Ein Hallo in die Runde,
ich habe Arnos Text mit verhaltenem Interesse gelesen, kurz mit den Schultern gezuckt und mich gefragt, was daran eine Erzählung sein soll. Das war mein Maßstab. Also weiter – nächster Text.
Erneut aufmerksam wurde ich auf Arnos Beitrag, als sich eine Diskussion entspann, die man auch locker im Lupanum weitergeführt haben könnte. Die hier aufeinander prallenden Argumente wären sicherlich auch für einen größeren Kreis interessant. Damit meine ich nicht unbedingt die ersten lobenden Kommentare. Sie sind weitgehend so abgefasst, dass sie unter viele der hier veröffentlichten Texte passen würden.
Ofterdingen
Flott geschriebene Geschichte, habe ich gerne gelesen.
WilliWieberg
Ist mir trotzdem sympathisch, die Hilde ... sehr schöne Geschichte, mit viel (klammheimlicher) Freude gelesen.
Patrick Schuler
Sicher ein gut geschriebener, gar nicht langweiliger Text. Nur so unfassbar traurig, wenn man bedenkt dass so etwas wirklich vorkommt. Seufz...
Doch dann kommt aligaga daher und versucht den Finger in eine Wunde zu legen, die es, wie mir erst später klar wurde, gar nicht gibt. Er schreibt unter anderem:
@Alis Anteilnahme an der Rührstückerl-Skizze hält sich in Grenzen, weil der Autor die Gelegenheit verschenkt, die Ambivalenz des Andersseins zu zeigen. Das eigentlich "Interessante" an Lebensumständen und deren Äußerungen ist ja nicht deren Banalität, sondern die Frage nach Ursache und Wirkung.
Den Rest schenke ich mir, denn damit wird die obige Grundaussage lediglich untermauert. Meine erste Reaktion war:
Der Bursche hat Recht!
Die Reaktion von Arno ist zwar menschlich sicherlich nachvollziehbar – sachlich eher nicht.
Ich bin der Meinung, dass man Besserwisserei gepaart mit einem Schuss Arroganz und jeder Menge Selbstverliebtheit ignorieren oder (je nach eigener Mentalität) belächeln kann. Soviel eigene Souveränität sollte einem schon innewohnen.
Wenn Onivido schreibt:
Manche Kommentare aligagas zu lesen, ist schon eine Herausforderung. Ich lese sie gerne, aber nur weil ich anscheinend einen etwas absonderlichen Humor besitze,
dann ist das wahrscheinlich nur die halbe Wahrheit. Zum zitierten Humor wird sich wohl auch das nötige und kompetente Selbstbewusstsein gesellen.
Was man aber meines Erachtens keinesfalls ignorieren sollte, sind die textbezogenen Argumente, die einem da an den Kopf geworfen werden und die oft so schrecklich wehtun oder richtig wütend machen. Wenn es mitunter auch schwerfallen mag – Ruhe bewahren, gucken, was an der Kritik dran sein könnte, vielleicht erst mal sich selbst bzw. das eigene Werk in Frage stellen. Das hilft weitaus mehr, als sofort in die Luft zu gehen. Zumindest durfte ich diese Erfahrung selbst schon häufig machen.
Wenn Arno von Ofterdingen mit den mitfühlenden Worten
Verstehe deine Vorbehalte gegen aligaga völlig. Der Kerl ist unzumutbar, bloß schade, dass er das selber nicht merkt (und die Verantwortlichen der Leselupe scheinbar auch nicht).
getröstet wird, ist das zwar nett gemeint, aber kaum hilfreich. In jeder Kritik – auch wenn sie (zumindest gefühlt) provokatorisch rüber kommt, steckt etwas, worüber man zumindest nachdenken sollte.
Was die Meinungen der Redakteure zur genannten
„Unzumutbarkeit dieses Kerls“ angeht, so liegen diese durchaus weit auseinander.
Doch jeder Redakteur ist für
sein Forum verantwortlich, und
ich bin der Meinung: Dieses Sich-Reiben (auch an
„unzumutbaren Kerlen“) gehört dazu. Ich glaube, niemand wird gleich komplett aus seiner Lebensbahn geworfen, nur weil es hier jemanden gibt, der scharfe (aber meist auch
scharfsinnige) Kritik am so geliebten Werk übt.
Wer das nicht aushält, resistent gegenüber harscher Kritik ist oder sich schlimmstenfalls sogar nur in sich selbst verliebt präsentiert, der sollte nicht veröffentlichen.
Doch zurück zum Text und der sich daraus entspinnenden Diskussion. Spontan habe ich, wie gesagt, aligaga in seiner Einschätzung der
„Rührstückerl-Skizze“ spontan zugestimmt. Zumindest, was den Inhalt betrifft.
Immer, wenn ich in der Rubrik „Erzählungen“ stöbere, habe ich natürlich auch den Begriff „Erzählungen“ im Hinterkopf. Und ich war von Arnos ansonsten handwerklich gut gemachten Text enttäuscht, weil er dem Begriff „Erzählung“ nicht entspricht. Und da traf meiner Meinung nach aligagas Hinweis
weil der Autor die Gelegenheit verschenkt, die Ambivalenz des Andersseins zu zeigen. Das eigentlich "Interessante" an Lebensumständen und deren Äußerungen ist ja nicht deren Banalität, sondern die Frage nach Ursache und Wirkung.
den Nagel auf den Kopf. Die Beachtung seiner Einwendungen hätte aus dem Text durchaus eine Erzählung machen können.
Erst später kam ich darauf, dass aligaga Unrecht hat, denn bei dem, was uns Arno vorstellt, soll es sich ja um gar
keine Erzählung handeln. Was er uns vorstellt, ist eine literarisch zurecht gestutzte
Biographie.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann ich den Text als durchaus gelungen betrachten. Es gibt in der LL keine Rubrik „Biographien“ oder „Autobiographien“. Für Letzteres böte sich eventuell das „Tagebuch“ an. Also müssen wir uns mehr darauf einstellen, dass derartige Texte auch hier ihre Heimat finden, obwohl sie die Kriterien einer Erzählung kaum erfüllen.
Ergo – aligaga verlangt im vorliegenden Fall mehr als in dieser engen Sparte notwendig ist.
Languedoc bringt es wohl auf den Punkt, wenn sie, bezogen auf eine Erzählung, feststellt:
Ich würde sagen, es ist ein Geschichtenaufriss, die Skizze für eine Erzählung oder potentiell einen Roman, und als solche mit gut gewählten Worten aufs Papier gebracht,
Stimmt. Und erst dann, wenn aus dem Lebenslauf dieser Großcousine mal etwas Größeres entstehen sollte, kommen sowohl aligagas Einwände als auch die beiden Aspekte „Erzählen“ und/oder „Schildern“ ins Spiel.
Über die Einlassung von Ofterdingen
Für alle, die es noch nicht wissen: Schon seit vielen Jahren halten sich gute Autoren, besonders amerikanische, an den Grundsatz "Show, don´t tell." Für die unter euch, die nicht genug Englisch verstehen: "Mache sichtbar (schildere), erzähle nicht."
war ich allerdings schon überrascht, denn ich bezweifle, dass diese Binsenweisheit erst über den Atlantik schwappen musste. Natürlich sollte man vorrangig „sichtbar machen“. Trotzdem behält auch das „Erzählen“ seine Berechtigung.
Das Problem ist, dass von nicht wenigen Leuten erst mal lang und breit erzählt wird. So nach dem Motto: Man muss doch die Protagonisten erst mal vorstellen, bevor die Handlung richtig losgeht. Und nicht zu vergessen – die Kulisse muss ebenfalls erzählerisch aufgebaut werden.
Wer so vorgeht, wird beim Leser die Kiefer knacken hören. Aber wie gesagt: Was ist daran neu? Vor allem bei Kurzgeschichten. In einem längeren Text (Erzählung, Novelle, Roman) haben auch rein erzählerische Elemente ihre Berechtigung – sie dürfen nur nicht ausufern. Dass sich zum Beispiel eine Hauptfigur im Rahmen der (möglichst nie abreißenden) Handlung mehr und mehr als ein ganz bestimmter Typ heraus kristallisiert, ist längst geübte Praxis.
Bei einer Figur, die nur ganz kurz auftritt, habe ich diese Möglichkeit nicht. Die muss ich dem Leser meist erzählerisch kurz vorstellen. Beides – in der richtigen Mischung – hat also meines Erachtens seine Daseinsberechtigung.
Wenn Languedoc resümiert:
Demnach, lieber Ofterdíngen, liebäugle ich eindeutig mit vergangenen Üblichkeiten und hab mit moderner Schreibart weniger am Hut.
Trifft sie eine Wahl, die demzufolge gar keine ist. „Vergangene Üblichkeiten“ und „moderne Schreibart“ liegen gar nicht so weit auseinander, und eines haben beide komplett gemein: Sie müssen Leser anlocken. Nur das ist wichtig.
So, mein Senfglas ist leer. Ich bin gespannt, ob und wenn ja – wie – die Diskussion hier weiter geht. Ich verspreche aber, mit meinem Mostrich nicht mehr herum zu schmieren.
Gruß Ralph