Friend Zone (Slam style)

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Aufschreiber

Mitglied
"Lass uns Freunde bleiben", hat sie gesagt, als die Liebe gegangen war. Und in dem Augenblick schwante mir schon, war fast klar, dass das nicht im Bereich des Möglichen läge. Die Liebe, hier meine, lässt sich nicht vertreiben, umschreiben, einem Abstand einverleiben, der nicht wachsen will, weil die Nähe, die sich einst an seiner Stelle befand, Widerstand leistet.
Zuneigung ist träge, stirbt plötzlich - oder über Jahre hinweg, zwecklos, versucht man, sie zu fesseln, zu knebeln, aus dem Herzen, in dem sie wuchs, raus zu hebeln und stattdessen mit "Freundschaft" neu zu labeln.

"Freunde bleiben", das klingt famos, funktioniert aber, näher betrachtet, bloß als Trostpflaster, so, wie man sagt, wenn man sich verabschiedet, von späten Gästen, dass man sich "unbedingt wiedermal treffen will", weil man nicht wagt, zuzugeben, dass einen lange schon nichts mehr vereint, dass - allein wieder - man ganz sicher meinen wird, der Abend sei für die Katz gewesen, also für ein Wesen, das sehr egozentrisch ist und nicht - wie man selbst von den nun fremden früheren Freunden - abhängt, von seinen Haltern, sieht man ab davon, dass die das Klo sauber machen und Whiskas servieren, um Streicheleinheiten loswerden zu dürfen, danach.
Man denkt an die Sachen, die einen an den Gegangenen stören, egal ob wir ihnen, ob sie uns schwören, alles sei gut und so schön wie immer. Friend Zone der scheinbar willkommenen Vergangenheiten, die beim Gehen diesen penetranten Ge ... ruch hinterlassen und die Frage, was da eigentlich mal war. - Untote Beziehungen.

Ich jedenfalls sitze nun hier im Wohnzimmer und kämpfe mit mir, ob ich - oder nicht ... Freundschaft, das ist ja wohl besser, als fortan Fremde zu sein! Lasse ich mich darauf ein, wer weiß, ob sie nicht irgendwann mir wieder ... näher kommen kann, so nah, dass wir einen Zonenwechsel ... schaffen? Einen neuen ...
Es würde mich, so, wie ich jetzt bin, sicher freuen.
Ach, verdammt! - Mich aufzuraffen, ein klares "Nein!" ihr ins geliebte Antlitz zu sprechen, gelingt mir nicht. Viel zu deutlich sind noch die Bilder wilder Eintracht und der tausend gemeinsamen Leichtsinnigkeiten. Will sie bestreiten, dass wir - als Team - unschlagbar sind? ... Waren?

"Lass uns ...", was für ein Scheiß! Freunde, das sind wir nie gewesen. Wie das funktionieren soll, ahne ich nicht. Muss man es probieren? Bin ich wirklich darauf erpicht, nur um - ab und zu - mit ihr ... nicht einsam zu sein? Lasse ich mich drauf ein?
Oder ginge auch Freundschaft PLUS? - Bei diesem Gedankengang muss ich mich wieder der dummen Hoffnung erwehren, obwohl ich längst weiß, es gibt nichts, was wieder "wir" wären. Wir kehren vielleicht um, aber nicht mehr zurück. Ich hab keine Kennung. Wäre es nur ein weiteres Stück auf dem Wege der Trennung ... in Zeitlupe, wie in einem Traum, in dem man zu fliehen versucht, aber irgendwas einen ständig zurückziehen will, es kein Entkommen gibt - und man irgendwann benommen erwacht, durchgeschwitzt und für den Rest der Nacht nicht mehr schläft, aus Furcht, die Szene könne einfach weitergehn?

"Friend Zone", das ist und bleibt nur ein Trick, den man versucht, um den größten Schmerz zu umgehen.
Ja, sicher, ich kann das natürlich verstehen, aber mir scheint's wie der Honig, als Mittel zum besseren Schlucken der bitteren Medizin, macht, so fürchte ich, das Leiden chronisch, statt mit kurzem, präzisen Schnitt es zu beenden.
Man wird sich weiterhin Nachrichten senden, nur ohne die Herzchen und den Smiley mit dem küssenden Mund.
Und sicher werden es irgendwann weniger werden, bis der Kontakt abbricht, weil man eine neue Nummer hat und sie nicht allen Kontakten mitteilt, nur den wichtigsten ... Den Leuten, die einem noch wirklich was bedeuten.

Nein! Freunde sind wir - werden wir nicht, nur Fremde. "Bis zum nächsten Mal, komm gut heim"...
Ich rufe sie also gleich an - nach dem Drink, den ich brauch, dass ich reden kann. Und ich sage ihr, dass ich kein Freund sein mag. Ich sag, dass ich uns, dass ich alles will. Ich wähle und breche beim ersten Rufton ab, ehe ich wieder ins Grübeln versink. Habe die Worte noch nicht gefunden.
Noch einen Drink! - Vielleicht in ein paar Stunden - oder Morgen ...
Das Telefon klingelt. Und ich ahne, ... auch wenn ich nicht gesehen hab, wer es ist. Ich nehme ab.
"Hallo", sagt sie - und ich bleibe still, kann nur noch hastig einen Notfall-Schluck nehmen.
Kann schließlich mich auch zum "Hallo" bequemen, aufraffen, mich zwingen. Dann schweige ich, um all den Dingen Einhalt zu gebieten, die ich sagte, würde mein bisschen Verstand nicht "NEIN!" brüllen.

"Was gibt's?", fragt sie und ich denk': "Um Himmels Willen! Raff Dich endlich auf!" und ich schnaufe, wie nach einem Langstrecken ...

Schließlich habe ich mich bezwungen.
"Es tut mir leid", speie ich ins Mikro meines Fons, sonst nichts. - Wieder das Bild ihres lieben ... Lächelns!
"Was tut Dir leid?", möchte sie nun wissen. Und ich schweige schwitzend. Mein Gott! - Wie beschissen ich mich fühle!
Mit der freien Hand wühle ich halb unbewusst in den Bildern von uns vereinten Zweien.
Nein! Shit! Ich muss mich endlich befreien, von dieser bescheuerten Hoffnung, es gäbe irgend nen Weg.
Jetzt gleich muss es sein, ich nicke und leg die Bilder beiseite.
"Ich kann Friend Zone nicht!", sprudele ich heraus, lege auf, atme langsam aus und denke:
"Vorbei!" Ein großes Glas Whisky hol ich mir her und trinke und huste und schenke mir nach.
Die Hand zuckt zum Fon. - Ich bin einfach zu schwach, hänge weiter an ihr, der ich sicher noch lieb bin, als Freund, als guter Bekannter, vielleicht.
Ich trinke erneut und mich beschleicht die Vermutung, die Sicherheit, dass, riefe ich sofort zurück, ich vielleicht ja Glück hätte - und sie begriffe, dass ...
"Du liebe Zeit!", schelte ich mich und mache mich, betont lässig, auf dem Sofa breit.

Wieder läutet das Fon. Ich nehme ab und höre schon ihr Schluchzen. Hat sie's eingesehn?
Ein Jubeln, ein Juchzen will ausbrechen, aus meinem Stimmapparat. Doch das wär nicht adäquat, so als Reaktion. Ich sag' schwerzüngig "Hallo", doch da plappert sie schon los, dass die Trennung wahrscheinlich ein Irrtum wär', es sei alles so schwer und sie hätte mich jetzt gern bei sich ...
Zwar triumphiere ich - heimlich zumindest, doch schreit's in mir "HALT! Was wird das? Ihr macht jetzt weiter? Und sobald es ein andermal mal ohne Probleme nicht geht, winkt erneut die Friend Zone?"

"Tut mir leid", sag ich wieder, doch diesmal entschlossen.
"Was tut Dir leid?", höre ich sie erstaunt fragen. Das Schluchzen ist weg. "Alle Achtung", muss ich sagen.
Wie ihr das gelingt, ahne ich nicht. Doch sie zwingt sich ganz offenbar zur Vernunft.
"Ich kann nicht Hü und danach wieder Hott!", sag ich kühl, mit schwülem Gefühl an Magen und Kragen.
Sollte ich mehr sagen, erklären, darlegen, erläutern, vielleicht? - Mich beschleicht das Gefühl, dass ich das besser ließe.

"Also sag", bittet sie, "was soll nun werden?"
Ich erschrecke, entdecke, dass ich dabei bin, mich wie ein Arsch zu gebärden, sie jetzt, wo sie mich wieder will, einfach - abblitzen zu lassen. Vielleicht wird sie, sehr wahrscheinlich aber werde ich mich hassen, wenn klar ist, dass die Beziehung hier endet - und ihr Anruf nur eins ist, nämlich verschwendet.
Egal! Sie wird es irgendwann checken. Einzige Option ist das Ende mit Schrecken.
"Hör zu!", erkläre ich ihr verdrossen, "Du hattest Dich schon zum Gehen entschlossen, drum tu, was Du eigentlich wolltest, ok? - Friend Zone ist Humbug, also geh! Ich kann, nachdem ich Dich schon verloren geglaubt hab, nicht weitermachen!"

Ich lege auf und muss plötzlich grundlos lachen, ich kichere haltlos, es fließen Tränen, ich fühl mich dumm, als die immer noch offene, fast leere Whiskyflasche umkippt - und ich auch. Noch im Liegen verkrampft sich das Zwerchfell im Bauch, bis ich urplötzlich verstumme. Was für eine bescheuerte Lacherei!
"Vorbei!", hämmert es im Hirn wieder. "Vorbei."

Das Lachen verhallt, nur die Tränen fließen weiter, aber nicht der Heiterkeit wegen.
Und der Kater bedroht Kopf, Bauch- und Herzregion. Da hilft kein Whiskas.
 



 
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