John Wein
Mitglied
Ein Mops, ein Mops
Eines Weibes List, gepaart mit einem Herz aus Vollmilch Schokolade, legt noch den stärksten Kerl aufs Kreuz.
„Wasssss?“
Trotz durchsonntem Himmel war Onkel Eike vom Blitz getroffen. „Sagtest du Mops? Du willst einen Hund?! Nein, lieber Gott! Lieber Gott sag, dass das nicht wahr ist!“
Eike Otten verstand die Welt nicht mehr. Er, passionierter Streckenläufer, hatte eine spezielle in vielen Jahren leidvoll geprägte Beziehung zu dieser Spezies Tier. Ungezügelt schoss beim Joggen jedes Mal, wenn sich sein Weg auf dem Huntedeich mit einem Vierbeiner kreuzte, das Adrenalin durch alle Venen. Bei genauer Betrachtung hatte es natürlich weniger mit dem Tier als mehr mit dessen Erziehung und dem Wesen seiner Begleitung zu tun. Da konnte ihm die Galle schon mal überlaufen und den Onkel auf die berühmte Palme bringen. Und nun kam meine Tante Hilka mit diesem für ihn völlig abstrusen:
„das darf doch nicht wahr sein!“
und undiskutablen Wunsch nach einem Haustier.
„Warum auf einmal ein Hund, ein Tier das bellt, kackt, alle Bäume in der Nachbarschaft markiert und mit dem ich zu allen möglichen Tages- und unmöglichen Nachtzeiten raus muss!?“
In Rage war der Onkel aufgesprungen, hatte sich das Knie am Tischbein geprellt, und in seiner Ungezügeltheit beinahe die Kanne umgestoßen.
„Bei mir nicht, nein wir brauche keinen Hund, um alles in der Welt nicht, nicht hier im Haus!“
und zur Bekräftigung klopfte er dabei mit der geballten Faust auf den Tisch.
„Basta!“
Nach einer langen Pause, während der er ärgerlich sein schmerzendes Knie knetete, setzte er zu einem zweiten Anlauf an:
„Und überhaupt, wieso ausgerechnet ein Mops? Hilka, bist du denn von allen guten Geistern verlassen!? Ein Mops, ein Mops, bist du übergeschnappt?!“
Hier wurde er zweifelsfrei überrumpelt und um ein Haar hätte ihm der Bissen des Frühstücksbrötchens, der bei diesem Lamento von seinem natürlichen Weg abgekommen und sich seiner Luftröhre festgesetzt hatte, den Atem abgeschnürt. Mit einem verächtlichen, von einer wegwerfenden Handbewegung begleiteten Blick hustete er:
„ein Mo…hops, hopss, hopopps!!“
Tante Hilka, hatte sich stickum hinter dem Feuilleton der Nordwest Zeitung versteckt. Lang schlürfte sie an dem letzten Schluck in ihrer Tasse, um Zeit für eine Entgegnung zu schinden. Doch zunächst einmal fiel ihr kein hinreichend überzeugendes Argument für den Herzenswunsch ein.
„Warum regst du dich denn so auf Eike?“
fragte sie mit piepsiger Stimme sacht und lang gedehnt,
„ja doch, ein Mops, ein kleines Möpschen, nur ein ganz kleines“,
und dabei klimperte sie, die Augen eigenartig verdreht, ablenkend mit dem Löffel in der leeren Tasse.
„Warum denn nicht, Eike, sag warum nicht?“
Aus ihren Augen konnte man mehr als nur Text lesen, und weiter geträllert:
„Ja um Gottes Willen Schätzilein sag doch, warum eigentlich nicht?“,
und um eine Oktave höher und kess akzentuiert:
„sag es mir doch bitte, Eike!“
hinterdrein.
„Kein Dackel, Pudel oder Terrier? Warum ausgerechnet ein so hässliches Tier, ein dem lieben Gott missratenes Lehrstück?“
versuchte er mit einem Einwand ihren Flausen ein Ende zu bereiten und als hätte er in eine Zitrone gebissen, schnitt er eine Grimasse, die seinen Widerwillen gegen jegliches Getier in seinem Hause, speziell bei seinem tief im Läufergedächtnis gründenden Abneigung gegen „diese Köter!“,
mehr als deutlich unterstrich.
„Eben! Gerade deshalb, weil ein Mops so erbärmlich aussieht, muss man es umso mehr gernhaben.“
Tante Hilka hatte die Idee für ein Haustier, seit langer Zeit mit sich herumgetragen. Ein zunächst zarter Gedanke, der sich in ihrem Kopf gefestigt hatte, war zu herbstlicher Reife gekommen. Jawohl, ein Mops sollte es sein, einer vom Mopshof in Huntlosen, nur ein kleines Möpschen, weiter nichts.
„Blödsinn! Das ist doch alles ausgemachter Blödsinn!“
unwirsch versuchte er das herbe Thema zu beenden,
„bist du denn völlig auf den Hund gekommen?! Ich begreife es nicht! Nein Hilka, ich begreife dich nicht!“
In aller männlichen Souveränität hatte Onkel Eike fälschlicherweise gemeint, sie würde mit der Zeit und in seinem Sinne langsam „vernünftig werden“, und unterwürfig in ruhiges Fahrwasser beidrehen. Da aber hatte er sich in unserer Tante, mit der er doch kurz vor dem silbernen Ehejubiläum stand, getäuscht. Sie war entschlossen!
„Verstehst du denn nicht? Gerade das ist doch der Grund! Verstehst du das nicht?“ Schmetterte sie ihm entgegen und dabei spritzten in vehementen Furor ein paar Tröpfchen aus ihrer Glandula Sublingualis direkt auf seine frisch aufgetragen Marmeladenschnitte.
„Die Natur hat es doch so eingerichtet. Eine vermeintliche Benachteiligung wie diese Hässlichkeit rührt in uns den Beschützerinstinkt. Sieh‘ doch!“
versuchte sie den Gatten umzustimmen,
„schau doch mal in diese Augen!“
Auf ganzer Seitenbreite der Zeitung einfaltete sich ein blauäugiges Mopsgesicht, einen Zylinder pfiffig und schräg auf dem rechten der beiden Schlappohren fixiert, tief die Stirn- und Zornesfalte über dunklen, weit auseinander stehenden Kulleraugen. Darunter eine A-förmige Gesichtsfalte, Nasenlöcher ohne Nase und nach unten hängenden Backen mit einem zurückfallenden Kinn. Alles in allem war es ein trauriges, eingedötschtes Gesicht, gerade so als wäre das Tier mit 100 km/h gegen eine Betonwand gerannt.
„Grotesk! Das ist doch ausgesprochen grotesk!“
Ärgerlich und mit einschüchterndem Gestus seiner männlichen Autorität konterte er kopfschüttelnd:
„Alles dummes Zeug, mein Hundeinstinkt sagt mir, das ist Humbug ausgesprochen Humbug!“
Ja, so gallig konnte er werden, wenn man ihm einen so ausgemachten Quatsch, Hässlichkeit quasi pseudo wissenschaftlich als einen erklärenden Beweis für Tierliebe, unterjubeln wollte.
Aber, und hier und jetzt kommen wir an den Punkt, an dem er seine Rechnung weder mit dem Wirt vom „Drögen Hasen“, noch gar mit meiner Tante Hilka gemacht hatte.
„Ach Eikelein!“ Mit einer Volte taktisch geschickt, weiblich listig und in kühler Berechnung änderte sie ihre Strategie, gurrte und blickte ihn an wie Vivien Leigh Clark Gable in ‚Vom Winde verweht‘ angeschmachtet hatte,
„Eike, eigentlich hast du ja Recht! Aber sieh‘ doch mal, auch die Anne …..
Er stutzte: „Wie? Wasss?“
Ein Blitz fuhr ihm ins männliche Hirn, und auf einmal im Angesicht ihres vivienleighschen Augenspiels, schmolz meines Onkels Renitenz, bei kraus flatternder Gedankenverwirrung, alle Standfestigkeit gegen einen Hund im Haus, wie Anfang März das Eis auf dem Flötenteich, dahin.
„Dieses Luder! Was für ein raffiniertes Weibsbild!“,
war es ihm zunächst durch den Kopf geschossen und weiter in die Lenden und dann verflog in nur einem einzigen, winzigen Moment und aus einem Grund, den er bei aller versprochenen Verschwiegenheit, mir später auch nicht näher erläutern wollte, seine erbitterte Ablehnung gegen alles was bellt und kackt.
Vielleicht, na ja und das ist heute auch nur eine unsicher gehegte Vermutung von mir, in erster Linie damals seiner Sekretärin Anne Grotelüschen wegen. Aber wer weiß das schon so genau,
...außer Onkel Eike natürlich!
Und mit dem gleichen intimen Blick, den man von Warren Beatty in „Bonny and Clyde“ gesehen hatte, kurz bevor er erschossen wurde, kroch mein Onkel Eike am Ende zu Kreuze und gab sich geschlagen auf den Weg nach Canossa.
„Ok! Dann eben ein Mops!“
Eines Weibes List, gepaart mit einem Herz aus Vollmilch Schokolade, legt noch den stärksten Kerl aufs Kreuz.
„Wasssss?“
Trotz durchsonntem Himmel war Onkel Eike vom Blitz getroffen. „Sagtest du Mops? Du willst einen Hund?! Nein, lieber Gott! Lieber Gott sag, dass das nicht wahr ist!“
Eike Otten verstand die Welt nicht mehr. Er, passionierter Streckenläufer, hatte eine spezielle in vielen Jahren leidvoll geprägte Beziehung zu dieser Spezies Tier. Ungezügelt schoss beim Joggen jedes Mal, wenn sich sein Weg auf dem Huntedeich mit einem Vierbeiner kreuzte, das Adrenalin durch alle Venen. Bei genauer Betrachtung hatte es natürlich weniger mit dem Tier als mehr mit dessen Erziehung und dem Wesen seiner Begleitung zu tun. Da konnte ihm die Galle schon mal überlaufen und den Onkel auf die berühmte Palme bringen. Und nun kam meine Tante Hilka mit diesem für ihn völlig abstrusen:
„das darf doch nicht wahr sein!“
und undiskutablen Wunsch nach einem Haustier.
„Warum auf einmal ein Hund, ein Tier das bellt, kackt, alle Bäume in der Nachbarschaft markiert und mit dem ich zu allen möglichen Tages- und unmöglichen Nachtzeiten raus muss!?“
In Rage war der Onkel aufgesprungen, hatte sich das Knie am Tischbein geprellt, und in seiner Ungezügeltheit beinahe die Kanne umgestoßen.
„Bei mir nicht, nein wir brauche keinen Hund, um alles in der Welt nicht, nicht hier im Haus!“
und zur Bekräftigung klopfte er dabei mit der geballten Faust auf den Tisch.
„Basta!“
Nach einer langen Pause, während der er ärgerlich sein schmerzendes Knie knetete, setzte er zu einem zweiten Anlauf an:
„Und überhaupt, wieso ausgerechnet ein Mops? Hilka, bist du denn von allen guten Geistern verlassen!? Ein Mops, ein Mops, bist du übergeschnappt?!“
Hier wurde er zweifelsfrei überrumpelt und um ein Haar hätte ihm der Bissen des Frühstücksbrötchens, der bei diesem Lamento von seinem natürlichen Weg abgekommen und sich seiner Luftröhre festgesetzt hatte, den Atem abgeschnürt. Mit einem verächtlichen, von einer wegwerfenden Handbewegung begleiteten Blick hustete er:
„ein Mo…hops, hopss, hopopps!!“
Tante Hilka, hatte sich stickum hinter dem Feuilleton der Nordwest Zeitung versteckt. Lang schlürfte sie an dem letzten Schluck in ihrer Tasse, um Zeit für eine Entgegnung zu schinden. Doch zunächst einmal fiel ihr kein hinreichend überzeugendes Argument für den Herzenswunsch ein.
„Warum regst du dich denn so auf Eike?“
fragte sie mit piepsiger Stimme sacht und lang gedehnt,
„ja doch, ein Mops, ein kleines Möpschen, nur ein ganz kleines“,
und dabei klimperte sie, die Augen eigenartig verdreht, ablenkend mit dem Löffel in der leeren Tasse.
„Warum denn nicht, Eike, sag warum nicht?“
Aus ihren Augen konnte man mehr als nur Text lesen, und weiter geträllert:
„Ja um Gottes Willen Schätzilein sag doch, warum eigentlich nicht?“,
und um eine Oktave höher und kess akzentuiert:
„sag es mir doch bitte, Eike!“
hinterdrein.
„Kein Dackel, Pudel oder Terrier? Warum ausgerechnet ein so hässliches Tier, ein dem lieben Gott missratenes Lehrstück?“
versuchte er mit einem Einwand ihren Flausen ein Ende zu bereiten und als hätte er in eine Zitrone gebissen, schnitt er eine Grimasse, die seinen Widerwillen gegen jegliches Getier in seinem Hause, speziell bei seinem tief im Läufergedächtnis gründenden Abneigung gegen „diese Köter!“,
mehr als deutlich unterstrich.
„Eben! Gerade deshalb, weil ein Mops so erbärmlich aussieht, muss man es umso mehr gernhaben.“
Tante Hilka hatte die Idee für ein Haustier, seit langer Zeit mit sich herumgetragen. Ein zunächst zarter Gedanke, der sich in ihrem Kopf gefestigt hatte, war zu herbstlicher Reife gekommen. Jawohl, ein Mops sollte es sein, einer vom Mopshof in Huntlosen, nur ein kleines Möpschen, weiter nichts.
„Blödsinn! Das ist doch alles ausgemachter Blödsinn!“
unwirsch versuchte er das herbe Thema zu beenden,
„bist du denn völlig auf den Hund gekommen?! Ich begreife es nicht! Nein Hilka, ich begreife dich nicht!“
In aller männlichen Souveränität hatte Onkel Eike fälschlicherweise gemeint, sie würde mit der Zeit und in seinem Sinne langsam „vernünftig werden“, und unterwürfig in ruhiges Fahrwasser beidrehen. Da aber hatte er sich in unserer Tante, mit der er doch kurz vor dem silbernen Ehejubiläum stand, getäuscht. Sie war entschlossen!
„Verstehst du denn nicht? Gerade das ist doch der Grund! Verstehst du das nicht?“ Schmetterte sie ihm entgegen und dabei spritzten in vehementen Furor ein paar Tröpfchen aus ihrer Glandula Sublingualis direkt auf seine frisch aufgetragen Marmeladenschnitte.
„Die Natur hat es doch so eingerichtet. Eine vermeintliche Benachteiligung wie diese Hässlichkeit rührt in uns den Beschützerinstinkt. Sieh‘ doch!“
versuchte sie den Gatten umzustimmen,
„schau doch mal in diese Augen!“
Auf ganzer Seitenbreite der Zeitung einfaltete sich ein blauäugiges Mopsgesicht, einen Zylinder pfiffig und schräg auf dem rechten der beiden Schlappohren fixiert, tief die Stirn- und Zornesfalte über dunklen, weit auseinander stehenden Kulleraugen. Darunter eine A-förmige Gesichtsfalte, Nasenlöcher ohne Nase und nach unten hängenden Backen mit einem zurückfallenden Kinn. Alles in allem war es ein trauriges, eingedötschtes Gesicht, gerade so als wäre das Tier mit 100 km/h gegen eine Betonwand gerannt.
„Grotesk! Das ist doch ausgesprochen grotesk!“
Ärgerlich und mit einschüchterndem Gestus seiner männlichen Autorität konterte er kopfschüttelnd:
„Alles dummes Zeug, mein Hundeinstinkt sagt mir, das ist Humbug ausgesprochen Humbug!“
Ja, so gallig konnte er werden, wenn man ihm einen so ausgemachten Quatsch, Hässlichkeit quasi pseudo wissenschaftlich als einen erklärenden Beweis für Tierliebe, unterjubeln wollte.
Aber, und hier und jetzt kommen wir an den Punkt, an dem er seine Rechnung weder mit dem Wirt vom „Drögen Hasen“, noch gar mit meiner Tante Hilka gemacht hatte.
„Ach Eikelein!“ Mit einer Volte taktisch geschickt, weiblich listig und in kühler Berechnung änderte sie ihre Strategie, gurrte und blickte ihn an wie Vivien Leigh Clark Gable in ‚Vom Winde verweht‘ angeschmachtet hatte,
„Eike, eigentlich hast du ja Recht! Aber sieh‘ doch mal, auch die Anne …..
Er stutzte: „Wie? Wasss?“
Ein Blitz fuhr ihm ins männliche Hirn, und auf einmal im Angesicht ihres vivienleighschen Augenspiels, schmolz meines Onkels Renitenz, bei kraus flatternder Gedankenverwirrung, alle Standfestigkeit gegen einen Hund im Haus, wie Anfang März das Eis auf dem Flötenteich, dahin.
„Dieses Luder! Was für ein raffiniertes Weibsbild!“,
war es ihm zunächst durch den Kopf geschossen und weiter in die Lenden und dann verflog in nur einem einzigen, winzigen Moment und aus einem Grund, den er bei aller versprochenen Verschwiegenheit, mir später auch nicht näher erläutern wollte, seine erbitterte Ablehnung gegen alles was bellt und kackt.
Vielleicht, na ja und das ist heute auch nur eine unsicher gehegte Vermutung von mir, in erster Linie damals seiner Sekretärin Anne Grotelüschen wegen. Aber wer weiß das schon so genau,
...außer Onkel Eike natürlich!
Und mit dem gleichen intimen Blick, den man von Warren Beatty in „Bonny and Clyde“ gesehen hatte, kurz bevor er erschossen wurde, kroch mein Onkel Eike am Ende zu Kreuze und gab sich geschlagen auf den Weg nach Canossa.
„Ok! Dann eben ein Mops!“