Gedanken eines Desillusionierten

4,30 Stern(e) 4 Bewertungen

ThomasQu

Mitglied
Wie die Menschen aufhörten, Kriege zu führen

Man war immer der Ansicht, der Mond würde sich ganz langsam von der Erde entfernen.
Aber irgendetwas musste ihn aus der Bahn geworfen haben. Der Mond kam der Erde seit einiger Zeit beständig näher, Jahr für Jahr, und irgendwann würden die beiden Körper zusammenstoßen, unausweichlich!
Zwar erwartete man diese Kollision erst in vielen hundert Jahren, doch eines war klar, die Erde bot der Menschheit keine Zukunft mehr.

Schon waren erste Auswirkungen spürbar. Das Wetter ließ sich nur noch schwer vorhersagen. Starkregen wechselten sich mit Dürreperioden ab. Ebbe und Flut wurden ausgeprägter. Das führte zu regelmäßigen Überflutungen in den Küstenebenen, teilweise zu verheerenden Hochwassern. Weltweit stellten sich Missernten ein.
Immer dringlicher sah man sich zum Handeln gezwungen, aber was sollte man tun? Das Unheil ließ sich nicht abwenden.

Dieser Überlegungsprozess dauerte fünfzehn Jahre. Es wurden Kommissionen gebildet, Kongresse abgehalten. Wissenschaftler aller Fachrichtungen und Nationalitäten arbeiteten an Lösungsvorschlägen.
Die Astronomen hatten noch immer keine schlüssigen Erklärungen für das Phänomen, die Theologen hingegen waren sich einig: Gottes Wille!

Ziel war, nicht nur einen kleinen Teil, sondern die gesamte Menschheit zu evakuieren. Man investierte ungeheuere Ressourcen in Forschung und Wissenschaft. Teleskope wurden im Orbit installiert, um im All nach alternativen Welten zu suchen. Dort gab es keine Atmosphäre, die den Blick trüben könnte.

Nach fünfzig Jahren hatte man drei mögliche Kandidaten im Visier und entschied sich für den Planeten K121/15.
Auf dem Mond begann man mit dem Bau der ersten Arche. Man war bereit zur Flucht und hatte errechnet, dass ein großer Raumtransporter aufgrund der sehr geringen Gravitation des Mondes …


Nein! Schluss! Aufhören!

Ich lasse das Buch auf den Tisch fallen und zünde mir eine Zigarette an. Was ist denn das für ein Schwachsinn, der Autor hat sie ja nicht alle!

Aber - was müsste denn wirklich passieren, dass die Menschen aufhören, Kriege zu führen?
Könnte das ein drohender Weltuntergang sein? Eine globale Verseuchung mit tödlichen Viren? Könnte vielleicht ein Musikstück oder Kunstwerk die Herzen so sehr verzaubern, dass Menschen all ihre Aggressivität verlieren? Sollte man die Atmosphäre mit Lachgas anreichern oder kann uns der weltumfassende Kommunismus retten? Die Religionen?
Kaum!
Wenn es den Menschen gut geht, dann sind sie nicht mehr fromm. Wenn nicht, segnet Gott die Waffen.

Ich nehme noch einen Schluck aus meiner Kaffeetasse und sinniere weiter, das Thema geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Wir Menschen sind doch auch nur Teil der Natur und dort muss man um sein Überleben kämpfen. Ist das nicht Grundlage der Evolution, dass nur der Stärkere, Bessere besteht?
Wenn du etwas hast, was ich brauche, nehme ich mir das. Wenn du etwas tust, was mir schadet, wehre ich mich! Dieses Verhalten haben wir in unserem Blut.

Und überhaupt, brauchen wir nicht sogar Kriege, um uns weiterzuentwickeln? Neues zu erschaffen?
Wie wäre es denn, wenn es auf der Welt nur noch Friede, Freude, Eierkuchen gäbe und sich alle furchtbar lieb hätten?
Die menschliche Entwicklung würde stagnieren. Wir wären nicht mehr wir selbst, wir würden verlernen, für unsere Ziele zu kämpfen. Es käme kein Fortschritt mehr zustande. Die Welt würde in Lethargie verfallen, ins Chaos stürzen.
Nein, wir brauchen sogar Kriege, um das Fortkommen der Menschheit in die richtigen Bahnen zu lenken.

Ob es in ferner Zukunft gelingen wird, Kriege zu verhindern? Sehr unwahrscheinlich.
Was wäre denn, wenn wir einen Planeten entdeckten, auf dem es wertvolle Rohstoffe gibt? Würden wir auf dort vorhandene Populationen dauerhaft Rücksicht nehmen?
Tut mir leid, wir Menschen werden niemals aufhören, Kriege zu führen, das können wir gar nicht!

Ich drücke die Zigarette aus, schnüre meine Stiefel, ziehe die Uniformjacke an und mache mich auf in meine Kaserne.
 

hein

Mitglied
Hallo Thomas,

deiner Einschätzung "sehr unwahrscheinlich" stimme ich zu.

Schon Kain hat mit seinem Bruder Abel "Krieg" geführt und ihn erschlagen.

Und wenn die Natur in absehbarer Zukunft 99 Prozent der Menschheit hinweggefegt hat, wird sich der Rest immer noch die Köpfe einschlagen.

LG
Hein
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo hein,

vielen Dank für die Sternchen und für deinen Kommentar.
Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

Gruß Thomas
 

Eddie71

Mitglied
Hallo Thomas,
sehr unwahrscheinlich ist es in der Tat, dass der Mensch keine Kriege mehr führen wird, aber… der Unterschied zu Kain und Abel ist der, dass damals nur ein Mensch zu schaden kam. Heute könnten wir, fast, alle auf einen Schlag vernichten. Die Menschheit wäre gut beraten den nächsten Evolutionsschritt zu gehen. Sonst sehe ich schwarz.

Zur Geschichte:
Gefällt mir gut, und das Ende ist überraschend ironisch.
 
Hallo Thomas,

in der Mitte dachte ich: "Das kann doch nicht ernst gemeint sein?". Auch wenn ich Autor und Protagonist grundsätzlich nicht gleichsetze, fand ich die Sichtweise des Protagonisten merkwürdig und ich grübelte darüber nach, welch ein Mensch der Protagonist wohl sein mochte. Dann zum Schluss die Auflösung, die die Sichtweise erklärte. Gute Pointe der Geschichte.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

ThomasQu

Mitglied
Hallo Frau Delfine!

Vielen Dank für deine sehr geschätzte Meinung zum Text und für die Sternchen.
Nur um dich und andere Leser zu beruhigen, ich würde mit meinem Protagonisten nicht sehr lange an einem Tisch sitzen wollen.
Die Geschichte ist schon ziemlich alt, hab mich bis jetzt nur nicht getraut, die einzustellen. ;)

Viele Grüße,

Thomas
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Thomas!
Welch eine Überraschung! Ein ernster Text!
Steig doch einfach mal eine Weile um!:)
History will teach us nothing.....Auch aus buddhistischer Sicht, interessant.
Mit Gruss, Ji
 

ThomasQu

Mitglied
Servus Jirina,

ich glaub, die spaßigen Sachen gefallen mir auf Dauer besser.
History will teach us nothing, wie treffend.
Ich bin mir aber sicher, dass es Menschen gibt, die genauso denken wie mein Protagonist.
Vielen Dank für deinen Kommentar und für die Sterne.

Gruß Th.
 



 
Oben Unten