Geliebter Bruder

Ich hasse dich und fühle mich schlecht dabei. Dass Hass scheiße ist, davon will ich dich ja gerade überzeugen. Ich hasse darum, dass ich dich hasse und hasse dich dafür nur noch mehr. Du machst mich wütend, deine Arroganz, deine Tiraden gegen mich, deine Opferpose, während du anderen die Luft zum Atmen abdrückst. Ich hasse, wie hassenswert du bist.
Es gibt auch Momente, da liebe ich dich. Dann hasse ich mich, weil ich dich hasse und für diesen Selbsthass hasse ich dann wieder dich. Ich hasse dich mindestens so sehr wie du mich hasst und je wütender du mich machst, desto mehr gleiche ich dem Zerrbild, das du so gerne beschimpfst. So will ich aber nicht sein. Hass ohne Ende zeugt nur endlosen Hass. Wir zwei sind Junkies, die sich gegenseitig den nächsten Schuss in die Venen drücken. Wie lange können wir wenigstens noch hassen, den Hass zu lieben? Werden wir es bald lieben, die Liebe zu hassen?

So ähnlich hat es mir mein Bruder erzählt, freilich mit anderen Gründen, aber das ist wohl nicht der Punkt.
Mittlerweile sind wir eng verbunden, ohne den Hass.

Danke für diesen Text.

Hallo Aufschreiber,
gern geschehen. Es freut mich sehr, dass dir der Text so viel sagt! Mit meinem Bruder habe ich mich zum Glück immer gut verstanden. Aber ich finde, solche Gefühle liegen derzeit einfach in der Luft.

Viele Grüße
lietzensee