Für eine Flosse

Feivel Veys

Mitglied
Oh, du edler großer Vogel,
so anmutig in der Luft!
Wie gerne hätte ich dich dort oben
befreit von Leiden, Schmerz und Frust.

Geboren als ein stolzer Adler,
dem Königspaar der Nacht,
hat dich ein falscher Freund betrogen –
zum Kiwi wurdest du gemacht.

Nun versteckst du dich im Boden,
ganz ängstlich, klein und flau;
versteckst dich vor dem Leben,
ich sag’ dir: erheb’ dich, flieg und schau!

Dein Leben ist nur halb so übel,
dafür hast du zu viel Herz.
Erhebe deine Schwingen
und streife ab das Leid, den Schmerz.

Das schwarze Öl auf deinen Federn,
es ist nicht mehr dein Gefieder.
Wasch es ab und fliege los
und singe deine Lieder!

Ich kann nicht sagen, wie lang es dauert,
kann nicht sagen, was du brauchst,
doch ich werde auf dich warten,
solange du mich brauchst,
und bis dein Schnabel nicht mehr trauert.
 

sufnus

Mitglied
Hey Feivel,
ich stelle mir vor, dass dieses Gedicht relativ spontan aus Dir "herausgeflossen" ist. Der Antrieb dürfte dabei ein Grundgefühl aus Sehnsucht nach Freiheit (oder genauer: Befreiung) gewesen sein. Als authentisches Seelenzeugnis haben diese Zeilen daher sicher einigen Wert.
Im Hinblick auf "literarischen" Anspruch scheint mir die Schubkraft des Binnengefühls aber in diesem Fall nicht auszureichen, um einen Text mit einem Mehrwert jenseits des rein subjektiven Erlebens zu schaffen. Die innere Logik des Textes ist nicht sehr konsistent und die formalen Mittel (Reim, Rhythmus, Sprachbilder) sind wenig elaboriert.
Um von einem, im wesentlichen nur für Dich selbst geschriebenen Text zu einem Gedicht zu gelangen, das einen weiteren Wirkungskreis hat, müsste man irgendeine Art von Gerüst schaffen, welches dem Text mehr "standing" verschafft. Ich könnte mir vorstellen, dass man, ohne allzu gravierende Umbauprozesse, den Text in Richtung "Pop-Lyrics" transformieren könnte. Dafür bräuchte es im wesentlichen eine Art von Refrain.
Alternativ (dann ginge es mehr in Richtung "Kunstgedicht") müsste man irgend eine Art von formalem Programm finden. Zum Beispiel könnte man das prinzip der Halbreime der ersten Strophe auf den gesamten Text übertragen. Das würde allerdings zu einer tiefgreifenderen Veränderung des gesamten Habitus führen.
Oder man lässt es so, wie es ist und begreift es vor allem als einen Ich-Text. :)
LG!
S.
 

Feivel Veys

Mitglied
Hey sufnus,
Ich kann deine Kritik in einem Wort zusammenfassen: Bingo! Das Gedicht gehört wirklich nicht zu meinen besten Arbeiten und ich habe es tatsächlich in etwa 30min. heruntergeschrieben. Ich habe es allerdings nicht als Seelenzeugnis oder persönlichen Erfahrungsbericht oder Ähnliches verfasst, sondern für einen Freund geschrieben, der an schweren Depressionen leidet. In meinen Augen ist er der bessere Dichter von uns beiden, auch wenn er noch etwas jung ist und sich daher noch stark an traditionelle Formen wie den Endreim klammert. Ich habe mit dem Gedicht versucht, mich seinem Stil anzunähern - mit mäßigem Erfolg. :oops:

In den letzten Tagen habe ich mich daher noch einmal an die Verse gesetzt und eine alternative Fassung (Für eine Flosse (Alternative Fassung); ein wirklich kreativer Titel, Feivel...) in der Rubrik Ungereimtes eingestellt. Diese Version entspricht eher meinem 'Stil'. Auch den muss ich natürlich erst noch finden, üben und ausbauen -stilistische Fehler inklusive-, er sollte mir aber bereits etwas besser gelungen sein als das hier. Wenn du möchtest, kannst du dir die neue Version ja einmal anschauen. ;)

Beschwingte Grüße
Feivel
 



 
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