Fremder Alter

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen
A wie Abschied und Alter.
Das ist einer von Werners nicht sonderlich geistreichen Sprüchen.
Nunja, es gilt, sich im Alter wirklich langsam zu verabschieden.
Werner, vollbärtig, Oberförster außer Diensten und immer noch in grünem Hemd und grüner Hose, hat selbstverständlich recht.
Ihn, Gerhard und unseren Kandidaten traf ich am heutigen Nachmittag in der alten Bäckerei. Seitdem bin ich innerlich irgendwie ruhiger.
Ja, von jedem Tag heißt es Abschied zu nehmen und vor allem von dem Irrglauben, ein aufmerksamer und erfahrener Alter würde sich von Tag zu Tag besser kennenlernen.
Wenn ich morgens in den Spiegel sehe, erkenne ich mich zwar (noch) wieder. Äußerlich. Aber sobald ich mich auf meine Innenwege begebe, betrete ich immer wieder Neuland, obwohl ich den Eindruck dabei habe, alte Länder, die ich längst verließ, neu zu entdecken. Täglich und nicht etwa nur, weil mein Erinnerungsvermögen deutlich Lücken hinzugewinnt.
In jüngeren Jahren konnte ich mir auch nicht vorstellen, als erfahrener Alter mehr Ängste zu haben. Schließlich sollte einer wie ich doch ausreichend oft erfahren haben, wie das Leben funktioniert. Aber genau so funktioniert es mit jedem Tag weniger.
Selbstverständlich langweilt mich manches von dem, was sich in kleineren und größeren Abständen wiederholt. Am häufigsten begegnen mir lästige Gedanken, denen zu viel von jenem Gift namens Angst beigemischt ist.
Und Werner, der mit seinen 80 Lebensjahren um zehn Jahre älter ist als ich, stimmte mir stets zu, wenn ich behauptete, die anwachsende Wahrscheinlichkeit eines todbringenden Herzinfarktes und Schlaganfalls sei in unserem Alter nicht zu vernachlässigen. Gerhard nickte meistens nur.
Aber mich plagt die viel größere Sorge, wesentliche Gefühlsfähigkeiten einzubüßen, die mir jetzt noch intensive Kontakte mit anderen Menschen erlauben.
Immer häufiger fehlen mir die richtigen Worte. Irgendwie stottere ich mich durch umständliche Schachtelsätze. Gelegentlich neige ich zu plattesten Rechthabereien und mein
Mitgefühl für meine Zeitgenossen lässt spürbar nach, wenn sie mir genau dann nicht recht geben wollen.
„Ein richtiger Rechthaber kann nicht mal seinem Echo recht geben.“ wusste Oberförster a.D. Werner anzumerken. Und auch er konnte jetzt offenbar nicht nachempfinden, was er da Beleidgendes von sich gegeben hatte.
Denn ausgerechnet mit der Rechthaberei werde ich meinem einst alternden Vater täglich ähnlicher.
Zudem war der ein äußerst übler Schläger. Vor allem in Zeiten, als ich, sein einziger Sohn, zwischen vier und vierzehn Jahre alt war.
Sein hilfloses Opfer war ich und vor allem das seiner siebenschwänzigen Peitsche, die er einst in britischer Kriegsgefangenschaft kaufte, um sich angeblich damit gegen schwule Stricher zu wehren. Übrigens Hitler soll auch so eine Peitsche besessen haben. Und natürlich auch die Folterknechte, die seine Gegner quälten, um von ihnen Geständnisse zu erzwingen, die ihnen anschlließend Freiheits- und Todestrafen einbrachten.
In einer schmalen Kammer unter dem Dach unseres Hauses, in der es im Sommer unerträglich heiß wurde, musste ich mit heruntergelassener Hose auf meinen Vater warten, bevor er mir mit der Peitsche, die an einem Haken bereit hing, den Hintern verdrosch.
Natürlich war es Folter. Und meine Mutter ließ es zu. Das traf mich eigentlich noch mehr.
Der Schmerz verfolgt mich bis heute. Nicht mehr körperlich, aber als Erniedrigung meines damals sehr mühsam beginnenden Selbstbewusstseins, das sich bis heute nicht wirklich frei entfalten will.
Alle anderen Gefühle, vor allem die erfreulichen, schwinden von Jahr zu Jahr.

Heute trafen wir uns wieder. Wir drei alten Männer. Die Dorfstraße führt ziemlich steil bergauf. Werde täglich kurzatmiger. Gierig schnappte ich nach Luft.
Gerhard, wie ich einst Beamter im Jugendamt und eher verschwiegen und gebeugt gehend, sowie Werner, der einstige Forstbeamte im gehobenen Staatsdienst, der sich äußerst gerade hielt und immer viel zu viel zu erzählen wusste. Gelegentlich, nein, ziemlich häufig auch Jägerlatein.
Da gab es so einige unglaublich mutige Auftritte wie jenen, als er sich einem besonders mächtigen Eber entgegenstellte, um eine junge, auffällig attraktive Waldspaziergängerin zu retten, die sich ihm dann dankbar an den Hals warf und ihn anschließend noch oft im Forsthaus besuchte. Natürlich zum Leidwesen seiner eifersüchtigen Ehefrau.
Werner und Gerhard warteten schon auf mich. Ich war gerade noch pünktlich. Unpünktlichkeit geht bei uns gar nicht.
Aber ich habe den weitesten und steilsten Weg bis zu unserem Treffpunkt, dem einstigen Stehcafé der ehemaligen Dorfbäckerei.
Die schloß schon vor Jahren, da die Anzahl der Kunden nicht mehr ausreichte, um mit den Einnahmen von ihnen die Familie des Bäckers zu ernähren.
Hinter mit Zeitungspapier verklebten Schaufensterscheiben hockten wir oft und schmiedeten fantasievolle Rachepläne. Wir, die Geprügelten, deren inzwischen tote Väter einst erbarmungslos zuschlugen. Väter, die als Soldaten dem Führer dienten, schon widerwillig und dennoch gehorsam und tapfer.
Zufällig haben wir uns hier in Wallhausen gefunden und sind gleichzeitig sicher, dass es kein Zufall gewesen sein konnte. Ich wohne erst seit gut fünf Jahren in dem 600-Seelen-Dorf. Bin mit meiner Frau hierher gezogen, da es uns in der Stadt zu laut und zu hektisch geworden war.
Gut drei Jahre kennen wir Drei uns schon.
Aber wenn wir uns gegenseitig in die Augen zu sehen versuchen, weichen unsere Blicke automatisch aus und suchen auf dem Boden Halt. Erst beim zweiten Mal können wir uns offen in die Augen sehen.
Irgendwann im vorletzten Jahr kamen wir auf die Idee, dass uns nur Rache helfen könnte.
Rache an unseren toten Vätern. Aber dafür brauchten wir lebende.
Seit Wochen kamen unsere Planungen nicht voran. Es fehlten uns die richtigen Objekte.
Werner, unser Ältester, meinte schließlich, wir sollten uns den so genannten Heiligen Vater vornehmen.
Zunächst haben wir nur lästerliche Leserbriefe über den alten Mann im Vatikan geschrieben. Vor allem, wenn er einmal wieder den Zölibat verteidigte. Wir behaupteten hingegen, er habe, wie viele Männer, nur Angst vor der verführerischen Macht der Frauen. Irgendwann reichte uns das nicht mehr.
Wir buchten einen gemeinsamen Flug nach Rom, verwarfen aber dann die Idee, weil wir nicht wollten, dass der alte Mann im Vatikan auch noch zum Martyrer und später heilig gesprochen wurde.
Ja, wir waren verrückt, denn Werner hatte sogar einen ehemaligen Kollegen aus Italien, den er bei einem europäischen Workshop für Forstbeamte kennen gelernt hatte, gebeten, ihm eine Jagdflinte zu besorgen. Gut, es war ohnehin naiv zu glauben, mit der Flinte an der Schweizer Garde vorbei in den Vatikanstaat eindringen zu können.

Auch die deutschen Bundespräsidenten gaben in den Vorjahren nicht viel her. Sie traten zurück, bevor wir überhaupt in der Lage waren, echte Racheplän zu schmieden.
Immerhin war der vorletzte Bundespräsident zur Hirschjagd in jenes Waldgebiet eingeladen worden, indem Werner einst als Oberförster seinen Dienst tat.
Doch ausgerechnet wenige Tage vor dieser Jagd erkrankte Werner an einer heftigen Grippe, die er beinahe nicht überlebt hätte, weil er sich, da er Heilkräuter bevorzugt, aus Prinzip keiner Schutzimpfung unterziehen wollte.
Ohne Werner, der sich in dem Staatsforst bestens auskannte, konnte unser Rachefeldzug nicht gelingen.
Ich hatte noch einen ständig Streit suchenden Nachbarn anzubieten. Der hätte sich gewiss geeignet.
Doch meine Miträcher lebten nur neben Nachbarn der besonders netten Sorte und konnten sich einfach keinen vorstellen, der ihnen heimlich Laub und Hundekot über die Gartenhecke warf, ständig nachts an einer versteckten Stelle gegen meine Ligusterhecke pinkelte und schon dreimal meine Katze vergiftete, ohne dass ich es ihm nachweisen konnte.

Also galt es einen unbekannten Vater zu finden. Wir versuchten es per Suchanzeige im Internet.
Der Wortlaut war einfach und dennoch raffiniert: Gleichgesinnte suchen Väter, die noch mit Überzeugung die Prügelstrafe praktizieren. Und dann nur noch Werners Telefonnummer.
Natürlich waren wir noch Realisten genug, um nicht wirklich zu glauben, dass sich daraufhin jemand melden würde. Aber wir konnten immerhin unser Vorurteil pflegen, dass prügelnde Väter vor allem Feiglinge sind, die nicht zu ihrer Gewaltätigkeit stehen.
Dann meldeten sich innerhalb einer Woche drei. Für jeden von uns einer.
Sie riefen bei Werner abends und einer sogar erst nach Mitternacht an.
Er lud zunächst einen der Bewerber ein. Seine Stimme habe am Telefon besonders brutal geklungen. Werner lobte ihn zum Schein für seine konsequente Erziehungsmethode und beendete das Telefonat mit dem geflügelten Wort: Wer nicht hören will muss fühlen. Der Kandidaten verabschiedeten sich lautstark und hocherfreut und versprach unaufgefordert, in jedem Fall pünktlich vor Ort zu sein. Die beiden anderen Kandidaten vertröstete Werner auf später.

Nach langem Suchen fand ich die siebenschwänzige Peitsche in dem alten Lederkoffer, den mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft mit nach Hause gebracht hatte.
Das Leder der Peitschenriemen war brüchig geworden. Aber als ich die Riemen mit Olivenöl einrieb, wurden sie wieder geschmeidig.
Die so präparierte Peitsche steckte ich in einen alten Rucksack, der mir ansonsten dazu diente, bei Wanderungen mit meiner Frau darin Essen, Ersatzsocken und Regenkleidung mitzunehmen.
An der Bäckerei angekommen, klopfte ich unser verabredetes Zeichen: drei Mal lang, drei Mal kurz, drei Mal lang – SOS - an die Tür.
Werner öffnete.
„Komm rein. Hier schleicht schon einige Zeit so ein Typ herum.“
„Aber der sollte doch erst in einer Stunde kommen.“
„Hat wohl Angst, zu spät zu kommen. Wir werden ihn jedenfalls nicht eher reinlassen.“
Werner schloss hinter mir die Tür ab.
Hastig öffnete ich den Rucksack, holte die Peitsche heraus und hing sie an einen der Kleiderhaken an der alten Garderobe neben der Tür.
Werner und Gerhard sahen sie sich schweigend an.
Schließlich meinte Werner: „Mein Alter schlug mich mit einem Leibriemen, den er sich aus der Hose zog. Hatte er quasi immer bei sich. Deswegen trage ich nur Hosenträger. Auch zur Forstuniform, obwohl da eigentlich Ledergürtel mit Koppelschloss vorgeschrieben waren.“
Gerhard sah zu Boden und schwieg lange. Sein Vater schlug mit fast allem, was gerade in erreichbarer Nähe war, Kohlenschaufeln, Handfeger, Feuerhaken, Stöcke – und wenn er nichts fand, mit der bloßen Hand. Und wenn seinem Alten danach die Handinnenfläche brannte, ließ er sich auch noch von seinem Sohn bedauern.
Schließlich meinte er leise: „Gut, dass mein Vater nicht noch so eine Peitsche hatte.
Wir räumten die drei wackeligen Stehtische, die noch von einstigen Stehcafé übrig geblieben waren, in einen Nebenraum, fanden dort einen verstaubten Stuhl und stellten ihn in die Mitte des halbdunklen Raumes. Alles schweigend und ohne dass einer von uns Anweisungen geben musste.
Werner sah wieder einmal durch ein Loch, das er in das Zeitungspapier an der Schaufensterscheibe gerissen hatte. „Achtung, er kommt näher.“
Vorsichtig schlich ich mich zur Tür und drehte behutsam den Schlüssel herum.
Es dauerte noch eine Weile, bis er an die Tür klopfte.
„Kommen Sie rein. Es ist offen!“ dröhnte Gerhards Baß durch den fast leeren Raum.
Die Tür wurde langsam geöffnet.
Im Rahmen stand ein ziemlich schmächtiger Mann mit kurz geschorenem Haar, in einer Cord-Jeans und einem bunt karrierten Hemd.
„Bin ich hier richtig bei denen, die Prügelstrafe richtig finden?“ Seine Stimme klang weniger brutal – eher hinterhältig verschwörerisch.
„Nicht so ganz…“ rief Gerhard und bat den Mann auf dem Stuhl in der Mitte Platz zu nehmen.
Gemeinsam lösten wir uns von der Wand und gingen in die Mitte. Werner und ich blieben vor ihm und Gerhard hinter ihm stehen.
„Es ist ziemlich dunkel. Kann man hier kein Licht machen?“
Werner ging zum Lichtschalter. Die nackte Glühbirne mitten im Raum über dem Stuhl flammte auf.
Der Mann, höchstens fünfzig, versuchte uns nacheinander anzusehen. Es fiel ihm schwer. Ich hingegen konnte ihm mühelos und ohne Pause in die grau-grünen Augen blicken.
Dabei ging ich rückwärts zur Tür, drehte den Schlüssel herum, zog ihn ab und gab ihn Gerhard. Der steckte ihn in die Hosentasche.
Wortlos griff ich nach der Siebenschwänzigen an der Garderobe.
Der Schmächtige sah erst mich, dann Gerhard und Werner an, lachte verlegen und wollte aufstehen.
„Bleiben Sie sitzen!“ knurrte Werner.
„Am besten legen Sie sich über den Stuhl!“ versuchte ich es mit drohendem Tonfall.
Er sah mich unterwürfig an. „Erwachsene würde ich nie schlagen. Mein ältester Sohn ist längst größer als ich. Ihn schlage ich auch nicht mehr. Und meine Tochter sowieso nicht. Ich schlage weder Mädchen noch Frauen.“
„Für mich bist du gerade zehn. Also leg dich über den Stuhl.“ Drohend schlug ich mir mit der Peitsche gegen mein rechtes Hosenbein. „Los. Wird’s bald?!“
Werner wollte ihn packen.
„Fassen Sie mich nicht an!“ brüllte der Schmächtige, stand von seinem Stuhl auf und stellte sich mit dem Rücken gegen die verschlossene Tür. „Und lassen Sie mich sofort hier raus!“
Gerhard ging auf ihn zu, schob ihn zur Seite, zog den Schüssel aus der Hoschtasche und steckte ihn umständlich ins Schlüsselloch. „Sie können gehen, wenn Sie mir versprechen nie mehr ein Kind zu schlagen.“
Der Mann setzte sich wieder auf den Stuhl und nickte. „Also gut. Ich habe meinen damals Sohn geschlagen, aber nicht oft. Zuletzt, weil er seine Mutter beleidigt hat. Feige Sau, hat er sie angebrüllt.“
Noch einmal stellte ich mich vor dem Schmächtigen auf. „Klar, wenn die nicht den Mumm hat, ihren Sohn vor dem prügelnden Vater zu schützen.“
„Also, was nun?“ fragte ihn Gerhard drohend.
„Ich werde ihn nicht mehr schlagen. Er ist mir längst überlegen und würde zurückschlagen..“
„Feigling!“ knurrte Werner und kratzte sich den Bart. „Prügelnde Väter sind einfach nur elende Feiglinge…“ Er schob Gerhard beiseite, schloss die Tür auf, brüllte: „Gehe mir aus den Augen!“
Dann riss er die Tür auf. Der Schmächtige rannte hinaus.
Wir drei sahen uns an und lachten laut.
Werner musste noch einen Spruch ablassen. „Wichte müssen sich halt wichtig machen. Notfalls mit Gewalt.“
Gerhard schüttelte den Kopf. „Hast du die Angst in seinen Augen gesehen. Jedenfalls habe ich auf die anderen Beiden keine Lust mehr.“
Werner und ich nickten.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,
eine lesenswere geschichte, wie ich meine.

der spagat zwischen glaubwürdigkeit und skurilität bzw, absurdität funktioniert.
allerdings will mir der aufbau nicht so recht gefallen.
das intro ist recht lang geraten und es braucht einige absätze bis du den leser mitnimmst.
die vorstellung der drei akteure strapaziert die geduld des lesers.
mein vorschlag zur komprimierung:

lass die geschichte mit dem auftauchen der peitsche und den drei alten beginnen.
das ist fesselnd.
z.bsp. :
" dies ist die alte peitsche meines vaters", sagte ich....
dann die geschichte der peitsche(die ist toll)

die drei sitzen von anfang an in der bäckerei und warten auf ihr opfer.
von hier aus könntest du in kurzen rückblicken deine geschichte aufbauen.
es bedarf nur einiger umstellungen.

und schon hast du den leser von anfang an bei den "eiern".
vielleicht solte der titel auch bezugnehmen auf die peitsche.
hm, geschmackssache.

insgesamt: spannend und irritierend.
ganz nach meinem geschmack.
ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,

ich habe mal ein wenig experimentiert, und dir einen kleinen vorschlag geschrieben für einen anfang:

Die Peitsche


„Das also,“ sagte ich, „das ist sie - die Peitsche meines Vaters!“
Jetzt lag sie auf dem Tisch, der ehemaligen Bäckereistube.
Nur fahl drang die Sonne durch die zugeklebten Fensterscheiben und tauchte uns in ein gespenstisches Licht.
Es hatte mich einiges an Überwindung gekostet dies Erbstück auf dem Dachboden zu suchen,
und noch mehr Überwindung sie wieder einzufetten, biegsam zu machen, gebrauchsfertig
für den heutigen Tag.
Sechzig Jahre waren vergangen und doch spürte ich sie plötzlich wieder, die Schläge meines Vaters
auf den Rücken seines achtjährigen Sohnes.
„ Ein hervorragendes Stück“, sagte Gerhardt. Seine Stimme stockte, „ich meine...“ , er verstummte.

lg
ralf
 
Lieber Ralf,
da manches an der Geschichte autobiografisch ist, musste ich mich erst an die eigentliche Geschichte heranschreiben.
Aber du hast recht mit deiner Anregung.
Danke dir.
Herzliche Grüße
Karl
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,
dass sie authentische hintergründe hat, hab ich mir gedacht.

aus dem fundus der eigenen erfahrungen erwachsen die besten geschichten.
ralf
 
Heute treffen wir uns schon wieder. Wir drei alten Männer.
Die Dorfstraße führt steil bergauf. Obwohl der alte Lederkoffer fast leer ist, wird er mit jedem meiner Schritte schwerer und ich werde kurzatmiger. Schnappe gierig nach Luft.
Bleibe stehen, atme tief durch und klopfe an die rissige Holztür der ehemaligen Bäckerei unser verabredetes Zeichen. Drei Mal lang, drei Mal kurz, drei Mal lang – SOS. Werner öffnet.
„Komm rein. Hier schleicht schon einige Zeit so ein Typ herum.“
„Aber der sollte doch erst in einer Stunde kommen.“
„Hat wohl Angst, zu spät zu kommen. Wir werden ihn jedenfalls nicht eher reinlassen.“
Werner, unser Oberförster a.D. schloss hinter mir die Tür ab.
Mit müdem Schwung werfe ich den Lederkoffer auf den Boden. Er springt auf. Ich greife hinein, hole die siebenschwänzige Peitsche heraus und hänge sie an einen der Kleiderhaken der alten Garderobe neben der Tür. „Das ist sie!“
Werner und Gerhard, der wie ich einst im Jugendamt arbeitete, sehen sie sich schweigend an.
Schließlich beginnt Werner sich den Bart zu kratzen: „Mein Alter schlug mich mit einem Leibriemen, den er sich aus der Hose zog. Hatte er quasi immer bei sich. Deswegen trage ich Hosenträger. Auch zur Forstuniform, obwohl da Ledergürtel mit Koppelschloss vorgeschrieben waren.“
Gerhard sieht zu Boden und schweigt lange. Sein Vater schlug mit fast allem, was gerade in erreichbarer Nähe war, Kohlenschaufeln, Handfeger, Feuerhaken, Stöcke – und fand er nichts, mit der bloßen Hand. Und wenn seinem Alten danach die Handinnenfläche brannte, ließ er sich auch noch von seinem Sohn bedauern.
Schließlich meint er leise: „Gut, dass mein Vater nicht noch so eine Peitsche hatte.
Wir schieben die drei wackeligen Stehtische des einstigen Stehcafés beiseite. In einen Nebenraum, finden einen verstaubten Stuhl. Stellen ihn in die Mitte des halbdunklen Raumes. Schweigend und ohne dass einer von uns Anweisungen geben muss.
Werner sieht immer wieder einmal durch ein Loch, das er in das Zeitungspapier an der Schaufensterscheibe gerissen hat. „Achtung, er kommt schon näher.“
Vorsichtig schleiche ich mich zur Tür und drehe behutsam den Schlüssel noch einmal herum.
„Der soll ruhig warten! War lange genug sein hilfloses Opfer und vor allem das seiner Peitsche. Will sie sich einst in britischer Kriegsgefangenschaft gekauft haben, um sich damit gegen schwule Stricher zu wehren. Übrigens Hitler soll auch so eine. Und natürlich die Folterknechte, die seine Gegner quälten, um von ihnen Geständnisse zu erpressen, um sie zu Freiheits- und Todestrafen verurteilen zu können.
In einer schmalen Kammer unter dem Dach unseres Hauses, in der es im Sommer unerträglich heiß wurde, musste ich mit heruntergelassener Hose auf meinen Vater warten, bevor er mir mit der Peitsche, die an einem Haken bereit hing, den Hintern verdrosch.
Natürlich war es Folter. Der Schmerz verfolgt mich bis heute. Andere Gefühle, vor allem die erfreulichen, schwinden von Jahr zu Jahr.“
Gerhard, eher verschwiegen und gebeugt gehend, nickt wortlos. Werner, einst Forstbeamte im gehobenen Staatsdienst, der sich äußerst gerade hält, weiß sonst immer viel zu erzählen, häufig auch Jägerlatein.
Da gab es unglaublich mutige Auftritte wie jenen, als er sich einem besonders mächtigen Eber entgegenstellte, um eine junge, auffällig attraktive Waldspaziergängerin zu retten, die sich ihm dann dankbar an den Hals warf und ihn anschließend oft im Forsthaus besuchte. Natürlich zum Leidwesen seiner eifersüchtigen Ehefrau.

Wir drei alten Männer treffen uns schon lange hier in der alten Bäckerei. Sie schloss vor Jahren, da die Anzahl der Kunden nicht mehr reichte, um mit den Einnahmen von ihnen die Familie des Bäckers zu ernähren. Hinter mit inzwischen altem Zeitungspapier verklebten Schaufensterscheiben hockten wir und schmiedeten Rachepläne. Wir, die Geprügelten, deren inzwischen tote Väter einst erbarmungslos zuschlugen. Sie, die als Soldaten dem Führer dienten, widerwillig und dennoch gehorsam und tapfer.
Wenn wir Drei uns gegenseitig in die Augen zu sehen versuchen, weichen unsere Blicke immer noch automatisch aus und suchen auf dem Boden Halt.
Irgendwann im vorletzten Jahr kamen wir auf die Idee, dass uns nur Rache helfen könnte.
Rache an unseren toten Vätern. Dafür brauchten wir lebende.

Werner, unser Ältester, meinte schließlich, wir sollten uns den so genannten Heiligen Vater vorknöpfen.
Haben lästerliche Leserbriefe über den alten Mann im Vatikan geschrieben. Vor allem, wenn er einmal wieder den Zölibat verteidigte. Behaupteten, er habe, wie viele Männer, nur Angst vor der verführerischen Macht der Frauen.
Irgendwann reichte uns das nicht mehr.
Wir buchten einen gemeinsamen Flug nach Rom, verwarfen aber dann die Idee, weil wir nicht wollten, dass der alte Mann im Vatikan auch noch zum Martyrer und später heilig gesprochen wurde.
Werner hatte sogar einen ehemaligen Kollegen aus Italien, den er bei einem europäischen Workshop für Forstbeamte kennen gelernt hatte, gebeten, ihm eine Jagdflinte zu besorgen. Gut, es war ohnehin naiv zu glauben, mit der Flinte an der Schweizer Garde vorbei in den Vatikanstaat eindringen zu können.

Auch die deutschen Bundespräsidenten gaben in den Vorjahren nicht viel her. Sie traten zurück, bevor wir überhaupt in der Lage waren, echte Racheplän zu schmieden.

Schließlich versuchten wir es per Suchanzeige im Internet.
Der Wortlaut war einfach und dennoch raffiniert: Gleichgesinnte suchen Väter, die noch mit Überzeugung die Prügelstrafe praktizieren. Und dann nur noch Werners Telefonnummer.
Natürlich waren wir Realisten genug, um nicht wirklich zu glauben, dass sich daraufhin jemand melden würde. Aber wir konnten immerhin unser Vorurteil pflegen, dass prügelnde Väter vor allem Feiglinge sind, die nicht zu ihrer Gewaltätigkeit stehen.
Dann meldeten sich innerhalb einer Woche drei. Für jeden von uns einer.
Sie riefen bei Werner abends und einer sogar erst nach Mitternacht an.
Er lud zunächst einen der Bewerber ein. Seine Stimme habe am Telefon besonders brutal geklungen. Werner lobte ihn zum Schein für seine konsequente Erziehungsmethode und beendete das Telefonat mit dem geflügelten Wort: Wer nicht hören will muss fühlen. Der Kandidat verabschiedete sich hocherfreut und versprach unaufgefordert, in jedem Fall pünktlich vor Ort zu sein. Die beiden anderen Kandidaten vertröstete Werner auf später.

Gerhard schlurft zum Schaufenster und späht durch das Loch in der Zeitung.
„Er geht auf die Tür zu!“
Oberförster a.D. Werner schleicht zur Tür und dreht den Schlüssel im Schloss zweimal links herum.

„Kommen Sie rein. Es ist offen!“ dröhnt Werners Baß durch den fast leeren Raum.
Die Tür wird langsam geöffnet.
Im Rahmen steht ein ziemlich schmächtiger Mann mit kurz geschorenem Haar, in Cord-Jeans und einem bunt karrierten Hemd.
„Bin ich hier richtig bei denen, die Prügelstrafe richtig finden?“ Seine Stimme klingt weniger brutal – eher hinterhältig verschwörerisch.
„Nicht so ganz…“ ruft Gerhard und bittet den Mann auf dem Stuhl in der Mitte Platz zu nehmen.
Werner und ich bleiben vor ihm und Gerhard hinter ihm stehen.
Der Schmächtige blickt sich um. „Ist ziemlich dunkel. Kann man hier kein Licht machen?“
Werner geht zum Lichtschalter.
Die nackte Glühbirne mitten im Raum über dem Stuhl flammt auf.
Der Mann auf dem Stuhl, höchstens fünfzig, versucht uns nacheinander anzusehen. Ich kann ihm mühelos in die grau-grünen Augen blicken.
Dabei gehe ich rückwärts zur Tür, drehe den Schlüssel herum, ziehe ihn ab und gebe ihn Gerhard. Der steckt ihn in die Hosentasche.
Wortlos greife ich nach der Siebenschwänzigen an der Garderobe.
Der Schmächtige sieht erst mich, dann Gerhard und Werner an, lacht verlegen und will aufstehen.
„Ja! Am besten legen Sie sich über den Stuhl!“ versuche ich es mit drohendem Tonfall.
Er sieht mich unterwürfig an. „Erwachsene würde ich nie schlagen. Mein ältester Sohn ist längst größer als ich. Ihn schlage ich nicht mehr. Und meine Tochter sowieso nicht. Ich schlage weder Mädchen noch Frauen.“
„Für mich bist du gerade zehn. Los, leg dich über den Stuhl.“ Drohend schlage ich mir mit der Peitsche gegen mein rechtes Hosenbein. „Wird’s bald?!“
Werner will ihn packen.
„Fassen Sie mich nicht an!“ brüllt der Schmächtige, steht von seinem Stuhl auf und stellt sich mit dem Rücken gegen die verschlossene Tür. „Lassen Sie mich sofort hier raus!“
Gerhard geht auf ihn zu, schiebt ihn zur Seite, zieht den Schüssel aus der Hosentasche und steckt ihn umständlich ins Schlüsselloch. „Sie können gehen, wenn Sie versprechen, nie wieder Kinder zu schlagen.“
„Ja, klar…!“
Gerhard reißt die Tür auf. Der Schmächtige rennt raus.
Wir drei sehen uns an und lachen laut.
Gerhard schüttelt den Kopf. „Hast du die Angst in seinen Augen gesehen. Jedenfalls habe ich auf die anderen Beiden keine Lust mehr.“
Werner und ich nicken.
 
Heute treffen wir uns schon wieder. Wir drei alten Männer.
Die Dorfstraße führt steil bergauf. Obwohl der alte Lederkoffer fast leer ist, wird er mit jedem meiner Schritte schwerer und ich werde kurzatmiger. Schnappe gierig nach Luft.
Bleibe stehen, atme tief durch und klopfe an die rissige Holztür der ehemaligen Bäckerei unser verabredetes Zeichen. Drei Mal lang, drei Mal kurz, drei Mal lang – SOS. Werner öffnet.
„Komm rein. Hier schleicht schon einige Zeit so ein Typ herum.“
„Aber der sollte doch erst in einer Stunde kommen.“
„Hat wohl Angst, zu spät zu kommen. Wir werden ihn jedenfalls nicht eher reinlassen.“
Werner, unser Oberförster a.D. schloss hinter mir die Tür ab.
Mit müdem Schwung werfe ich den Lederkoffer auf den Boden. Er springt auf. Ich greife hinein, hole die siebenschwänzige Peitsche heraus und hänge sie an einen der Kleiderhaken der alten Garderobe neben der Tür. „Das ist sie!“
Werner und Gerhard, der wie ich einst im Jugendamt arbeitete, sehen sie sich schweigend an.
Schließlich beginnt Werner sich den Bart zu kratzen: „Mein Alter schlug mich mit einem Leibriemen, den er sich aus der Hose zog. Hatte er quasi immer bei sich. Deswegen trage ich Hosenträger. Auch zur Forstuniform, obwohl da Ledergürtel mit Koppelschloss vorgeschrieben waren.“
Gerhard sieht zu Boden und schweigt lange. Sein Vater schlug mit fast allem, was gerade in erreichbarer Nähe war, Kohlenschaufeln, Handfeger, Feuerhaken, Stöcke – und fand er nichts, mit der bloßen Hand. Und wenn seinem Alten danach die Handinnenfläche brannte, ließ er sich auch noch von seinem Sohn bedauern.
Schließlich meint er leise: „Gut, dass mein Vater nicht noch so eine Peitsche hatte.
Wir schieben die drei wackeligen Stehtische des einstigen Stehcafés beiseite. In einen Nebenraum, finden einen verstaubten Stuhl. Stellen ihn in die Mitte des halbdunklen Raumes. Schweigend und ohne dass einer von uns Anweisungen geben muss.
Werner sieht immer wieder einmal durch ein Loch, das er in das Zeitungspapier an der Schaufensterscheibe gerissen hat. „Achtung, er kommt schon näher.“
Vorsichtig schleiche ich mich zur Tür und drehe behutsam den Schlüssel noch einmal herum.
„Der soll ruhig warten! War lange genug sein hilfloses Opfer und vor allem das seiner Peitsche. Will sie sich einst in britischer Kriegsgefangenschaft gekauft haben, um sich damit gegen schwule Stricher zu wehren. Übrigens Hitler soll auch so eine. Und natürlich die Folterknechte, die seine Gegner quälten, um von ihnen Geständnisse zu erpressen, um sie zu Freiheits- und Todestrafen verurteilen zu können.
In einer schmalen Kammer unter dem Dach unseres Hauses, in der es im Sommer unerträglich heiß wurde, musste ich mit heruntergelassener Hose auf meinen Vater warten, bevor er mir mit der Peitsche, die an einem Haken bereit hing, den Hintern verdrosch.
Natürlich war es Folter. Der Schmerz verfolgt mich bis heute. Andere Gefühle, vor allem die erfreulichen, schwinden von Jahr zu Jahr.“
Gerhard, eher verschwiegen und gebeugt gehend, nickt wortlos. Werner, einst Forstbeamte im gehobenen Staatsdienst, der sich äußerst gerade hält, weiß sonst immer viel zu erzählen, häufig auch Jägerlatein.
Da gab es unglaublich mutige Auftritte wie jenen, als er sich einem besonders mächtigen Eber entgegenstellte, um eine junge, auffällig attraktive Waldspaziergängerin zu retten, die sich ihm dann dankbar an den Hals warf und ihn anschließend oft im Forsthaus besuchte. Natürlich zum Leidwesen seiner eifersüchtigen Ehefrau.

Wir drei alten Männer treffen uns schon lange hier in der alten Bäckerei. Sie schloss vor Jahren, da die Anzahl der Kunden nicht mehr reichte, um mit den Einnahmen von ihnen die Familie des Bäckers zu ernähren. Hinter mit inzwischen altem Zeitungspapier verklebten Schaufensterscheiben hockten wir und schmiedeten Rachepläne. Wir, die Geprügelten, deren inzwischen tote Väter einst erbarmungslos zuschlugen. Sie, die als Soldaten dem Führer dienten, widerwillig und dennoch gehorsam und tapfer.
Wenn wir Drei uns gegenseitig in die Augen zu sehen versuchen, weichen unsere Blicke immer noch automatisch aus und suchen auf dem Boden Halt.
Irgendwann im vorletzten Jahr kamen wir auf die Idee, dass uns nur Rache helfen könnte.
Rache an unseren toten Vätern. Dafür brauchten wir lebende.

Werner, unser Ältester, meinte schließlich, wir sollten uns den so genannten Heiligen Vater vorknöpfen.
Haben lästerliche Leserbriefe über den alten Mann im Vatikan geschrieben. Vor allem, wenn er einmal wieder den Zölibat verteidigte. Behaupteten, er habe, wie viele Männer, nur Angst vor der verführerischen Macht der Frauen.
Irgendwann reichte uns das nicht mehr.
Wir buchten einen gemeinsamen Flug nach Rom, verwarfen aber dann die Idee, weil wir nicht wollten, dass der alte Mann im Vatikan auch noch zum Martyrer und später heilig gesprochen wurde.
Werner hatte sogar einen ehemaligen Kollegen aus Italien, den er bei einem europäischen Workshop für Forstbeamte kennen gelernt hatte, gebeten, ihm eine Jagdflinte zu besorgen. Gut, es war ohnehin naiv zu glauben, mit der Flinte an der Schweizer Garde vorbei in den Vatikanstaat eindringen zu können.

Auch die deutschen Bundespräsidenten gaben in den Vorjahren nicht viel her. Sie traten zurück, bevor wir überhaupt in der Lage waren, echte Racheplän zu schmieden.

Schließlich versuchten wir es per Suchanzeige im Internet.
Der Wortlaut war einfach und dennoch raffiniert: Gleichgesinnte suchen Väter, die noch mit Überzeugung die Prügelstrafe praktizieren. Und dann nur noch Werners Telefonnummer.
Natürlich waren wir Realisten genug, um nicht wirklich zu glauben, dass sich daraufhin jemand melden würde. Aber wir konnten immerhin unser Vorurteil pflegen, dass prügelnde Väter vor allem Feiglinge sind, die nicht zu ihrer Gewaltätigkeit stehen.
Dann meldeten sich innerhalb einer Woche drei. Für jeden von uns einer.
Sie riefen bei Werner abends und einer sogar erst nach Mitternacht an.
Er lud zunächst einen der Bewerber ein. Seine Stimme habe am Telefon besonders brutal geklungen. Werner lobte ihn zum Schein für seine konsequente Erziehungsmethode und beendete das Telefonat mit dem geflügelten Wort: Wer nicht hören will muss fühlen. Der Kandidat verabschiedete sich hocherfreut und versprach unaufgefordert, in jedem Fall pünktlich vor Ort zu sein. Die beiden anderen Kandidaten vertröstete Werner auf später.

Gerhard schlurft zum Schaufenster und späht durch das Loch in der Zeitung.
„Er geht auf die Tür zu!“
Oberförster a.D. Werner schleicht zur Tür und dreht den Schlüssel im Schloss zweimal links herum.

„Kommen Sie rein. Es ist offen!“ dröhnt Werners Baß durch den fast leeren Raum.
Die Tür wird langsam geöffnet.
Im Rahmen steht ein ziemlich schmächtiger Mann mit kurz geschorenem Haar, in Cord-Jeans und einem bunt karrierten Hemd.
„Bin ich hier richtig bei denen, die Prügelstrafe richtig finden?“ Seine Stimme klingt weniger brutal – eher hinterhältig verschwörerisch.
„Nicht so ganz…“ ruft Gerhard und bittet den Mann auf dem Stuhl in der Mitte Platz zu nehmen.
Werner und ich bleiben vor ihm und Gerhard hinter ihm stehen.
Der Schmächtige blickt sich um. „Ist ziemlich dunkel. Kann man hier kein Licht machen?“
Werner geht zum Lichtschalter.
Die nackte Glühbirne mitten im Raum über dem Stuhl flammt auf.
Der Mann auf dem Stuhl, höchstens fünfzig, versucht uns nacheinander anzusehen. Ich kann ihm mühelos in die grau-grünen Augen blicken.
Dabei gehe ich rückwärts zur Tür, drehe den Schlüssel herum, ziehe ihn ab und gebe ihn Gerhard. Der steckt ihn in die Hosentasche.
Wortlos greife ich nach der Siebenschwänzigen an der Garderobe.
Der Schmächtige sieht erst mich, dann Gerhard und Werner an, lacht verlegen und will aufstehen.
„Ja! Am besten legen Sie sich über den Stuhl!“ versuche ich es mit drohendem Tonfall.
Er sieht mich unterwürfig an. „Erwachsene würde ich nie schlagen. Mein ältester Sohn ist längst größer als ich. Ihn schlage ich nicht mehr. Und meine Tochter sowieso nicht. Ich schlage weder Mädchen noch Frauen.“
„Für mich bist du gerade zehn. Los, leg dich über den Stuhl.“ Drohend schlage ich mir mit der Peitsche gegen mein rechtes Hosenbein. „Wird’s bald?!“
Werner packt ihn beim Hemd, schüttelte ihn und fährt ihn an: „Los Hose runter!“
Der Schmächtige, steht von seinem Stuhl auf, lässt seine Hose herunter. „Die Unterhose auch noch.“ Werner holt tief Luft. „So und jetzt übern Stuhl legen.“
Der Schmächtige bleibt stehen und schreit heiser. „Lassen Sie mich sofort hier raus!“
Gerhard geht auf ihn zu, schiebt ihn zur Seite, zieht den Schüssel aus der Hosentasche und steckt ihn umständlich ins Schlüsselloch. „Sie können gehen, wenn Sie versprechen, nie wieder Kinder zu schlagen.“
„Ja, klar…!“
Gerhard reißt die Tür auf. Der Schmächtige rennt raus.
Ich hebe seine Hosen auf und werfe sie ihm hinterher.
Dann blicke ich mich zu Gerhard und Werner um. Wir drei beginnen laut zu lachen.
Gerhard fasst sich zuerst wieder und schüttelt den Kopf. „Hast du die Angst in seinen Augen gesehen. Jedenfalls habe ich auf die anderen Beiden überhaupt keine Lust mehr."
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,

habe nun die zweite überarbeitete version gelesen.
meiner meinung nach ist sie jetzt gelungener

ralf
 



 
Oben Unten