Fundsache

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In die Weite des Stadtwaldes späht sie.
Das Licht des Zungenkusses in der Brust.
Dass der Wald verstirbt, versteht sie.
Doch nicht, warum er sterben muss.

Es ist doch noch Licht auf den Bäumen;
Licht in den Küssen unter den Zweigen.
Liebende, die von der Zukunft träumen;
sich einander versprechend in
Gedichten und Reigen

Und doch senken die Kronen das Haupt,
als sei die Zeit des Abschiedes reif.
Fällt schon im Sommer Blatt und Laub.
Folgt auf ein Lachen schon ein
Schweigen.

Und während man
so um die Stämme streift,
schweigt selbst das Wurzelwerk in seine
Enden.

Dort, wo die Sommerstädter
ihren Wunsch ans Licht verschwenden,
wächst aber schon ein neuer Wunsch ins Herz;
wächst wie ein Schatten auf den Rinden;
wächst aber von dem Stadttag
stadtnachtwärts;
als könne er keine Erfüllung
finden


Darin du liegst, zu selbstvergessen und zu wach.
Halb im Dösen, halb im Träumen.
Gesunken, für den Schlaf zu schwach,
erspäht ein Licht dich
zwischen absterbenden
Bäumen, das ganz aus ihrem
Zungenkusse
kam​
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hi Dio!
Diesen sinnlichen Verse scheinen vorsichtig-tastend zu Bedeutungen hinter den Wörten gelangen zu wollen, wobei sich die gesamte Operation in halbschattigem Mischwaldlicht vollzieht und die Sicht zudem durch vielgestaltigen Pflanzenbewuchs eingeschränkt ist. Viele Dichter haben ja ihr bevorzugtes Habitat. Bei @Perry scheinen es z. B. die Küstengebiete zu sein. In Deinem Fall sind maritime Gestade und der urbane Raum durchaus signifikant vertreten, aber wenn ich diese Zeilen lese, könnte ich mir vorstellen, dass sich Deine lyrische Stimme im Wald ganz besonders wohl fühlt. Es ergäbe durchaus Sinn, schließlich ist der Wald bekanntlich das eigentliche poetische Wohnzimmer der Romantiker gewesen und mir scheint, dass dieses literarisch so emsige Völkchen so einige dichterische Bezugspersonen von Dir stellt. :)
Dass mir Deine Zeilen äußerst wohlgefallen dürfte nebenbefundlich auch rübergekommen sein.
Kann man noch was besser machen? Na... so im objektiven Do's & Don'ts-Katalog werd ich nicht wirklich fündig. In der subjektiven Sphäre fänd ich persönlich vielleicht eine ganz vorsichtige Reduktion der Reime hilfreich. An ein paar Stellen kommt es mir etwas zu "dick gereimt" vor (z. B. Zweigen - Reigen in S2 oder Haupt - Laub in S3), etwas weniger Reim könnte evtl. einen noch etwas flexibleren Parlando-Style ermöglichen, der den Zeilen noch etwas mehr Anmut verliehe. Kinkerlitzchen. :)
LG!
S.
 
Hi @sufnus

"Operation Mischwaldlicht" - ja das hat was. Nun, ich erfreue mich an den Eindrücken, die der Text so hinterlässt und will bei dem "dick aufgetragenen" auch nicht widersprechen. Ich mag es sattgrün, um im Bild zu bleiben ;-)

Ganz lieben Dank

mes compliments

Dio
 



 
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