Karl Feldkamp
Mitglied
Gedächtnisnachhilfen
Wer möchte schon gern als, na als … sagen wir … - irgendwie stur gelten.
Als gestandener Senior jenseits meines siebzigsten Lebensjahres möchte ich jedenfalls noch zu gewissen neuen Erkenntnissen in der Lage sein. Aber das eine dieser neuen Einsichten ausgerechnet die sein muss, ein alter … Dingens zu sein, ist zwar erklärlich, aber schwer zu akzeptieren. Vor allem, wenn eine deutlich jüngeren Frau zu diesem vernichtenden Urteil kommt.
Nun gut, oder besser schlechterdings fallen mir immer häufiger gerade jene Begriffe nicht ein, die ich jeweils für ein Gespräch besonders dringend benötige. Und es müssen längst mehr besonders komplizierte Fachausdrücke sein.
Also versuche ich, mich mit mehr oder weniger blumigen Be- und Umschreibungen aus der peinlichen Affäre zu ziehen und handelte mir dabei sowohl von meinen Zuhörerinnen und sogar von meinen Zuhörern meistens ein mitleidiges Lächeln und dazu Blicke ein, die in kaum verborgener Deutlichkeit sagen: Der Alte hat sie nicht mehr alle.
Andere Gesprächspartner ergänzen im Anschluss an meine umständlichen Formulierungs-versuche verständnisvoll nickend und zugleich geflissentlich, jenes Wort, das mir mein Gedächtnis gerade nicht zur Verfügung stellt. Dazu lächeln sie gütig, bemühen ihre sanfteste Stimme und behaupten, ich sei gelegentlich schon mal ein klein wenig altersstarr. .
Keiner will eben den Verdacht aufkommen lassen, dass ich möglicher Weise an dieser im Alter nicht selten auftretenden Krankheit ( - wie heißt die gleich wieder -) leiden könnte.
Aber selbstverständlich will ich auch daraus noch das Beste machen.
Und das Allerbeste, so vermutete ich bisher, wird es sein, mit einer Portion notgedrungenem Humor den ohnehin unvermeidlichen Narren zu geben.
Mein alter Freund Werner – früher hat er auch noch heftig gestottert – konnte selbst dabei immer noch derart lachen, dass er sich manchmal verschluckte.
Heute verschluckt er – wie ich - gewisse nicht gerade unwesentliche Wörter.
Nur er bekommt dabei wieder jenen roten Kopf, der einst beim jugendlichen Stottern anzeigte, wie peinlich ihm diese Sprachprobleme waren. Und sein Lachen ist inzwischen eher einem verlegenen Grinsen gewichen.
Ich, hingegen neige, wenn mir gewisse Worte fehlen, zu Gesichtsblässe.
Neulich trafen wir Beide uns einmal wieder am Kriegerdenkmal, weil dort die bequemste Bank in unserem Dorf steht. Wir unterhielten uns wie gewöhnlich über uns, Gott, die Feindseligkeiten in dieser Welt und das Senioren-Leben an sich. Werner holte tief Luft, wie immer, wenn er glaubt, besonders Wichtiges sagen zu müssen.
Zuvor hatte ich behauptet – und dabei sprudelte ungehindert jedes Wort aus meinem Mund - mit höherem Lebensalter würden wir beginnen, unsere Lebensgeschichte so umzudichten, dass zu gegebener Zeit daraus eine ansprechende Vorlage für eine möglichst wohlwollende Trauerrede am eigenen Grab werden könnte.
Ohne das geringste Stottern ließ Werner hören, im Alter werde doch nur um Wahrheiten gekämpft, die wir Greise noch nicht für Irrtümer halten wollen.
Ich gebe ungern zu, dass ich, wenn ich nicht weiter weiß, zumeist etwas sage, was nicht direkt zu den Worten meines Vorredners passt. Hauptsache, es hört sich klug und irgendwie weise an.
Niemand sei gezwungen, entgegnete ich, als Alter nach Vorurteilen zu leben, die er als junger Mensch vom Alter gehabt habe.
Das verführte Werner zu dem Geständnis, als Jüngling ständig über peinliche Alte gelästert zu haben. Inzwischen spotte er über allzu peinliche Jünglinge. Dabei sei er eigentlich einst als Jüngling kaum unpeinlicher gewesen.
„Diese Krankheit… na, du weiß schon - hat bei dir bereits beste Dienste des Vergessens geleistet, wenn du im Alter glaubst, auf eine makellose Vergangenheit zurückzublicken,“ erwiderte ich und kam mir unglaublich schlagfertig vor.
Werner starrte mich an und stieß bei hochrotem Gesicht, aber stotterfrei hervor: „Das ist so eine Art, wie soll ich sagen, … Mechanik, die einen nicht schockieren will.“ „…Verdrängungsmechanismus…“ ergänzte ich mit sanfter Stimme.
Werner nickte.
Nun ist es nach meinen Erfahrungen nicht ungewöhnlich, dass just in dem Moment, in dem Männer sich in tiefer schürfenden Gesprächen ergehen, eine Frau auftaucht.
Gisela. Dunkelblond, an den richtigen Stellen wohl gerundet und kaum vierzig Jahre alt. Also genau eine, die Männer in unserem Alter nicht unbeeindruckt lassen kann. Ihr Mann, auch schon jenseits des sechzigsten Lebensjahres, eher klein und – im Gegensatz zu uns - ohne besonderen Charme, hatte wenige Jahre nach der Scheidung von seiner ersten Frau in unserem Dorf für Gisela eine schmucke Villa gebaut.
„Oh, schöne Frau. Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen.“ Begann Werner seinen gewohnt ungeschickten Flirt.
Dadurch fühlte ich mich zu einem besonders klugen Satz herausgefordert. „Also, ich meine, ein …dings… ein, so ein kluger Alter, der kennt seine…, also seine Grenzen. Oder?“
Werner lief leicht rot an. „Ja, uns sagt man nach, alters… also alte… somit Erfahrung zu sein.“
Gisela wandte sich ruckartig ab, hüftwedelte davon und murmelte grinsend etwas vor sich hin, das meinem Gedächtnis nachhelfen sollte und verdächtig nach „Alte Spinner“ klang.
Wer möchte schon gern als, na als … sagen wir … - irgendwie stur gelten.
Als gestandener Senior jenseits meines siebzigsten Lebensjahres möchte ich jedenfalls noch zu gewissen neuen Erkenntnissen in der Lage sein. Aber das eine dieser neuen Einsichten ausgerechnet die sein muss, ein alter … Dingens zu sein, ist zwar erklärlich, aber schwer zu akzeptieren. Vor allem, wenn eine deutlich jüngeren Frau zu diesem vernichtenden Urteil kommt.
Nun gut, oder besser schlechterdings fallen mir immer häufiger gerade jene Begriffe nicht ein, die ich jeweils für ein Gespräch besonders dringend benötige. Und es müssen längst mehr besonders komplizierte Fachausdrücke sein.
Also versuche ich, mich mit mehr oder weniger blumigen Be- und Umschreibungen aus der peinlichen Affäre zu ziehen und handelte mir dabei sowohl von meinen Zuhörerinnen und sogar von meinen Zuhörern meistens ein mitleidiges Lächeln und dazu Blicke ein, die in kaum verborgener Deutlichkeit sagen: Der Alte hat sie nicht mehr alle.
Andere Gesprächspartner ergänzen im Anschluss an meine umständlichen Formulierungs-versuche verständnisvoll nickend und zugleich geflissentlich, jenes Wort, das mir mein Gedächtnis gerade nicht zur Verfügung stellt. Dazu lächeln sie gütig, bemühen ihre sanfteste Stimme und behaupten, ich sei gelegentlich schon mal ein klein wenig altersstarr. .
Keiner will eben den Verdacht aufkommen lassen, dass ich möglicher Weise an dieser im Alter nicht selten auftretenden Krankheit ( - wie heißt die gleich wieder -) leiden könnte.
Aber selbstverständlich will ich auch daraus noch das Beste machen.
Und das Allerbeste, so vermutete ich bisher, wird es sein, mit einer Portion notgedrungenem Humor den ohnehin unvermeidlichen Narren zu geben.
Mein alter Freund Werner – früher hat er auch noch heftig gestottert – konnte selbst dabei immer noch derart lachen, dass er sich manchmal verschluckte.
Heute verschluckt er – wie ich - gewisse nicht gerade unwesentliche Wörter.
Nur er bekommt dabei wieder jenen roten Kopf, der einst beim jugendlichen Stottern anzeigte, wie peinlich ihm diese Sprachprobleme waren. Und sein Lachen ist inzwischen eher einem verlegenen Grinsen gewichen.
Ich, hingegen neige, wenn mir gewisse Worte fehlen, zu Gesichtsblässe.
Neulich trafen wir Beide uns einmal wieder am Kriegerdenkmal, weil dort die bequemste Bank in unserem Dorf steht. Wir unterhielten uns wie gewöhnlich über uns, Gott, die Feindseligkeiten in dieser Welt und das Senioren-Leben an sich. Werner holte tief Luft, wie immer, wenn er glaubt, besonders Wichtiges sagen zu müssen.
Zuvor hatte ich behauptet – und dabei sprudelte ungehindert jedes Wort aus meinem Mund - mit höherem Lebensalter würden wir beginnen, unsere Lebensgeschichte so umzudichten, dass zu gegebener Zeit daraus eine ansprechende Vorlage für eine möglichst wohlwollende Trauerrede am eigenen Grab werden könnte.
Ohne das geringste Stottern ließ Werner hören, im Alter werde doch nur um Wahrheiten gekämpft, die wir Greise noch nicht für Irrtümer halten wollen.
Ich gebe ungern zu, dass ich, wenn ich nicht weiter weiß, zumeist etwas sage, was nicht direkt zu den Worten meines Vorredners passt. Hauptsache, es hört sich klug und irgendwie weise an.
Niemand sei gezwungen, entgegnete ich, als Alter nach Vorurteilen zu leben, die er als junger Mensch vom Alter gehabt habe.
Das verführte Werner zu dem Geständnis, als Jüngling ständig über peinliche Alte gelästert zu haben. Inzwischen spotte er über allzu peinliche Jünglinge. Dabei sei er eigentlich einst als Jüngling kaum unpeinlicher gewesen.
„Diese Krankheit… na, du weiß schon - hat bei dir bereits beste Dienste des Vergessens geleistet, wenn du im Alter glaubst, auf eine makellose Vergangenheit zurückzublicken,“ erwiderte ich und kam mir unglaublich schlagfertig vor.
Werner starrte mich an und stieß bei hochrotem Gesicht, aber stotterfrei hervor: „Das ist so eine Art, wie soll ich sagen, … Mechanik, die einen nicht schockieren will.“ „…Verdrängungsmechanismus…“ ergänzte ich mit sanfter Stimme.
Werner nickte.
Nun ist es nach meinen Erfahrungen nicht ungewöhnlich, dass just in dem Moment, in dem Männer sich in tiefer schürfenden Gesprächen ergehen, eine Frau auftaucht.
Gisela. Dunkelblond, an den richtigen Stellen wohl gerundet und kaum vierzig Jahre alt. Also genau eine, die Männer in unserem Alter nicht unbeeindruckt lassen kann. Ihr Mann, auch schon jenseits des sechzigsten Lebensjahres, eher klein und – im Gegensatz zu uns - ohne besonderen Charme, hatte wenige Jahre nach der Scheidung von seiner ersten Frau in unserem Dorf für Gisela eine schmucke Villa gebaut.
„Oh, schöne Frau. Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen.“ Begann Werner seinen gewohnt ungeschickten Flirt.
Dadurch fühlte ich mich zu einem besonders klugen Satz herausgefordert. „Also, ich meine, ein …dings… ein, so ein kluger Alter, der kennt seine…, also seine Grenzen. Oder?“
Werner lief leicht rot an. „Ja, uns sagt man nach, alters… also alte… somit Erfahrung zu sein.“
Gisela wandte sich ruckartig ab, hüftwedelte davon und murmelte grinsend etwas vor sich hin, das meinem Gedächtnis nachhelfen sollte und verdächtig nach „Alte Spinner“ klang.