Friederike Kempner (Clerihew)

1,00 Stern(e) 1 Stimme

James Blond

Mitglied
Mal wieder ein Förmchen aus Bernds lyrischer Sandkiste.
Zuweilen scheint es mir, dass die exotischen Formate mit den tollen Namen vom platten Inhalt ablenken sollen.

Weder zeugt das Reimpaar 'Kemper - Klempner' von großer Genialität, noch charakterisiert es die lyrischen Qualitäten dieser Dichterin, deren Humor keineswegs als unfreiwillig erwiesen ist. Frederike Kemper war über die Schriftstellerei hinaus auch sozial engagiert, über ihre Klempnerei an tropfenden Hähnen ist hingegen nichts bekannt.

Aber der alte Hintersinn mit der "Dichtung" lässt sich ja immer wieder anbringen, wenn einem nichts besseres einfällt.


Da staunten selbst die Plattenbauten,
als sie auf Bernds Gedichtchen schauten.


:D

Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich verstehe, dass das Reimpaar "Kemper-Klempner" nicht passt, aber sicher hast Du Dich verlesen.
Sie heißt Kempner und verwendete diesen Typ an speziellen Reimen in ihren Werken.
Und sie engagierte sich sozial. Ihr ist auch mit zu verdanken, dass nicht versehentlich Menschen lebendig begraben werden.

Im Clerihew verwendete ich bekannte Vorurteile in (hoffentlich) grotesker Weise, was für den Clerihew typisch ist.

Sie dichtete beispielsweise:

"Mit dem Lammfell auf dem Schöpfe,
Träte jener vor mich hin,
Essen würd' aus einem Topfe
Ich mit der Tscherkesserin."
http://retro.seals.ch/cntmng?pid=dkm-001:1958:18::1171


"Poesie ist Leben,
Prosa ist der Tod,
Engelein umschweben
Unser täglich Brot."
http://www.synekdoche.de/thema2191.htm

"Willst verdienten Preis gewinnen,
Muß der Schweiß herunter rinnen
Von der Decke bis zur Diele."

(selbe Quelle)


"Jegliche Verstopfung weicht,
Alle Herzen werden leicht.
Und das meine fragt sich still
"Ob mich dies Jahr einer will"."

(ebenda)

Trotzdem muss ich korrigieren: sie ist "die schlesische Nachtigall".

http://gutenberg.spiegel.de/buch/gedichte-2629/25

"Süßes Kindchen, Menschenräupchen,
Mach' kein bitterbös Gesicht,
Und verbitt're drum das Leben
Deinen Mite-Raupen nicht. –"

(Ich habe es teilweise aus dem Zusammenhang gerissen, die kompletten Teile sind im entsprechenden Link.)

Das Förmchen stammt nicht von mir sondern von Edmund Clerihew Bentley.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Friederike Kempner
ist ein Genie als Reimeklempner.
Sie schmiedet die Verse auf jeden Fall
wie eine schlesische Nachtigall.
 

James Blond

Mitglied
Lieber Bernd,

danke für die schönen Kempner-Blüten!
Im Clerihew verwendete ich bekannte Vorurteile in (hoffentlich) grotesker Weise, was für den Clerihew typisch ist.
Doch kann ich das Groteske, das die als 'schlesischer Schwan' oder 'schlesische Nachtigall' bezeichnete Dichterin scheinbar mühelos beherrschte, in Deinen Zeilen leider nicht finden.

Ich denke auch, dass die groteske Komik ihrer Verse nicht aus einer Reim-Klempnerei oder Reim-Schmiede entsteht, sondern aus dem Absturz eines lyrischen Höhenfluges in die Abgründe des Banalen, der unmittelbar, genial einfach und stets überraschend erfolgt.

Insofern trifft Dein Clerihew nicht, er bleibt zu allgemein und oberflächlich.

Das Förmchen stammt nicht von mir sondern von Edmund Clerihew Bentley.
Dem hatte ich auch nicht widersprochen. Hier wird es allerdings zu Deinem Sandkistenspielförmchen.

Ich verstehe, dass das Reimpaar "Kemper-Klempner" nicht passt, aber sicher hast Du Dich verlesen.
Nein, nur verschrieben. :)
"Kempner-Klempner" ist sehr naheliegend und banal.


Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Tatsächlich ist es der einzige "natürliche" Reim.
Wenn sie Schauspielerin wäre, könnte man reimen:

"Friederike Kempner
kommt als Vamp her ..."

So aber will ich beim literarischen Thema bleiben. Mit der zu geringen Komik der letzten beiden Verse hast Du aber recht. Ich werde nachdenken, ob ich es verbessern kann.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Friederike Kempner
ist ein Genie als Reimeklempner.
Sie wirkt flott, ich wirke lahmer,
bin ja nur ihr Nacheahmer.
 
O

orlando

Gast
Werter Bernd,
bei diesem Werk stürzt mir sofort ein geflügeltes Wort der Witzigen über die Lippen:

Die Tinte macht uns wohl gelehrt,
Doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört.
Allein die "Nacheahmer" wirken auf mich recht heftig. Jessesmaria.

Trag es mir nicht nach
orlando
 
O

orlando

Gast
Peter Hacks, einer der zahlreichen Fans der Vielgeliebten schreibt:

Nur unfähig sein, wahrhaftig, das genügt nicht. Schlechte Gedichte müssen schon außerordentlich gut sein, um so außerordentlich komisch zu sein.
Und d a s ist es doch was sie auszeichnet: Entschiedenheit, Mutterwitz, Kalkül und der leichte Hang zum lyrenden Exorzismus der Machwerke so mancher ihrer Zeitgenossen.

Hättest du nicht den Namen Friederike Kempner über dein Gedicht geschrieben, lieber Bernd, wäre wohl niemandem ein Vergleich / ein Erinnern an das stramme Weib ins Hirn geschossen. ;)

orlando
stete Kempnerbewunderin
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist das Wesen des Clerihews, dass in der ersten Zeile der Name steht.
Ich denke aber auch, dass fast niemand sie ohne die Erwähnung des Namens erkannt hätte, auch weil sie eben weitgehend unbekannt ist. In der vorigen Version hatte ich deshalb die "schlesische Nachtigall" erwähnt.
Daran hätten sie einige erkannt.
Aber: Das führte nicht zu einer starken Pointe.

So habe ich ein angepasstes Zitat verwendet.

Ich bin aber auch noch beim Nachdenken, vielleicht geht es noch besser.

(Ich schreibe offen, deshalb halte ich die Antwort so, dass man sie auch als Außenstehender - hoffentlich - noch verstehen kann.)
 
O

orlando

Gast
Wie wäre es, die ersten beiden Verse als Frage(n) zu formulieren? Genie oder Klempner? Klempner als Genie ...
 
Hallo allerseits,

so abwegig, wie Orlando Bernds „Nacheahmer“ nennt, finde ich diesen Hinweis nicht, denn „Kein Zweifel: Friederike Kempner fordert geradezu heraus zur Parodie“, schreibt Frank Möbus in seinem Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Gedichtband „Friederike Kempner »Kennst du das Land, wo die Lianen blühn?« und fährt fort: „das hat sie sich redlich verdient. Friederike Kempner lief Schlittschuh auf dem glatten Eis der deutschen Sprache und pirouettierte sich dabei mit extravaganter Ungeschicklichkeit von einem Unfall zum andern. Niemand sonst hat jemals so aufrichtig schön falsch gesungen wie sie.“

So kam es zwangsläufig zu zahlreichen Nacheahmern, die im Stile der Kempner Parodien verfassten. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Auf einem anderen Blatt steht aber, und das nennt der Literaturwissenschaftler Möbus einen Skandal, „dass so viele Herausgeber sich unterstanden, derartige Parodien (und seien sie noch so gelungen) ungekennzeichnet in ihre Kempner-Ausgaben aufzunehmen: das hat sie nicht verdient. Schon gar nicht solch hochnäsige Kommentare wie beispielsweise denjenigen im Vorwort der Ausgabe von Gerhard Hermann Mostar, der ihr postum unterstellte, dass sie es „billigen würde, dass wir ihren sozusagen unfreiwilligen Nachlass hier veröffentlichen.“

So kam es wie es kommen musste, nämlich dass inzwischen die ihr ins Nest gelegten Kuckuckseier noch bekannter sind als manches andere Kempner-Gedicht und weiter als Original-Verse der Kempner kolportiert werden: Hier klicken


Wenn der holde Frühling lenzt
Und man sich mit Veilchen kränzt
Wenn man sich mit festem Mut
Schnittlauch in das Rührei tut
Kreisen durch des Menschen Säfte
Neue ungeahnte Kräfte -
Jegliche Verstopfung weicht,
Alle Herzen werden leicht,
Und das meine fragt sich still:
"Ob mich dies Jahr einer will?"

Klar

Eins ist mir klar zu jeder Frist:
Das Leben ist so, wie es ist!
Denn selbst, wenn's würde anders sein,
Stimmt's mit sich selber überein.
Sodaß man dann auch sagen müßt:
Das Leben ist so, wie es ist.

aus Letzte Mahnung

Und wenn ich dereinst ‘mal sterbe,
Mahnet euch der Musen Chor:
Nicht enthaltet dieses Erbe
Euren Nachekommen vor!

Indisches

Im Gebüsch gestreckt
Ruhet Hindu faul,
Gift’ge Schlange leckt
Gierig sich das Maul.
Nimmt erst Anlauf dann
Springt auf Hindu ein,
Schlägt dem armen Mann
Giftzahn ins Gebein.
Hindu fliehen will –
Glieder sind verkrampft –
Bet’t zu Buddha still
Und verscheidet sanft.


LG LL
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke für den Hinweis,Lupenleser, ähnliches passierte übrigens auch dem Dichter Arthur Schramm, bekannt als Kurt Schramm bzw. Karl Schramm, der zum Beispiel dichtete:

Im Schnee, da liegt ein Ofenrohr,
stell dir mal die Hitze vor.

Diese Verse wurden mündlich weitergetragen und sicher gab es viele zusätzliche.

Lange habe ich nicht geglaubt, dass es ihn überhaupt gibt.

Bei Friederike Kempner ist das anders, sie war auch als Person überregional bekannt.

Und wenn ich es betrachte, ist mit den von Dir gebrachten Beispielen ein wesentliches Merkmal des Clerihew erfüllt. Er parodiert nicht nur geschichten, sondern gibt typische Details aus der Biografie.

Insofern war der Nacheahmer eine wichtige Verbesserung gegenüber meinem Ausgangspunkt.
 



 
Oben Unten