Gefährliches Rauschen – Kapitel 1

hildenh

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Kapitel 1

Plötzlich war es da und hatte ohne Vorwahrung Besitz von ihrem Körper ergriffen. Es hatte nicht um Erlaubnis gebeten oder einen geeigneten Moment abgewartet. War es ein lang unterdrücktes Gefühl welches jetzt Beachtung verlangte, oder handelte es sich um eine nebulöse Vorahnung? Fast beängstigender als das Gefühl selbst, war die Schlagartigkeit mit der dieses Einzug gehalten hatte. Ganz so als hätte sie einen Stromschlag erhalten. Allerdings war da kein Kribbeln, kein physischer Schmerz. Es war vielmehr als wenn ihr Körper von einer kalten Masse geflutet worden wäre, einer grauen, diffusen Masse. Diese spülte Traurigkeit mit dem Beigeschmack von etwas Endgültigen in jede ihrer Zellen. So etwas hatte sie noch nie verspürt, auch nicht vor zwei Jahren, als ihre bisherige Welt kollabiert war.
Dabei hatte der Tag gut angefangen. Sie war in der Lage gewesen ihn normal zu beginnen, mit der gewohnten Routine der letzten Monate. Normal das bedeute für Sue gut, ja sogar richtig gut. Sie mochte die Monotonie einstudierter Abläufe am Morgen, das gab ihr Halt und das Gefühl von Sicherheit. So konnte sie sich im Alltag verankern ohne das Gefühl zu haben, unkontrolliert vom Lebensstrom mitgerissen zu werden.

Wecker auf 6:12 Uhr, dann noch 8 Minuten liegen bleiben,
30 Minuten fürs Badezimmer,10 Minuten für die Kleiderauswahl.

Bei Letzterer ging es genau genommen nur um die Wahl des Oberteils, denn die schwarze Jeans war gesetzt. Die trug sie das ganze Jahr, bei jedem Wetter. Röcke sollten doch die Frauen tragen, die Beachtet werden wollten. Sie wollte einfach ihre Ruhe und mit selbiger ihren Job machen. Sie wollte gut sein in Ihrem Job oder zumindest einmal gut darin werden. Wenn, dann wollte sie Beachtung über ihre Leistungen erlangen und nicht über ein Attribut wie hübsch oder die Wahl ihrer Kleidung.
Zu den 7 Uhr Nachrichten belegte sie sich zwei Brote, eins mit Streichkäse und eins mit Margarine und Schokoladenstreuseln, für das sie sich schon so manch vermeidlich lustigen Kommentar von ihren Kommilitonen, oder seit neustem von ihren Arbeitskollegen, eingehandelt hatte. Aber was wussten die schon? Das war ein Lecker-Schmecker-Brot was nur die liebsten Kinder bekamen. So hatte es ihre Mutter immer genannt und Sue hatte dies beibehalten. Doch das sagte sie besser keinem, sonst hätte sie nur noch mehr Unverständnis geerntet.

In dieser Sekunde schlugen beide Brote, verpackt in einer blechernen Frühstücksdose mit der Gravur ‚Susanne Teschner‘ mitsamt ihrer abgenutzten Ledertasche auf dem Boden auf. Das damit verbundene Geräusch holte sie aus ihrer inneren Betrachtung in die Gegenwart zurück. Sie hatte sich soeben mitsamt ihrer Jacke auf den Bürostuhl fallen gelassen, der Trageriemen musste ihr dabei von der Schulter gerutscht sein. Doch offensichtlich hatte das Plopp, welches in Sues Kopf die Lautstärke eines heraus katapultierten Sektkorkens angenommen hatte, keinen Ihrer Kollegen aufgeschreckt. Sämtlich Köpfe im Großraumbüro blickten weiter monoton auf ihre Bildschirme. Sie hatten allesamt den gewohnten Ausdruck montagmorgenlicher Verschlafenheit. Als physische Anwesenheit bei gleichzeitig psychischer Abwesenheit hatte Professor Kronenberg dies in seinen Vorlesungen immer wieder diagnostiziert und betroffenen Subjekten einen verachtenden Blick zugesprochen.
Eine Weile hatte auch Sue zu diesen Subjekten gezählt. Das war zu der Zeit als sie die schlimmste Phase ihres bisherigen Lebens durchmachte. Erst geschah dieser Unfall, dieser schrecklich, unerklärliche Unfall. Bevor sie sich halbwegs gefangen hatte, war das mit ihrer Mutter passiert. Es hatte Ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr innerer Lebenskompass hatte die Orientierung verloren. Die Nadel zeigte noch in eine Richtung aber es gab keine Skala mehr, keinen erkennbaren Fixpunkt, den sie hätte anpeilen können. Dennoch setzte sie den imaginären Kurs fort, auch wenn da kein greifbares Ziel mehr war, sondern nur erschreckende sinnlose Leere. Dabei den erzieherischen Blicken von Professor Kronenberg ausgesetzt zu sein, war bei weitem nicht das schlimmste, was sie hatte ertragen müssen.

Ähnlich wie der Klang einer ausschwingenden Glocke, verebbte das Gefühl allmählich. Doch in ihrem Körper blieb eine manifestierte Unbehaglichkeit zurück, die sie so gute es ging verdrängte. Sie konnte sich in der kommenden Stunde keine Ablenkung leisten, ihre erste berufliche Bewährungsprobe stand unmittelbar bevor. Sie musste überzeugen, Herr Lauterbach, den Redeaktionsrat und wohl auch sich selbst!
Dafür hatte sie fünf Präsentationsfolien vorbereitet. Nur fünf, denn sie wusste, dass sie die Aufmerksamkeitsspanne ihrer Vorgesetzten nicht überstrapazieren durfte. Aufmerksamkeit die man einem Neuling in der Branche sowieso nur selten gab. Daher hatte sie viel Zeit in die Folien investiert und das ganze Wochenende daran gefeilt.
Die Datei war jetzt auf dem USB Stick gespeichert, garantiert! Sie hatte gestern nicht einschlafen können, bevor sie es nochmals überprüft hatte. Jede Folie ließ sich öffnen. Erst danach war sie in einen unruhigen Schlaf gesunken.
Jetzt musste sie warten bis das Telefon klingelte und man sie für ihren Kurzvorträg in den Besprechungsraum bat. Allgemein durfte sie bei den montäglichen Redaktionssitzungen nicht zugegen sein, nicht bei denen der Führungsetage. Ihr war sonst der Platz in der kleinen Teamrunde Moderne Medien vorbehalten. Eine Sparte die beim Deutschen Tageskurier nicht sonderlich ausgeprägt war. Als bundesweit erscheinende Tageszeitung hätte sie theoretisch die demografische Verteilung und zugehörigen Interessen widerspiegeln sollen, doch in der Chefetage war man sich bewusst, dass die meisten Leser das Durchschnittsalter weit überschritten hatte und daher wenig Technik affin waren, oder sein sollten.
Genau diese Einstellung wollte Sue ändern, zumindest ein Bisschen. Ältere Menschen nutzen immer zahlreicher moderne Medien und etwas mehr Informationen in der richtigen Darbietungsform würde gut bei der Leserschaft ankommen. Sie hatte keine Lust mehr auf Kurzartikel zum neue Reisepass oder den Vorteilen einer lernbaren Fernbedienung. Wofür hatte sie neben dem Studium für Journalistik noch verschiedene Kurse zu unterschiedlichen Themenfeldern der Computertechnik besucht. Ihr waren die Grundlagen mehrerer Programmiersprachen ebenso bekannt wie Netzwerk- und Cloudtechnologie. Bei dieser angestaubten Redaktion lag ihr Wissen brach und sie fühlte sich unterfordert. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Endlich durfte sie loslegen!
« Susanne Teschner », meldete sie sich knapp.
Normalerweise hätte sie noch Deutscher Tageskurier davorgestellt, aber das war in dem Fall ja überflüssig. Die erwartete Stimme von Frau Harkmann blieb allerdings aus. Die Leitung war einen Moment stumm, dann meldete sich eine verzerrte Stimme.
« Schauen Sie in ihren Papierkorb! »
« Hallo, wer spricht dort, was kann ich für sie tun? »
Der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Die Stimme hatte nach einem Computer geklungen oder wie ein altmodischer Sprachverzerrer. Was für ein blöder Scherz, wahrscheinlich steckte Thomas dahinter. Er arbeitete schon seit zwei Jahren für den Bereich Moderne Medien und hatte ein Auge auf sie geworfen. Was sich Liebt das Neckt sich, hätte ihre Mutter wohl gesagt. Sie fand Thomas ganz ok, aber mehr auch nicht. Sich gleich zum Berufsstart mit einem Kollegen einlassen kam für sie nicht in Frage, ihr stand gegenwärtig auch nicht der Sinn nach einem Partner. Ein Freund, zumal ein guter, wäre wunderbar gewesen. Aber alle Männer und Thomase dieser Welt wollte eine 26jährige nicht zur Freundin haben. Sie wollten schlicht eine Eroberung, um dann damit wohl möglich auch noch prahlen zu können. Nein, da zeigte sie lieber ihre abweisende Seite und konzentrierte sich auf ihren Job. Sie besaß vielleicht keine Traummaße, sah aber mit ihrem brünetten schulterlangen Haaren, den dunkelbraunen Augen in einem leicht rundlichen Gesicht bei einer Größe von 172 Zentimeter ganz passabel aus. Es gab also keinen Grund diesen Aspekt ihres Lebens unnötig zu forcieren, Mr. Right würde schon rechtzeitig auftauchen.
Schauen Sie in ihren Papierkorb, was für ein blöder Spruch. Natürlich wusste sie, dass ihr Papierkorb leer war, die Putzfrau leerte in schließlich jeden Morgen. Dennoch schielte sie kurz hinein, nur um sicher zu gehen. Dieses Arschloch! Er wusste doch genau, dass sie gleich diese Präsentation hat. Warum lenkt er sie mit so einem Blödsinn ab? Immerhin hätte er auch etwas davon, wenn sich die Chefredaktion von ihrer Idee überzeugen ließe. Bei nächster Gelegenheit würde sie ihm schon die passenden Worte dazu sagen.
Das Telefon klingelte erneut. Zur Sicherheit wollte sie sich diesmal ordnungsgemäß melden, wurde aber direkt von Frau Harkmann unterbrochen.
« Susanne, sie können jetzt kommen. »

Wie sie anschließend die zwei Stockwerke nach oben in den Konferenzraum gekommen ist, daran hatte Sue später keine Erinnerung mehr. Doch an die Stimmung in dem Raum würde sie sich noch lange erinnern können. Diese Mischung aus angespanntem Desinteresse, obsoleter Empathie, übertüncht mit vorgeschobener Geschäftigkeit legte sich auf ihre Haut wie ein Altherrenduft, welcher aus der Mode gekommen ist. Ganz so wie eure lahme Zeitung, dachte Sue und versuchte ein gewinnendes Lächeln aufzulegen. Frau Harkmann stellt sie kurz vor.
« Das ist Frau Teschner, sie unterstützt seit vier Monaten den TK Neue Medien und möchte die Idee zu einer neuen Themenseite vorstellen. »
Das Akronym TK stand für Themenkreis, Sue hatte immer noch Schwierigkeiten sich alle zu merken. Am Präsentations-Laptop öffnete sie die Datei vom USB-Sticks und ein Beamer projizierte die erste Folie überlebensgroß auf eine Leinwand. In Diagrammform wurde der stetig wachsenden Anteil von Senioren bei der Internetnutzung über die letzten zehn Jahre aufgetragen. Umrahmt wurde dies von unison lautenden Schlagzeilen bekannter Zeitungen.
« Der Anteil älterer Menschen die das Internet nutzen stetig, auch die Leser dieser Zeitung zählen zu »
Sie wurde von Herrn Lauterbach unterbrochen.
« Die Leser unserer Zeitung meinen sie doch sicher. Unserer Zeitung, oder identifizieren Sie sich nicht mit unserer Zeitung? »
« Selbstverständlich, die Leser unserer Zeitung. »
Schnell wechselte sie auf die zweite Folie, welche die Zuwachsraten von vernetzten Heimgeräten mit Internetzugang wiedergab. Bevor sie hierzu etwas sagen konnte wurde sie erneut von Herrn Lauterbach gestoppt.
« Frau, Teschker, halten sie uns nicht mit trivialen Diagrammen auf. Springen sie direkt zu der Stelle wo ihre Ideen erläutert wird. Und fassen sie sich kurz, wir haben noch viele Themen die heute durchmüssen. »
« Ja, natürlich gerne »
Wenn hier etwas bereits durch ist, dann du Schlipsträger, dachte sie. Pflichtgehorsam sprang sie zur vierten Folie wo ihre Idee einer wöchentlichen Sonderseite mit der Überschrift Technik Daheim skizziert wurde. Wechselnde Themen sollten aktuelle Heimtechnik oder neue Betriebssysteme behandeln und mit ergänzenden Grafiken verständlich erklären. Sie schaffte es eine Minute zu reden ohne unterbrochen zu werden und schöpfte Hoffnung. Kam ihr Vorschlag an?
Als sie eine kurze Atempause einlegte übernahm Herr Sobotnik vom Feuilleton das Wort.
« Was soll das bringen? So etwas machen Fachzeitschriften wesentlich besser. Womöglich möchten sie dafür noch eine Doppelseite und Vierfarbdruck. Wissen was das kostet? Unser Budget ist so schon recht angespannt, unsere Leser werden dafür keinen Aufschlag zahlen wollen. »
Da war es, das Totschlagargument Geld. Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld, sang ihr Mutter früher wenn sie einen Wunsch hatte, der mehr als ein oder zwei Mark kostete. Sue merkte, dass sie etwas zu lange geschwiegen hatte und alle Augenpaar auf ihr ruhten. Zudem hatte sie anscheinend die zugehörige Melodie gesummt. Ihr Gesicht wurde ganz warm, sicher lief sie gerade rot an. Sie musste unverzüglich etwas erwidern. Nur wie entkräftet man so ein Argument. Ganz so leicht wollte sie sich nicht geschlagen geben.
« Ich glaube schon das unsere Leser ein Interesse an diesen Themen haben. Mir ist bewusst das solche Artikel nur an der Oberfläche kratzen und nicht die Tiefe und Substanz eines mehrseitigen Artikels in einem Fachjournal haben können. Aber wir können Impulse setzten, dem Leser das Gefühl geben ein Stück weit über neue Technologien informiert zu sein um so zumindest beim Stammtisch mitreden zu können. »
Stammtisch, hallte es in Sues Kopf nach. Wie konnte sie nur so ein Phrasenwort verwenden, die perfekte Steilvorlage für weitere blöde Antwort. Wo waren ihren gut vorbereitete Argumente? Ihr Kopf war leer, erst die unerwartete Gefühlsattacke, dann dieser Telefonstreich. Insgeheim ärgerte sie sich schon, dass sie überhaupt den Wunsch zur Vorstellung ihrer Idee geäußert hatte. Sie würde auch in den kommenden Monaten weiter unbedeutende Kurzartikel schreiben müssen. Reflexartig ließ sie noch die letzte Folie aufleuchten, die übliche Abschlussfloskel. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
« Frau Teschker, wir wissen ihren Enthusiasmus zu schätzen. Ich denke wir werden das in Ruhe abklären und entscheiden dann in welcher Form wir darauf zurückkommen. »
So, oder so ähnlich waren die Worte die Schlipsträger Lautterbach an sie richtete, bevor sie den Raum verlassen durfte. Erleichtert drehte sie sich von den starr dreinblickenden Gesichtern ab. Kein Wunder das ihre Leserschaft immer mehr vergreiste.
« Sie haben ihren USB-Stick vergessen », rief Frau Harkmann ihr hinterher.
Durch die innere Aufregung dauerte es einen Moment bis dieser Satz im ihrem Kopf angekommen war. Mit zügigen Schritten durchquerte sie den Raum Richtung Laptop. Dabei fiel ihr Blick auf die letzte Folie, welche weiterhin auf die Leinwand projiziert wurde. Sie hatte dieser keine Beachtung geschenkt.
Unter ‚Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!‘, schwarzer Schrift, Arial 22, stand noch etwas. In hellgrauer Schrift, Courier 8, stand eine Zeile die aussah, als hätte Jemand willkürlich auf die Tastatur gedrückt.
‚YQ§4bW#uU+9n!gJ&‘
Das Grau war so blass, dass es sich vom weißen Hintergrund kaum absetzte. Dies war keine der Standartfarben des Präsentationsprogramms. Die kryptische Zeile stammte nicht von ihr und war gestern Abend auch noch nicht dort gewesen. Das unheimliche Gefühl von vorhin klang wieder an, Panik stieg in ihr auf. Eine unerklärlich nicht nachvollziehbare Panik. Raus hier, war alles was ihr überlastetes Gehirn noch im Stande war zu formulieren. Sie riss den USB-Stick aus dem Laptop und lief aus dem Raum.
Sie wollte sofort weg hier, wartete nicht auf den Aufzug und entschied sich für das Treppenhaus. Vom vierten Stockwerk hinunter in die zweite Etage war es nicht weit. Doch in dieser Verfassung sollte sie keiner ihrer Kollegen sehen. Sue lief weiter, bis in den Keller und blieb erst stehen als sie ihr altes Hollandrad erreicht hatte. Sie wäre jetzt gerne losgeradelt, ohne Ziel, einfach sich den Wind um die Nase wehen lassen. Doch der Fahrradschlüssel steckte in ihrer Ledertasche unter ihrem Schreibtisch. So kauerte sie sich einfach neben Ihr Rad und versuchte die Informationen der letzten Stunden zu verarbeiten. Für all das muss es eine vernünftige Erklärung geben.
Allmählich reduzierte sich ihr Puls, die Angst verblich und wich Zorn. Zorn auf die vergreisten Herren und auf sich selbst. Wie ein aufgeschrecktes Huhn hatte sie sich benommen. Mühsam zwang sie sich zum Nachdenken. Was hatte dieser blöde Papierkorbsatz und die Ziffernfolge zu bedeuten? War es Zufall das zwei so merkwürdige Dinge direkt nacheinander passierten?
Die erste Erkenntnis die sie gewann war die, das eventuell doch nicht Thomas hinter dem Scherzanruf stecke. Und wenn es sich nicht um einen Scherz handelte, wenn das eine ernst gemeinte Aufforderung war? Dann wäre die zweite Erkenntnis, dass ein anderer Papierkorb gemeint war. Einen Moment ließ sie die Information sacken, dann hörte sie förmlich den Groschen fallen. Wie konnte sie nur so begriffsstutzig gewesen sein, sie arbeitete in Bereich Neue Medien. Wahrscheinlich war nicht ein realer Papierkorb gemein, sondern ein virtueller, also der auf ihrem PC. Um das zu überprüfen, musste sie an ihren Arbeitsplatz zurück.



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jon

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Ich wies darauf hin, dass ich einen weitgehend von Fehlern bereinigten Text erwarte. Der hier ist noch deutlich fehlerhaft. Bitte ausbessern!

Bei der Gelegenheit auch mal die Absätze überprüfen - entweder alle mit oder alle ohne Leerzeile!
 

jon

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Teammitglied
Der Textabschnitt ist eigentlich zu lang, um hier sinnvoll Textarbeit zu machen. Ich fang trotzdem mal an.

Plötzlich war es da und hatte ohne Vorwahrung Besitz von ihrem Körper ergriffen. Es hatte nicht um Erlaubnis gebeten oder einen geeigneten Moment abgewartet. War es ein lang unterdrücktes Gefühl welches jetzt Beachtung verlangte, oder handelte es sich um eine nebulöse Vorahnung? Fast beängstigender als das Gefühl selbst, war die Schlagartigkeit mit der dieses Einzug gehalten hatte. Ganz so als hätte sie einen Stromschlag erhalten. Allerdings war da kein Kribbeln, kein physischer Schmerz. Es war vielmehr als wenn ihr Körper von einer kalten Masse geflutet worden wäre, einer grauen, diffusen Masse. Diese spülte Traurigkeit mit dem Beigeschmack von etwas Endgültigen in jede ihrer Zellen. So etwas hatte sie noch nie verspürt, auch nicht vor zwei Jahren, als ihre bisherige Welt kollabiert war.
Viel Deko, wenig Info. Es dauert ewig (fühlt sich für den Leser also überhaupt nicht plötzlich an), ehe ich erfahre, in welche Richtung das Gefühl geht. Erst im Satz vor dem Unterstrichenen wird das angedeutet. Was mich nun interessiert: Wie reagiert sie auf diesen "Überfall"? Aber: Das erfahre ich weder im folgenden Satz, noch im folgenden Absatz, noch im Absatz danach oder dem danach oder dem danach … gerade so, als würde Sue gar nicht darauf reagieren. Dann aber erscheint das Ganze als überflüssig.
Dann erfahre ich, dass sie das auch vor zwei Jahren nicht gefühlt hat. Und ich frage mich: Warum hätte sie das damals fühlen sollen? Ich bekomme aber keine Antwort. Auch im Folgenden nicht.

Dabei hatte der Tag gut angefangen. Sie war in der Lage gewesen ihn normal zu beginnen, mit der gewohnten Routine der letzten Monate. Normal das bedeute für Sue gut, ja sogar richtig gut. Sie mochte die Monotonie einstudierter Abläufe am Morgen, das gab ihr Halt und das Gefühl von Sicherheit. So konnte sie sich im Alltag verankern ohne das Gefühl zu haben, unkontrolliert vom Lebensstrom mitgerissen zu werden.
Gut, das wirft einen Blick auf den Moment. Aber man erfährt wieder nichts über das Ereignis vor den "letzten Monaten". Das bleibt auch so - das raubt diesem Zustand die Bedeutung, die du ihm offenbar zuschreibst.

Wecker auf 6:12 Uhr, dann noch 8 Minuten liegen bleiben,
30 Minuten fürs Badezimmer,10 Minuten für die Kleiderauswahl.
Was soll das? Nein, ich weiß schon, was du meinst (das ist diese Routine), aber das liegt wie ein Stein mitten im Lesefluss.

Bei Letzterer ging es genau genommen nur um die Wahl des Oberteils, denn die schwarze Jeans war gesetzt. Die trug sie das ganze Jahr, bei jedem Wetter. Röcke sollten doch die Frauen tragen, die Beachtet werden wollten. Sie wollte einfach ihre Ruhe und mit selbiger ihren Job machen. Sie wollte gut sein in Ihrem Job oder zumindest einmal gut darin werden. Wenn, dann wollte sie Beachtung über ihre Leistungen erlangen und nicht über ein Attribut wie hübsch oder die Wahl ihrer Kleidung.
Der unterstrichene Satz klingt verkünstelt.
Der ganze Absatz klingt nach "Ansage eines Klischees". Wenn Sue tatsächlich so tickt, ZEIG es, lege es dem Leser nicht als Information vor.
Der letzte Satz klingt amtsdeutsch. (Ich finde bei diesem ganzen Kapitel keinen emotionalen Zugang, was - neben der Distanz zur Figur - auch an der kühlen Sprache liegen könnte.)

Zu den 7 Uhr Nachrichten belegte sie sich zwei Brote, eins mit Streichkäse und eins mit Margarine und Schokoladenstreuseln, für das sie sich schon so manch vermeidlich lustigen Kommentar von ihren Kommilitonen, oder seit neustem von ihren Arbeitskollegen, eingehandelt hatte. Aber was wussten die schon? Das war ein Lecker-Schmecker-Brot was nur die liebsten Kinder bekamen. So hatte es ihre Mutter immer genannt und Sue hatte dies beibehalten. Doch das sagte sie besser keinem, sonst hätte sie nur noch mehr Unverständnis geerntet.
Das klingt sehr gewollt - es soll wohl locker wirken, liebenswert, wirkt aber eher wie eine ungeschickt übersetzte Passage aus einem Text, der mit diesem Kapitel eigentlich nichts zu tun hat.

In dieser Sekunde schlugen beide Brote, verpackt in einer blechernen Frühstücksdose mit der Gravur ‚Susanne Teschner‘ mitsamt ihrer abgenutzten Ledertasche auf dem Boden auf.
In welcher Sekunde??
Zu umständlich: Eigentlich fällt die Tasche runter - die Brote sind nur die krampfhafte gezimmerte Verbindung zum Absatz davor.

Mal ein Zwischenfazit: Versuch nicht, Vergangenheit, "Üblichkeit" und aktuelle Handlung gleichzeitig in Szene zu setzen!

Das damit verbundene Geräusch holte sie aus ihrer inneren Betrachtung in die Gegenwart zurück.
Moooomet! Was denn für eine "innere Betrachtung"??? Es fand doch gar keine statt!

Sie hatte sich soeben mitsamt ihrer Jacke auf den Bürostuhl fallen gelassen, der Trageriemen musste ihr dabei von der Schulter gerutscht sein.
Was, wie, wo? Eben hatte sie noch die Brote gemacht. Schon das Einpacken in Dose und Tasche hat im Text nicht stattgefunden, es fehlt auch jede Menge andere Handlung.

Tipp: Versuch nicht, einen Ablauf durch lauter Sprünge(!) zu Miniszenen zu erzählen!

Doch offensichtlich hatte das Plopp, welches in Sues Kopf die Lautstärke eines heraus katapultierten Sektkorkens angenommen hatte, keinen Ihrer Kollegen aufgeschreckt.
Was denn für ein Plopp?? Was soll die absurde Überzeichnung?
Ich bekomme langsam den Eindruck, Sue ist eines dieser voll verpeilten Girls, die sich im Notfall mittels Augenklimpern durchmogeln, weil sie halt so niedlich sind.

Sämtlich Köpfe im Großraumbüro blickten weiter monoton auf ihre Bildschirme. Sie hatten allesamt den gewohnten Ausdruck montagmorgenlicher Verschlafenheit. Als physische Anwesenheit bei gleichzeitig psychischer Abwesenheit hatte Professor Kronenberg dies in seinen Vorlesungen immer wieder diagnostiziert und betroffenen Subjekten einen verachtenden Blick zugesprochen.
Nette Idee, das Studium (von was?) einzuflechten. Aber es wirkt wieder überzeichnet und Sue wird damit als eigentlich hellwaches Girl charakterisiert, die sich über dieses Verschlafensein (ein bisschen) lustig macht.

Eine Weile hatte auch Sue zu diesen Subjekten gezählt. Das war zu der Zeit als sie die schlimmste Phase ihres bisherigen Lebens durchmachte.
Mooooment! Entweder sie gehörte zu den völligen Alltagstypen, die das Wochenende durchgemacht haben und nun noch nicht wach sind, oder sie hat irgendeine "schlimme Phase" durchgemacht.

Erst geschah dieser Unfall, dieser schrecklich, unerklärliche Unfall. Bevor sie sich halbwegs gefangen hatte, war das mit ihrer Mutter passiert. Es hatte Ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr innerer Lebenskompass hatte die Orientierung verloren. Die Nadel zeigte noch in eine Richtung aber es gab keine Skala mehr, keinen erkennbaren Fixpunkt, den sie hätte anpeilen können.
Diese Ansage ist sowas von unemotional, sowas von inhaltsleer (was genau passierte denn? man weiß ja gar nicht, warum man mit ihr fühlen sollte) … Aber die Überzeichnung ist wieder da. Man weiß nur nicht, was da eigentlich überzeichnet wird.

Dennoch setzte sie den imaginären Kurs fort, auch wenn da kein greifbares Ziel mehr war, sondern nur erschreckende sinnlose Leere.
Was immer das heißen soll … Im Ernst: Das ist doch nur in heißer Luft aufgelöste Pauschal-Ansage.

Dabei den erzieherischen Blicken von Professor Kronenberg ausgesetzt zu sein, war bei weitem nicht das schlimmste, was sie hatte ertragen müssen.
Sondern?

Zwischenbemerkung: Ich vermute, du willst mit diesen Andeutungen neugierig machen, was eigentlich passiert ist. Du versuchst, Sue als gar fürchterlich gebeutelt zu zeigen, aber wenn man als Leser weder das Warum noch das konkrete Wie erfährt, kann man das gar nicht sehen oder sich denken.

Ähnlich wie der Klang einer ausschwingenden Glocke, verebbte das Gefühl allmählich.
Welches Gefühl??

Doch in ihrem Körper blieb eine manifestierte Unbehaglichkeit zurück, die sie so gute es ging verdrängte. Sie konnte sich in der kommenden Stunde keine Ablenkung leisten, ihre erste berufliche Bewährungsprobe stand unmittelbar bevor.
Was?? Ich verstehe kein Wort. Irgendein Gefühl, das offenbar mit dem "schrecklichen Unfall und der Sache mit der Mutter" zu tun hat, verklang. Damals. Nein, jetzt erst, denn wir sind ja offenbar wieder im Büro. - ?

Sie musste überzeugen, Herr Lauterbach, den Redeaktionsrat und wohl auch sich selbst!
Die Kombi ist unglaubhaft, denn es war nicht mal ansatzweise die Rede, dass sie im Job selbstunsicher ist. Außerdem: Wenn das (die Bewährungsprobe) sooooo wichtig ist – warum war sie dann bis jetzt so cool, nicht einen Gedanken daran zu verschwenden?
Was soll das Ausrufezeichen?


Ich hör hier mal auf. Mein Eindruck: Du verkrampfst dich zu sehr beim Versuch, originell und farbig zu schreiben. Die Figur ist nicht glaubhaft, die gewollte Spannung versickert in uninformativen Ansagen. Von den massenhaft Fehlern, die ich hier nicht angestrichen habe, weil du das nicht wolltest, mal ganz zu schweigen. Und das sind nicht nur Tippfehler.
Du kommst wahrscheinlich besser, wenn du dich viiiiiieeeeel mehr auf das aktuelle Geschehen und die „aktuelle Figur“ (ihr Zustand, ihre Gedanke, ihr Fühlen) konzentrierst, nicht auf das vermeindlich geschickte Verpacken von Informationen.
Eigentlich bringt es nicht viel, dir beim Schreiben hinterherzulektorieren. Wenn du noch an dem Buch schreibst, hast du gar nicht den nötigen Abstand für eine Überarbeitung.
 



 
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