Willibald
Mitglied
Die Suche nach der Seeligkeit
(Eine Miniszene)
Geschrieben 2003 von einem barocke Lyrik liebenden Poeten. Als Ort des aktuellen Vortrages ist eine Waldlichtung zu denken. Dort findet sich auf einem steinernen Sockel ein großes, verglastes Bild in barocker Manier, das Herr, Teufel und Engel zeigt.
Eine Motette mit Solos und mehrstimmigen Passagen!Die fünf Ausführenden (Erster, zweiter und dritter Tenor; Erster und zweiter Diskant) haben Ministrantenkutten an, sie stehen in einer Reihe vor dem Bild. Das Publikum schweigt.
Tenor 1 (tritt nach links vor, behäbig):
Gibt es des Jenseits Seeligkeit?
Sticht sie die Lust der Lende?
Ich pilgre zweifelnd durch die Zeit
bis an mein Lebens-Ende.
Discant 1 (bleibt beim Bildstock stehen, gläubig-aufgeregt auf das Bildnis deutend, das am unteren rechten Rand den rotzüngelnden Satan aufweist):
Ein HERRlich Reich hast DU kre-ie-ret.
Zu Sklaven ER uns machen will:
Ja, Satan uns zur Lust verführet
Und stürzt uns tief ins Höllenpfühl.
Discant 2 (inbrünstig):
Drumb solche irdsche Seeligkeit
Bin ich zu kosten nicht bereit.
Die Seeligkeit - bin´s mir bewusst -
Findst nit in weltlich Fleischeslust.
Sie ist des Teufels schönste Brut
Und nehmet uns das höchste Gut.
Discant 1 (den Diskant 2 aufmunternd und nach oben deutend):
Sieh Seel, in Gottes Freudenreich
Da hat es Fried und Freud zugleich.
Discant 1 und 2 im Duett (beide die Zuhörer anblickend und dann die Häupter nach oben richtend):
O ja, der Engel Harfenklang,
Ihr Spielen, Tanzen und Gesang
Dazu der Seelgen Lobgetön
Das mischt sich alles - groß und schön.
Tenor 1 (behäbig-zweifelnd, die beiden anderen Tenöre treten nach seinem Gesang zu ihm nach links):
Solang es geht, bin ich bereit,
Das leiblich Glück zu pflücken.
Wer weiß, ob Himmels-Seeligkeit
Vergleichbar kann entzücken.
Alle drei Tenöre (strahlend und getragen, trotz des zweifelnden Anfangs):
Gesetzt den Fall, es gibt ihn nicht,
Den mächtgen Herrn da oben,
Dann wär es des Verständgen Pflicht,
Allhier sich auszutoben.
Tenor 1 (fröhlich-behäbig):
Und wenn´s ihn gibt, dann sag ich mir,
Und das ist nicht verschroben -
Liebt man die Frauen jetzt und hier,
Tut man den Schöpfer loben.
Tenor 2 (sehr jung und sympathisch-verwirrt.)
(Der juvenile Sänger betrachtet mit gewendetem Kopfe genanntes Bild, in dessen oberer Hälfte schöne Engel zu sehen sind, dann wendet er sich dem Publikum zu):
Schön wär es, wenn die Himmelslust
Nicht gar so körperfern wär;
Und Engel hätten eine Brust
und liebten so wie ich mich.
Tenor 1 (soufflierend zu juvenilem Tenor 2):
und liebten sich wie mich sehr.
Tenor 2 (stutzt, dann halblaut):
Hab ich schon so gemeint. Aber ok.
(zupft sich am Gewand, öffnet den Mund, sucht nach der korrekten Zeile, schließt den Mund, dann öffnet er ihn: )
Amen.
Als aus dem Publikum Rufe nach dem Dichter laut werden, tritt dieser - es ist Tenor 3 - hervor und bringt den Anwesenden ein Gedankengedicht mit dem Titel "Herber Herbst" zu Gehör:
Tenor 3: Herber Herbst
Der Lenz wie der Sommer, er schenkt Überfluss.
Der Herbst, nah am Winter, birgt ziemlich Verdruss.
Ich schüre den Ofen mit klammenden Gliedern
Und sinn ihnen nach, meinen Sommerpreisliedern.
Der Sommer entwichen, gar dürr schon die Auen,
Das feuchtende Wetter, es lehrt mich das Grauen.
Doch seht nur die Rebe - der Reben-Stock schwanger.
Wir pflücken die Süße, dann Tanz auf dem Anger!
Noch dreimal zehn Herbste, wenn die sind entwichen,
Dann bin ich wahrscheinlich im Tode verblichen.
Mein Schreiben bracht Freude der Welt. Immerhin.
Wer wird sie erfreuen, wenn ich nicht mehr bin?
Das Publikum (fröhlich lachend, aber auch ein wenig bestürzt, dann auch beschwichtigend):
Solche wie Dich dürfte es nur wenige geben ... Ach ja ..
... Aber schon einige.
Diskant 1 (murmelnd)
Und bessere auch.
Finis
(Eine Miniszene)
Geschrieben 2003 von einem barocke Lyrik liebenden Poeten. Als Ort des aktuellen Vortrages ist eine Waldlichtung zu denken. Dort findet sich auf einem steinernen Sockel ein großes, verglastes Bild in barocker Manier, das Herr, Teufel und Engel zeigt.
Eine Motette mit Solos und mehrstimmigen Passagen!Die fünf Ausführenden (Erster, zweiter und dritter Tenor; Erster und zweiter Diskant) haben Ministrantenkutten an, sie stehen in einer Reihe vor dem Bild. Das Publikum schweigt.
Tenor 1 (tritt nach links vor, behäbig):
Gibt es des Jenseits Seeligkeit?
Sticht sie die Lust der Lende?
Ich pilgre zweifelnd durch die Zeit
bis an mein Lebens-Ende.
Discant 1 (bleibt beim Bildstock stehen, gläubig-aufgeregt auf das Bildnis deutend, das am unteren rechten Rand den rotzüngelnden Satan aufweist):
Ein HERRlich Reich hast DU kre-ie-ret.
Zu Sklaven ER uns machen will:
Ja, Satan uns zur Lust verführet
Und stürzt uns tief ins Höllenpfühl.
Discant 2 (inbrünstig):
Drumb solche irdsche Seeligkeit
Bin ich zu kosten nicht bereit.
Die Seeligkeit - bin´s mir bewusst -
Findst nit in weltlich Fleischeslust.
Sie ist des Teufels schönste Brut
Und nehmet uns das höchste Gut.
Discant 1 (den Diskant 2 aufmunternd und nach oben deutend):
Sieh Seel, in Gottes Freudenreich
Da hat es Fried und Freud zugleich.
Discant 1 und 2 im Duett (beide die Zuhörer anblickend und dann die Häupter nach oben richtend):
O ja, der Engel Harfenklang,
Ihr Spielen, Tanzen und Gesang
Dazu der Seelgen Lobgetön
Das mischt sich alles - groß und schön.
Tenor 1 (behäbig-zweifelnd, die beiden anderen Tenöre treten nach seinem Gesang zu ihm nach links):
Solang es geht, bin ich bereit,
Das leiblich Glück zu pflücken.
Wer weiß, ob Himmels-Seeligkeit
Vergleichbar kann entzücken.
Alle drei Tenöre (strahlend und getragen, trotz des zweifelnden Anfangs):
Gesetzt den Fall, es gibt ihn nicht,
Den mächtgen Herrn da oben,
Dann wär es des Verständgen Pflicht,
Allhier sich auszutoben.
Tenor 1 (fröhlich-behäbig):
Und wenn´s ihn gibt, dann sag ich mir,
Und das ist nicht verschroben -
Liebt man die Frauen jetzt und hier,
Tut man den Schöpfer loben.
Tenor 2 (sehr jung und sympathisch-verwirrt.)
(Der juvenile Sänger betrachtet mit gewendetem Kopfe genanntes Bild, in dessen oberer Hälfte schöne Engel zu sehen sind, dann wendet er sich dem Publikum zu):
Schön wär es, wenn die Himmelslust
Nicht gar so körperfern wär;
Und Engel hätten eine Brust
und liebten so wie ich mich.
Tenor 1 (soufflierend zu juvenilem Tenor 2):
und liebten sich wie mich sehr.
Tenor 2 (stutzt, dann halblaut):
Hab ich schon so gemeint. Aber ok.
(zupft sich am Gewand, öffnet den Mund, sucht nach der korrekten Zeile, schließt den Mund, dann öffnet er ihn: )
Amen.
Als aus dem Publikum Rufe nach dem Dichter laut werden, tritt dieser - es ist Tenor 3 - hervor und bringt den Anwesenden ein Gedankengedicht mit dem Titel "Herber Herbst" zu Gehör:
Tenor 3: Herber Herbst
Der Lenz wie der Sommer, er schenkt Überfluss.
Der Herbst, nah am Winter, birgt ziemlich Verdruss.
Ich schüre den Ofen mit klammenden Gliedern
Und sinn ihnen nach, meinen Sommerpreisliedern.
Der Sommer entwichen, gar dürr schon die Auen,
Das feuchtende Wetter, es lehrt mich das Grauen.
Doch seht nur die Rebe - der Reben-Stock schwanger.
Wir pflücken die Süße, dann Tanz auf dem Anger!
Noch dreimal zehn Herbste, wenn die sind entwichen,
Dann bin ich wahrscheinlich im Tode verblichen.
Mein Schreiben bracht Freude der Welt. Immerhin.
Wer wird sie erfreuen, wenn ich nicht mehr bin?
Das Publikum (fröhlich lachend, aber auch ein wenig bestürzt, dann auch beschwichtigend):
Solche wie Dich dürfte es nur wenige geben ... Ach ja ..
... Aber schon einige.
Diskant 1 (murmelnd)
Und bessere auch.
Finis