freude all so

5,00 Stern(e) 4 Bewertungen
  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
  • Erstellt am
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ich freue mich, daß Du's erkannt hast, Walther. Danke!
 
Hallo Mondnein,

freude all so

die freude vom erkennen ist unbeschreiblich
unbeschreiblich das erkennen nie
es besteht aus beschreiben
des unbeschreiblichen

der freude all so
Ich verstehe es so: Ein Rezipienten realisiert (oder erkennt), dass ein Autor in seinem Text einen Auszug der Wirklichkeit genauso sprachlich konstruiert wie der Rezipient sie wahrnimmt.

Der Autor erkennt seinerseits auf der Grundlage des Feedbacks, dass seine individuelle Sprache effektiv an die spezifische Wirklichkeitswahrnehmung des Lesers anknüpft.

Dieses Glücksgefühl, dass sich Leser und Autor "erkennen", ist laut Aussage deines Textes großartig und all-um-fassend und nicht zu beschreiben. Das, was man erkennt, ist jedoch beschreiblich.

Erinnert mich an einige Grundsätze des Konstruktivismus.

Thema ist sicherlich, dass dieses Erkennen und die damit verbundenen Empfindungen die Motivation des Schreibens ausmachen (sollten) ....

Starker Text!

Gruß,
Artbeck
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Herzliches Dankeschön, Artbeck!

Fruchtbare Rezeption und Rückkopplung, vor allem deshalb, weil ich das tatsächlich ganz anders lese. Ich lese es als Philosoph, mit der üblichen Philosophenkrankheit des elitären Solipsismus, der im Deutschen Idealismus zum System geworden ist. Aber es wäre elitär solipsistisch krank, diese philosophische Deutungsperspektive als Diktat des Autors voraus oder durch zu setzen.
In dieser - nun bitte nicht maßgeblichen - klassischen Philosophenperspektive ist das höchste Glück der Menschenkinder (nicht die "Persönlichkeit" wie bei Goethe, sondern) die Freude, die das wissenschaftliche Erkennen bereitet. Die Freude an einem deduktiven Beweis, wo sich das Erkennen der Einsicht öffnet. Freude am Fund eines Mitteilungsweges, der vorher noch Geheimnis war. Zum Beispiel die Entdeckung synthetischer Urteile apriori wie im "Sklavenexperiment" im Menon ("Wie verdopple ich die Fläche eines Quadrats so, daß wiederum ein Quadrat dabei rauskommt?"). Oder die Freude des indischen Grammatikers Panini über die Einsparung einer Silbe bei der Kürzestfassung der Sanskrit-Grammatik, eine Freude "größer als über die Geburt eines Sohnes".

In der Tat sind aber gerade solche Beweise und die systemzeugenden Prinzipien der Neuplatoniker und Deutschen Idealisten, last but not least die permanente Revolution des deduktiv aus der These entwickelten Widerspruchs, des "aber", der polyphonen "Antithesen"-Fuge bei Hegel kommunikativ: Sie werden erst durch Überzeugung des Argumentationspartners bzw. Gegners sinnvoll.

Auch die poetische Seite der Erkenntnisfreude ist kommunikativ: Mitteilung des Unmitteilbaren, Vermittlung des Unmittelbaren, Beschreibung des zuvor Unbeschreiblichen. Die zum Sprechen gebrachte Sprachlosigkeit. Das Staunen.

grusz, hansz
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
wo ja doch ganz eigentlich die freude der begleitvorgang des erkennens ist, nicht das erkennen selbst. erst einmal seltsam, dass in deinem gedicht die begleitende freude und das erkennen ineinanderfallen und das erkennen selber zum begleitendem vorgang wird, also zur freude. eine art apotheose der freude hin zum erkannten, dann wäre philosophie ein heiterer sport, tröstent … vielleicht nicht nur für einen absoluten professor, oder einen kleinwüchsigen mann, nach dessen spaziergängen die uhren gestellt werden, sondern auch für den geborenen schwarzschlucker mit backenbart und pudel.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Nun ja, Patrick,

wann ist Sport schon heiter? Aber die Philosophie verursacht ein feines Glück, substantieller als "Trost".

Sehr wichtig, was Du hier in den Focus nimmst, und es trifft exakt den Kern des Wechselbezugs von Freude und Erkennen in diesem Kurzgedicht.

Ich würde Dir nämlich widersprechen:
Freude und Erkennen fallen, so wie ich es lese, nicht in Eins. Sie bleiben zwei verschiedene Dimensionen.
Erkennen ist inhaltsbezogen, nicht freudebezogen.
In der Dimension des Erkennens ist Freude ein bloßer "Begleitvorgang", sie ist eigentlich auch zu subtil, als daß sie in der gleichen Weise suchtträchtiger Selbstzweck werden könnte wie die Erkenntnis, deren Selbstzweck in der Eröffnung weiterer Fragen fruchtbar wird.
Die Freude des Erkennens leuchtet in dem asketischen Gemüt eines Menschen auf, der sich aller anderen Befriedigungen enthält. Am Ende des Fastens kann schon mal der Täuscher, der diabolos, erscheinen und Ehrfurcht einfordern. Das hat man davon.
Und wenn das nicht genügt, erklärt sich der aus dem Menschen geborene Sohn noch zum zur völligen Aufopferung bereiten Lamm. Wo sein größtes Glück in einer dreistündigen Bewußtlosigkeit besteht, bevor die Schmerzen des kurz wieder Aufgewachten mit dem Tod gestillt werden.

grusz, hansz
 

Walther

Mitglied
Nun ja, Patrick,

wann ist Sport schon heiter? Aber die Philosophie verursacht ein feines Glück, substantieller als "Trost".

Sehr wichtig, was Du hier in den Focus nimmst, und es trifft exakt den Kern des Wechselbezugs von Freude und Erkennen in diesem Kurzgedicht.

Ich würde Dir nämlich widersprechen:
Freude und Erkennen fallen, so wie ich es lese, nicht in Eins. Sie bleiben zwei verschiedene Dimensionen.
Erkennen ist inhaltsbezogen, nicht freudebezogen.
In der Dimension des Erkennens ist Freude ein bloßer "Begleitvorgang", sie ist eigentlich auch zu subtil, als daß sie in der gleichen Weise suchtträchtiger Selbstzweck werden könnte wie die Erkenntnis, deren Selbstzweck in der Eröffnung weiterer Fragen fruchtbar wird.
Die Freude des Erkennens leuchtet in dem asketischen Gemüt eines Menschen auf, der sich aller anderen Befriedigungen enthält. Am Ende des Fastens kann schon mal der Täuscher, der diabolos, erscheinen und Ehrfurcht einfordern. Das hat man davon.
Und wenn das nicht genügt, erklärt sich der aus dem Menschen geborene Sohn noch zum zur völligen Aufopferung bereiten Lamm. Wo sein größtes Glück in einer dreistündigen Bewußtlosigkeit besteht, bevor die Schmerzen des kurz wieder Aufgewachten mit dem Tod gestillt werden.

grusz, hansz
ach, lieber Hansz,
als ob erkennen keine freude schaffte!
lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Und was für eine, Walther!

Die Paradoxie des Glücks ist die, daß das größte Glück, eine unbeschreibliche Freude, sich in dem zarten Punkt findet, wo es am subtilsten ist. Ein selbstgenügsames Glück diesseits aller äußeren Erwartung. Sac-cid-ananda, die Glückseligkeit (ananda), des puren Seins (sat) bewußt zu sein (cit), wie der Sänger des dreitausend Jahre alten Rgveda-Verses im Motto unterhalb meiner Beiträge.

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Walther

Mitglied
Und was für eine, Walther!

Die Paradoxie des Glücks ist die, daß das größte Glück, eine unbeschreibliche Freude, sich in dem zarten Punkt findet, wo es am subtilsten ist. Ein selbstgenügsames Glück diesseits aller äußeren Erwartung. Sac-cid-ananda, die Glückseligkeit (ananda), des puren Seins (sat) bewußt zu sein (cit), wie der Sänger des dreitausend Jahre alten Rgveda-Verses im Motto unterhalb meiner Beiträge.

grusz, hansz
so ist es, lb Hansz,
das ganz große ist im ganz kleinen bereits angelegt. erkennen ist eine freude, das ergebnis gelungenen tuns ist eine freude, eine freude zu erkennen beim anderen, ist sogar der größten eine.
wir betrügen uns um genau das, weil wir uns dafür keine zeit mehr gönnen. lass uns kontemplieren, versinken, damit wir hören, sehen, schmecken, freuen wieder lernen.
lg W.
 

Tula

Mitglied
Hallo Hansz
Diese im Gedicht selbst verarbeitete Erkenntnis teile ich ja gern. Aber dann gibt es welche der anderen Art und mir laufen Schauer durchs Seelenmark. Aber gut, um jene geht es nicht ... also doch Freude ohne Ende :cool:

LG
Tula
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
kommt drauf an, tula. es gibt durchaus den ein oder anderen denker, der behaupten würde, dass schmerz nur eine art freude ist und nicht wesensverschieden von dieser ist, bloß in anderen bahnen gelenkt, wer weiß - vielleicht sogar lebendiger ist, als intensivierung der lust.
 

Tula

Mitglied
Hallo Patrick
In dieser neuen Erkenntnis liegt in der Tat ein Trost ;)
Du hast gut Schreiben, bist ja viieeel jünger als ich :D

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Hmm - geht es hier um die Wiederauferstehung des Deutschen Idealismus?

Diese ungebremste Hymne der Erkenntnis holt zurück mich ins 19. Jahrhundert. Als hätte es die Kette der Desillusionen des 20. Jahrhunderts nie gegeben. Erkenntnis - kann - große Freude bereiten: Ein eleganter mathematischer Beweis, eine wissenschaftliche Entdeckung, eine neue Einsicht in ungeahnte Zusammenhänge. Sehr viel bezeichnender aber war im vergangenen Jahrhundert die Reihe der Ernüchterungen, der Desillusionen, welche die größten Erkenntnisse auslösten, wobei sich der Trend bis ins Entsetzen fortsetzt. Da braucht man schon eine recht pelzige Natur, darin 'die andere Seite der Freude' zu erblicken ...
Alter Wein in neuen Schläuchen also?
Fast scheint es so. Nur was bleibt dann von der Avantgarde?

Grüße
JB
 



 
Oben Unten