Fromme Metapher (gelöscht)

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J

justooktavio

Gast
Hallo,
ich finde den text gut, zwei kleine dinge aber sind da...
es ist vielleicht ansichtssache aber das ende hat mich noch ein wenig gestört, einerseits die formulierung des 'ihr' die mir in anbetracht des vorangegangenen irgendwie zu sehr nach zeigefinger klingt... andererseits kommt die essenz der aussage nicht ganz durch. vielleicht ein klein wenig augenmerk auf die letzten zeilen... ansonsten finde ich es gut!
ach ja, ich würde es glaube ich eher zu ungereimtes zählen, oder?
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

die Reime muss man regelrecht suchen. Man fragt sich sofort, was dieser Text in "Gereimtes" verloren hat, auch, weil Klang und Rythmus völlig fehlen.

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dieser Text ist als Prosa ebensowenig ausreichend, wie als Gedicht. Der Text versagt daran, dass er genau zwischen Tisch und Stuhl durchgefallen ist.

Entweder mehr Struktur, Klang und Rhythmus oder ein "vollständiger" Prosatext. Das, was ich hier lese, kann nicht funktionieren.

Gruss

Jürgen
 

Walther

Mitglied
moin,

die autorin ist erst 17, also bitte gnade walten lassen.

lg w.

hallo schirmchen,

in der tat bedarf der text einer durchgehenden überarbeitung. ich nehme einmal an, du schreibst zum ersten mal in einem forum. kein problem, jeder hat mal damit angefangen. also erstmal: willkommen!!! :)

bevor ich auf den text eingehe, ein paar hinweise vorab:

* hier http://www.leselupe.de/lw/forumdisplay.php?forumid=30 gibt es superviele tolle hinweise zu allem rund ums schreiben (und die lyrik selbstredend).
* hier http://de.wikipedia.org/wiki/Verslehre ein schöner wikipedia artikel, der grundlagen zu reimen, versmaßen etc. enthält.

wenn du magst, kann ich dir gerne noch ein paar bücher empfehlen, die zum dichten im allgemeinen und besonderen viel zu sagen haben, gerade solchen, die damit anfangen wollen.

zum text selbst. zum einen solltest du einfach daran denken, daß bei der lyrik (der dichtung) in der kürze die würze liegt. "fasse dich kurz" ist so etwas wie der erste leersatz des gedichteschreibens.

zum anderen erfordern reimgedichte immer so etwas wie eine struktur, die durchgehend den text formt. das fehlt hier ebenfalls. zum dritten ist es wenig sinnvoll, sprache in formen regelrecht zu zwingen. das führt dann zu schrecklichen sätzen und wortstellungen. auch gereimte sprache muß fließen, sich natürlich anfühlen und -hören.

zuguterletzt: laß dich nicht entmutigen. jeder hat einmal so angefangen. dichter fallen nicht vom himmel. sie wachsen in der übung und der verbesserung durch kritik.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wir haben hier zunächst ein ungewöhnliches Gedicht.
Es unterliegt nicht einer strengen klassischen Form, verwendet gereimte und ungereimte Teile, verwendet auch Halbreime und verwendet unterschiedliche Strophenlängen.

Das ist nicht von vornherein schlecht.
Es kann sogar gut sein, das hängt von der Durchführung ab, aber dazu später, nach dem Prinzipiellen.
Zum Prinzipiellen gehört die Tradition.
Eine der Traditionen ist eine alte, auf Opitz zurückgehende. Er ersetzte die vorher übliche durch relativ feste Schemen, dabei verwendete er im wesentlichen jambische Strukturen, wobei er bereits den deutschen, nicht den lateinischen Jambus meinte.
Vorher wurden nur die Betonungen gezählt.
Noch vorher waren die Betonungen das wesentliche Strukturelement zusammen mit den Stabreimen. Durch die Schwächung der althochdeutschen Endsilben im Mittelhochdeutschen wurden dann mehr Reime verwendet.
Silbenzählende Formen waren im deutschen Bereich selten, sie kommen eher, wegen der unterschiedlichen Sprachstruktur, im Italienischen und Französischen vor.

Nach Opitz wurden ungereimte Strukturen, die lateinische Formen ans Deutsche anpassten, üblich, vor allem Klopstock führte sehr strenge Distichon-Formen ein.

Dann kamen wir ins 19. Jahrhundert, der Klang erreichte eine Art Höhepunkt, es gab noch die Klassik, und die Romantik begann.

Im 20. Jahrhundert wurden dann alle vorhergehenden Strukturen zerstört und wiedergewonnen, was ein Gedicht ist, liegt nunmehr fast im Ermessen des Autoren. So gibt es Prosagedichte, die man beim Zuhören kaum von Prosa unterscheiden kann, und doch sind es Gedichte.
Wer in der Tradition von Opitz steht, erkennt sie selten an.
Im 21. Jahrhundert werden praktisch wieder alle Formen verwendet, (im 20. waren gereimte Gedichte, die nicht komisch oder ironisch waren, im Westen fast tabu, während sie im Osten häufig waren, aber von vielen auch als veraltet betrachtet wurden.)
Dazu kamen Formen, die nach dem Inhalt oder willkürlich strukturiert waren.


Und nun kommen wir zum springenden Punkt:
zu Deinem Gedicht:

Es vereint Strukturmerkmale der voropitz'schen und der nachopitz'schen Zeit.
Die Rhythmik richtet sich nach dem jeweiligen Inhalt und die Reime sind unterschiedlich verteilt.

Das ist durchaus zulässig, insbesondere, wenn es gut gemacht ist. Jeder Vers richtet sich sowohl nach sich selbst, als auch nach der Gesamtheit und dem Inhalt.

In Deinem Gedicht ist das teilweise gelungen, teilweise gibt es Probleme, die bestehen aber meiner subjektiven Meinung nach nicht darin, dass man die Verse "suchen" muss.

Fromme Metapher

Die Überschrift kündigt etwas Besonderes an: Ein Gedicht, das für etwas anderes steht, eine Metapher, dazu eine "fromme". Fromm: zum einen christlich fromm, zum anderen "unbedarft" oder "etwas, was man sich ja wünscht, aber die Wirklichkeit ist anders".


In der Nacht, der schwarzen[red],[/red] (Komma fehlt)
Läufst du ziellos umher.
Du hörst das Miauen der Katzen,
es ist nah, aber fern von dir.

Die Strophe ist völlig ungereimt, aber rhytmisch so gestaltet, dass ein wehmütiger Ausdruck entsteht.
Jeder Vers hat drei Betonungen, bei jeweils unterschiedlichem Auftakt und (im Prinzip) jambischer Struktur, aber diese Struktur ist hier kein Ordnungsprinzip und nicht durchgängig. Es ist prosanah, aber doch stilistisch eher in höherem Stil.

Du weißt: sie sind da, doch
Wo sind sie bloß?
Du kannst sie nicht fühlen,
nicht streicheln auf deinem Schoß.

Hier haben wir zum ersten mal den Reim: abcb
Und wir haben jeweils zwei Hauptbetonungen, aber es kommt ein kindlicher (oder mütterlicher) Ton hinein.

Alles um dir ist nur Schimmer,
unklar vor Augen wie Nebel.
Manchmal leuchtet ein kleines Flimmern,
doch zuordnen kannst du es nicht.

Kein Reim aber reimähnlich: abäc
Es nähert sich dem Distichon, aufgeteilt in vier statt zwei Verse, ist aber keins.
Die Rhythmik stellt fast onomatopoetisch das Flimmern dar (der Begriff ist hier eine Metapher, denn Flimmern sieht man, hört man nicht.)

Du suchst jemanden, der dich führt,
der dir zeigt den steinigen Sisyphusweg.
Doch bislang kam niemand, der Hoffnung schürt.
Du bist allein und weißt das genau.

Wieder ein echter Reim: abac - umgekehrt zur "Normalform" abcb)
Im zweiten Vers eine Umkehr der Wortreihenfolge: der dir zeigt xxx - der dir xxx zeigt.

Du irrst ziellos auf dem Weg zum Ruf.
Auf deinem Weg, voll mit Steinen.
Steine, die das Leben dir schuf.

Das "Irren" führt zur Veränderung der Form:
Reim aba, nur drei Verse. Die Rhythmik ändert sich stetig, ist aber dem Labyrinth angemessen.

Immer noch wartest du auf deinen Helfer, (Hier sollte ein Komma statt Punkt stehen, aber der Punkt ist auch korrekt, wenn man beachtet, dass es auch imlizite SAubjekte gibt, wenn auch selten.)
Suchst nach dem, der Heilung verspricht.
Tausend Tränen hast du ihm schon geschenkt.

Wieder drei Verse, ungereimt
Jetzt kommen wir zu einer speziellen Metapher: Heilung versprechend. Das ist zum einen der Heiland, also im Sinne der christlichen Metapher, zum anderen der Arzt osder der Psychologe oder der Menssch, der Heilung verspricht. (Wobei unklar ist, ob er das Versprechen hält.)

Nicht der Einzige bist du, der auf Hilfe wartet.
Unglaublich viele hegen den gleichen Gedanken.
Rastlos irrend auf den nebligen Straßen.

Kein Reim, aber dreimal "a", reimähnlicher Klang.
In hochgestochenem Stil wird das Elend dargestellt, die Suche aus dem Labyrinth, die Suche nach einem, der den Weg weist. Aber da ist keiner. (Es wäre auch gefährlich.)

Elendig ängstlich laufen sie alle dahin
In ihrer Not beinahe zerfressen.
Nur die Hoffnung hält sie noch wach.

Ohne Reim, schlimme Sachen in ehrwürdigem Stil
Und nun zeigt sich: die Krankheit ist vorrangig auf geistlich-psychischer Ebene, man konnte es auch schon vermuten.

Tausend verschiedene Heilsbringer der Menschen.
Ruhig wird es erst ohne den Glauben,
aber eines merken die Menschen nicht:
Um sehen zu können, muss man erkennen.
Meistens seid ihr gar nicht blind.

Ohne Reim, hoher Stil
Und nun kommt eine Auflösung, die Moral, natürlich in neuer Form, fünf Verse statt drei.
Bei Heilung dachte ich bereits an "Heilsbringer", ich vermied aber, das zu denken.
Und in der letzten Zeile, im letzten Vers erfolgt eine grundlegende Änderung der Erzählperspektive. Bis dahin ist es wie auf einer Bühne, jetzt tritt der Schauspieler hervor und spricht direkt zu den Zuschauern.

Die falschen Heilsbringer in ihren Masken, gut verborgen, spielen sich als Führer auf.
Auch wenn man alles sieht, man muss es erkennen, Sehen ist das eine, das andere ist die Erkenntnis, die daraus folgt.



Wenn ich das Gedicht laut lese, fällt die zweite Strophe etwas aus dem Rahmen. Sie wirkt kindlich, hat einen anderen Stil als der Rest, Das ist eventuell sogar angemessen, hat mich aber gestört.
 
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