Arno Abendschön
Mitglied
Juli 2012, Berlin-Wedding, Müller-/Ecke Seestraße. Auf dem Gehweg ist es gerade besonders voll, eben ist eine U-Bahn von Süden gekommen, hat einen Teil ihrer Fracht über die Steintreppe hinauf an die Oberfläche entlassen: „ … knüppeldick voll Menschen, die haben alle was zu tun.“ So steht es in Döblins Berlin Alexanderplatz, und so ähnlich geht es hier noch immer zu.
Unter den Menschen ist ein junger, um die zwanzig, sehr groß, nicht übel aussehend, könnte zum Beispiel Student sein. Sobald er die Treppe hinter sich hat, knallt er sein Skateboard auf den Gehweg und brettert ohne Rücksicht auf die Übrigen los. Hui! wie sie zur Seite stieben … Aber einen erwischt er doch am Fuß, hart am Knöchel. Das Opfer sieht ihm äußerlich ähnlich: auch er ein junger Mann, groß, kräftig. Und der brüllt jetzt los, brüllt so laut und lange, dass sein Gegner, der schon ein Stück weitergezischt ist, tatsächlich stoppt, den Fuß vom Brett nimmt und sich umschaut. Der Gerammte – man sieht es ihm an, man hört’s auch am Ausdruck der Stimme, die brüllt – er würde dem andern gern hinterher, ihm die Fresse polieren oder eine Kopfnuss verpassen oder … Aber er bleibt stehen, verstummt. Ihn hemmt nicht nur der Schmerz da unten, er verbietet sich, was die erste Regung verlangte: zurückzuschlagen.
Und der andere? Zuckt bloß mit einer Schulter, hat sich schon wieder umgedreht und schießt weiter durch die Menge, die sich in Acht nimmt.
Während ich das beobachte, kommt mir eine Erinnerung. Ein Kollege von mir ist mal durch Höllenlärm aus der Wohnung unter ihm aufgescheucht worden: extrem laute Musik. Er hat also da geklingelt und die neuen Nachbarn, ein junges Pärchen, auf diese Weise erst kennengelernt. Sie haben sich so rechtfertigt: „Wir brauchen das, wir sind in einem Einfamilienhaus groß geworden …“
Empathie ist doch das Modewort des Jahrzehnts. Doch je mehr es gebraucht wird, umso öfter tritt dieser neue Menschentyp auf: alle in Einfamilienhäusern groß geworden, wie es scheint, und achselzuckend, wenn sie einen verletzt haben.
Unter den Menschen ist ein junger, um die zwanzig, sehr groß, nicht übel aussehend, könnte zum Beispiel Student sein. Sobald er die Treppe hinter sich hat, knallt er sein Skateboard auf den Gehweg und brettert ohne Rücksicht auf die Übrigen los. Hui! wie sie zur Seite stieben … Aber einen erwischt er doch am Fuß, hart am Knöchel. Das Opfer sieht ihm äußerlich ähnlich: auch er ein junger Mann, groß, kräftig. Und der brüllt jetzt los, brüllt so laut und lange, dass sein Gegner, der schon ein Stück weitergezischt ist, tatsächlich stoppt, den Fuß vom Brett nimmt und sich umschaut. Der Gerammte – man sieht es ihm an, man hört’s auch am Ausdruck der Stimme, die brüllt – er würde dem andern gern hinterher, ihm die Fresse polieren oder eine Kopfnuss verpassen oder … Aber er bleibt stehen, verstummt. Ihn hemmt nicht nur der Schmerz da unten, er verbietet sich, was die erste Regung verlangte: zurückzuschlagen.
Und der andere? Zuckt bloß mit einer Schulter, hat sich schon wieder umgedreht und schießt weiter durch die Menge, die sich in Acht nimmt.
Während ich das beobachte, kommt mir eine Erinnerung. Ein Kollege von mir ist mal durch Höllenlärm aus der Wohnung unter ihm aufgescheucht worden: extrem laute Musik. Er hat also da geklingelt und die neuen Nachbarn, ein junges Pärchen, auf diese Weise erst kennengelernt. Sie haben sich so rechtfertigt: „Wir brauchen das, wir sind in einem Einfamilienhaus groß geworden …“
Empathie ist doch das Modewort des Jahrzehnts. Doch je mehr es gebraucht wird, umso öfter tritt dieser neue Menschentyp auf: alle in Einfamilienhäusern groß geworden, wie es scheint, und achselzuckend, wenn sie einen verletzt haben.