Gefährliches Rauschen – Kapitel 2

hildenh

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Kapitel 2

Zu ihrer Verwunderung gelangte sie ungehindert an ihren Schreibtisch, kein Kollege verlangt Auskunft über das Meeting. Wahrscheinlich hatte sich ihre peinliche Vorstellung bereits herumgesprochen und man ließ sie deswegen in Ruhe. So konnte sie wenigstens ungestört ihre Vermutung überprüfen. Aber als sie auf das Papierkorbsymbol des Desktops klicke, zeigte dieser nur zwei von ihr selbst gelöschte Entwürfe für die geplante Sonderrubrik an. Thomas Kopf tauchte hinter ihrem Bildschirm auf.
« Wie ist es gelaufen? »
« Als wenn Du das nicht schon längst gehört hättest. »
« Bis hier ist nichts durchgesickert, Du warst ganz schön lange da oben. »
Sollte sie ihm sagen, dass sie die meiste Zeit davon im Fahrradkeller gehockt hatte?
Musste sie überhaupt was sagen? Ihr Gesicht sprach doch Bände. Wobei Männer ja anscheinen selbst die offensichtlichsten Ausdrücke nicht lesen konnten. Sie hatte keine Lust auf lange Erklärungen und Pseudomitleid.
« Es ist miserabel gelaufen. Wie immer liegt es am Geld. »
Sue musste sich zusammenreißen, damit der Satz keinen weinerlichen Unterton bekam. Zu ihrer Überraschung blieb Thomas kurz angebunden.
« Ich hatte gehofft Du könntest die alten Herren mit deinem jugendlichen Charme einwickeln. »
Er drehte ich um und wollte schon gehen.
« Hey, warte mal. »
Sie wusste nicht wie sie die Frage geschickt formulieren konnte und hatte auch keine Muße um den heißen Brei zu reden.
« Hast du vorhin bei mir angerufen und was wie, schau in Deinen Papierkorb gesagt? »
Thomas stutziger Gesichtsausdruck gab bereits die Antwort, er wusste offensichtlich nicht von sie redete.
« Was für ein Papierkorb, was für ein Anruf? »
Sie hatte ihm nicht erlaubt sie Sue zu nennen. Sie wollte nur von ihren Freunden, von denen sie viel zu wenige hatte, so genannt werden. Aber sie ging für dieses Mal darüber hinweg.
« Nicht so wichtig, dann hat sich wohl Jemand verwählt. »
« Alles ok, kann ich Dir mit etwas helfen? Du weißt ja, ich helfe Dir gerne bei allen Dingen. »
Das klang jetzt schon wieder mehr nach dem Thomas den sie kannte, stets um sie bemüht. Sie musste schnell ihr Abweisungsprogramm starte, bevor sie ihn nicht mehr loswurde.
« Nein Danke und jetzt verschwinde, ich muss noch einen Artikel bis 15 Uhr abliefern. »
Thomas wollte noch etwas erwidern, doch sie wand ihr Gesicht ab und tat beschäftigt. Diese Geste verstand sogar er.
Das mit dem Artikel war frei erfunden. Seit sie hier angefangen hatte, musste sie sich förmlich Arbeit suchen. Ihr eigener Aufgabenbereich war überschaubar und die Kollegen gaben lediglich Banalitäten an sie ab. Immerhin hatte sie so Zeit Detektiv zu spielen. Welcher blöde Papierkorb war gemeint, wenn nicht der unter Ihrem Schreibtisch oder der auf dem PC Desktop?

Sie wollte gerade den Ordner für gelöschte Dateien schließen, als ihr auffiel, das einer der Textentwürfe eine komprimierte Datei war. Datum der Löschung gestern um 22:47 Uhr, Sonntagabend. Augenblicklich stieg wieder Angst in ihr auf, es musste Jemand vor weniger als 12 Stunden in ihren PC eingedrungen sein. Dem PC einer Anfängerjournalistin, die nichts aber auch wirklich gar nichts Geheimnisvolles gespeichert hatte.
Bevor die Angst überhandnahm rief sie sich in Gedächtnis, das der Anrufer quasi auf die Datei hingewiesen hat. Sowas machen Hacker eigentlich nicht. Sie sollte die Datei finden und ihre Intuition sagte, dass sie wahrscheinlich die kryptische Zeile aus der Präsentation als Passwort benötigte. Allerdings stand dann auch die Frage im Raum, wie diese auf den USB-Stick gekommen war. Hatte sich Derjenige auch in Ihren Laptop gehackt, oder war er gar in Ihrer Wohnung gewesen? Solche Überlegung schob sie lieber schnell beiseite. Sie brannte darauf diese Datei zu öffnen und in Erfahrung zu bringen, wer einen solchen Aufwand betrieb um ihr eine Nachricht zukommen zu lassen.
Die hellgraue Zeichenkombination erwiese sich tatsächlich als richtige. Das entpacken dauerte nur wenige Sekunde. Es wurden zwei neue Dateien erstellt, eine ausführbare mit dem Namen ‚Schredder.exe‘ und eine kurze Textdatei mit der Bezeichnung ‚Fuer_Susanne.txt‘.
Die direkte Anrede ließ Sues Magen verkrampfen. Es war an sie persönlich gerichtet und nicht an eine x-beliebige Person. Sie zögerte noch einen Moment, vergewisserte sich das auch kein Kollege auf dem Weg zu ihr war und öffnete den Text.

Frau Teschner, diese Nachricht ist nur für Sie bestimmt. Lesen Sie sie nur, wenn keine weitere Person zugegen ist. Reden sie mit niemanden über den Inhalt. Drucken Sie ihn nicht aus. Wenn Sie den Text gelesen haben, führen Sie bitte, unabhängig davon wie sie sich entschieden, die Datei Schredder.exe aus. Diese wird alle Spuren der Nachricht vernichten. Scrollen Sie weiter nach unten, wenn Sie soweit sind.

Sue fragte sich, wie sie soweit sein sollte? In welcher Verfassung liest man am besten die Nachricht von Jemanden, der sich in Deine Systeme gehackt hat? Da die Kollegen sie immer noch in Ruhe ließen, scrollte wie mittels Cursortaste weiter. Erst folgten viele Leerzeilen, dann endlich weitere Text.

Vielen Dank für Ihr Verständnis! Ich möchte Sie zu einem Interview einladen um Ihnen meine Geschichte, mein Lebenswerk, zu erläutern. Ich fürchte es könnte in Kürze Bekanntheit erlangen, oder keine Bekanntheit. Letzteres wäre noch schlimmer.
Zuvor möchte ich, dass sie einen unvoreingenommenen Blick darauf werfen und darüber objektiv berichten. Ohne all die Behauptungen und Halbwahrheiten, welche die Medien für gewöhnlich verbreiten.
Das Interview wird zwei oder drei Tage dauern. Sie werden dafür nur das Notwendigste sowie Papier und Stifte mitbringen. Es sind keinerlei elektronischen Geräte gestattet, das beinhaltet insbesondere Mobiltelefone!
Vor ihrer Haustür parkt ein weißer VW Golf. Am vorderen Radkasten ist eine Magnetbox mit dem Schlüssel angebracht. Im Handschuhfach liegt eine Karte in welcher der Treffpunkt eingezeichnet ist. Nutzen Sie kein Navigationssystem! Begeben Sie sich nach dem Ausführen der Datei Schredder.exe sofort nach Hause, packen Sie und fahren Sie anschließend unverzüglich und ohne Zwischenstopp zu dem Treffpunkt. Halten Sie sich dabei an sämtliche Verkehrsvorschriften und fallen sie nicht auf. Sie sollten dafür maximal 4 Stunden benötigen.


Sie sollte jetzt gleich zu einem Interview aufbrechen und einfach drei Tage der Arbeit fernbleiben. Da wäre sie ja gleich ihren Job los. Aber sie beschloss erst mal weiter zu lesen, bevor sie diesen absonderlichen Vorschlag garantiert verwerfen würde.

Die Aufforderung ist sehr kurzfristig, aber die Umstände drängen zur Eile und ich verspreche Ihnen, das es sich lohnen wird.

Das triefte ja nur so vor Klischees, war ihr vernichtendes Urteil. Warum sollte sie so einer Aufforderung nachkommen? Außerdem, warum sollte Jemanden eine absolute Anfängerin zu dem Interview über sein Lebenswerk einladen, einer Person der Niemand in der Branche Bedeutung beimaß. Da musste etwas gehörig faul sein. Dennoch lass sie weiter.

Sicher fragen Sie sich, warum ich so einen Aufwand betreibe, um Sie zu kontaktieren und warum ich gerade Sie ausgesucht habe. Ich kann an der Stelle nur sagen, dass ich meine Gründe habe. Diese werde ich Ihnen gerne persönlich unter vier Augen erläutern. Glauben Sie mir, es wird die Chance für Sie sein sich einen Namen als Journalistin zu machen! Es steht ihnen selbstverständlich frei, ob und wie Sie den Inhalt des Interviews veröffentlichen. Aber urteilen sie erst, wenn ich Ihnen die gesamte Geschichte erzählt habe – Fragmente können schnell falsch verstanden oder als Fantasiegeschichte abgetan werden.
Ich versichre Ihnen zudem vollständige Sicherheit für dieses Treffen zu!


Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, sie sollte alleine an einen unbekannten Ort fahren ohne dass jemand wusste wo sie sich aufhält. Wenn das ein Gewalttäter ist? Ihr reflexartiger Entschluss war es, den Schwachsinn gleich zu löschen und sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Allerdings war ihr Job recht öde und das hier las sich schon spannend, auch wenn es offensichtlich Fake war. Sie rang sich dazu durch, den Text zumindest bis zu Ende lesen.

Wenn Sie an den angegebenen Treffpunkt sind

Unerwartet kreischte hinter ihr die Stimme von Sybille Schmelzer auf.
„Oh mein Gott, Du bekommst Post von Mad Max Worldwide!“
Sues Augen sprangen an das Ende des Textes.

Ich hoffe Sie folgen meiner Einladung.
Mit verbindlichen Grüßen,
Maximilian Wesener (alias Mad Max Worldwide)


Sybille quiekte erneut den Namen, damit auch jeder in ihre Abteilung mitbekam, das hier etwas Interessantes passierte. Hecktisch schloss sie das Textfenster. Wie viel hatte Sybille lesen können? Es konnten nur die letzten Zeilen gewesen sein, viel Text war in dem kleinen Fenster nicht angezeigt worden. Was fiel der dummen Kuh überhaupt ein, einfach über ihrer Schulter mitzulesen.
« Komm schon, zeig mir die Mail. Das ist sicher total spannend. »
In nächsten Moment stand auch Thomas neben ihr und wollte auf den aktuellen Stand gebracht werden.
« Was ist mit Mad Max Worldwide? »
« Susanne hat eine Mail vom dem bekommen, will sie aber nicht zeigen. »
Dabei hatte sie noch gar nichts erwidert, fühlte sich einfach überrumpelt. Thomas wurde ganz wissbegierig
« Das ist der bekannteste Hacker Deutschlands, wenn nicht ganz Europas, was schreibt er Dir? »
Als wenn sie nicht selber wüsste wer das ist. Er ist, oder besser er war, das Hackergenie der letzten zwanzig Jahre. Eine Ikone für Generationen junger Computernerds.
« Von dem hat man seit Jahren nichts mehr gehört. Von einem Tag auf den anderen, ist er von der Bildfläche verschwunden. Auch seinen bürgerlichen Namen kennt bis heute Niemand », stellte er fest.
« Da stand irgendwas mit Maximilian », plapperte Sybille.
« Das war ein uralter Text. Ist was für meine Recherche », dementierte sie.
« Dann kannst Du ihn doch zeigen, ist sicher spannend », hakte Thomas nach.
Er zeigte auf die Datei ‚Feur_Susanne.txt‘, welche immer noch zusammen mit der zweiten Datei angezeigt wurde. In Ihrer Panik hatte sie zwar das Textfenster geschlossen, nicht aber den Ordner mit den beiden Dateien.
Da sie seiner Aufforderung offensichtlich nicht nachgeben wollte, fingerte Thomas nach der Maus. Aber noch hatte sie die Kontrolle und in Ihrer aufsteigenden Panik drückte sie schnell auf Schredder.exe. Unverzüglich verschwanden beide Dateien zusammen mit dem Ordner und ihr fiel ein Stein vom Herzen.
« Was hast Du gemacht! » stöhnte Thomas.

Sie konnte die Datei ja später erneut entpacken und weiterlesen, sobald die Quälgeister wieder ihrer eigenen Arbeit nachgehen würden. Doch das Glücksgefühl hielt nur Sekunden an, dann wurde Ihre Aufmerksamkeit auf ein hochfrequentes Pfeifen gelenkt. Das Geräusch kam offensichtlich aus ihrem PC. Als nächstes nahm sie den Geruch schmorender Elektronik war, gefolgt von aufsteigendem Rauch aus dem Lüftungsschlitzen. Gebannt starrte sie auf das Gehäuse des Computers der auf ihrem Schreibtisch stand, unfähig etwas zu unternehmen. Durch den PC-Lüfter wurde der Rauch weiträumig verteilt. Fasziniert betrachtete sie die wabernde Masse. Es hatte entfernt Ähnlichkeit mit einer Nebelmaschine, wie sie früher in Diskotheken genutzt wurde. Das war ein Ort, den sie nur vom Hörensagen kannte, an den sie leider nie gehen durfte. Jetzt wo sie das alleine entscheiden konnte, hatte er seinen Reiz verloren, ja es gab diesen mystischen Ort wohl auch nicht mehr.

Lauter werdende Schreie und hektisches Gerenne stoppten ihren Tagtraum. Im Großraumbüro des Deutschen Tageskuriers war Chaos ausgebrochen, die technische Störung hatte anscheinend nicht nur ihren, sondern alle Computer auf der Etage getroffen. Der Raum füllte sich zusehends mit Rauch, Kollegen packten panisch Unterlagen und persönliche Dinge zusammen oder rannten ziellos durch den Raum. Sue nahm ihr Verhalten mit einer gewissen Distanziertheit war ohne selbst auf die Idee zu kommen aktiv zu werden. Dieses änderte sich schlagartig, als die Sprenglehranlage einsetzte und großflächig Wassermassen auf alles und jeden verteilt wurde. Dazu setzte der ohrenbetäubende Lärm des Feueralarms ein und komplettierte das Chaos. Binnen Sekunden war Sue durchnässt doch zugleich hellwach. Es fühlte sich an, als hätte sie den Tag bis hier mehr aus der Warte eines externen Betrachters erlebt. Die Abkühlung ermöglichte ihr in ihrem Körper zurückzukehren, sie spürte die nasse Kleidung auf ihrer Haut, roch den stechenden Brandgeruch und schmeckte den beißenden Rauch. Ein Würgereiz setzte ein, es war wunderbar! Sie fühlte sich wacher, lebendiger und energiegeladener als je zuvor. Berauscht von dieser Empfindung traf sie den Entschluss, nein, eigentlich war lediglich die simple Feststellung der Tatsache, dass sie diesen Hacker auf jeden Fall treffen würde. Da gab es nichts zu überlegen. Er hatte Recht, das war ihre Chance und die würde sie sich nicht entgehen lassen.

Als Sue von ihrem Bürostuhl aufsprang war von Thomas und Sybille nichts mehr zu sehen. Sue griff nach der Ledertasche unter ihrem Schreibtisch und verließ als eine der Letzten die Etage. Das Treppenhaus hatte sich schon gelichtet, sie lief keuchend nach unten. Jedoch stoppte sie nicht im Erdgeschoss und ging auch nicht wie die Anderen zum Sammelpunkt. Sie lief bis in den Fahrradkeller, schnappte sich ihr Hollandrad und schob im Eiltempo über die Rampe ans Tageslicht, wo sie Sonne und frische Luft empfingen. Sie trat in die Pedale und eilen davon.


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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

jon

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Teammitglied
A: Fehler beheben!

B: Der Kapitelwechsel ist de facto keiner, du hat einfach nur den laufenden Text durchgehackt.

C: Es wird wirr. Sehr wirr.
C1: "Sie hatte ihm nicht erlaubt, sie Sue zu nennen." Hat er ja auch gar nicht, also was soll das?
C2: Der Superhacker schickt eine Nachricht ins BÜRO? Da kann er millionenmal fordern, dass sie sie allein lesen soll - sie ist im Büro nicht allein.
C3: Wozu war denn nun dieser Code in der Präsentation da? Was, wenn sie in nicht gefunden hätte? Oder wenn sie ein ganz normales Gedächtnis hätte und sich die Kombi nicht bei einmaligem Lesen gemerkt hätte?
C4: Völlig unglaubwürdig langes Geschwafel in der Nachricht.
C5: Schredder.exe entfernt alle Spuren der Nachricht. Aber Sue denkt, sie kann ja später die Datei nochmal entpacken. - ???????

… und wieso lässt sie sich eigentlich so schnell - all ihre Befürchtungen schlagartig vergessend - auf die Sache ein?
 



 
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