Geiziger Einkauf

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rabi

Mitglied
Geizig war er schon immer - und geldbesessen. Schon als Kind konnte er sich über die Zinsgutschrift am Jahresende mehr freuen als über die Spielsachen unter dem Weihnachtsbaum. Ein Dollar, der einmal in seine Hände geriet, klebte darin fest wie eine Tapete an der Wand.

Inzwischen war er Mitte Dreißig und hatte es als kleiner Angestellter bereits zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, wobei er sich nach außen hin eher schäbig gab: Die abgewetzten Schuhe, die Hose aus der Lehrlingszeit und die zerrissene Aktentasche, die noch bis zur Rente halten sollte, ließen eher auf einen Sozialhilfeempfänger als auf einen Millionär schließen.

Doch heute wollte er es wissen. Mit einer Fünfzig-Dollar-Note in der Geldbörse betrat er den Laden. Er hatte sich fest vorgenommen, nicht eher hinaus zu gehen, als bis er den Schein losgeworden war, egal wofür. All die konsumfreudigen Menschen um ihn herum, all die Leute, die immer nur am Jammern waren, dass sie mit ihrem Geld nicht auskommen würden, die konnten sich doch nicht alle irren. Also wollte er es auch einmal ausprobieren, wie das so ist: Geld auszugeben für Dinge, die man eigentlich gar nicht braucht.

Er sah schon die Dollarzeichen in den Augen des Verkäufers, diesen geldgierigen Blick, den Verkäufer so an sich haben, wohlwissend, dass sie ihre Waren zu einem Vielfachen des Einkaufspreises anbieten. Und er wusste, dass all die Sachen hier niemals das wert waren, wofür sie angeboten wurden.

Und dennoch war er fest entschlossen, heute – nur heute – diesem Verkäufer eine Freude zu machen: Ihm einfach seinen Fünfzig-Dollar-Schein zu geben, als Gegenwert für ...

Ja, für was denn? Er schaute sich in den Regalen um. Eine Tasse aus Porzellan? Nein, wofür? Seine Plastiktassen zu Hause waren doch noch gut. Oder eine Kristallvase? Auch nicht gut. Er hatte doch schon mehrere Vasen. Nein, so etwas brauchte er nicht. Oder sollte er eine Tischdecke nehmen oder eine Schale oder ...

Er griff in die Hosentasche. Fühlte sein Portemonnaie mit der Fünfzig-Dollar-Note darin. Wie hart hatte er gearbeitet für diese fünfzig Dollar, wie risikoreich dafür spekuliert! Und nun sollte er sie weggeben für eine Vase, eine Tischdecke oder eine Tasse?! Und dennoch – er hatte sich ja fest vorgenommen, heute den Laden nicht wieder mit dem Schein in der Tasche zu verlassen.

Er ging auf die Kasse zu, zog die Börse aus der Tasche und hielt dem Verkäufer den Schein entgegen. „Ich möchte fünf Zehn-Dollar-Noten.“
 
B

bonanza

Gast
ha ha, das ist dann doch noch lustig (obwohl sicher alt
wie methusalem).
bedienst du das klischee des geizigen juden?

ein nettes anekdötchen. gerade noch readers digest tauglich.
lesbar.

bon.
 



 
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