich zu erhängen würde in dieser Bruchbude kaum funktionieren. Schon jetzt bröckelte der Putz von der Decke, wenn der Mieter über mir nur die Stereoanlage anschaltete. Irgendetwas mit Blut kam auch nicht in Frage – Ich wollte schließlich niemandem zumuten, die Sauerei später aufwischen zu müssen.
Als meine Wohnzimmeruhr sechs schlug und ich mir zwei Katastrophenfilme angesehen hatte (Die haben vielleicht Glück. Da passiert wenigstens was!), traf ich meine Entscheidung: Ich wollte mich von der naheliegenden Brücke in den Fluss stürzen. Es war zwar kein reißender Fluss, aber die Strömung würde doch stark genug sein, sodass ich nicht mehr ans Ufer käme. Voll Zuversicht machte ich mich auf den Weg.
Was soll ich lange um den heißen Brei herumreden: Es wurde nichts daraus. Mein Sprung von der Brücke und auch das Eintauchen gestalteten sich ziemlich unspektakulär. Obwohl Sommer war, war das Wasser eiskalt und verlangsamten meine Schwimmreflexe, war mir eigentlich nur recht war. Aber ehe ich mich versah, hatte ich plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen. Die Strömung musste gerade an dieser Stelle so ungünstig verlaufen, dass sie mich geradewegs wieder ans Ufer gespült hatte.
War das denn normal? Und gerade an einem Freitag den 13.?
Enttäuscht über diesen armseligen Ausgang meines genialen Vorhabens kroch ich ein Stück weit aus dem Fluss und legte mich dann vollkommen durchnässt auf den Rücken. Ich erwägte einen weiteren Versuch, ließ es dann aber aus Faulheit bleiben.
Ich war noch nicht einmal zu Tode erschöpft oder todmüde. Nur nass und hungrig. Dieser Tag war wie verhext.
Trotz recht angenehmer Lufttemperatur begann ich bald zu zittern. Mir kam in den Sinn, dass es gar nicht so unwahrscheinlich war, sich durch Unterkühlung den Tod zu holen, selbst im Sommer. Also lag ich da und wartete. Fror und wartete. Ich weiß nicht, wie lange ich da gelegen habe (und gewartet und gefroren), aber irgendwann wurde es mir zu dumm. Außerdem ging es mir viel zu langsam. Immerhin sollte mein Todestag Freitag der 13. sein und nicht der Sankt Nimmerleinstag.
Wegen des nagenden Zeitdrucks (und auch wegen meines knurrenden Magens, der einfach keine passende Atmosphäre erzeugte), stand ich notgedrungen von meinem kalten Totenbett wieder auf und erklomm den steilen Grashügel, der mich zurück auf die Straße führte. Kurz bevor ich dort ankam, kam mir eine letzte Idee, wie ich diesen Tag doch noch erfolgreich beenden könnte.
Wenn ein Auto mich schon nicht zufällig überfuhr, würde ich eben ein wenig nachhelfen. Das gab zwar wohl eine kleine Sauerei, die ich ja zwecks Rücksicht auf andere vermeiden wollte, aber man muss eben auch Opfer bringen können.
Ich wollte über diese kleine gedankliche Zweideutigkeit gerade amüsiert schmunzeln, als ich plötzlich abrupt stehenblieb.
Ich hatte die Macht von Freitag dem 13. bei Weitem unterschätzt.
Stau.
Fassungslos ging ich an den wartenden Autos entlang, die Stoßstange an Stoßstange standen und sich keinen Zentimeter vorwärts bewegten. Ich folgte der Fahrzeugschlange bis zu meiner Wohnung, wo sie noch lange nicht an ihrem Ende angekommen war.
Jetzt war es auch für mich offiziell.
Freitag der 13. war ein Unglückstag.
Als ich gerade geschlagen die Treppe hinauf bis zu meiner Wohnung gehen wollte, kam der Mann aus der Wohnung unter mir gerade aus seiner Tür getreten.
Besorgt musterte er mich. „Sie sind ja ganz durchnässt! Passen Sie nur auf, dass Sie sich nicht den Tod holen!“
Mein trockenes Lachen hallte laut durch das Treppenhaus und entlockte meinem Gegenüber ein Stirnrunzeln.
„Heute unmöglich, verehrter Nachbar. Unmöglich.“
Es war ein Freitag der 13., an dem ich beschloss, meinem Leben ein Ende zu setzen.
Weshalb?
Es gab keinen besonderen Anlass. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Basta.
Und welcher Tag war geeigneter dafür, den Löffel abzugeben, als ein Freitag der 13.? Wenn ich Glück hatte, musste ich mir gar nicht selbst die Hände schmutzig machen, denn dann überfuhr mich ein Auto. Nein, viel zu simpel für diesen Tag, der der ganzen Welt solche Angst einflößte. Ein Klavier würde aus dem zehnten Stock stürzen und mich erschlagen. Oder ein Blitz traf mich. Nein, für heute war ja schönes Wetter angesagt. Trotzdem würde das gut zu Freitag dem 13. passen. Mehr Unglück, als bei gutem Wetter von einem Blitz erschlagen zu werden, kann ein Mensch gar nicht haben, oder?
Ich wartete bis 13 Uhr (13 – das war ja wohl klar), aber nichts passierte. Ich hatte meine üblichen Einkäufe erledigt (kein Auto hatte mich überfahren), war dabei an zahlreichen Hochhäusern vorbeigekommen (kein Klavier hatte mich erschlagen) und hatte mir schließlich mein Mittagessen gekocht (nicht einmal der Herd war explodiert). Bevor mich das lahme Fußballspiel im TV umbrachte, beschloss ich deshalb, selbst zur Tat zu schreiten.
Wochen zuvor hatte ich mir überlegt, was wohl der angenehmste Tod sein mochte. Meine Wahl fiel schließlich auf Schlaftabletten. Jedoch hatte ich nicht so weit gedacht, dass man diese zuerst auch besorgen müsste, und wie es der Zufall so wollte, hatte die Apotheke heute ihren Ruhetag. Eine Stunde lang suchte ich in der ganzen Wohnung und hielt letztlich als klägliches Ergebnis drei Tabletten in der Hand, die ich frustriert in den Mülleimer warf.
Da mein friedlicher Schlummer auf diese Weise wohl aus dem Rennen war, machte ich mir neue Gedanken über meine nächsten Schritte. Mich zu erhängen würde in dieser Bruchbude kaum funktionieren. Schon jetzt bröckelte der Putz von der Decke, wenn der Mieter über mir nur die Stereoanlage anschaltete. Irgendetwas mit Blut kam auch nicht in Frage – Ich wollte schließlich niemandem zumuten, die Sauerei später aufwischen zu müssen.
Als meine Wohnzimmeruhr sechs schlug und ich mir zwei Katastrophenfilme angesehen hatte (Die haben vielleicht Glück. Da passiert wenigstens was!), traf ich meine Entscheidung: Ich wollte mich von der naheliegenden Brücke in den Fluss stürzen. Es war zwar kein reißender Fluss, aber die Strömung würde doch stark genug sein, sodass ich nicht mehr ans Ufer käme. Voll Zuversicht machte ich mich auf den Weg.
Was soll ich lange um den heißen Brei herumreden: Es wurde nichts daraus. Mein Sprung von der Brücke und auch das Eintauchen gestalteten sich ziemlich unspektakulär. Obwohl Sommer war, war das Wasser eiskalt und verlangsamten meine Schwimmreflexe, war mir eigentlich nur recht war. Aber ehe ich mich versah, hatte ich plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen. Die Strömung musste gerade an dieser Stelle so ungünstig verlaufen, dass sie mich geradewegs wieder ans Ufer gespült hatte.
War das denn normal? Und gerade an einem Freitag den 13.?
Enttäuscht über diesen armseligen Ausgang meines genialen Vorhabens kroch ich ein Stück weit aus dem Fluss und legte mich dann vollkommen durchnässt auf den Rücken. Ich erwägte einen weiteren Versuch, ließ es dann aber aus Faulheit bleiben.
Ich war noch nicht einmal zu Tode erschöpft oder todmüde. Nur nass und hungrig. Dieser Tag war wie verhext.
Trotz recht angenehmer Lufttemperatur begann ich bald zu zittern. Mir kam in den Sinn, dass es gar nicht so unwahrscheinlich war, sich durch Unterkühlung den Tod zu holen, selbst im Sommer. Also lag ich da und wartete. Fror und wartete. Ich weiß nicht, wie lange ich da gelegen habe (und gewartet und gefroren), aber irgendwann wurde es mir zu dumm. Außerdem ging es mir viel zu langsam. Immerhin sollte mein Todestag Freitag der 13. sein und nicht der Sankt Nimmerleinstag.
Wegen des nagenden Zeitdrucks (und auch wegen meines knurrenden Magens, der einfach keine passende Atmosphäre erzeugte), stand ich notgedrungen von meinem kalten Totenbett wieder auf und erklomm den steilen Grashügel, der mich zurück auf die Straße führte. Kurz bevor ich dort ankam, kam mir eine letzte Idee, wie ich diesen Tag doch noch erfolgreich beenden könnte.
Wenn ein Auto mich schon nicht zufällig überfuhr, würde ich eben ein wenig nachhelfen. Das gab zwar wohl eine kleine Sauerei, die ich ja zwecks Rücksicht auf andere vermeiden wollte, aber man muss eben auch Opfer bringen können.
Ich wollte über diese kleine gedankliche Zweideutigkeit gerade amüsiert schmunzeln, als ich plötzlich abrupt stehenblieb.
Ich hatte die Macht von Freitag dem 13. bei Weitem unterschätzt.
Stau.
Fassungslos ging ich an den wartenden Autos entlang, die Stoßstange an Stoßstange standen und sich keinen Zentimeter vorwärts bewegten. Ich folgte der Fahrzeugschlange bis zu meiner Wohnung, wo sie noch lange nicht an ihrem Ende angekommen war.
Jetzt war es auch für mich offiziell.
Freitag der 13. war ein Unglückstag.
Als ich gerade geschlagen die Treppe hinauf bis zu meiner Wohnung gehen wollte, kam der Mann aus der Wohnung unter mir gerade aus seiner Tür getreten.
Besorgt musterte er mich. „Sie sind ja ganz durchnässt! Passen Sie nur auf, dass Sie sich nicht den Tod holen!“
Mein trockenes Lachen hallte laut durch das Treppenhaus und entlockte meinem Gegenüber ein Stirnrunzeln.
„Heute unmöglich, verehrter Nachbar. Unmöglich.“