Fühl den Vormittag im Frühling (typisch deutsch)

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Carlo Ihde

Mitglied
Das mag ich gerne
ein Vormittag im Frühling
da fühl ich mich so typisch deutsch.

Ich nehme eine Tasse
Keramikglas in weiß
und gieße schwarzen Filterkaffee ein.
Ich öffne die Terassentür
und geh drei Meter raus ins Grüne.

Da zwitschern Vögel ungefragt
düsen Fahrzeuge geschäftig
liegen Katzen faul im Licht
weht ein frühlingshafter Wind.

Da knospen Flieder und Weide
erstes Bunt penetriert von ersten Strahlen
die Tageszeitung morgen weiß darum
ein Postauto verteilt Gewissheit.

Schmeckt zum ersten Mal das Jahr
nach seinem warmen Kern
scheint die Welt als Ganzes duftend
während anderswo sie grad' vereist.

Das finde ich so typisch deutsch
da stört mich auch die Menschenleere nicht.
 
T

Thys

Gast
Ist ok Carlo. Fahr mal nach USA im Frühling. Da gibt's das im Konzentrat und die Menschenleere ganzjährig.
 

Milko

Mitglied
CHINA

oder nach China,
da gibts Menschenkonzentrat
und Leere (h) ganztägig
immer irgendwo
ich find s ok
jedoch typisch deutsch finde ich eher
"fühl den Frühling nur am Vormittag"
- am besten zwischen 8 und 9 Uhr

gm
 

Carlo Ihde

Mitglied
Hää, versteh ich nicht. Das mit dem typisch deutsch ist ja "meine" Empfindung. Sicher gibts das woanders so und noch extremer. Aber es wollte doch hoffentlich keiner meinen, dass man dadurch eine Empfindung "widerlegen" könne...
 
T

Thys

Gast
Nö, wollte das einer? Ich nicht. Was weiß ich von Deinen Empfindungen ;-) Mir fiel nur spontan ein, dass ich diese durchaus nachvollziehbare Empfindung anderswo noch stärker selber empfunden habe.
Also keine Empfindungskritik. Eigentlich gar keine Kritik. Nur eine Weiterführung. Alles klar?
 

Carlo Ihde

Mitglied
Kommt am anderen Ende oftmals falsch an. Erlebe das hier ganz oft in der LL. Die Frage ist dann für mich: liegt das falsche Verstehen an den zu wenigen Worten des Kommentators oder an zu vielen Gedanken meinerseits. Ich rechne durchaus nie mit positiver Kritik und dann ist folglich jede weniger klare Weiterführung gleich die "Keule"...
 
T

Thys

Gast
Vielleicht an beiden. Vielleicht auch daran, dass Sprache nun mal unscharf ist und immer interpretiert wird und das Interpretationsergebnis auch noch von der Stimmung abhängt.
Also alles ganz normal und alles im Lot :)
 

Milko

Mitglied
nein

ja nein
genau meine herren,

ich sah das auch als weiterführung und wie thys so schön immer sagt verdichtet
und der herr carlo,
----
verrückt machen einen nur die eigenen gedanken
gm
 
T

Thys

Gast
verrückt machen einen nur die eigenen gedanken

das ist gut!
 
H

Hakan Tezkan

Gast
"Fühl den Frühling nur am Vormittag".

Ach ja, das ist doch ein schöner Satz.
Wusstet ihr nicht, dass die Krankheit "Menschenleere" sich allmählich über die ganze Welt verbreitet?
Ich finde hier kein deutsches Problam wieder, sondern ein globales.

Oh, Carlo, ist dir gelungen das Gedicht, aber es vermochte mich nicht zu berühren, was daran liegt, dass die Herleitung der Pointe mir irgendwie farblos vorkam, bis auf wenige Stellen, z.B. diese hier:

Ich nehme eine Tasse
Keramikglas in weiß
und gieße schwarzen Filterkaffee ein.
Ich öffne die Terassentür
und geh drei Meter raus ins Grüne.

Da zwitschern Vögel ungefragt
Da war ich drin, im Gedicht, wurde aber spätestens hier, und das so kurz vorm Schluss, wieder ganz rausgeschmissen:

Schmeckt zum ersten Mal das Jahr
nach seinem warmen Kern
scheint die Welt als Ganzes duftend
während anderswo sie grad' vereist.
Wollte mir irgendwie nicht so recht zusagen. Ach, diese blöde Subjektivität und ihre Meinungen. Nein, nein, nein.
Den Frühling fühle ich nur nachts.

Und meine Gedanken machen mich verrückt, aber zumindest bleibe ich so in Bewegeung.

LG,
Hakan
 

Carlo Ihde

Mitglied
Hast recht: mir schien das auch zuerst typisch deutsch, nämlich: schwarzen Kaffee aus kleinen weißen Tassen zu trinken. So aus einem Guss wollte es dann am Ende nicht sein.

Das mit der Menschenleere ist relativ. Das globale Problem ist vielleicht viel eher, das übervölkerte Küstenstreifen in Indien oder Stadtkollosse wie Tokio KEINE Menschenleere mehr kennen. Und ich als Norddeutscher im Nordosten bemerke langsam, wie die Bevölkerung in einem der reichsten Industrieländer schrumpft. Überall werden Häuser abgerissen, über Pfingsten waren die Straßen überall leer. Doch die Menschenleere verträgt sich gut mit dem "Grün". Die Natur kann ohne uns. Wenn die Menschenleere Zeichen dafür ist, dass die Natur ohne uns kann, müsste uns das eigentlich schockieren und unsere Existenz hinterfragen. Diesen Schreck fühlt das lyrische Ich nicht, es begreift es als eine frühlingshafte Chance.

Oder so...
 

Perry

Mitglied
Hallo Carlo,
ein durchaus zwiespältiger Blick in die Frühlingsidylle. Ich habe mich nach dem Lesen deiner Zeilen nicht unbedingt deutsch gefühlt, aber als Mensch.
LG
Manfred
 



 
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