Geschichten aus dem Open Butt - Ed

Marc H.

Mitglied
Ed​


Ein kurzer Blick durch den verrauchten Raum des Open Butt genügte, um zu wissen, dass heute nicht mehr viel abgehen würde. Barney spülte Gläser. Er war wohl in Gedanken schon in seinem Bett. Ed saß etwas abseits von mir, in Schräglage auf einem Barhocker und starrte an die Wand vor ihm, die mit Barneys gerahmten Baseball-Trophäen geschmückt war. Ich erhob mich kurz und torkelte zur Wurlitzer, warf eine Münze ein und ließ den Boss erklingen. Ich setzte mich wieder auf meinen Hocker und lauschte. Bruce sang von einer Jugendliebe. Bobby Jean. Sie kennen sicher solche Tage. Nach einigen Bierchen wird man sentimental. Ich dachte an die Zeit zurück, in der ich wünschte, ich würde ewig leben. An die Zeit, in der ich noch fühlte, dass ich es auch wollte.
Zu allem Überfluss hatte Susan die Bar vorhin mit einem ziemlich jungen Typen verlassen. Sie würde ihn heute Nacht vernaschen. Ich versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken. Versuchte meine Gedanken im Bier zu ertränken.
Ich rückte näher an Ed heran, in der Hoffnung auf ein Gespräch.
„Hey Ed, wie läuft es denn so mit der Liebe?“
Er blickte träge zu mir. Offensichtlich aus irgendwelchen Träumen gerissen.
„Liebe? Das kann ein ziemlich einseitiges Ding werden. Man verrennt sich in einer Illusion. Liebe ist sehr gefährlich. Ich habe mir das abgewöhnt, Jake.“
Überrascht von seiner tiefgründigen Antwort, bestellte ich uns zwei frische Biere.
„Hast also schlechte Erfahrungen sammeln müssen?“ , bohrte ich nach.
„Ja, habe ich reichlich. Kennst du noch Mary, die Polizistin, die mal hier in der Bar war?“
Ich erinnerte mich an den Abend. Ed brach mit runter gezogener Hose vor der Bar zusammen, als die zwei jungen Beamten in die Bar kamen und uns befragten. Ich werde niemals Marys Blick vergessen, als sie Eds Riemen anstarrte. Ich musste innerlich lachen.
„Ja klar, wie könnte ich diesen Abend vergessen, Ed?“
„Wir trafen uns danach ein paar Mal. Sie verließ sogar ihren Kerl meinetwegen, kannst du dir das vorstellen? Es war alles göttlich. Sie bekam nicht genug von mir. Ich spürte, wie ich mich in sie verliebte. Das war ein Fehler. Im Grunde wollte sie nur mein dickes Rohr.“
„Das tut mir echt leid, Ed.“
„Ich war sogar mal verheiratet.“
Wir nahmen einen großen Schluck Bier.
„Was ist passiert? Erzähl, Kumpel.“
„Na ja, eigentlich war es nur so aus der Not heraus. Ich hatte keine Lust mehr auf die Hühner, wenn ich geil wurde. Ich wuchs ja auf dem Land auf.“
„Welche Hühner, Ed?“
Wir nahmen noch einen Schluck.
„Ihr Name ist Carol. Sie wohnte auf dem Nachbarhof. Eine der drei Töchter von Charles Ingalls. Ein nettes Mädchen, aber ihre Augen stehen etwas weit auseinander. Wenn sie vor mir stand, dachte ich immer, sie guckt an mir vorbei. Und wir konnten nicht … ich meine, im Bett lief nichts. Ich bin halt ziemlich gut bestückt. Das ist nicht immer von Vorteil. Ich bekam ihn einfach nicht rein. Und lutschen wollte sie absolut nicht. Und ihn in die Hand nehmen war auch nicht drin. Sie sagte, sie könne das nicht, weil es halt vor Gott unanständig sei, oder so ein Mist. Ich sagte, ihr Gott hätte ja auch keine dicken Eier und wäre andauernd geil, so wie ich. Das half aber nichts. Also ging ich nachts wieder in den Hühnerstall.“
Ich ließ das Erzählte kurz sacken und bestellte noch eine Runde Bud. Ich ließ nicht locker.
Ed, was hast du mit den gottverdammten Hühnern gemacht?“
„Ist mir eigentlich ziemlich peinlich...“
„Ach komm schon, Ed, wir sind unter uns.“
„Wie man weiß, sind Hühner ja ziemlich dehnbar. Wenn ich geil war, zog ich mir eins über den Riemen. Wenn du weißt, was ich meine. Das war oft ziemlich schwierig, weil die so ein lautes Theater machten in der Nacht. Ich wollte ja nicht erwischt werden, ist ja klar.“
Ich riss mich zusammen und biss mir auf die Lippen. Um nicht loslachen zu müssen, nahm ich noch einen großen Schluck Bud.
„Ich werde die Nacht nicht vergessen, als eins der Viecher auf meinem Kolben platze, als ich abschoss.“
Ich spuckte das Bier quer über den Tresen.
Ed grinste mich an.
„Schließlich stieg ich dann um auf...“
Ich fuhr ihm ins Wort.
„Stopp Ed! … bitte nicht weiter, ok? Bitte! Ich will es nicht wissen.“
„Ok Mann. Sind wir trotzdem noch Freunde, Jake?“ Er blickte mich ernsthaft besorgt an. Offensichtlich sorgte er sich mehr um unsere Freundschaft als um das Erzählte.
„Selbstverständlich sind wir das, Ed.“
Ich klopfte ihm auf die Schulter und wir stießen lächelnd an. Auch Barney kam dazu.
„Irgendwie glaube ich, es gibt gar keine echte Liebe. Alles nur eine Illusion, aufgebaut auf Trieb.“ , sagte Ed und blickte wieder an die Wand vor ihm.
Barney und ich sahen uns sprachlos an. Er tat mir, und ich denke, Barney fühlte das Selbe, unendlich leid in diesem Moment.
Eds tiefgründige Aussage beschäftigte mich den restlichen Abend. Hatte die Natur oder Gott uns Männer tatsächlich zu triebgesteuerten Affen gemacht, um die Fortpflanzung sicherzustellen? Gibt es wahre Liebe? Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie auch noch nie gespürt oder erfahren dürfen. Liebte ich Susan? Susan war zu diesem Zeitpunkt mit diesem Jungbullen beschäftigt. Nein, das ist keine Liebe.
Ich bestellte noch eine Runde, ging zur Wurlitzer und warf eine Münze ein. John Mellencamp ertönte.

I might write you a poem
And put it up there on the wall
I'll rewrite it 'til you return to me
Sha la la la la la la ...
Tears in vain I'm crying
Tears in vain over you
I guess I should know better than
To cry these tears in vain …
 
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G

Gelöschtes Mitglied 34085

Gast
Harter Tobak. Ziemlich linear erzählt, eben wie so eine Story an der Bar erzählt wird...

Die Erfahrung, die die Story vermittelt und wie ich sie verstehe, ist, dass Liebe Triebbefriedigung ist. Aber was kann einer, denke ich mir, der aus der Not heraus Hühner fickt, weil seine Angebetete ihn nicht ran lässt, schon über Liebe sagen? Ich stelle mir den nicht als einen besonders hellen Typen vor. Deshalb finde ich es auch seltsam, dass Jake den Worten Eds eine philosophische Dimension einräumt. Jake scheint jedoch selbst nicht zu wissen, was Liebe ist. Wenn er über Frauen schreibt, dann nur, mit wem sie gerade die Nacht verbringen. Einen anderen Blick auf Frauen und Männer gibt auch Jake nicht. Insofern ist die Story rund, auch wenn sie einen ziemlich trivialen Blick auf die Welt vermittelt, der durch Erzähler bestätigt wird... Am Ende würde ich Jake vielleicht nicht so offensichtlich über die Aussage Eds nachdenken lassen.... Ich finde das Ende von Kurzgeschichten stärker, wenn sie dem Leser eine Chance einräumen, den Sinn selbst zu erschließen.

Wenn Jake einfach nur Mitleid mit Ed hätte und dann eine Runde bestellt, zum Wurlitzer geht und eine Münze einwirft, und dabei an Susan denkt und sich fragt, ob sie gerade auf dem Jungen Typen reitet oder ihm einen bläst, wird Jakes eigene Denkweise klar und der Leser bekäme die Antwort nicht in den Mund gelegt.

Grüße
 

Eulengeloet

Mitglied
Ich habe die Geschichte gerne gelesen. Gut und bildhaft erzählt. Mit einer kleinen Prise „King“ . So zumindest mein Empfinden.
 



 
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