Georg ist tot.

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ackermann

Mitglied
@ali gaga, ich finde deinen Kommentar witzig, ein bisschen satirisch und ansonsten humoristisch gut.

Trotzdem - danke :)
ackermann
 

ackermann

Mitglied
Ich lese die Todesanzeige im Lokalteil der Samstagszeitung.
Ich beiße in die dick mit Marmelade bestrichene Brötchenhälfte, nehme einen Schluck Kaffee und schaue aus dem Fenster.
Georg ist tot.
Damals in der Realschule hatten wir kaum Kontakt. Und doch berührt mich sein Tod. Derselbe Jahrgang, dieselbe Stadt. Und – dieselbe erste Liebe.

Marianne, ja, Marianne, Marianne. Immer noch, nach all den Jahren, spüre ich diese Begeisterung in mir, ein ganz besonderes Gefühl, ein Kribbeln allüberall. Sie war eine tolle Frau. Ein blondes Licht umgab sie. Damals, an einem Samstagmorgen, wachte ich auf und hatte ein Lied im Kopf; Mariannes Lied. Ich griff zur Gitarre und spielte und sang. Ich mutierte zu Walther von der Vogelweide und beschloss mein Lied, ihr Lied, unter ihrem Fenster zu singen.

Dann erzählte mir Kurt, er und Georg hätten mit Marianne geschlafen - gefickt, wie er sich ausdrückte. Ich lief gegen eine Wand und zerstörte Mariannes Lied. Ich versuchte es, doch es klang weiter in mir, in meiner Seele, in meinem Herzen. Ich radelte zu meinem Lieblingssee, ein sicherer, verborgener Platz für meine Gefühle. Ich legte mich ans Ufer, starrte in den blauen Himmel. Eine Frechheit, dieser Himmel, eine Frechheit. Als es dämmerte, radelte ich nach Hause. Ich drehte meine mickrige Anlage voll auf und besoff mich am Punk-Rock der frühen Kinks. Bis meine Mutter kam …

Kurt starb früh. Er kam von der Spätschicht, er hatte getrunken. Das Vorderrad seines Mofas verfing sich in den Rangiergleisen; Genickbruch.

Und jetzt Georg. Endlich.
 

ackermann

Mitglied
@ciconia, @Val Sidal, ich habe mich jetzt ausgiebig zum Thema dasselbe / das Gleiche informiert und ja, @ciconia hat wohl recht, es ist alles dasselbe :)

Das ICH-Problem am Anfang habe ich versucht durch einen Zeilenumbruch zu entschärfen. So soll der Eindruck entstehen, dass Zeit vergangen ist.

Jetzt reicht es aber wirklich :)
 
A

aligaga

Gast
Ich finde den Text witzig, ein bisschen satirisch und ansonsten humoristisch gut.
Das sind exakt die Worte, mit denen du einst @alis "Nachruf" kommentiert hattest. Er fand sie damals auch blöd und an den Haaren herbeigezogen, ist aber nicht weiter darauf eingegangen. Wozu auch?

Heiter

aligaga
 
A

aligaga

Gast
Man könnte zu dem Text natürlich auch bemerken, dass er dem Leser nichts Besonderes böte - die Sprache trivial und voller gewöhnlicher Klischees, nichts als das Lamento eines bereits in frühen Jahren zu kurz Gekommenen, der die Schuld dafür nicht bei sich, sondern den anderen sucht - bis an deren physisches Ende, das er uns schadenfreudig zur Kenntnis bringt.

Wenn es bei diesem Stückerl denn überhaupt etwas herauszulesen gäb, dann vielleicht, wie empfindlich das lührische Ich auf den vulgären Begriff "Ficken" einst reagierte, wohl wähnend, die für ihn unerreichbare Prinzessin sei nicht aus Fleisch und Blut. Und der Umstand, dass er's nicht recht weit gebracht haben kann: Offenbar hockt er immer noch in dem Mief, in den er hineingeboren wurde. Leider hat der Autor den Introitus, aus dem dies deutlich wurde, auf Anraten eines Kritikers gestrichen.

So bleibt uns am Ende nur die Verwunderung darüber, dass der uns vorgestellte Typ sich einbildet, der Tod der seinerzeitigen Konkurrenten brächte (endlich!) Erleichterung in sein mühseliges Dasein. Das ist, wie jeder einigermaßen Lebenserfahrene weiß, ein Irrthum. Mit der Schadenfreude allein wird man nicht glücklich. Sie ist vielmehr ein denkbar schlechtes Pflaster für lang zurückliegende, offen gebliebene Verwundungen. Im Unglück der anderen Trost für das eigene finden zu wollen, klappt nicht. Es vergiftet, statt zu heilen.

Heiter wieder weiter

aligaga
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Übrigens ackermann - Du meintest ja, das arme Ich müsste ja gegenüber Marianne Rachegefühle hegen.

Dann hätte ich sie (im Text) auch sterben lassen.

Endlich!

Ich muss jetzt schmunzeln, obwohl das Ganze nicht zum Schmunzeln ist. Es gibt Scherben, die bleiben eben ein Leben lang am Wegesrand liegen.

LG
DS
 

ackermann

Mitglied
Ich beziehe mich auf @ali gagas letzten Kommentar.

Wie man "Georg ist tot" interpretiert, liegt ja immer im Auge des Betrachters und ist unter Umständen geprägt von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen und spiegelt vielleicht sogar die aktuellen Lebensumstände wieder. Aber egal ...

Ich möchte hier eine weitere Interpretation anbieten:

Der Protagonist sitzt am Samstagmorgen beim Frühstück. Die Kinder sind seit kurzem aus dem Haus, seine Frau schläft noch. Noch weiß sie nicht, dass er sich von ihr scheiden lassen wird. Denn Marianne ist ja jetzt wieder frei. Vielleicht hat sie bei Georgs Tod sogar ein bisschen nachgeholfen, wer weiß. Vielleicht ist auch der Kontakt zwischen Prota und Marianne in all den Jahren nie abgerissen? Und endlich können die beiden ihre Liebe leben.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch heute.

Mit märchenhaften Grüßen
ackermann
 

ackermann

Mitglied
@DocSchneider, die Marianne sterben? Niemals (siehe auch vorhergehenden Kommentar) :)

Ich habe übrigens die Scherben an meinem Wegesrande zusammengekehrt. War zwar ein längerer Prozess, aber jetzt bin ich besenrein ;-)

Mit sauberen Grüßen
ackermann
 

MicM

Mitglied
Hallo ackermann,
mir gefällt der Plot bzw. die Momentaufnahme, finde aber auch, dass man noch etwas schleifen könnte.

Die beiden ersten Sätze mit „Ich“ zu beginnen, finde ich zu holprig (wurde ja bereits angemerkt). Weiter hinten im Text stört es mich weniger.

Die Idee mit der Umgehungsstraße aus der Ursprungsfassung fand ich gut, da sie die Beiläufigkeit des Ganzen hervorhebt, im Sinne von: „Ach schau mal, die bauen die Umgehungsstraße. Ach schau mal, Georg ist tot.“

Die Liebe des Prots zu Marianne scheint mir eher romantischer Natur. Georg hingegen scheint eher am Körperlichen interessiert gewesen zu sein. Daher war es eher nicht „dieselbe Liebe“ (auch nicht die gleiche). Ist schon klar, dass du die Person meinst, doch wenn der Georg die Marianne nur gefickt und nicht geliebt hat (was ich als dem Prot zugeneigter Leser hier unterstelle), dann passt das Bild nicht.

Warum und in welcher Weise der Prot „gegen die Wand“ lief, hat sich mir nicht erschlossen. Fiel er nicht eher in ein Tal der Tränen oder so ähnlich?

Vielleicht magst du doch noch mal schleifen?

Auf bald,
MicM
 

ackermann

Mitglied
Hallo MicM,
Danke für deine umfangreichen und bedenkenswerten Anregungen, aber ich "mag" (ich mag diese mütterliche Aufforderung gar nicht, sorry) nicht mehr schleifen. Der "Georg" ist für mich gestorben :)

Grüße
ackermann
 
A

aligaga

Gast
Wie man "Georg ist tot" interpretiert, liegt ja immer im Auge des Betrachters und ist unter Umständen geprägt von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen und spiegelt vielleicht sogar die aktuellen Lebensumstände wieder. Aber egal ...
Was für ein Quatsch!

Was sollte an dem simplen Plot denn "interpretierbar" sein? In der banalen Nummer waren vor Jahrzehnten zwei Jungs schneller und taffer als das lührische Ich und haben dem Mädel das verschafft, wonach es offenbar suchte. Es heißt ja "ficken", und nicht "vergewaltigen", ne? Zum Ficken gehören immer mindestens zwei, die's wollen.

Um in der Schadenfreude des wehleidigen Protagonisten am Tod der einstigen Nebenbuhler etwas anderes zu erkennen als niedrigste Gesinnung, muss man nicht studiert haben. Jedes halbwegs normal aufgewachsene Vorschulkind nimmt den Tod von Spielkameraden nicht mit Häme, sondern betroffen zur Kenntnis. Man nennt das "prosoziales Verhalten", und es ist angeboren.

Dem uns hier dargestellten, prekären Ich hat man's offenbar ausgetrieben. Sein Pech!

Gähnend

aligaga
 

MicM

Mitglied
... und Tote soll man ruhen lassen!
PS: Ich dachte, das „mag“ sei bei mir ein mundartliches Überbleibsel... Sorry, für das „mütterlich“
 

ackermann

Mitglied
Was für ein Quatsch!

Was sollte an dem simplen Plot denn "interpretierbar" sein?
Genau @aligaga, das dachte ich mir auch, als du mit deiner Interpretation aufwartetest. Und gegen die ich dann meine Interpretation gesetzt habe. Was ist jetzt schlimm daran?

Mit Grüßen
ackermann
 

ackermann

Mitglied
@MicM, kein Problem, kein Problem. Oder wie der Franzose sagt: You're Welcome :)

Der Dialektiker würde dann wohl "moagst" sagen. Aber egal ...

Gruß
ackermann
 
A

aligaga

Gast
Genau @aligaga, das dachte ich mir auch, als du mit deiner Interpretation aufwartetest. Und gegen die ich dann meine Interpretation gesetzt habe. Was ist jetzt schlimm daran?
Statt den Fehler beim Kritikus zu suchen, solltest du dir Gedanken darüber machen, was an dem dürftigen Text denn interpretierbar sein soll - außer, dass der Ich-Protz offenbar ein kleingeitigewr, mit dem Leben nicht zurecht gekommener Lurch ist?

@Ali glaubt, du verwechseltest Intrerpretation mit "Dazufantasieren". Das sind zwei paar Stiefel. Letzteres hat mit dem Text selbst gar nichts mehr zu thun.

Ist doch ganz einfach, ne?

Heiter

aligaga
 

ackermann

Mitglied
@aligaga, dass deine Kommentare mit dem "Georg" nichts mehr zu tun haben ist mir inzwischen auch klar geworden. Hat zwar eine Weile gedauert, aber immerhin.

Immerhin, sagte die Magd zum Knecht, immer hin :)

PS: Wir können gerne noch eine Weile weiterplaudern, auch wenn es nicht zielführend sein wird.

Belustigte Grüße
ackermann
 
A

aligaga

Gast
Ali glaubt auch nicht, dass das Sinn machte. Die schlichte Nummer mitsamt ihrem das Lührich entlarvenden Schluss wird ja dadurch nicht besser.

TTip: nicht aufgeben, sondern den Lesern was Interessanteres bieten als nur Jammer und Schadenfreudigkeit. Die begegnen denen tagtäglich und allüberall sowieso - das müssen sie nirgends nachlesen.

Heiter

aligaga
 

ackermann

Mitglied
So machen wir das Herr @aligaga, genau so :)

Was ich noch fragen wollte: Wo gibt es die Textbausteine mit den allgemeinen Floskeln (was neues, interessantes, unterhaltsames, usw.)?

Schönen Sonntag
ackermann
 

ahorn

Mitglied
Herr Gaga sie vergaßen folgendes zu erwähnen:
Lies löber die Häuser am Fluss da wörd wahrhaftig gestorben. ;)
 



 
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