Frisch, fromm, fröhlich, frei.

Hagen

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Frisch, fromm, fröhlich, frei.
Beim Schreiben dieses Pamphlets fiel mir ein Zitat von Dalai Lama ein: "Versuchen wir, das Beste eines jeden Menschen zu erkennen, den anderen im bestmöglichen Licht zu sehen. Diese Einstellung erzeugt sofort ein Gefühl der Nähe, eine Art Geneigtheit, eine Verbindung."
Aber ich beginne von vorne.
„Frisch, fromm, fröhlich, frei“, so belehrte mich meine Mutter dereinst, „ist der Wahlspruch der Turner! Turnvater Jahn bezog sich schriftlich auch auf die Redewendung aus dem FF, im Sinne von Stärke und Tüchtigkeit! - Denn wer eine Fertigkeit, wie das Turnen aus dem ‘FF’ beherrsche, könne es auch auf anderen Gebieten, zum Beispiel der Schule, um meine schlechten Noten bei Frau D. auszuwetzen, zur Anwendung bringen.
Na, gut Ich nahm also am Sportfest des örtlichen Turnvereins teil und erhielt sogar eine Urkunde, die ich nach Hause trug und dort mit stolz geschwellter Brust vorzeigte.
Das hätte ich besser nicht tun sollen, denn meine Mutter war der Ansicht, dass ich deshalb fortan immer am Sonnabend zum Turnverein gehen sollte um meine schulischen Leistungen zu steigern. Denn im Turnverein wäre ein pädagogisch ausgebildeter, junger Mann, der die Jungs in seiner Freizeit als Trainer trainieren würde.
Ich hätte zwar lieber mit einen Freunden Fußball gespielt, aber ich fügte mich.
Los ging das ‘Turnen’ zum Aufwärmen mit Hüpfen auf der Stelle, was ich mit gebremster Hingabe absolvierte. Anschließend sollten wir einen 200 Gramm Sport Wurfball aus Leder so weit wie möglich schmeißen, was ich auch tat. Anschließend ging das Gesuchesuchesuche los, woran sich alle Jungs beteiligten, bis auf Ulf, der nur rumstand und Anweisungen gab. Schließlich fand ich den blöden Ball, aber Ulf nahm ihn mir weg und brachte ihn zu dem pädagogisch ausgebildeten jungen Mann, der die Jungs in seiner Freizeit trainierte. Er bekam ein dickes Lob dafür und dann ging es zum Laufen. Wir nahmen alle Startaufstellung, aber Ulf kam etwas später, schubste mich zur Seite und murmelte: „Stell dich mal Hinten an, du Kaffer!“
Gewiss, ich war neu, aber dass ich er mich aufforderte, mich hinten anzustellen noch dazu mit einem Brechreiz auslösendem Punkervokabular schien mir doch ein wenig kontraproduktiv im Sinne von frisch, fromm, fröhlich, frei. Mich wunderte nur, dass die anderen Jungs, mit denen er ähnlich umsprang, nichts dazu sagten.
Na, gut, das ging vorüber und als es ans Springen ging, wiederholte sich dieser Vorgang. Es war mit dem Wahlspruch der Turner ‘frisch, fromm, fröhlich, frei’ nicht unbedingt vereinbar sich wie eine offene Hose zu benehmen. Das sagte ich ihm und diesmal schubste ich ihn nach hinten. Ulf rannte darauf zum Trainer und petzte: „Papa, der da hat mich geschubst!“
Worauf der pädagogisch ausgebildete Trainer mich anbrüllte: „Ich hau’ dir gleich einen vorn Kopp du!“
In dieser Atmosphäre, welche dem Wahlspruch der Turner ‘Frisch, fromm, fröhlich, frei’ hohnlachend ins Gesicht schlug, verspürte ich fortan wenig Einsatzbereitschaft dem ‘Turnen’ zu frönen, was meine Mutter glücklicherweise auch einsah.
Dumm war nur, dass der pädagogisch ausgebildete Trainer später, als ich in das Berufsleben eintrat, mein Vorgesetzter wurde. Aber da war er ganz nett und wir duzten uns bald.
Die Frage die das Leben, welches angeblich die besten Geschichten schreibt, aufwarf, war die, was das Leben mir damit eigentlich sagen wollte.

 



 
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