Gedanken über Himmel und Hölle

G

Gelöschtes Mitglied 23708

Gast
Vor etwas über einem Jahr diagnostizierten die Ärzte bei mir eine Psychose. Mag sein, dass sie durch mehrmaligen Konsum von LSD in Zusammenhang mit enormem Stress ausgelöst wurde.
Die Psychose begann damit, dass ich meinen Eltern beichtete, dass ich schwul bin. Meine Eltern nahmen dies so gelassen auf, wie nur irgendwie möglich. Mein jahrelanges Geheimnis was gelüftet, eigentlich hätte ich nun auf Wolke sieben schweben sollen. Trotzdem begann es mir in den nächsten Tagen immer schlechter zu gehen. Schuldgefühle plagten mich. Dann begann ich, in meiner Umgebung Hinweise darauf zu sehen, dass ich in die Hölle kommen werde.
Ich war bis dahin eigentlich ein recht überzeugter Atheist gewesen, im Gegensatz zu meiner Mutter, dem wichtigsten Bezugspunkt in meinem Leben, die sehr gläubig ist. Ich bin religiös aufgewachsen.
Dann, mit etwa sechszehn Jahren wurde mir plötzlich klar, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, an Gott und erst recht nicht an Himmel und Hölle zu glauben. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse ließen die Bibel immer unglaubwürdiger erscheinen.
Phänomene, die man sich früher nur über das Eingreifen Gottes erklären konnte, ließen sich jetzt problemlos ins ein materialistisches Weltbild integrieren. Diese Erkenntnis stürzte mich in eine kurze Krise. Ich hatte mich auf den Himmel gefreut (dass ich da landen würde, daran hatte ich keine Zweifel). Relativ schnell akzeptierte ich mein neues Weltbild und es ging mir wieder relativ gut.

Kommen wir wieder zur Gegenwart zurück.
Ich begann nun also in meiner Umgebung überall Hinweise zu beobachten, dass ich in die Hölle kommen würde. Diese Hinweise waren so zahlreich und waren so perfekt auf meine Situation zugeschnitten, dass ich kaum Zweifel hatte, dass diese Hinweise tatsächlich von Gott kamen. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle diese Dinge nur aus Zufall passiert waren, erschien mir mathematisch gegen null zu gehen.
Ich erzählte meinen Eltern und anderen Verwandten von diesen "Hinweisen". Sie waren davon nicht sonderlich beeindruckt und meinten, dass seien eben unglückliche Zufälle gewesen. Doch ich konnte nicht beruhigt werden.
Zwei Monate war ich überzeugt davon, auf alle Zeiten verdammt zu sein. Es ging mir so schlecht, wäre ich nicht sicher gewesen, direkt in der Hölle zu landen, hätte ich mich ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht.
Dann wurde mir ein Psychosemedikament verschrieben und schon mir der Einnahme der ersten Pille verschwand meine Höllenangst. War hier nicht der Beweis erbracht worden , dass das Ganze tatsächlich nur völlig normale Zufälle gewesen waren? Jetzt hätte alles wieder gut sein können.
Stattdessen verfiel ich in eine Depression, die jetzt schon seit über einem Jahr anhält. Der Grund dafür ist, dass ein Restzweifel geblieben ist.
Ich halte die Existenz einer Hölle für ausgesprochen unwahrscheinlich. Doch kann mich das wirklich trösten?
Nehmen wir einmal an, man müsste 10 Jahre in der Hölle verbleiben. Wenn man dann die Wahrscheinlichkeit ihrer Existenz auf eins zu eine Millionen einschätzt, ist das ein gut kalkulierbares Risiko.
Im Mittelwert würde ich dann weniger als eine Sekunde in der Hölle verbringen.
Doch die Hölle dauert nach der vorherrschenden Meinung bis in alle Ewigkeit, sie ist unendlich lang.
Und unendlich geteilt durch eine Millionen ist bekanntlich immer noch unendlich. Ist daher nicht die einzig rationale Entscheidung, davon auszugehen, dass es Himmel und Hölle gibt und sein Leben radikal darauf auszurichten. ?
Müsste man nicht alles dafür tun, jemand zu sein, der den Himmel verdient hat? Doch es gibt ein weiteres Problem. Wir wissen nicht, welche Kriterien Gott bei uns ansetzt.
Nach der modernen, humanistischen Auslegung der Bibel liebt Gott den Menschen mehr als alles andere, und zwar unabhängig von unseren Sünden. Unter diesem Gesichtspunkt macht es eigentlich keinen Sinn, dass er überhaupt jemanden der ewigen Verdammnis preisgibt.
Ich persönlich würde niemandem das ewige Höllenfeuer wünschen, nicht einmal Menschen wie Adolf Hitler oder Christian Lindner (ein kleiner Scherz am Rande).
Müsste da nicht Gott, dessen Liebe zu den Menschen noch viel tiefer geht, erst recht so denken?
Doch woher sollen, wir wissen, dass Gott tatsächlich so ist, wie in der Bibel beschrieben.
Der Islam oder das Judentum (oder jede andere Religion, nur gibt es in diesen Religionen soweit ich weiß kein Konzept von Himmel und Hölle, darum lasse ich sie hier außen vor) könnten mit gleicher Wahrscheinlichkeit die "richtige" Religion sein.

Woran also glauben, wie sich verhalten?
Es könnte aber auch sein, dass keine der großen Weltreligionen der Wahrheit entspricht und Gottes Wesen und seine Anforderungen an uns völlig im Dunkel liegen. Vielleicht liebt Gott ja brutale, egoistische Menschen, die mit allen Mitteln nach Macht streben?

Wie gesagt, ich halte es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass es ein Leben nach dem Tod, geschweige denn Himmel und Hölle gibt. Doch wenn es um die Ewigkeit geht ist selbst der aller kleinste Restzweifel eigentlich nicht hinnehmbar? Was soll ich also tun?

Ich bitte um eure Meinungen. Ich will ausdrücklich, dass ihr meinen Ausführungen widersprecht und mir erklärt, warum ich falsch liege, denn das würde mich ungemein erleichtern.
 
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