Fritz F.

Fritz F.​
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„Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge „schwere und schlimme Schicksalsschläge“ heute aus dem schönen Schwerin. Ich bin Tim, mich kennt ihr ja schon. Aber meinen heutigen Gast, den werdet ihr mit Sicherheit auch schon kennen. Fritz Fischer, meine Damen und Herren. Und auch, wenn Fritz vielleicht so etwas wie eine Berühmtheit hier sein mag, ändert das nichts daran, dass in seinem Leben leider einiges schiefgelaufen ist. Fritz, warum erzählst du unseren Zuschauern nicht selbst, was dich dahin gebracht hat, wo du heute bist.“

„Ja gut, was soll ich da schon groß erzählen? Ach, scheiß doch drauf, ich fang einfach mal an. Jetzt seid ihr ja sowieso schon hier.
Ich komm eigentlich aus einem kleinen, verschissenen Dorf direkt an der Ostseeküste. Und was macht man in einem kleinen, verschissenen Dorf direkt an der Ostseeküste, um seine Schlampe von Frau und seine beiden Bälger zu ernähren? Richtig, man wird Fischer. Und wenn man auch noch Fischer mit Nachnamen heißt, hat man neben der harten Arbeit, die einen belastet, noch mit diesen debilen Grinsefressen klarzukommen, die dir immer wieder den gleichen Witz drücken.

Aber trotz allem, wars ein guter Job. Immerhin keine Schulden und genug zu essen für die Familie. Gehasst hab ich die Arbeit trotzdem. Nass, kalt, stinkig. Aber bald sollte ich armer Trottel Besuch vom Schicksal bekommen. Jedes Mal nämlich, wenn ich auf See fuhr, spielten einige Kinder aus unserem Dorf am Hafen. Und weil auch sie meinen Namen unglaublich passend fanden, erfanden sie diesen Spruch. Eher eine Art Zungenbrecher, den sie den ganzen gottverdammten Tag beim Himmel und Hölle spielen rauf und runter beteten. Zugegeben, als sie da vor sich hin spielten, so in ihrer kindlichen Unschuld und sich wie die Besessenen an diesem Spruch erfreuten, hab ich da irgendwie Potential gesehen. Das konnte groß werden.

Hab mir also meinen Schwager geschnappt und dann 8 Wochen wie bekloppt geackert. GEMA, Urheberrechts-Kram, Kinderbuchautoren, Spielehersteller, Fernsehsender und dieser ganze Scheißdreck. Hab noch nie so viele Leute in so kurzer Zeit kennengelernt. Die meisten schmierige Wichser. Aber die harte Arbeit hat sich gelohnt. Das Ding ging durch die Decke. Massig Kohle. Teure Autos, Pompöses Anwesen, Fette Partys, weißes Pulver. Überfluss. Haben gelebt wie Könige. 10 Jahre lang. Könnt ihr euch das vorstellen? 10 Jahre ohne einen Gedanken an die Zukunft. Macht mir das bloß nicht nach!

Und dann…dann war alles weg. Nicht wirklich plötzlich, es hat sich schon angekündigt, aber ich wollts nicht wahrhaben. Hab weiterhin einfach nur den Luxus gelebt. Bis alle Konten leer waren. Und auch nichts mehr drauf kam. Wieso? Der Zungenbrecher wurde vom „Daumenbrecher“ abgelöst: Smartphones. Die Kids spielten weniger draußen, die Brettspiele verkauften sich nicht mehr, geschweige denn die Kinderbücher. Wer wollte denn noch die verschissenen Gedichtsammlungen lesen, wenn es Dinge wie Netflix und Amazon gab. Wer wollte sich denn noch mit wortakrobatischen Zungenbrechern rumschlagen, freiwillig die eigene Komfortzone außerhalb des Berufs verlassen, wenns doch eh nichts mehr zu sagen gab? Sogar die Kindergärten stiegen auf die digitale Rotze um und ich Depp hatte den Anschluss verpasst.

Ok, war also alles weg. Halb so wild. Dafür noch alle am Leben. Es musste weiter gehen. Also zurück in die alte Heimat und wieder fleißig die lieben Fischis gefangen. Und wir lebten glücklich bis ans Ende unserer Tage. Von wegen! Sonst wär ich ja wohl jetzt nicht hier.
Die Realität sah anders aus. Kälter. Grauer. Das einzige, was mir noch ins Netz ging, war Plastik. Pfandflaschen, Tüten, eigentlich alles, was nicht ins Meer gehörte. Bloß keine Fische oder Krabben. Und selbst wenn, die Spinner hatten die Fischereiauflagen derart verunstaltet, dass du sowieso profitabler unterwegs gewesen wärst, wenn du einfach das Pfand von den Flaschen kassiert hättest. Wegen der Umwelt! Was bringt mir die scheiß gerettete Umwelt, wenn ich vorher krepiert bin, weil ich nichts zu fressen auf dem Teller hab? Losgeworden wär ich den Fisch doch eh nicht mehr. Hier im Norden sind sie ja mittlerweile auch alle Veganer. Interessieren sich nur noch fürs Tierwohl und Grünzeug. Gib den Pissern mal 15.000 € im Monat, dann ziehen die auch nur noch Weißes und fressen Hummer!

Der Rest ist ein Selbstläufer. Frau fickt fremd, verlässt mich, nimmt die Kinder mit, sowie das Blaukraut und sogar ihr Brautkleid. Alles weg. Klar! Wenns der Mann nicht mehr bringt, muss halt ein anderer her. Am besten mit Kohle. So läuft das Leben. Deswegen merkt euch eins: Hört niemals auf, es zu bringen! Und wenn doch, bringt euch am besten um.
Was macht man also gegen den Frust und die Armut? Richtig, man wird Alkoholiker. Das wirklich gute Zeug konnt ich mir ja leider nicht mehr leisten. Aber mich hätts auch noch viel schlimmer treffen können.
XXXXXX Iglo (der vollständige Name ist hier aus rechtlichen Gründen unkenntlich gemacht), ein alter, sehr erfolgreicher und bekannter Fischerkollege von mir und musste seinen heißgeliebten Schlepper verkaufen, als es nicht mehr lohnte. Der wohnte sogar auf dem Ding! Ist abgestürzt. Auf Heroin hängengeblieben. Hat angefangen, sich zu prostituieren, um seine Sucht zu finanzieren. Vor 4 Wochen haben sie ihn drüben in Hamburg in ’ner Gasse gefunden. Überdosis, „Goldener Schuss“, was auch immer. Tot ist er, die arme Sau. Vielleicht besser so. Dabei wollte er die Kids doch nur mit genügend Omega-3 versorgen…

Und ich lebe noch. Naja, eigentlich ists eher ein Existieren. Ohne Ziel. Den halben Tag besoffen und die andere Hälfte steh ich in der Fußgängerzone und trag für ein paar Almosen mein Vermächtnis vor: Fischers Fritz fischt frische Fische, frische Fische fischt Fischers Fritz.“
 
Guten Abend, meine Damen und Herren (und Sonstige natürlich)!
Dies hier ist mein erstes Stück, das ich hier veröffentlicht haben. Ich bitte hiermit dringlichst um Kritik:

Zerfetzt mich! Massakriert mich! Nehmt mir mein Selbstbewusstsein und meinen Willen zu leben! Und wenn angebracht, lobt mich auch gerne. ;)

Ich freue mich herzlich über jedwede Kritik, schreibe ich doch erst seit knapp 4 Wochen und würde mein Repertoire gerne verbessern und erweitern!
Gerade weil ich bereits einiges in diesem Forum gelesen und besonders den guten Ton und die ehrlichen Kritiken zu schätzen gelernt habe, würde ich doch gerne ein Teil dessen werde.


Liebe Grüße
Linus
 

ThomasQu

Mitglied
Also wenn du schon so bettelst und sich keiner erbarmt … ;)

Hallo Linus!

Tja, ich weiß nicht, was ich Konstruktives zu deiner Geschichte schreiben soll. Vielleicht ist das das Problem, warum du keine Zuschriften bekommst. Vermutlich haben wir Oberlehrer hier außer Marginalitäten nix zu meckern.

Dein Text ist jetzt nicht der Megabrüller, aber ich jedenfalls empfinde die Geschichte als gelungen. Der Plot ist ganz witzig, die Sprache flott … vielleicht ein kleinwenig oberflächlich alles …
Trotzdem, hat mir gut gefallen.

Grüße,

Thomas
 
Danke für dein Erbarmen, Thomas! ;)

Freut mich, dass es gefallen hat.
Im Nachhinein merk ich selbst, dass der Text überhaupt recht wenig Kritik zulässt.

So ist er doch im Prinzip ein einfaches humoristisches Konstrukt, das halt recht ulkig ist, ohne komplexe Handlung und bietet somit kaum Möglichkeiten der Kritik à la "das rote Buch auf dem Regal hätte man später erwähnen sollen, damit der Spannungsbogen nicht hier schon aufgebaut wird, was zu Verwirrung führen kann"

Weiß nicht, ob klar wird, was ich meine, jedenfalls hat sich mein literarisches Verständnis durch diese Erkenntnis schonmal erweitert ;)

Out!
 



 
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