Früh-Stück

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Vera-Lena

Mitglied
Früh-Stück

Den geträumten
wahrhaftigen Traum,
emporgewachsen
aus dem Kinderschlaf noch,
immer wieder
kann ich ihn betrachten;

unentschlüsselte Bilder,
aus dem Kaffeedunst
scheinen sie
erneut aufzusteigen:

Der weite Weg,
Menschen, die einander stützen,
geschmolzener Asphalt,
Sprache untereinander
ohne Wort und Laut,

mitten aus dieser Düsternis
taucht plötzlich wieder
das honigbestrichene Brötchen auf
wartend, auch dieses.
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
ja stückweise kommen die frühen Träume immer wieder mal wieder hoch. Für mich waren es Erdnussbutterbrote, die Vater immer von den Amis mitbrachte.
Gern gelesen!
LG
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Manfred,

danke für Deine Antwort!

Ich meine aber keine Tagträume, sondern es gibt Träume in meinem Leben, deren "Botschaft" ich bis heute nicht verstanden habe und diese kommen immer einmal wieder wie ein sich abspulender Film auch mit den dazugehörigen Farben bei mir an, so dass ich immer denke, sie warten darauf, entschlüsselt zu werden.

Dir schöne Feiertage!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
ich meinte keine Tagträume sondern Erinnerungsträume aus der Kindheit. Für unentschlüsselte Farbträume sind mir die Bilder zu konkret angelegt.
LG
Manfred
 
I

Ivor Joseph

Gast
Hallo Vera-Lena.
Das is ein sehr schönes Gedicht.
:) Man muss es gar nicht interpretieren, auch ist dieser Vorgang selbst ein Teil des Themas.

Bilder entschlüsseln ? Hmm, einfach reinbeißen in das Brötchen und wieder ganz da sein. Die Betreffenden werden das schon spüren und nehmen teil.

Und dann auch noch Kaffeedunst - nein halt, das klingt nach Kaffeetasse und Erinnerung: Marcel Proust.

Liebe Grüße, Ivor
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Mafred,

da bin ich aber anderer Ansicht. Ich gäbe etwas darum, wenn ich wüsste, was mir dieser Traum sagen will. Handelt es sich um ein Erlebnis, das ich schon in einem früheren Leben hatte?
Steht mir so ein Erlebnis noch bevor?
Habe ich einfach nur etwas aufgefangen, was sich irgendwann einmal auf der Erde zugetragen hat?

Ich habe noch ganz andrere Träume, die noch konkretere Bilder haben und ebenfalls absolut rätselhaft sind.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Danke Ivor,

ja, Du hast Recht, das Entschlüsselt-werden-wollen ist bereits ein Thema dieses Textes.

Es freut mich, dass Dir der Text gefällt.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
Traumdeutung ist ein weites Feld. Erst gestern habe ich eine Talkshow dazu gesehen, in der die einzelnen Bilder/Gegenstände und ihre mögliche Aussage diskutiert wurden. Meist verarbeitet man im Traum Ereignisse des Vortages, aber anscheinend gibt es auch solche die weit zurückliegen, von Alpträumen ganz zu schweigen.
LG
Manfred
 
I

Ivor Joseph

Gast
Ich muss mich ein wenig korrigieren. Ich dachte auch primär an Tagträume, also eigentlich Ströme von Erinnerungen. Bei echten Träumen ist die Entschlüsselung natürlich wichtig (obwohl sie auch eine eigene Wirklichkeit haben).

Ich werde das Gefühl nicht los, dass man die Bedeutung erst verstehen kann, wenn das Ereignis hinter einem liegt. Und wie Du schon angedeutet hast: Wer weiß aus welchen »Quellen der Nacht« die bedeutenden Träume gespeist werden. Das ist sehr schwierig und man kann sich leicht täuschen.

LG, Ivor
 

MarenS

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

einen Traum der immer wieder kehrt, ja, dessen Hintersinn möchte man schon gerne herausfinden. Nun können Träume ja aus Erlebtem, aus Befürchtetem, aus Erahntem und aus Erfahrenem bestehen (sollte ich was vergessen haben, bitte im geiste hinzufügen). Dementsprechend schwierig ist es hinter den Sinn des Traumes zu kommen. Bedeutungslos sind solche Träume mit Sicherheit nicht.
Mein Sohn fuhr als Jungspund eine riesige Lautsprecherbox auf der Rückbank seines Wagens spazieren. Ich versuchte ihm diese Gefahrenquelle im Falle eines Unfalles nahe zu bringen. Er nahm mich nicht sehr ernst (Mütter!) In der Nacht darauf träumte ich, er hätte einen Autounfall, die schwere Box würde nach vorne geschleudert und träfe ihn am Kopf. Er wurde schwer verletzt.
Am nächsten Tag stand um 9.00 Uhr die Polizei vor dem Haus. Mein Sohn war schwer mit dem Auto verunglückt. Intensivstation. Die Box war nicht das schlimmste, was ihm geschah aber sie hat lebenslange Mahnnarben an seinem Kopf hinterlassen.
Mein Traum? Nun, eine Mischung aus Erkennen der Gefahr und irgendeiner Vorahnung, denke ich.

Ich wünsche dir, dass deine Traumbilder etwas zeigen, dass du noch verarbeiten musst.

Liebe Grüße von Maren
 

Vera-Lena

Mitglied
Ihr Lieben ganz herzlichen Dank für Eure hilfreichen Beispiele und Mitteilungen! :)

Ich fürchte allerdings, da sie nur mittelbar mit dem Text etwas zu tun haben, könnte dieser im Lupanum landen.

Ich könnte dort einen Thread zum Thema "Träume" eröffnen. Da Träume oft ein sehr wesentliches lyrisches Element darstellen, könnte ich mir denken, dass der Thread auch Zuspruch findet.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

MarenS

Mitglied
Du hast Recht, Vera-Lena, vor lauter Traumgedanken habe ich dein Gedicht ganz vergessen.

Mir gefiel besonders das Auftauchen des Traumes: ...aus dem Kaffeedunst...
Dann die düstere Szene.
Sie wird abgelöst vom honigbestrichenen Brötchen, süß und klebrig, tröstend.

Liebe Grüße von Maren
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Maren,

das war meine Absicht bei diesem Text, dass ich den Traum mit dem Frühstück so unaufdringlich wie möglich, aber doch deutlich verbinden wollte.

Wie schön, dass Du das herausgelesen hast.

Danke für Deine nochmalige Antwort!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Vera-Lena!

Ein beeindruckender Text!
Schon der Titel "Früh-Stück" deutet auf etwas unverarbeitetes bzw. unbegreifliches aus früheren Zeiten hin und ist daher hervorragend gewählt.
Und gerade dieses in sich verlieren am Frühstückstisch kennen wir alle und wird von dir sehr treffend beschrieben. Aber der Kaffeeduft und das Honigbrötchen holen uns bei Bedarf dann doch wieder in die Wirklichkeit.
Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Danke, Manfred (Franke) für Deine zutreffende Interpretation und für Dein freundliches Lob!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Meral Vurgun

Mitglied
Sprache untereinander
ohne Wort und Laut,


und viele schöne Bilder, z.B "honigbestrichene Brötchen"

Guten Morgen, liebe Vera Lena.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Meral,

danke für deine freundliche Antwort. Ich freue mich, dass Du den Tex magst. Nach dem "Ohne Wort und Laut" habe ich lange gesucht. Es ist ja nicht so einfach, einen tatsächlich geträumten Traum zu beschreiben. Aber die Personen hatten tatsächlich so eine Art Seelensprache.


Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Liebe Vera-Lena,

das sind wirklich sehr schöne Traumgedanken ... mich irritieren lediglich die Wörter "wieder - erneut -wieder" und ich frage mich, ob sie zum Verständnis absolut notwendig sind. Eine Idee:

Früh-Stück

Den geträumten
wahrhaftigen Traum,
emporgewachsen
aus dem Kinderschlaf [strike]noch[/strike],
immer [strike]wieder[/strike]
kann ich ihn betrachten;

unentschlüsselte Bilder,
aus dem Kaffeedunst
scheinen sie
[strike]erneut[/strike] aufzusteigen:

Der weite Weg,
Menschen, die einander stützen,
geschmolzener Asphalt,
Sprache untereinander
ohne Wort und Laut,

mitten aus dieser Düsternis
taucht plötzlich [strike]wieder[/strike]
das honigbestrichene Brötchen auf
wartend, auch dieses.
Was meinst du?

Liebe Grüße
Heidrun
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Heidrun,

danke für Deine Vorschläge! Sie würden aber die Aussage verkleinern. Ich brauche das "noch" und das "wieder", damit deutlich wird, wie lange das Lyri schon mit diesem Traum beschäftigt ist und ihn nicht aufdröseln kann.

Das letzte "wieder" brauche ich, damit deutlich wird, dass dieser Traum mitten im Frühstück auftaucht. Also, das Brötchen war da, dann wurde es durch den Traum überblendet und dann war es wieder da, ebenfalls wartend, nämlich darauf, dass das Lyri es verzehrt, so wie es sich auch gerne den Traum aufdröseln würde. Auch der steht ja nun schon so lange auf einer Warteliste.

Dir ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Ja, das sehe ich ein.

Die Sache mit den Wortfeldern ist überhaupt (oft) interessant. Früher habe ich auf solche Feinheiten gar nicht so geachtet, und wenn doch, war es mir stets ein bisschen peinlich, darüber zu schreiben.

(Das kann allerdings auch darin liegen, dass ich "Wie interpretiere ich ein Gedicht?" mal gründlich (!) durcharbeiten musste ... :D )

Heute erkenne ich jedoch, wie hilfreich solche Bechäftigungen sind. Gerade auch, wenn sich ein Text nicht sofort erschließt. - Darin seid ihr 2, Du und Julia, mir große Vorbilder.

Liebe Grüße
Heidrun
 



 
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