Geisterfahrer

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TDH

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Geisterfahrer



Mit einem lauten Geräusch schloss sich der Aktenkoffer von Henry Kalarikov und er erhob sich von dem Stuhl, der an der Kopfseite des Konferenztisches stand. Die Personen zu seiner Linken blickten ein wenig verstört, die zu seiner Rechten schienen wie versteinert.
„Werte Damen, werte Herren, ich hoffe, dass wir unsere Ziele schnellstmöglich erreichen. Wenn nicht, dann könnte ich mir vorstellen, den einen oder anderen von Ihnen fristlos zu feuern…!“, sprach er und blickte streng in die Runde. Da stand ein relativ junger Mann auf, dessen Stirn ein wenig feucht war und dessen Herz ihm bis zum Halse schlug. Dennoch erhob er seine Stimme:
„Mr. Kalarikov, Ihnen geht es immer nur um Geld und die Menschen sind Ihnen dabei egal!“
Der eisige Blick des Mannes an der Spitze des Konferenztisches traf ihn und dieser vollendete seinen Satz:
„…und mit Ihnen fange ich an! Nehmen Sie Ihre Sachen und verschwinden Sie!“
Er blickte sich selbstgefällig um und fragte:
„Noch jemand einen Einwand?“
Keiner wagte es, einen Ton zu sagen, was Kalarikov zum Anlass nahm, mit dem Aktenkoffer aus dem Zimmer zu eilen.
Die Konferenzteilnehmer brauchten eine lange Zeit, bis der junge Mann noch einmal das Wort ergriff:
„Lieber arbeite ich als Tellerwäscher zehn Stunden am Tag, als noch einmal für diesen geldgierigen, machthungrigen und skrupellosen Menschen zu arbeiten.“
Eine andere Frau erwiderte:
„Ich habe die Wahl, entweder weiterhin – unter diesen Bedingungen – für Kalarikov zu arbeiten…oder arbeitslos zu werden und meinen Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren zu können“.
Nach einem kleinen Tumult löste sich die Konferenz auf und deren Teilnehmer verstreuten sich.


Der Boss lief grußlos durch seine Abteilung Richtung Ausgang. Er stieg in den Fahrstuhl und fuhr nach unten in die Lobby.
Als er das Hochhaus verlassen wollte, viel ihm eine etwas rundliche, leicht dunkelhäutige Frau auf, die den Boden mit einem Feudel wischte und dabei fröhlich irgendein spanisches Lied vor sich her trällerte.
„Na, wen haben wir denn hier? Bestimmt illegal aus Mexiko in unser schönes Land gekommen, was?“
Sie erhob ihren Kopf und meinte: „Si Señor.“
„Und gleich schön Siesta halten: eine Stunde nichts tun, was?“
Es folgte ein weiteres „Si, Señor.“
„Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir: ich arbeite hart, verdiene viel und leite verantwortungsbewusst dieses Firmenimperium. DAS ist Arbeit, DAS ist Leben.“
Abermals bekam er ein freundliches „Si Señor.“ zu hören!
„Tja, blöd, wenn man in ein fremdes Land kommt und dessen Sprache nicht mächtig ist!“, spottete er und verließ das Gebäude. Die Reinigungskraft erhob ihren Blick – und lächelte!
„Tja, blöd, wenn man die falschen Prioritäten im Leben setzt!“, flüsterte sie mit aktzentfreiem Amerikanisch.
„Ich wünschte, Ihnen würde etwas zustoßen, das Sie zum Umdenken bewegt!“


Henry Kalarikov trat an die Straße und blickte sich suchend um, als er ein Taxi bemerkte, das sich ihm näherte. Er winkte es herbei, stieg an der Beifahrerseite ein und nannte sein Ziel. Der Taxifahrer trug eine Baseballkappe, sodass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, auch da sie besonders tief gezogen war!
Sie fuhren los und gerieten in den Feierabendverkehr: die Autos reihten sich in den vollen Straßen der Stadt dicht an dicht und ab und zu hupte jemand. Der Firmenchef nahm davon keine Notiz und studierte den Aktienkurs seines Unternehmens mit Hilfe seines Smartphones.
„Er schießt förmlich durch die Decke…dank mir“, murmelte er vor sich hin und schaltete das Display aus.
„Wieso dauert das so lange?“, herrschte er den Fahrer an.
„Geduld, Mister.“, erwiderte dieser und fuhr fort: „Leider können Autos noch nicht fliegen.“
„Wird Zeit, dass sie das erfinden!“, grummelte Henry Kalarikov und war wenig später wieder in sein Smartphone vertieft: Er rief den Kurs von Gold und den von der Nummer Eins der amerikanischen Rüstungsfirmen auf und lächelte schief.
„Wenn das so weiter geht, bin ich bald eine Milliarde Dollar schwer. Von so etwas können Sie nur träumen!“, meinte er zu dem Fahrer.
„Ich träume von anderem: eine Frau, Kinder, Familie, Freunde … die zu einem stehen selbst in der größten Not!“, sagte dieser.
„Stuss. Frauen lassen sich scheiden und nehmen die Hälfte, Kinder sind anstrengend, die Familie raffgierig und mein bester Freund bin immer noch ich selbst!“, kanzelte er den Mann mit der Baseballkappe ab.

Endlich wechselte der Verkehr von zäh nach fließend, sie bogen auf die nächste Bundesstraße und fuhren wenig später auf die mehrspurige Interstate, die knapp hinter der Stadtgrenze begann.
„Haben sie Träume, Mister?“, wollte der Fahrer wissen und gab Gas, um mit dem Verkehr mithalten zu können.
„In der Tat, ich träume von einer Villa in Beverly Hills, Tür an Tür nicht mit dem gewöhnlichen Volk, sondern mit Film- und Sportstars. Ich träume davon, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika die Hand zu schütteln und vielleicht eines Tages auch als solcher vereidigt zu werden! Dann wäre ich der mächtigste Mann der freien Welt!“
Er überlegte einen Moment und ergänzte:
„Dann werde ich die Wirtschaft ankurbeln und die Sauerkrautfresser und die Schlitzaugen vom Markt verdrängen!“


Henry Kalarikov war so vertieft in seine Ausführungen, dass er nicht bemerkte, wie das Taxi plötzlich beschleunigte. Sie wurden schneller und schneller, aber er scherte sich nicht darum. Vor ihnen kam ein feuerrotes Auto näher, als sein Fahrer das Gaspedal voll durchtrat und der Motor aufheulte. Der Geschäftsmann blickte kurz auf, als sie den italienischen Sportwagen rasant überholten.
„Wohl den Tiger im Tank, was?“, spottete er.
„Da haben Sie vollkommen Recht, Mister Kalarikov!“, erwiderte der Mann am Lenkrad.
Ein wenig verwirrt blickte der Angesprochene ihn an und fragte:
„Woher wissen Sie meinen Namen?“
„Das ist nebensächlich“, kam als Antwort.
Im Innenraum des Taxis wurde es lauter und es vibrierte, was durch das starke Beschleunigen ausgelöst wurde. Der Beifahrer sah zu seinem Schreck, dass vor ihnen alle Spuren durch wesentlich langsamere Fahrzeuge blockiert waren.
„Sie sind doch krank! Fahren sie um Himmelswillen langsamer!“, rief der Beifahrer und in seinem Magen breitete sich ein eigenartiges, flaues Gefühl aus.
Als sie beinahe aufgeprallt wären, riss der Fahrer das Steuerrad herum, sie drifteten auf den Standstreifen und überholten die Hindernisse!
Entsetzt griff sich Henry Kalarikov an die Stirn und blickte anschließend auf seine Fingerkuppen: sie waren feucht vor Angstschweiß, zudem pochte sein Herz heftig im Brustkorb.
Doch damit nicht genug.
Kaum waren sie wieder auf der normalen Spur, als sich in weiter Ferne vor ihnen ein Stau auftat.
„Wollen Sie, dass wir sterben? Ich bitte sie inständig, langsamer zu fahren!“
Der Geschäftsmann bettelte einen anderen Mann an…das war seit seinem siebzehnten Lebensjahr nicht mehr passiert, dachte er bei sich. Dad! Diesen hatte er damals angefleht, seine Mutter nicht mehr zu schlagen und hatte selbst eine gewischt bekommen!

Aber der Taxifahrer schien ihn zu ignorieren. Er gab unbekümmert Gas, der Stau wurde besser zu erkennen: alle Spuren belegt.
„Dann muss ich es halt mit Geld versuchen“, kam Henry Kalarikov in den Sinn. „Das hat bisher immer in meinem Leben geholfen!“
Er blickte zu seinem Fahrer und fragte kühl:
„Mister. Wie viel wollen sie. Hunderttausend Dollar?“
„Das, was sie mir geben können, ist mehr wert!“, antwortete dieser.
„Eine Million Dollar?“
„Nein, etwas, was viel mehr wert ist!“
Henry Kalarikov begann noch stärker zu transpirieren. Wollte der Mann etwa seine Seele? War er dem Teufel gar persönlich begegnet? Er musste nicht lange überlegen, bis ihm ein paar Gründe dafür klar wurden:
„Ich hatte vor Jahren meinen Start-Up-Partner aus dem Business geekelt und das florierende Investmentimperium selbst übernommen“, dachte er bei sich.
„Zudem viele Leute gefeuert und der hübschen Miss USA Schlafpulver in den Drink getan, um sie anschließend zu…“.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Stauende deutlich sichtbar wurde. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass der Standstreifen durch ein Rettungsfahrzeug blockiert war.
„Was wollen sie Mister?“, versuchte er es ein letztes Mal.
„Nur eine einzige Sache, Sie kommen drauf!“, meinte der Fahrer.
Fieberhaft überlegte Henry Kalarikov, was der Mann zu seiner Linken nur von ihm wollte. Mit Materiellem konnte er ihn nicht überzeugen! Das Stauende kam näher und näher, instinktiv griff der Geschäftsmann an den Haltegriff oberhalb seines Beifahrersitzes und presste sich in den Sitz.
„Verdammt. Wollen sie, dass wir sterben?“
„Nein“, erwiderte der Mann neben ihm, „Nur ein Versprechen von Ihnen!“
Gedankenfetzen rasten durch den Kopf des Beifahrers, aber sie ergaben kein konkretes Bild! Was sollte er ihm nur versprechen, da sie kurz vor einem heftigen Aufprall standen, von dem keiner wissen würde, ob sie den überlebten!
„Nun, ich werde Ihren Gedanken etwas auf die Sprünge helfen!“, raunte der Mann am Lenkrad und drehte dieses gegen den Uhrzeigersinn. Statt in das Stauende zu krachen, fuhren sie gegen die Leitplanke. Ein lauter Knall erscholl und die Fahrgastzelle wurde so durchgeschüttelt, dass dem reichen Mann Hören und Sehen verging. Ist das das Ende, schoss es ihm durch den Kopf.
Doch auf einmal konnte er wieder etwas erkennen. Seine Augen weiteten sich, als er begriff, wo sie waren: sie fuhren mit unveränderter Geschwindigkeit, allerdings auf der Gegenfahrbahn. Ungläubig betastete er seinen Körper und die Beifahrertüre - alles real.
„Wir müssten Totalschaden erlitten haben“, rief er seinem Nebenmann zu.
Doch dieser raunte nur:
„Ihr Versprechen!“,
und griff mit seiner rechten Hand an den Knopf des Autoradios. Für einen Moment glaubte der Firmenchef, dass diese ein wenig durchsichtig war, aber der Eindruck beschäftigte ihn nur kurz, da er auf dem Handrücken eine langgezogene Narbe entdeckte, die ihm irgendwie bekannt vorkam!

„Die habe ich schon mal gesehen, aber wo nur?“, fragte er sich, als der Fahrer das Radio einschaltete. Da erklang eine Stimme:
„Achtung, eine wichtige Warnmeldung. Auf der Interstate…“, ein Rauschen verwischte die Angabe, „…kommt Ihnen ein Geisterfahrer entgegen. Bitte halten Sie sich rechts und überholen nicht!“
Ein Fahrzeug wich ihnen aus und Henry Kalarikov schmerzten die Ohren vom Geräusch der Hupe! Da nahm der Mann am Steuer aus seiner Westentasche eine Schachtel Zigaretten heraus, aktivierte den elektrischen Zigarettenanzünder, ergriff ihn und zündete sich eine an.
Der Qualm drang in die Nase des Firmenchefs, er schnupperte kurz und zog ein angewidertes Gesicht. Aber im gleichen Moment fragte er sich:
„Diese Zigarettenmarke kommt mir auch bekannt vor! Wer rauchte nur diese Zigaretten und wer hatte diese Narbe?“
Doch da riss ihn ein Truck aus den Gedanken, der seinem Taxi auf ihrer Spur entgegenkam.
Entsetzt wurde ihm bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, den Gegenverkehr frontal zu rammen. Angestrengt überlegte er, was für ein Versprechen er dem anscheinend lebensmüden Mann zu seiner Linken geben sollte.
„Wenn wir mit dem Truck zusammenprallen, dann sind wir tot!“, ächzte Henry Kalarikow.
„Ich bin eh schon tot, also was soll es!“, erwiderte der Fahrer.
„Narbe auf der rechten Hand, raucht diese widerwärtige Zigarettenmarke, ist eh schon tot…“, murmelte der Mann zu dessen Rechten.
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er rief:

„Sie müssen…Sie müssen Ted Graves sein…aber ich dachte, sie wären…!“

Da zog der Fahrer die Baseballkappe aus. Ungläubig sah der Firmenchef ein Gesicht mit Oberlippenbart, kurzen, schwarzen Haaren, einer Hakennase und blitzenden Augen – aber er war halb durchsichtig!
„Ja, ich bin Ted Graves“, sagte der Mann am Steuer, „oder um genauer zu sein: ich war Ted Graves, der Ted Graves, den Sie vor drei Jahren gefeuert hatten. Wissen Sie wie sich das anfühlt, vor dem Nichts zu stehen?“
Henry Kalarikows Stirn warf Falten. Das hatte er sich noch nie gefragt, bei den Rauswürfen, die er kaum noch zählen konnte.
„Ich konnte die Hypothek für mein Haus nicht mehr bezahlen, ebenso die Raten für mein Auto. Ich fand einfach keinen Job.“, raunte der Fahrer.
„Was ist dann passiert?“, wollte der Mann neben ihm wissen.
„Ich mache es kurz: ich sprang von einer Brücke. Suizid! Eigentlich müsste ich dafür in der Hölle schmoren, aber man gab mir eine zweite Chance: Ich sollte Ihnen ein Versprechen abringen und dann endlich Frieden finden.“
Im Kopf des Beifahrers spukten seltsame Gedanken herum! Wie war er eigentlich mit Menschen umgegangen in seinem Leben? Welchen Preis hatten sie gezahlt für seinen Aufstieg und seine Besitztümer? Was war das für ein Versprechen, was der Fahrer von ihm wollte, was so gravierend war, dass dieser nicht als Selbstmörder in die Hölle musste?
Der Truck war noch knapp eine halbe Meile entfernt! Henry Kalarikows Lebenszeit war im Begriff, abzulaufen.
„Ich darf nicht mehr über Leichen gehen!“, murmelte er leise in sich hinein.
„Ich muss etwas ändern, damit nicht noch mehr ähnliche Schicksale wie das von Ted Graves erleiden müssen.“
„Denken Sie an den jungen Mann, den Sie heute gefeuert haben. Was wird aus ihm? Oder die mexikanische Putzfrau, die sie beleidigt haben. Wissen sie denn, was sie wohlmöglich für eine Tortur über sich hatte ergehen lassen, um in unser Land zu kommen? Denken Sie nach, sie haben noch etwa zehn Sekunden bis zum Aufprall!“
Den Gedanken, ihn zu fragen, woher er von diesen Gegebenheiten wusste, verwarf Henry Kalarikow schnell und sah sein Ende nahen. Doch urplötzlich kombinierte er: „Menschen gefeuert, Menschen beleidigt, Menschen mies behandelt…Menschen…das ist es! Ich verspreche, dass ich in Zukunft Menschen besser behandeln werde!“
Der Fahrer begann laut zu lachen und in dem Augenblick, als sie frontal gegen den Truck prallen würden, gab es ein lautes Geräusch!


Aber es war nicht das von zerberstenden Frontscheiben, zerfetzten Motorhauben, sondern eher ein Läuten. Das müssen meine Todesglocken sein, spukte es dem Firmenchef durch den Kopf. Er riss die Augen wieder auf und erkannte rote Ziffern: 5:30 a.m.! Konnte das Realität sein, fragte er sich. Eben noch dem Tod ins Auge geblickt und nun sein Wecker?
Mit zitternden Fingern schaltete er diesen aus, drückte wenig später auf einen leicht leuchtenden Knopf und da wurde es hell: mit blinzelnden Augen erkannte er ein großzügiges Himmelbett, ein Nachttisch aus Ebenholz, feinster Teppich auf dem Boden… fassungslos setzte er sich auf die Bettkante und rieb sich die Stirn. Kein Taxi und kein Geist zu sehen, und auch kein Truck!
„Was war das denn? Zu realistisch für einen normalen Traum, zu unrealistisch für das Hier und Jetzt!“, raunte Henry Kalarikow und fühlte an seinen Schlafanzug: komplett durchnässt von kaltem, klebrigen Schweiß. Angeekelt ging er zu einer Kommode, holte Wechselkleidung heraus und schluffte aus seinem Zimmer ins Bad. Er schaute dort in den Spiegel und sah seine Miene, die sich schlagartig aufhellte. Er betastete sein Gesicht und stellte fest, dass es real war.
„Ich lebe! Ich bin nicht tot!“, rief er halb jubelnd, halb erleichtert.
„Man In The Mirror. Das hat bereits Michael Jackson gesungen. Man sollte immer mit dem Mann im Spiegel anfangen!“, sinnierte er und entledigte sich des Schlafanzuges. Er sprang nun unter die Dusche und genoss sichtlich das warme, angenehme Wasser und den herben Duft des Duschgels! Dies erzeugte in ihm eine wahre Lebensfreunde: er sang unter der Dusche, zwar schief, aber mit Inbrunst!
Kaum war der Firmenchef fertig, als er sich in der Küche einen dampfenden Kaffee zubereiten wollte. Mit Genuss trank er ihn schlückchenweise und genehmigte sich ein Sandwich, dass er im Kühlschrank fand. Als er nach der Beendigung seines Mahles das Kaffeepulver zurück in den Schrank stellen wollte, fiel ihm ein Schriftzug auf dessen Packung auf:

„Unser Versprechen lautet, dass wir unseren Kaffee nur aus ausgewählten Kaffeebohnen herstellen!“

Mein Versprechen, kam es ihm in den Kopf: Menschen besser zu behandeln.
Da dröhnte eine Autohupe.
„Und mit ihm fange ich an!“, meinte er, ergriff seinen Aktenkoffer, zog sich den schwarzen Mantel sowie eine lachsfarbene Krawatte an und verließ seine Villa.
„Sorry, Mister Kalarikov. Ich bin fünf Minuten zu spät…der Verkehr!“, entschuldigte sich der Taxifahrer. Erleichtert atmete der Angesprochene tief durch, denn der Mann am Steuer trug weder eine Baseballkappe, noch war er durchsichtig.
„Das ist nicht schlimm. Ich muss eh erst in zwei Stunden mit der Arbeit beginnen!“, meinte der Firmenchef und stieg ein. Der Fahrer blickte einen Moment ungläubig und fuhr dann aber los, durch die Siedlung, auf die Landstraße und wenig später auf die Interstate. Gottseidank hält er sich an das Tempolimit, dachte Henry Kalarikov. Sie erreichten wenig später die große Stadt, kämpften sich durch den Berufsverkehr und standen bald an einem Hochhaus, an dessen Eingang mit großen Lettern „Kalarikov-Tower“ stand!
„Wenn mich nicht alles täuscht, dann holen Sie mich schon seit knapp zehn Jahren morgens ab!“, stellte der Beifahrer fest.
„Das stimmt, Sir!“, bestätigte der Taxifahrer.
„Ich wollte Ihnen einfach mal Dankeschön sagen!“
Verwundert sah der Mann am Steuer ihn an.
„Und hier ihr Beförderungsgeld. Stimmt so!“
„Sir, das sind 200 Dollar“, meinte der Taxifahrer und rieb sich die Augen.
„Gehen Sie ruhig mal gediegen essen! Schönen Tag noch!“, war die Antwort.
Er betrat die Lobby und wurde vom Empfang begrüßt. Er grüßte zurück und stieg in den Fahrstuhl.
„Welches Stockwerk?“, fragte eine Computerstimme.
„Fünfzig!“, meinte der Firmenchef. Es ging aufwärts und er dachte kurz über sein Erlebnis von eben nach:
„Es fühlte sich irgendwie schön an, mal zu geben als immer nur zu nehmen!“
Er verließ die Kabine und betrat ein großes, edelmöbliertes Büro. Die Akten, die seine Chefsekretärin ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte, schaute er grob durch, als sein Blick an zwei von ihnen hängen blieb: die eine hatte ein mächtiges Kampfflugzeug auf der Vorderseite und trug den Schriftzug „Statesforce“, die andere eine Schlange, die sich um einen Stab wandte, auf der „Healthcare“ stand!“
Interessiert besah er sich diese ausführlich – und vergaß dabei die Zeit.
„Mr. Kalarikov, ihr Meeting hat vor fünf Minuten angefangen.“, riss ihn jemand aus seiner Versunkenheit. Er blickte auf und erkannte seine Chefsekretärin.
„Dankeschön. Ich komme sofort!“, antwortete er, nahm die beiden Akten und sprintete aus seinem Büro zum Konferenzsaal. Dort saßen bereits ein paar Leute in feinem Zwirn an einem langen Tisch und unterhielten sich angeregt. Kaum betrat der Firmenchef diesen Raum, herrschte eisige Stille.
„Verzeihen Sie mir meine Verspätung!“, entschuldigte sich dieser und nahm am Kopfende Platz. Er räusperte sich und fuhr fort:
„Meine Damen und Herren. Eine wichtige Entscheidung steht im Raum: wir müssen abwägen, ob wir entweder in das Rüstungsunternehmen „Statesforce“ oder in das Pharmaunternehmen „Healthcare“ investieren! Hierzu bitte ich Sie um Rat und Vorschläge!“
Die Anderen am Tisch schauten sich ungläubig an.
„Nun“, begann ein etwas ergrauter Herr zu seiner Linken, „ich würde mich für Healthcare entscheiden, da dieses Unternehmen viele Menschen weltweit medizinisch versorgt!“
„Ich bin da anderer Meinung“, sprach eine Frau zu seiner Rechten. „Statesforce ist wichtig für die nationale Sicherheit, da sie Kampflugzeuge und -bomber für die Vereinigten Staaten bauen!“
So gab es eine rege Diskussion, die durch ein Handzeichen von Henry Kalarikov beendet wurde.
„Kommen wir zur Abstimmung. Wer von Ihnen ist für Healthcare?“, frage er.
Ein paar Hände gingen nach oben.
„Und wer ist für Statesforce?“, wollte der Firmenchef wissen?
Wieder gingen einige Hände in die Luft, genauso viele wie für „Healthcare“!
„Nun, da Sie sich nicht einig sind, muss ich die Entscheidung treffen!“, verkündete er und fuhr fort:
„Ich wähle Healthcare!“
Es entstand ein Stimmgewirr, bis ein junger Mann das Wort ergriff:
„Aber dann hätten wir 20% weniger Rendite!“
„Sehr richtig…“, meinte Henry Kalarikov, „aber ein 100%ig besseres Gewissen!“
„Sie wirken verändert“, stellte der Mann mit dem Einwand fest, „Haben Sie einen Geist gesehen?“
Der Firmenchef grinste verlegen und erwiderte:
„So könnte man es sagen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“

Das Meeting war zu Ende. Henry Kalarikov verließ den Konferenzraum und steuerte auf den Fahrstuhl zu, während die Anderen noch heftig diskutierten, wovon er aber nichts mehr mitbekam. Er betrat die Kabine und fuhr abwärts.
Als er gerade die Lobby verlassen wollte, erblickte er eine etwas rundliche, leicht dunkelhäutige Frau, die den Boden mit einem Feudel wischte und dabei fröhlich irgendein spanisches Lied vor sich her trällerte.
„Entschuldigen Sie? Stammen Sie aus Mexiko?“, fragte er höflich.
„Si Señor“, antwortete die Frau.
„Möchten Sie die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangen und unsere Sprache lernen?“
„Si Señor“, antwortete die Frau.
„Gut, da könnte ich Ihnen helfen! Ich schau, was sich machen lässt!“

Henry Kalarikov verabschiedete sich und steuerte auf den Ausgang zu, als die Frau plötzlich grinste. Da passierte etwas Seltsames: für einen Moment wurde ihr Kopf halbdurchsichtig und man konnte ein Gesicht mit Oberlippenbart, kurzen, schwarzen Haaren, einer Hakennase und blitzenden Augen erkennen.
 

TDH

Mitglied
Guten Tag, liebe Leute,
da ich noch recht neu hier bin, würde ich mich über etwas Rückmeldung freuen.
Dankeschön!

MfG TDH
 
Hallo TDH,
eine krasse Geschichte, die so manch einem anderen Zeitgenossen auch mal widerfahren sollte, um zu erkennen, was für ein A... er ist.
Die Idee an sich ist sicher nicht ganz neu, aber... Ich fand sie nicht schlecht.
Schöne Grüße
 
Ja, ein sehr moralisches kleines Märchen. So etwas kann man aber durchaus ab und zu mal lesen, vor allem mit diesem netten Hauch von Spökenkiekerei. Aber so Fehler, das geht überhaupt gar nicht: "Als er das Hochhaus verlassen wollte, viel ihm eine etwas rundliche, leicht dunkelhäutige Frau auf, ..."
 

rainer Genuss

Mitglied
Hallo TDH
erinnert mich an " A Christmas Carol" von Charles Dickens . Dein Henry Kalarikov ist ein moderner Ebenezer Scrooge.
Nobody is perfect und Potential lässt sich schöpfen.
Viel Spaß hier
Gruß rainer Genuß
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ich finde die Idee zu flach ausgearbeitet und damit zu unglaubwürdig. Was passiert? Ein Super-Ar…mleuchter wird mit dem Tod bedroht, verspricht schnell was, um sein Leben zu retten, und ist ratzfatz ein super-guter Mensch. Nun: So funktionieren Menschen nicht.

Diese Handlung ist zudem unspannend erzählt. Die "Todesdrohung" scheint in dem Typen keine Panik, ja nicht einmal Angst oder Sorge auszulösen. In aller Seelenruhe denkt er über dieses nach und jenes und dann nochmal. Emotionen finden nahezu nicht statt (nur zwei, dreimal werden kurz welche behauptet).

Die Fehler, sinnfreien Leerzeilen und falsche Absatzgestaltung bei den Dialogen unterstützen noch den Eindruck, die Rohfassung einer Idee zu lesen.


Hallo TDH,

versuch mal, dich in den Anti-Helden hineinzudenken. Versuche, nachzuspüren (nicht nur, dir auszudenken), was er fühlt - vor der "Bekehrung" und während der Todesdrohung. Versuche unbedingt zu erfühlen, was so einen kaltherzigen Menschen tatsächlich bewegen würde, umzudenken! Das ist, glaube ich, die wichtigste Sache, die an dem Text geändert werden muss. Darauf aufbauend kannst du dich um die Vermittlung der Emotionen kümmern.

Gruß von jon
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo TDH,

der erste Satz, der mir nach dem Lesen der Geschichte einfiel, lautete: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann … "
Ja, das Ganze ist so etwas wie ein modernes Märchen. Aber auch ein Märchen muss stimmig sein. Damit meine ich nicht nur die Handlung – die lässt ja oft viel Raum für Phantasie – sondern auch und vor allem die „Kulisse“, in der sich die Handlung abspielt. Du hast als Hauptfigur ein Ekelpaket gewählt, das nicht nur unmenschlich handelt und geldgierig ist, sondern obendrein noch der Chef eines „Firmenimperiums“ ist. Um das zu realisieren muss man wenigstens ungefähr wissen, was ein solcher Mann gewöhnlich macht, wie er lebt und mit wem und was er sich umgibt. Und wenn man davon keine rechte Ahnung hat, sollte man lieber etwas wählen, wo man sich besser auskennt oder man muss etwas betreiben, was vielen Hobbyautoren wohl nicht so rechten Spaß zu bereiten scheint. Das Zauberwort heißt „Recherche“.
Davon spürt man in dieser Geschichte so gut wie nichts.

Ich habe den Text mal vor allem in dieser Hinsicht vorgenommen. Meine Anmerkungen dazu findest du in der beigefügten Datei. Auf den Charakter und die Handlungsweise deiner Protagonisten bin ich kaum eingegangen. Da hat jon mit den Worten

versuch mal, dich in den Anti-Helden hineinzudenken. Versuche, nachzuspüren (nicht nur, dir auszudenken), was er fühlt - vor der "Bekehrung" und während der Todesdrohung. Versuche unbedingt zu erfühlen, was so einen kaltherzigen Menschen tatsächlich bewegen würde, umzudenken! Das ist, glaube ich, die wichtigste Sache, die an dem Text geändert werden muss. Darauf aufbauend kannst du dich um die Vermittlung der Emotionen kümmern.
bereits alles gesagt.



Gruß Ralph
 

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