Gehalten und zerbrochen

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klaatu

Mitglied
Ich saß innerlich und äußerlich zusammengesunken an der Theke, als ein mir unbekannter Mann in die Kneipe kam und sich zwei Stühle weiter neben mich setzte. Er hängte seine Jacke über den Barhocker, setzte sich und orderte einen Drink. Ich musterte ihn und als er den Kopf zu mir drehte, zwinkerte ich ihm freundschaftlich zu und presste die Lippen dabei zusammen, so wie man es tut, wenn man jemanden ganz neutral grüßen möchte, ohne etwas zu sagen. Ich wandte mich wieder meinem Bier zu. Plötzlich wurde ich von der Seite geschubst und wäre fast vom Stuhl gefallen.

Der Fremde stand neben mir und funkelte mich böse an. Er war größer, jünger, kräftiger und vermutlich auch nüchterner als ich.
„Hast du mir grade zugezwinkert?“, fragte er wütend.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte und sah ihn nur ratlos an.
„Zwinker noch mal so dämlich und ich zertrümmer dein Gesicht auf dem Tresen!“

Der Fremde sah mir scharf in die Augen. Ich blickte standhaft zurück, um ihn nicht noch wütender zu machen und versuchte krampfhaft nicht zu Blinzeln, bis meine Augen tränten. Schließlich blinzelte ich doch. Er packte meinen Kopf mit einer kräftigen Hand und hämmerte mein Gesicht auf die mit verschüttetem Bier verklebte Theke. Ich kippte vom Stuhl, schmeckte Blut und spürte etwas in meinem Mund, was nur ein abgesplitterter Zahn sein konnte. Während ich auf dem Boden lag und sich die Decke über mir bedrohlich drehte, zog sich der Fremde die Jacke wieder an, kippte seinen Drink runter, zahlte und ging.

Ich rappelte mich auf und setzte mich zurück auf meinen Hocker. Meine gebrochene Nase quietschte hörbar beim Atmen. Die Bedienung sah mich mitleidig an.
„Den Kerl lob` ich mir“, sagte ich und spuckte dabei Blut. „Der hält wenigstens was er verspricht.“
 

annagreta

Mitglied
Hallo klaatu von annagreta.

Bildlich hatte ich jene Situation gut vor Augen. Frage mich nur, ist diese radikale blitzschnelle Brutalität in einer Kneipe realistisch?!
Interessant wäre zu wissen warum der Täter an diesem Abend so angestochen ist. Ebenfalls, wie er sich am Tresen in sein brutales Vorhaben steigert. Was geht ihm dabei durch den Kopf?
Der Attackierte, das Opfer, sollte zuvor seine Chance bekommen, entweder zu besänftigen oder energisch zu reagieren. Warum hing er so an der Theke herum, was hatte er zuvor erlebt, was beschäftigte ihn.
Wie reagieren die Gäste während der Attacke?

Beste Grüße
 

Vagant

Mitglied
annagreta:
Das muss hier so! New-Hard-Boiled quasie; Wie Chandler ohne Schnörkel oder Arjouni ohne Humor. Aber den lakonischen Ton mag ich. Obwohl mir die "Beweise" irgendwie besser gefallen haben. Das könnte der Autor ruhig mal in einer etwas längeren Form zum Vortrag bringen. Ich würd's lesen.
Vagant.
 

klaatu

Mitglied
@ annagreta

Die Fragen die du da stellst, würde sich wohl jeder stellen, wenn er das Geschriebene live erleben würde. Der Text soll aber eigentlich keine Beschreibung einer irgendwie möglichen realen Situation sein, sondern eher eine Art Metapher. Bei dir hat sie wohl leider nicht angeschlagen.
Danke für deine Aufmerksamkeit!

@ Vagant
Auch dir vielen Dank für die Aufmerksamkeit und deinen netten Kommentar!
 
A

aligaga

Gast
Wofür sollte das denn eine "Metapher" sein, o @klaatu? Die primitive "Was guckst du so blöd?"-Nummer ist so alt wie die Menschheit, die ohne Machtspielchen keine Gesellschaft ausformen kann. Die Nummer gab's schon in der Steinzeit, bei den ollen Griechen und Römern, im Mittelalter, beim Adel des 19. Jahrhunderts (da hieß es feiner "Haben Sie mich fixiert?", statt des Faustkampfes gab's das Duell), auf den KZ-Höfen, in Schulen, Internaten und in Kindertagesstätten.

Auch dass Demütigungen der geschilderten Art scheinbar gelassen hingenommen werden, ist recht banal. In aller Regel hält sich das Opfer später an anderer Stelle schadlos - an seiner Frau oder an den Kindern, nachdem es besoffen heimgewankt ist.

Deinem Epi-Södchen fehlt der Witz. Ohne den bleibt's, was es ist: Sinnfreies Suffgestürm, wie man es tagtäglich in jeder billigen Eckkneipe hören und sehen kann.

Heiter

aligaga
 

klaatu

Mitglied
@aligaga
Die Idee zu dem Text kam mir nach einer Diskussion mit einem Donald-Trump-Befürworter. Auf alle meine Einwände reagierte er mit dem Todschlagargument, dass Trump ja wenigstens seine Wahlversprechen halten würde. Der Mann am Tresen soll er sein. Hätte ich dem Schläger vielleicht noch orangene Haare verpassen sollen...?
 
A

aligaga

Gast
Mit welchen Stereotypen du den amerikanischen Präsidenten vergleichen möchtest und was dich dazu brächte, ihn so zu sehen, @klaatu, ist allein dein Vergnügen.

Wie @ali in seiner Kritik bereits festgestellt hat, ist dein Text nichts als eine banale, täglich tausendfach zu beobachtende "Interaktion" zwischen primitiven Suffköpfen, die "es" miteinander "ausmachen" und wo einer der beiden Suffkis sofort den Schwanz einzieht. Schon der olle Hemingway hat gern und oft solche (allerdings gekonnte!) Bildchen gezeichnet.

Ob Trump tatsächlich alles halten kann, was er verspricht, darf man füglich bezweifeln, wie uns schon die ersten Wochen seiner Amtszeit zeigen. Und dass andere Kontinente sofort einknicken, wenn da einer bloß "trumpelt", ist ebenfalls kaum anzunehmen.

Die Welt ist ein klein bisschen komplizierter, als du und die Bildzeitung es sich vorstellen. Das lernt Mr. Trump auch gerade, und es scheint recht schmerzhaft für ihn zu sein. Ob er besoffen ist, wenn er twittert, weiß @ali nicht. Aber er weiß, dass @ali es nicht ist, wenn er dessen Botschaften zur Kenntnis nimmt. Auch Schulz, so hört man, soll inzwischen trocken sein.

Heiter, sehr heiter

aligaga
 

klaatu

Mitglied
@aligaga
Ganz ehrlich, nach folgender Aussage:

"Die Welt ist ein klein bisschen komplizierter, als du und die Bildzeitung es sich vorstellen."

brauchen wir eigentlich nicht weiter zu diskutieren.. Erstens fühle ich mich persönlich beleidigt, wenn ich mit der Bild"zeitung" gleichgesetzt werde und zweitens glaube ich kaum, dass du eine Ahnung davon hast, wie ich mir die Welt vorstelle. Eine ziemlich hochnäsige Aussage, sorry.

Ich habe nur versucht - wie in vielen Texten von mir - eine Verhaltensauffälligkeit vieler oder einzelner Menschen, die mir aus irgendeinem Grund aufgefallen ist, in eine kurze Geschichte zu packen. Und wenn du die im Text geschilderte "banale Interaktion" tatsächlich täglich "tausendfach" beobachten kannst, solltest du vielleicht mal über einen Umzug nachdenken. Oder zumindest eine neue Stammkneipe.
 
A

aligaga

Gast
Und wenn du die im Text geschilderte "banale Interaktion" tatsächlich täglich "tausendfach" beobachten kannst, solltest du vielleicht mal über einen Umzug nachdenken.
@Ali kommt, wie so viele andere seiner Mitmenschen, zwangsläufig und häufig an Bahnhöfen, deren Gaststätten und Kiosken vorbei. Dort findet sich das von dir dargestellte Klientel und dessen geistiger Horizont regelmäßig, und es benimmt sich entsprechend.

Es als Metapher für die aktuelle amerikanische Außenpolitik verkaufen zu wollen, ist nicht mal Bildzeitungs-Niveau, sondern dünnstflüssiger Quark, über den zu streiten sich bestimmt nicht lohnt. Wie bläuen ja nicht vor einem Stehausschank neben den Geleisen, sondern trinken Pomeranzenblütentee in der LeLu, ne?

Amüsiert

aligaga
 



 
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