Gegengift

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ENachtigall

Mitglied
Gegengift


Wirkt er Wunder, der Stoff
dieser Blüte
der Gattung Selbsterhalt
heimisch
auf schlichten Lichtungen
getrieben
auf Gedeih und Verderb

Wie hoch schätzt du
den Wert jenes Vermögens
gemessen an
der Reißfestigkeit des seidenen Fadens
der Leib und Seele
kokonesk umgarnt
in Spannung hält
Mal gravitätisch schwebend
Mal gordisch verknotet

Welche Dosis davon brauchen
Unglücksrabe
Lebensmüde
und Sehnsucht nach jenseits von Gut und Böse



© Elke Nachtigall
2. Juni 2006





---Änderung vom 13.06.06------------------------------------
folgende Strophe ersetzt durch die 3. im Text oben

Welch Geschenk
längst vergessener Götter an:
Trotzt dem Unwahrscheinlichen
Mischt sich vermittelnd ein
Befreundet mit Fremden
und Teilt

Heißt einfach Lebensmut
 
B

bonanza

Gast
ob die götter da rein gehören müssen, weiß ich nicht.
du drückst kunstvoll in teils gewagten bildern aus,
dass der mensch, die kreatur, verteufelt stark am
leben hängt. zwischendurch ist man darum regelrecht
aufgemuntert, weil - es geht uns allen so.

bon.
 

Regenzauber

Mitglied
Das Geschenk an : jetzt fehlt aber etwas, oder ist der Doppelpunkt falsch?

Dann komme ich auch mit "Heißt einfach Lebensmut" nicht zurecht. Hast du nicht etwas zu viel in diesen Text hineingepackt?
 

ENachtigall

Mitglied
Gegengift, wofür

@ Melany, danke für Deinen Kommentar und schön, dass Dir die erste Strophe gefällt.

Ich schreibe Texte/Gedichte, die nicht immer gerade und leicht nachvollziehbar sind. Aber sie sind (meistens) vorab lange durchdacht und setzen einen Punkt oder ein Ausfrufezeichen an der Stelle, an der ich mich entscheide, ein Thema "abzulegen".
Natürlich möchte ich auch, dass sie gelesen und verstanden werden. Für mich selbst wächst der Reiz speziell an Lyrik auch mit einer gewissen Art von Herausforderung, den passenden "Schlüssel" nicht immer sofort zu finden, sondern im allmählichen Probieren die Tür zum Text zu öffnen. Und das beeinflußt natürlich die eigene Gestaltung.
Vielleicht hilft es Dir, dass ich die Zeilenumbrüche noch einmal etwas umgestellt habe.
Die zentrale Vorüberlegung rankte um die Redewendung "den Lebensmut verlieren", diese etwas antiquiert anmutende aber sehr einfühlsame Art der Beschreibung der Selbsttötung. (Das erklärt auch, was mit der "Reißfestigkeit des seidenen Fadens" gemeint ist.) Sie öffnete die Idee, dass dieser für selbstverständlich gehaltene - und daher kaum wahrgenommene Aspekt menschlicher Existenz - zu Unrecht ein Schattendasein fristet.
"Lebensmut" ist hier gedacht als Gegengift zu der heute so verbreiteten Sinnentleerung und Todessehnsucht.

@ bonanza, die herangezogenen "längst vergessenen Götter" sind halt an dieser Stelle, da ich auf etwas Ererbtes, Geschenktes, jedenfalls ohne Anstrengung Erworbenes verweise, als die Quelle des angeborenen Naturells oder Temperaments zu verstehen. Auch diese Komponente der Voreinstellung zum Sozialverhalten und der Frustrationstoleranz ist doch mit entscheidend für die Qualität des Überlebenswillens.

@ Regenzauber, Du hast Dir wirklich eine labyrinthische Stelle ausgesucht: nach dem Doppelpunkt stehen Namen. Sicher kennst Du den Film "Der mit dem Wolf tanzt". In Anlehnung an die Gewohnheit der Ureinwohner, Namen nach besonderen Fähigkeiten oder Begebenheiten zu vergeben, habe ich hier einige m.E. Lebensmut fördernden "Gaben" derart verpackt. Verstehst Du nun den letzten Satz?

Danke für die Auseinandersetzung.

Ich grüße herzlich.

Elke
 
I

inken

Gast
Liebe Elke

Vom Inhalt her schön und tiefgründig,
von der Form her - trotz Anerkennung deiner Experimentierfreudigkeit -
ein paar kleine Anmerkungen von mir:


Wie hoch
schätzt du den Wert
jenes Vermögens
gemessen
an der Reißfestigkeit
des seidenen Fadens
der Leib und Seele
kokonesk (besser:wie ein Kokon) umgarnt
und in Spannung hält?
Mal gravitätisch schwebend
Mal (besser: und dann wieder) gordisch verknotet


für meinen Geschmack liest es sich so
geschmeidiger, was den Inhalt mehr zur
Geltung kommen läßt und in der dritten
Strophe würde ich noch nachdenken,
da scheint es mir mit der Form noch besser
zu gehen, aber ich weiß nicht wie.

Die erste Srophe finde ich auch sehr schön,
klar, rhythmisch und gut.

Liebe Grüße inken
 

Regenzauber

Mitglied
@Elke

Da sprichst du also von einer Welt, die nur den Eingeweihten zugänglich ist, und da ich den Film nicht gesehen habe - wenn um einen Film so viel Reklame gemacht wird, sehe ich ihn mir prinzipiell nicht an, was sicher blöd ist, aber was soll es schon bedeuten? - bleibe ich als Sprachunkundiger vom Verständnis ausgeschlossen. Die Idee aber, die gefällt mir, da ich ja auch einmal von Indianergeschichten begeistert war, vor langer, langer Zeit..., selbst wenn ich den "Lebensmut" nicht mag, der er mir zu trivial klingt.
 

ENachtigall

Mitglied
Eingeweihte...

Hallo Regenzauber,

schreiben ist Spiel mit Worten und Sprache. Das sorgt ja auch für den Spaß daran. Sieh, Du erinnerst Dich an die Indianer. Das besondere ist ihre Weltsicht, die sich in der Namensgebung spiegelt. Dafür muss man nicht den (als Spur zum Verständnis) erwähnten Film gesehen haben.

Schönen Montag
Elke
 

Regenzauber

Mitglied
Immer noch: Wo ist das Gift?

@ENachtigall

Wenn ich auch deine Absicht nun verstehe, meine ich doch, sie sollte auch einfacher zu mir, dem Leser, herüberkommen, mich durch eine Vorbereitung aufbereiten zum Einsteigen in deine Beschwörung, denn der Anruf der vergessenen Götter und die magische Kraft, die du den Zauberformeln gleichenden Namen zuschreibst, sollte als solche Inkantation besser erkennbar sein.

Frag mich nicht wie, denn ich bin, im allgemeinen, kein Gedichteumschreiber, doch, Elke, du verstehst meine Bedenken? Umso mehr, als du von Gegengift redest, doch das Gift, die Vergiftung, die du mit dem Gegengift bekämpfen willst, nirgends ansprichst,
"Lebensmut" ist hier gedacht als Gegengift zu der heute so verbreiteten Sinnentleerung und Todessehnsucht.
so dass man sie vom Gegengift her rückschließend sich selbst erdenken muss, und das ist keine leichte Aufgabe! Soll es ja auch nicht sein, höre ich dich sagen, doch ich will es nicht hören, denn trotzige Kinder wollen nicht nachgeben!
 

ENachtigall

Mitglied
Jetzt hast Du mich überzeugt, Regenzauber,

....vielleicht, weil ich den Umgang mit trotzigen Kindern noch gewöhnt bin.

Ich habe eine Idee, wie ich die Brücke zum Gift schlage: ich verabreiche es am Schluß und laß den Lebensmut nur im Titel auftauchen. Danke herzlichst für die konstruktiven Anmerkungen.

Liebe Grüße von

Elke
 
B

bonanza

Gast
der tod ist das gegengift.
das helle leben die züngelnde giftschlange.
der mensch vom affen gebissen.

bon.
 



 
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