Gedanken auf dem Gehweg

4,50 Stern(e) 4 Bewertungen

klaatu

Mitglied
~~~

Kalter Wind
treibt meine Gedanken
wie Werbeflyer
über den Gehweg.

Manchmal
fühle ich mich wie ein Tumor,
der mit verstellter Stimme Witze erzählt,
um todkranke Organe aufzuheitern.


~~~

Am Bahnhof
sind sämtliche Züge abgefahren.

Dort sitzt
die Wirklichkeit herum
und bettelt um Kleingeld.

Ich spendiere ihr
ein buntes Partyhütchen,
damit sie weniger trostlos aussieht,
während ich vergeblich versuche,
ihr die letzten Cent aus dem Hut zu klauen.

~~~

Den Toten
wurde neues Leben eingehaucht
- durch modernste Technik
und geschicktes Marketing.

Geistlos bilden sie
lange Schlangen
vor leeren Parkbänken,
um dort Kredite aufzunehmen.

~~~

Immerhin kann man sich
seine innerliche Zufriedenheit
jetzt auch am Automaten ziehen!

Nur bin ich leider
mittlerweile dermaßen mittellos,
dass ich mir nicht mal mehr
selbst Gesellschaft leisten kann.

~~~

Verzweifelt suche ich
nach dem Reset-Knopf,
doch sogar der hat sich inzwischen
hinter einer Paywall verschanzt.

Vielleicht
hatte ich einfach zu hohe Erwartungen

an das Ende der Welt.


~~~​
 

Scal

Mitglied
Mir würde besser gefallen, wenn es am Ende hieße (statt "an das Ende der Welt"): und zu wenig Geld.
Ein begabter Reporter skizziert mit spitzfindiger Klarsicht melancholieironisch seine seherischen Wanderungen. Sehenswerte Bilder!

Liebe Grüße
Scal
 

klaatu

Mitglied
Hi ihr zwei!

@ Dichter Erdling

Verpackung ist heutzutage das Wichtigste, da ist der Inhalt eher zweitrangig.

@ Scal

Mit zu wenig Geld kann die Welt schon mal ganz schnell zu Ende gehen. Aber ein Ende ist ja (fast) immer auch ein neuer Anfang. "Melancholieironisch" wird mein neues LIeblingswort, glaub ich!

Danke euch beiden!

LG
k
 



 
Oben Unten