Geschichten aus dem Open Butt - Thekengeplauder

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Marc H.

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Thekengeplauder


Der Tag hatte mir wie so oft nicht viel zu bieten. Susan hatte wohl keine Lust auf mich, also saß ich im Butt auf meinem Stammplatz an der Theke und sah Barney gelangweilt beim Zapfen zu. Ich hatte schon einige Krüge geleert, als ein ziemlich junger Bursche den Saal betrat. Ich hatte ihn hier nie zuvor gesehen. Er sah sich einen Moment lang lächelnd um und nahm dann schließlich neben mir platz.
„Ein großes Bier bitte.“ , rief er, hörbar gut gelaunt, in Richtung Barney.
„Kommt sofort, junger Mann.“ ,entgegnete Barney grinsend und stellte einen großen Krug vor ihn hin, an dem der Schaum herablief.
„Danke Mann. Leute, wollt ihr auch eins? Ich geb einen aus! Ich heirate morgen, wisst ihr?“, rief er uns begeistert zu.
„Warum?“ , rief Charly aus einer der Nischen.
„Na, weil ich heirate.“ Sein grinsen wich nicht eine Sekunde lang.
„Nein, warum du heiratest!“
"Weil sie die Richtige ist" Der Junge blickte lächelnd in Richtung der vernebelten Ecke, konnte Charly aber durch den Rauch nicht erkennen.
„Aha.“
Ich sah ihn nun ebenfalls lächelnd an. „Ja, das glaubt man anfangs immer, denke ich. Und dies ist eine Art Junggesellenabschied für dich heute, hab ich recht?“.
„Ja, so kann man das nennen.“
„Und dann verschlägt es dich Glückspilz gerade hierher?“
„Hier brannte noch Licht und ich dachte, ich schau’ mal rein.“ Dieses entwaffnende Grinsen steckte förmlich an.
„Und warum kommst du alleine? So einen Abschied vom freien Leben feiert man doch mit guten Freunden, oder nicht?“
„Ach, ich hab nicht viele Freunde. Und die, die ich kenne, haben keine Zeit heute“.
„Da hast du ja tolle Kumpel. Glückwunsch.“ Ich klopfte ihm auf die mir zugewandte Schulter.
Barney zapfte das Bier für uns alle. Er stellte auch einen Krug direkt vor Ed, der scheinbar mit seinem Kopf auf der Theke liegend schlief.
„Na dann zum Wohl, Leute!“ , rief der junge Kerl und wir hoben alle unsere Gläser und tranken. Außer Ed.
Dieses Gespräch begann mir zu gefallen.
„Woher kennst du deine Göttin denn, wenn ich fragen darf?“
„Wir trafen uns irgendwann zufällig im Supermarkt und ich erfuhr dann, dass sie hier im Ort lebt. Und es funkte auf Anhieb.“
„Aha. Na dann prost!“ , rief Charly rüber.
„Wie heißt du eigentlich, Junge?“
„Mein Name ist Ben.“
„Ich bin Jake. Ben, es gibt geschätzt 3.976.000.000 Frauen auf diesem Planeten. Wieso glaubst du, dass, wie heißt sie eigentlich?“
„Caren.“
„Ok. Also, warum glaubst du, dass ausgerechnet Caren, die Bestimmung für dich sein sollte?“
Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und strahlte mich weiter an.
„Na, das spürt man doch.“
„Aha ...“
„Und nun bist du dir vollkommen sicher, dass du mit ihr, in so jungen Jahren, in den Hafen der Ehe einlaufen kannst? In ein Leben totaler Selbstaufgabe und prall gefüllt mit Kompromissen?“
Jetzt zögerte er. Blickte mich fragend an.
„Meiner Meinung nach, führen Kompromisse in einer Ehe zu Prostata Problemen im Alter und Selbstaufgabe macht unter dem Strich auch keinen Sinn.“ Ich kniff ihm ein Auge zu und lächelte.
„Dann ist das eben so.“ , erwiderte er lässig und nahm noch einen großen Schluck aus seinem Glas.
Im selben Moment öffnete sich die Eingangstür der Bar und zwei Polizisten traten ein.
„Guten Abend, Gentlemen.“
Wir grüßten höflich zurück.
Wir benötigen Informationen über zwei Typen, die hier in der Gegend auffällig wurden. Zwei ziemlich stabile Kerle. Beide mit Glatze und stark tätowiert.“
„Ach, wieder die beiden, die angeblich das Bukowski unten an der Ecke auseinandergenommen haben?“ , entgegnete ich.
„Sie kennen diese Typen also?“, fragte einer der beiden Uniformierten.
„Nein, das nicht, aber vor einiger Zeit waren schon zwei Beamte hier und fragten uns nach den Jungs. Aber die haben sich zum Glück noch niemals hierher zu uns verirrt.“
„Also hat niemand von ihnen eine hilfreiche Information?“ Die Beamten blickten uns nach der Reihe an.
„Doch, ich hab eine!“. Ed hob seine Hand, ließ den Kopf aber auf der Theke liegen.
„Und die wäre, Sir?“
„Ich bin ein verdammt guter Ficker!“ , lallte Ed und ließ seinen Arm wieder fallen.
„Na ist ja wunderbar. Da hätten wir ja auch gleich direkt in den scheiß Wald schreien können, da wären mehr Infos bei herausgekommen.“ Der junge Polizist wirkte etwas verärgert.
„Tut uns leid, dass wir ihnen nicht weiterhelfen konnten.“ Ich grinste in mich hinein.
Die Cops verließen die Bar und schlossen die Eingangstür lautstark.
Ben lachte lauthals los.
„Ihr Typen gefallt mir absolut! Macht Laune, hier zu sein. Bitte noch eine Runde, Barney!“
Barney füllte die Gläser lächelnd.
„Sag mal Jake, wie kommt es eigentlich zu dem schönen Namen der Bar hier? Oder heißt die schon immer so?“
Ich grinste ihm zu.
„Nein. Ursprünglich hieß das Loch hier „The Open Bud“, benannt nach dem Bier. Barney hat einen Vertrag mit denen von Bud.“
„Na dann erzähl mal bitte, Jake.“ Ben nahm noch einen Schluck.
„Also das kam so. Eines Abends kamen zwei ziemlich junge Typen hier rein. Sie soffen mit uns. Es war ein geselliger, lustiger Abend. Die Typen schienen in Ordnung zu sein. Irgendwann kamen sie auf die glorreiche Idee, den Name der Bar zu ändern. Die beiden gingen unbemerkt vor die Tür. Einer stieg wohl auf die Schultern des anderen. Dann rissen sie das „D“ vom Barschild ab, nahmen einen Lackstift und ersetzten es durch zwei „T“. Seit dem heißt dieser wundervolle Ort „The Open Butt. Barney fand das anfangs gar nicht schön. Wir standen gemeinsam einige Minuten draußen und glotzten ungläubig auf das Barschild. Irgendwann brachen wir alle in Gelächter aus und der Name war geboren.“
„Herrliche Story. Ich glaube, ich komme in Zukunft öfter her.“
„Mit deiner zukünftigen Ehefrau?“ , fragte Charly aus der vernebelten Nische.
„Ich denke tatsächlich, es würde Caren gefallen hier. Prost, Jungs!“ Ben hob sein halbleeres Glas.
„Ben, die Ehe ist wie ein Schiss in den Wald und irgendwann merkst du, dass du nicht mal mehr Papier hast, um dir den Arsch zu wischen.“
„Toller Vergleich, Charly! Machst uns noch eine Runde, Barney?“ , Ben blickte lächelnd, sichtlich angeschlagen vom Alkohol, in die Runde.
Wir tranken noch eine ganze Weile weiter. Irgendwann in der Nacht verabschiedete Ben sich herzlich von uns und verließ taumelnd und zufrieden die Bar. Er würde seine Caren aus dem Supermarkt heiraten. Liebe auf den ersten Blick.

Ich hockte vor meinem nächsten gefüllten Bierkrug. Die Eingangstür der Bar öffnete sich und Susan kam herein. Irgendein unbekannter Typ hielt sie eng im Arm. Sie kniff mir im Vorbeigehen ein Auge zu und die beiden setzten sich an einen Tisch, etwas abseits der Theke und bestellten Bier. Dieses wundervolle Miststück. Verstohlen blickte ich zu ihnen rüber. Ich sah ihr Lächeln, ihren tollen Körper und spürte tatsächlich so etwas wie ... Ich hob mein Glas und trank.
Ich erhob mich, ging zur auf mp3 umgebauten Wurlitzer, und ließ Pettys Zwölfsaitige erklingen.

Out of a dream, out of the sky
Into my heart, into my life
And you were just a face in the crowd
You were just a face in the crowd …

Was Caren und Ben anging, irrten wir uns alle gewaltig. Er brachte seine Frau mit zu uns in die Bar. Sie ist wundervoll. Sie tranken zusammen und tanzten lachend auf dem Tisch. Ihr Humor ist unschlagbar.


Manchmal spielt das Leben uns eine besondere Karte zu. Man sollte halt nur in der Lage sein, dies zu erkennen, um sein Blatt gekonnt zu spielen.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Marc H.,

diese Geschichte gefällt mir ausnehmend gut - nicht wegen des 'Happy Ends', sondern wegen des Kontrasts. Unabhängig davon, ob nun der junge Ben das große Los gezogen hat, es kommt manchmal einfach darauf an, etwas zu riskieren. Da sahen die Stammgäste schon ein bisschen 'alt' aus. Aber zur Ehrenrettung - meistens hat man in dem Alter ja nur bunte Knete im Kopf, und der jugendliche Schwung geht mitnichten mit irgendwelchen geistigen Durchdringungen einher. Im Zweifelsfalle hat er einfach Glück gehabt. Erfahrungen bremsen den Elan, aber man darf nicht zulassen, dass sie einen ausbremsen.
Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Petra
 



 
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