Game over - tilt.

Klaus K.

Mitglied
Game over - tilt.

"Gefällt sie dir?"
"Mmmh...."
"Sie sagt, sie findest es toll, daß du so still bist. Sie liebt das, du seist so in dich gekehrt, so philosophisch ruhig..!"
"Mmmh...."
"Du, die fährt voll auf dich ab! Das wär' doch mal was für dich!"
"Hier, halt' mal..."
"Das darf doch nicht wahr sein! Wir unterhalten uns hier über ein großartiges Mädchen, hübsch und sehr wählerisch, und ich sage dir, was sie mir gegenüber über dich geäußert hat! Das scheint dich nicht zu interessieren, und du kommst mit diesem bescheuerten Elektrokabel an! Hörst du mir eigentlich zu?"
"Halt' mal fest! Ja, schon...."
"Ja, schon! Was ist denn das für eine Antwort? Da gibt es genug andere, die würden einen Luftsprung machen! So etwas Liebes, Nettes....und sie interessiert sich für dich! Eine Trantüte, die lieber Elektrokabel verlegt! Das gibt es nicht!"
"Koaxialkabel, kein Elektrokabel."
"Ohh...nee! Jetzt ist es gut! Soll ich ihr sagen, daß du dich mit ihr treffen willst? Heute Abend, da in deiner Lieblingshöhle? Um acht? Sie sitzt mit ihrer Freundin jetzt noch in dem Cafe, ich komme da vorbei..."
"Von mir aus..."
"Ok, mach' ich - aber ich sage dir, wenn du da nicht pünktlich auf der Matte stehst und sie versetzt, dann kannst du mich mal!"
"Ist ja gut - ich geh' halt mal hin, um acht!"
"Ich geh' halt mal hin.....ich fass' es nicht! Mach' was draus, du Trollo!"

Am Abend, es war kurz vor acht. Jürgen - der junge Mann mit dem Koaxialkabel - war pünktlich. Die Lokalität war zwar alles andere als einladend, aber der Wirt war Van Morrison-Fan. Absoluter Van Morrison Fanatiker, und er ließ "den Meister" immer erst einmal mindestens eine Stunde vom Band durchlaufen nachdem er geöffnet hatte.
Brigitte war auch pünktlich. An der Tür schaute sie vorsichtig hinein, aber sie erkannte ihn gleich, denn er drehte sich laufend zum Eingang um und sagte, als er sie dann sah, nur:
"Oh, hallo....na, das hat ja geklappt!"
"Du meinst diese Partnervermittlung von Fredy? Wir beide, heute hier?"
"Ja, super, daß du gekommen bist. Wir haben uns ja bereits ein paar mal gesehen, aber noch nie so richtig miteinander gesprochen! Komm' wir setzen uns da drüben hin!"
"Ja. gerne! Das Fest an der Uni vor ein paar Tagen, ja da sind wir uns kurz begegnet...."
"Ja! Ganz kurz, was möchtest du trinken? Man muß die Getränke hier selber holen, was möchtest du?"
"Was trinkst du denn da?"
"Einen ganz billigen Rotwein - einen Lambrusco. Das habe ich von meinem Vater, der hatte als Student auch kein Geld, und da haben sie damals davon geschwärmt. Wegen der sehr preiswerten zwei-Liter Flaschen, ein dicker Kopf am nächsten Tag war garantiert. Klartext, die Vorlesung fiel aus!"
"Ich möchte einen Lambrusco bitte!"

Er stand auf, bestellte und kam kurz darauf mit einem bis zum Rand gefüllten Glas zurück.
"So, bitte sehr, einmal Lambrusco, Hanglage!"
"Vielen Dank! Was studierst du eigentlich?"
"Kunstgeschichte, elftes Semester - und ich möchte danach an der Uni bleiben, weißt du... Und was ist mit dir?"
"Jura, aber das ist derart langweilig. Auswendig lernen. Und dann diese Auslegungssache, da ist kaum etwas wirklich klar und eindeutig geregelt. Dazu kommt dieses Deutsch, diese verklausulierte Sprache! Dann die Kommentierungen, mal so, mal so. Aber ich werde wohl dabei bleiben, mal sehen...."
"Schmeckt dir der Wein?"
"Der perlt etwas, das mag ich!"
"Und was magst du noch? Ich meine Hobbys und so?"
"Sport, also Klettern, Wandern und Tanzen, und du?"

Voll daneben. Klettern? Da fielen ihm sofort diese Selbstmord-Kandidaten ein, die er irgendwo in der Nähe von Bamberg an Felswänden gesehen hatte. "Free-Climbing" nannte sich das, eine Freizeitbeschäftigung der besonderen Art, bei der man nicht wußte, ob man jemals wieder überhaupt noch lebend nach Hause kam. Zudem mußte man bis zum Ort dieser Herausforderung vorher noch kilometerlang zu Fuß laufen. Entsetzlich, diese Latscherei. Und dann Tanzen? Tango und Foxtrott, das konnte er zwar fehlerfrei schreiben, aber das war es dann auch. Aber er ließ sich nichts anmerken.
"Also, ich.....na ja, so von allem etwas, weißt du. Viel Lesen, dummes Zeug schwätzen, Leute treffen.....alles halt ganz locker. Kein Stress, das ist die Devise!"
"Na, da liegen wir ja weit auseinander! Ich brauche die Herausforderung, aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an, Ausnahmen bestätigen die Regel vereinzelt aber auch, oder was meinst du?"
Hui, das war geschickt, rhetorisch gut platziert. Sie sondierte, sie lotete aus. Von Van Morrison lief jetzt "No Guru, no Method, no Teacher" aus den Lautsprechern, leise, aber gut hörbar.
"Konnte ich bislang noch nie ausprobieren. Ja, das habe ich natürlich schon einmal gehört. Meinst du denn, da gäbe es einen Mittelweg, einen Kompromiss?"
"Hast du mal geflippert? Diese Kästen aus Amerika, England, auch Pinball genannt? Die Stahlkugel, die auch mit den seitlichen kleinen Hebeln möglichst lange im Spiel gehalten werden mußte, um dadurch viele Punkte zu erzielen?"
"Na klar, aber die gibt es ja heute kaum noch, oder?"
"Das stimmt, leider. Und was geschah, wenn man während des Spiels zu stark an dem Flipper gerüttelt hatte um dadurch zu verhindern, daß einem die Kugel wegflutschte?"
"Na ja, dann war irgendwie sofort Schluß. Game over, sozusagen."
"Und was leuchtete dann zusätzlich oben neben dem Punkte-Zählwerk auf?"
"So ein Schriftzug wurde eingeblendet...ich glaube, "tilt" stand dann da..."
"Genau! Und weißt du auch, was das heißt?"
"Nee, mein Englisch....na ja, ist halt nicht so gut...."
"Es bedeutet nur soviel wie "gekippt". Wenn man den Flipper zu sehr schüttelte, ihn anhob, also kippte, dann war Schluß."
Sie trank ihr Glas Rotwein jetzt aus.
"Du, es hat mich sehr gefreut. Schön, daß wir uns mal etwas näher kennengelernt haben, aber ich muß jetzt gehen. Man sieht sich, bis dann!"
Sie stand danach sofort auf, winkte ihm beim Umdrehen noch kurz mit der linken Hand zu und ging. Er saß da wie versteinert.
Aus den Lautsprechern klang jetzt Van Morrison mit "I forgot that love existed".
 
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G

Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Manno, der arme Jürgen!!! Und dabei hatte es so vielversprechend angefangen.
Mal unter uns Pastorenkindern, Klaus, so eine Lady, wie Brigitte kann einen schon das Fürchten lehren; aber sie ist sehr effizient ;)
Hast du unterhaltsam geschrieben.
Danke
Judith
 

Klaus K.

Mitglied
Welcome! Eine Frau, die weiß, was sie will. Und die ihre Botschaft geschickt verpackt. Da hilft selbst "der Meister" nicht mehr. LG, Klaus K.
 
G

Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Manno, der arme Jürgen!!! Und dabei hatte es so vielversprechend angefangen.
Mal unter uns Pastorenkindern, Klaus, so eine Lady, wie Brigitte kann Einen schon das Fürchten lehren; aber sie ist sehr effizient ;)
Hast du unterhaltsam geschrieben.
Danke
Judith
 



 
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