Karl Feldkamp
Mitglied
Da saß ich. Mitten zwischen Generationen. Ein – wie ich hoffe – noch rüstiger Rentner, der gern U-Bahn fährt, weil dort gelegentlich das wahre Leben tobt.
Vor mir drei Damen meiner Generation. Eine, die Haare schwarzglanzgefärbt, die andere versteckte ihre blaugespülte Hochfrisur unter einem ausladenden grünen Trachtenhut. Nur die dritte trug das Haar hellgrau, wie Gott es ihr im Laufe der Jahre schuf.
In der Bankreihe hinter mir hemmungsloses Gekicher. Über Lehrer, Jungs, absout uncoole Altersgenossinnen, von Elternverhaltensweisen, die ja nun gar nicht gehen.
Um mich nicht dem Verdacht auszusetzen, mich würden albernde Teenager stören, und aus Furcht, selbst Opfer des Gekichers zu werden, drehte ich mich lieber nicht um und konnte daher hinter mir nur mindestens vier temperamentvolle Vertreterinnen der übernächsten Generation vermuten.
Die drei Damen vor mir hielten nicht ganz so lautstark, doch bestens verstehbar, dagegen, auch wenn ihre Stimmen verhalten und jammernd klangen.
„…und, weißt du“, empörte sich jene unter dem Trachtenhut, „was die Enkelin meiner besten Freundin, die immerhin zweiundsiebzig ist, gesagt hat? Sie habe einfach keinen Bock auf kranke alte Omas. Dabei hat die Ärmste seit Jahren schwerste Arthritis.“
Die topierte Schwarzhaarfrisur geriet ins Wanken. „Neh, also sowas würde mein Enkel sich nicht trauen. Der weiß, bei mir gibt’s was zu erben. Aber auch sonst kann der sich benehmen.“
Die Grauhaarige nickte. „Wenn die erstmal unser Alter haben, dann kommt der Schmerz freiwillig und gern zu ihnen. Ich krieg‘ übrigens im nächsten Monat `ne neue Hüfte. Ist total verschlissen.“
Die Trachtenbehütete winkte gelassen ab. „Hab‘ ich schon seit meinem Achtundsechzigsten. Titan mit Kunststoff. Vom Chefarzt persönlich eingesetzt. War natürlich nicht billig. Aber da lebte mein Mann noch. Der hatte ne gute Rente.“
Hinter mir steigerte sich das Gekicher.
Die drei Damen, ganz und gar Empörung, drehten sich ruckartig um. Gerade behauptete eine besonders piepsige Stimme, ihr gutaussehender Lehrer, Sven hieß er, würde ihr immer auf den Busen schielen.
„Macht der bei mir auch.“ Ließ ein Heisere röchelnd wissen. Und eine dritte nicht weniger Piepsige behauptete kühn, sie trage zwar nicht deswegen T-Shirts mit tieferem Ausschnitt, aber Sven werde immer so schön rot, wenn er sie ansehe.
„Bei denen möchte ich nicht Lehrer sein…“ zischte die Schwarzhaarige vor mir und sah mich moralisch entrüstet und auffordernd an.
„Lieber als Altenpfleger bei denen…“ dachte ich, grinste und nickte den drei Damen vor mir aufmunternd zu. Wie auf Kommando drehten sie sich zufrieden wieder um.
Hinter mir wurde inzwischen nicht nur gekichert sondern geprustet. Ich rückte auf meinem Sitz nach vorn und wandte mich lachend um.
Es waren nur drei.
Eine blonde Lolita klimperte mit lang geschminkten Lidern und sah mir tief in die Augen. „Na, findste doch auch lustig, Opa. Oder?“
Alles was ich darauf hätte sagen können, wäre in einem Schwall von Gekicher untergegangen. Also schwieg ich und lächelte.
Das brachte mir das Mitleid der drei Damen ein. Die mit dem natürlichen Grauhaar legte ihre Stirn in Sorgenfalten und schüttelte den Kopf. „Machen Sie sich nichts draus, junger Mann. Die haben einfach keinen Respekt mehr vorm Alter. Heute sind die einfach so.“
Wieder nickte ich lächelnd, während hinter mir noch lauter gekichert wurde.
Zu meinem Glück setzte sich in dem Moment ein jüngerer Mann neben mich.
„Von hinten sieht der aus wie Sven. Ist der nicht süß.“ Piepste es nach einer kurzen Pause.
Mein Sitznachbar sah mich kurz an, blickte sich um und lachte. „Na, ihr Drei. Sagen wir, in gut fünf Jahren, da könnte es schon was mit uns Süßen werden.“
Einem Moment lang herrschte bis auf die dröhnenden Fahrgeräusche Stille in der U-Bahn. Meine drei Generationsgenossinnen drehten sich erneut ruckartig um. Die Schwarzhaarige sah den jungen Mann an und ordnete instinktiv ihre Frisur, neben ihr wurde der Trachtenhut ein wenig schiefer ins Gesicht gezogen und die Grauhaarige schlug gar die Augen nieder.
Just in dem Augenblick verließ die Bahn an der Deutzer Freiheit ihren Tunnel und Frühjahrssonne, ein wenig blaß noch, schien allen ins Gesicht.
Die Grauhaarige vor mir und blickte unverhohlen meinem Nachbarn ins Gesicht. „Jetzt wird es wohl doch bald Frühling.“
Ich grinste und wollte etwas über den sogenannten dritten Frühling anmerken. Verkniff mir das aber. Und hinter mir setzte das Gekicher wieder ungehindert ein.
Als mein Banknachbar ausstieg, stand er auf, sah sich die drei Teenager noch einmal in aller Ruhe an. Sie genossen es schweigend. Dann beugte er sich noch einmal zu mir herab und flüsterte. „Sven heiße ich zwar nicht. Aber Lehrer bin ich schon.“
Ich will nicht verhehlen, dass er mich ob seiner Souveränität mit mit heftigsten Neidgefühlen zurückließ. Die plagten mich auch noch, als die drei Teenager ich nur mit „Tschüss“ anstatt mit „Tschüss Opa“ verabschiedeten, um tuschelnd hinter diesem Lehrer auszusteigen.
Zwei der drei Altersgenossinen fuhren, wie ich in der Zwischenzeit mithörte, zum Orthopäden, die Trachtenbehütete zu ihrem Mann auf dem Friedhof, während ich vor ihnen ausstieg und mir erst einmal, auch wenn es noch reichlich frisch war, in einem Straßencafè einen Cappuccino italiano bestellte.
Vor mir drei Damen meiner Generation. Eine, die Haare schwarzglanzgefärbt, die andere versteckte ihre blaugespülte Hochfrisur unter einem ausladenden grünen Trachtenhut. Nur die dritte trug das Haar hellgrau, wie Gott es ihr im Laufe der Jahre schuf.
In der Bankreihe hinter mir hemmungsloses Gekicher. Über Lehrer, Jungs, absout uncoole Altersgenossinnen, von Elternverhaltensweisen, die ja nun gar nicht gehen.
Um mich nicht dem Verdacht auszusetzen, mich würden albernde Teenager stören, und aus Furcht, selbst Opfer des Gekichers zu werden, drehte ich mich lieber nicht um und konnte daher hinter mir nur mindestens vier temperamentvolle Vertreterinnen der übernächsten Generation vermuten.
Die drei Damen vor mir hielten nicht ganz so lautstark, doch bestens verstehbar, dagegen, auch wenn ihre Stimmen verhalten und jammernd klangen.
„…und, weißt du“, empörte sich jene unter dem Trachtenhut, „was die Enkelin meiner besten Freundin, die immerhin zweiundsiebzig ist, gesagt hat? Sie habe einfach keinen Bock auf kranke alte Omas. Dabei hat die Ärmste seit Jahren schwerste Arthritis.“
Die topierte Schwarzhaarfrisur geriet ins Wanken. „Neh, also sowas würde mein Enkel sich nicht trauen. Der weiß, bei mir gibt’s was zu erben. Aber auch sonst kann der sich benehmen.“
Die Grauhaarige nickte. „Wenn die erstmal unser Alter haben, dann kommt der Schmerz freiwillig und gern zu ihnen. Ich krieg‘ übrigens im nächsten Monat `ne neue Hüfte. Ist total verschlissen.“
Die Trachtenbehütete winkte gelassen ab. „Hab‘ ich schon seit meinem Achtundsechzigsten. Titan mit Kunststoff. Vom Chefarzt persönlich eingesetzt. War natürlich nicht billig. Aber da lebte mein Mann noch. Der hatte ne gute Rente.“
Hinter mir steigerte sich das Gekicher.
Die drei Damen, ganz und gar Empörung, drehten sich ruckartig um. Gerade behauptete eine besonders piepsige Stimme, ihr gutaussehender Lehrer, Sven hieß er, würde ihr immer auf den Busen schielen.
„Macht der bei mir auch.“ Ließ ein Heisere röchelnd wissen. Und eine dritte nicht weniger Piepsige behauptete kühn, sie trage zwar nicht deswegen T-Shirts mit tieferem Ausschnitt, aber Sven werde immer so schön rot, wenn er sie ansehe.
„Bei denen möchte ich nicht Lehrer sein…“ zischte die Schwarzhaarige vor mir und sah mich moralisch entrüstet und auffordernd an.
„Lieber als Altenpfleger bei denen…“ dachte ich, grinste und nickte den drei Damen vor mir aufmunternd zu. Wie auf Kommando drehten sie sich zufrieden wieder um.
Hinter mir wurde inzwischen nicht nur gekichert sondern geprustet. Ich rückte auf meinem Sitz nach vorn und wandte mich lachend um.
Es waren nur drei.
Eine blonde Lolita klimperte mit lang geschminkten Lidern und sah mir tief in die Augen. „Na, findste doch auch lustig, Opa. Oder?“
Alles was ich darauf hätte sagen können, wäre in einem Schwall von Gekicher untergegangen. Also schwieg ich und lächelte.
Das brachte mir das Mitleid der drei Damen ein. Die mit dem natürlichen Grauhaar legte ihre Stirn in Sorgenfalten und schüttelte den Kopf. „Machen Sie sich nichts draus, junger Mann. Die haben einfach keinen Respekt mehr vorm Alter. Heute sind die einfach so.“
Wieder nickte ich lächelnd, während hinter mir noch lauter gekichert wurde.
Zu meinem Glück setzte sich in dem Moment ein jüngerer Mann neben mich.
„Von hinten sieht der aus wie Sven. Ist der nicht süß.“ Piepste es nach einer kurzen Pause.
Mein Sitznachbar sah mich kurz an, blickte sich um und lachte. „Na, ihr Drei. Sagen wir, in gut fünf Jahren, da könnte es schon was mit uns Süßen werden.“
Einem Moment lang herrschte bis auf die dröhnenden Fahrgeräusche Stille in der U-Bahn. Meine drei Generationsgenossinnen drehten sich erneut ruckartig um. Die Schwarzhaarige sah den jungen Mann an und ordnete instinktiv ihre Frisur, neben ihr wurde der Trachtenhut ein wenig schiefer ins Gesicht gezogen und die Grauhaarige schlug gar die Augen nieder.
Just in dem Augenblick verließ die Bahn an der Deutzer Freiheit ihren Tunnel und Frühjahrssonne, ein wenig blaß noch, schien allen ins Gesicht.
Die Grauhaarige vor mir und blickte unverhohlen meinem Nachbarn ins Gesicht. „Jetzt wird es wohl doch bald Frühling.“
Ich grinste und wollte etwas über den sogenannten dritten Frühling anmerken. Verkniff mir das aber. Und hinter mir setzte das Gekicher wieder ungehindert ein.
Als mein Banknachbar ausstieg, stand er auf, sah sich die drei Teenager noch einmal in aller Ruhe an. Sie genossen es schweigend. Dann beugte er sich noch einmal zu mir herab und flüsterte. „Sven heiße ich zwar nicht. Aber Lehrer bin ich schon.“
Ich will nicht verhehlen, dass er mich ob seiner Souveränität mit mit heftigsten Neidgefühlen zurückließ. Die plagten mich auch noch, als die drei Teenager ich nur mit „Tschüss“ anstatt mit „Tschüss Opa“ verabschiedeten, um tuschelnd hinter diesem Lehrer auszusteigen.
Zwei der drei Altersgenossinen fuhren, wie ich in der Zwischenzeit mithörte, zum Orthopäden, die Trachtenbehütete zu ihrem Mann auf dem Friedhof, während ich vor ihnen ausstieg und mir erst einmal, auch wenn es noch reichlich frisch war, in einem Straßencafè einen Cappuccino italiano bestellte.