Das große Tor schließt sich hinter uns. Wir - eine Gruppe Firmlinge und ich - wissen, dass wir in ein paar Stunden wieder raus dürfen. Im Gegensatz zu den männlichen jugendlichen Gefangenen, denen wir gleich begegnen werden.
Ich war schon einmal hier und kenne das Procedere: Alles abgeben, Taschen, Schlüssel, Handys und vor allem die Papiere. Sofort fühlt man sich rechtlos. Vogelfrei. Nur das nach Absprache mitgebrachte Gebäck darf passieren.
Die Jugendlichen sind nervös. Wie wird das sein, im Gefängnis? Was werden die Gefangenen sagen? Wie sollen sie sich unterhalten?
Der Gefängnispfarrer kommt, gebeugt gehend von der Last seiner Aufgabe. Ein moderner Heiliger. Er wird den Jugendlichen zeigen, wie Kirche ihre Aufgaben wahrnimmt.
Türen aufschließen, zuschließen, einen Gang entlanggehen, wieder Türen aufschließen, zuschließen. Schlüsselklappern. Ständig. Das ist der erste Eindruck.
Der Eintritt in das Hauptgebäude ist ein Schock: Gänge und Treppen aus Gitterrosten, einsehbar, überall Wachpersonal, Zellentüren. Grelles Neonlicht. Hier gibt es keinen Weichzeichner mehr.
Einige Zellentüren stehen offen. Gejohle der Gefangenen angesichts der Mädchen, die sich in unserer Gruppe befinden. "Nicht hinsehen, weitergehen", sagt der Pfarrer. "Ich führe euch schon mal in die Kapelle und bringe dann die Gefangenen hinein. Sie erfahren erst jetzt, wer an diesem Event teilnehmen darf. Das ist etwas Besonderes. Sie werden sich von ihrer besten Seite zeigen."
In der Kapelle nehmen wir auf würfelförmigen Sitzkissen in der ersten Reihe Platz. Wir werden uns nicht umdrehen. Gefangene sind keine Zootiere.
Jesus hängt in Ketten am Kreuz. Gefangen auch er.
Nachdem der Pfarrer einige Gefangene hineingebracht hat, hält er einen kurzen Wortgottesdienst. Spricht von Jesus, der auch ganz unten war. Vom Vater verlassen - von Gott. Der seinen Weg trotzdem gegangen ist.
Man spürt die Ohnmacht des Pfarrers. Ich weiß, dass er versucht, den Gefangenen eine klitzekleine Heimstatt zu geben. Bei ihm dürfen sie offen sein, er bietet ihnen einen geschützten Raum. Er erzählt nichts weiter. Wenn er nur einem helfen kann, hat sich seine Arbeit schon gelohnt, wird er später sagen.
Er spricht über die Teufelskreise aus Armut, Arbeitslosigkeit, schlechtem sozialen Umfeld, Abrutschen in die Kriminalität, Drogenmissbrauch und dadurch verursachte Beschaffungskriminalität, über Perspektivlosigkeit.
"Werft euer Leben nicht weg" - dieser Satz bleibt hängen. Zum Abschluss beten wir das Vaterunser.
Anschließend gehen alle in einen Aufenthaltsraum. Fleckige Tische, abgenutzte Stühle und Bänke. Es gibt Kaffee und die stark rauchenden Gefangenen machen sich über die Plätzchen her. Ein ungewohnter Luxus für sie.
Wir mustern uns gegenseitig. Schließlich beginnt einer der Insassen ein Gespräch. Was Firmung sei, will er wissen. Er habe es schon mal gehört. In einem früheren Leben.
Im Gegenzug wollen wir erfahren, wie der Alltag im Gefängnis aussieht. Und nun gibt es kein Halten mehr. Es entspinnen sich lebhafte Dialoge. "Ihr könnt alles machen", sagt ein Gefangener sehnsüchtig, "einfach so Pizza essen.....Das würde ich als erstes machen, wenn ich draußen wäre!"
Einer brüstet sich mit seinen begangenen Taten und erzählt stolz von seiner Knastkarriere. Vor allem, da er eine Familientradition fortführt: Auch Opa und Vater waren schon da. Nun er. Und sein Sohn ist vier Monate alt - sein Vater ist siebzehn.
Die Firmlinge machen große Augen. Das alles passt nicht in ihr behütetes Weltbild. Drogen? Noch nie genommen. Kriminell geworden? Wir doch nicht!
Ich wende mich dem neben mir Sitzenden zu. Ein junger Mann, sehr gepflegt, unentwegt an einer Zigarette ziehend. Er erzählt mir, dass er kurz vor dem Fachabitur stand, als er straffällig wurde. "Jetzt habe ich mir alles verbaut", sagt er leise.
Mir rutscht heraus: "Was hast du gemacht?"
Er schaut auf seine Hände. "Fragen Sie ruhig", antwortet er. "Ich habe jemanden umgebracht."
Ich muss schlucken. Er sieht so ..... normal aus. Aber das ist hier kein Kriterium. Ein Bekannter, der im Strafvollzug arbeitet, hat mir erklärt, dass die Mörder immer wie die Normalsten aussehen.
Der junge Mann berichtet mir stockend seine ganze Geschichte. "Ich habe einen Polizisten im Affekt erschlagen und nun habe ich ganz schlechte Karten." Ich kann nichts sagen, höre nur zu.
Nach über zwei Stunden kommt der Pfarrer zurück und beendet unsere Zusammenkunft. Es werden keine Namen oder Adressen getauscht. Alles bleibt anonym. Aus gutem Grund, denn schon manches Mädchen war von einem männlichen Gefangenen sehr beeindruckt. Anschließend sprechen wir noch eine halbe Stunde mit dem Pfarrer über seine Arbeit.
Alle sind in sich gekehrt und bedrückt. Wie gut geht es den Firmlingen - und mir auch. Ich habe kein Kind im Gefängnis.
Wir bekommen unsere persönlichen Dinge zurück und fahren nach Hause. Niemand spricht. Alle hängen ihren eigenen Gedanken nach.
Abends im Bett verfolgen mich die Augen des jungen Mannes, der ein Mörder ist. "Vergessen Sie mich nicht", hat er beim Abschied gesagt und meine Hand einen Moment gedrückt.
Ich war schon einmal hier und kenne das Procedere: Alles abgeben, Taschen, Schlüssel, Handys und vor allem die Papiere. Sofort fühlt man sich rechtlos. Vogelfrei. Nur das nach Absprache mitgebrachte Gebäck darf passieren.
Die Jugendlichen sind nervös. Wie wird das sein, im Gefängnis? Was werden die Gefangenen sagen? Wie sollen sie sich unterhalten?
Der Gefängnispfarrer kommt, gebeugt gehend von der Last seiner Aufgabe. Ein moderner Heiliger. Er wird den Jugendlichen zeigen, wie Kirche ihre Aufgaben wahrnimmt.
Türen aufschließen, zuschließen, einen Gang entlanggehen, wieder Türen aufschließen, zuschließen. Schlüsselklappern. Ständig. Das ist der erste Eindruck.
Der Eintritt in das Hauptgebäude ist ein Schock: Gänge und Treppen aus Gitterrosten, einsehbar, überall Wachpersonal, Zellentüren. Grelles Neonlicht. Hier gibt es keinen Weichzeichner mehr.
Einige Zellentüren stehen offen. Gejohle der Gefangenen angesichts der Mädchen, die sich in unserer Gruppe befinden. "Nicht hinsehen, weitergehen", sagt der Pfarrer. "Ich führe euch schon mal in die Kapelle und bringe dann die Gefangenen hinein. Sie erfahren erst jetzt, wer an diesem Event teilnehmen darf. Das ist etwas Besonderes. Sie werden sich von ihrer besten Seite zeigen."
In der Kapelle nehmen wir auf würfelförmigen Sitzkissen in der ersten Reihe Platz. Wir werden uns nicht umdrehen. Gefangene sind keine Zootiere.
Jesus hängt in Ketten am Kreuz. Gefangen auch er.
Nachdem der Pfarrer einige Gefangene hineingebracht hat, hält er einen kurzen Wortgottesdienst. Spricht von Jesus, der auch ganz unten war. Vom Vater verlassen - von Gott. Der seinen Weg trotzdem gegangen ist.
Man spürt die Ohnmacht des Pfarrers. Ich weiß, dass er versucht, den Gefangenen eine klitzekleine Heimstatt zu geben. Bei ihm dürfen sie offen sein, er bietet ihnen einen geschützten Raum. Er erzählt nichts weiter. Wenn er nur einem helfen kann, hat sich seine Arbeit schon gelohnt, wird er später sagen.
Er spricht über die Teufelskreise aus Armut, Arbeitslosigkeit, schlechtem sozialen Umfeld, Abrutschen in die Kriminalität, Drogenmissbrauch und dadurch verursachte Beschaffungskriminalität, über Perspektivlosigkeit.
"Werft euer Leben nicht weg" - dieser Satz bleibt hängen. Zum Abschluss beten wir das Vaterunser.
Anschließend gehen alle in einen Aufenthaltsraum. Fleckige Tische, abgenutzte Stühle und Bänke. Es gibt Kaffee und die stark rauchenden Gefangenen machen sich über die Plätzchen her. Ein ungewohnter Luxus für sie.
Wir mustern uns gegenseitig. Schließlich beginnt einer der Insassen ein Gespräch. Was Firmung sei, will er wissen. Er habe es schon mal gehört. In einem früheren Leben.
Im Gegenzug wollen wir erfahren, wie der Alltag im Gefängnis aussieht. Und nun gibt es kein Halten mehr. Es entspinnen sich lebhafte Dialoge. "Ihr könnt alles machen", sagt ein Gefangener sehnsüchtig, "einfach so Pizza essen.....Das würde ich als erstes machen, wenn ich draußen wäre!"
Einer brüstet sich mit seinen begangenen Taten und erzählt stolz von seiner Knastkarriere. Vor allem, da er eine Familientradition fortführt: Auch Opa und Vater waren schon da. Nun er. Und sein Sohn ist vier Monate alt - sein Vater ist siebzehn.
Die Firmlinge machen große Augen. Das alles passt nicht in ihr behütetes Weltbild. Drogen? Noch nie genommen. Kriminell geworden? Wir doch nicht!
Ich wende mich dem neben mir Sitzenden zu. Ein junger Mann, sehr gepflegt, unentwegt an einer Zigarette ziehend. Er erzählt mir, dass er kurz vor dem Fachabitur stand, als er straffällig wurde. "Jetzt habe ich mir alles verbaut", sagt er leise.
Mir rutscht heraus: "Was hast du gemacht?"
Er schaut auf seine Hände. "Fragen Sie ruhig", antwortet er. "Ich habe jemanden umgebracht."
Ich muss schlucken. Er sieht so ..... normal aus. Aber das ist hier kein Kriterium. Ein Bekannter, der im Strafvollzug arbeitet, hat mir erklärt, dass die Mörder immer wie die Normalsten aussehen.
Der junge Mann berichtet mir stockend seine ganze Geschichte. "Ich habe einen Polizisten im Affekt erschlagen und nun habe ich ganz schlechte Karten." Ich kann nichts sagen, höre nur zu.
Nach über zwei Stunden kommt der Pfarrer zurück und beendet unsere Zusammenkunft. Es werden keine Namen oder Adressen getauscht. Alles bleibt anonym. Aus gutem Grund, denn schon manches Mädchen war von einem männlichen Gefangenen sehr beeindruckt. Anschließend sprechen wir noch eine halbe Stunde mit dem Pfarrer über seine Arbeit.
Alle sind in sich gekehrt und bedrückt. Wie gut geht es den Firmlingen - und mir auch. Ich habe kein Kind im Gefängnis.
Wir bekommen unsere persönlichen Dinge zurück und fahren nach Hause. Niemand spricht. Alle hängen ihren eigenen Gedanken nach.
Abends im Bett verfolgen mich die Augen des jungen Mannes, der ein Mörder ist. "Vergessen Sie mich nicht", hat er beim Abschied gesagt und meine Hand einen Moment gedrückt.