Geschichten von Ole, dem Wichtel

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flammarion

Foren-Redakteur
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Geschichten von Ole, dem Wichtel

Es war einmal ein Wichtel namens Ole Olaf Oskar Otto Olbrichzy, der lebte in einer kleinen Hafenstadt. Da er entfernt mit den Wassermännern in Elbe und Donau verwandt war, hatte es ihn zum Wasser hingezogen.
Im Sommer war es in dieser Hafenstadt auch recht nett, aber der Winter konnte mitunter sehr kalt sein. Manchmal war der kleine Hafen völlig zugefroren und die Schiffe konnten nicht auslaufen. Dann erzählten sich die Einwohner lange, fantasievolle Geschichten.
Ole hörte gerne zu, wenn solche Geschichten erzählt wurden. Aber er wusste nie genau, was einfach nur Geschichten sind oder was davon echt wahr ist.
Zum Beispiel saß er einmal bei der Fischerfamilie Olesen auf dem Kamin und hörte, wie die Großmutter das Märchen vom Teufel mit den drei goldenen Haaren erzählte. Danach gab es ein Gespräch, worüber er lange nachdenken musste. Als die Großmutter das Märchen zu Ende erzählt hatte, fragte die jüngste Enkelin: „Wachsen denn dem Teufel die Haare wieder nach?“
Da nahm der Großvater die Pfeife aus dem Mund und brummte: „Der Teufel hat gar keine goldenen Haare. Er hat nur blonde, weil er ja mal ein Engel war, und weiße, weil er ja schon so alt ist. Also auf seinem Kopf mischen sich blonde und weiße Haare wie bei der Heideschulzen Anna aus dem Nachbarort“.
Alles kicherte verhalten. Die Heideschulzen Anna war eine alte Frau, die aber noch nicht völlig ergraut war. Obwohl sie die Siebzig weit überschritten hatte, prangten auf ihrem Haupt noch immer einige blonde Strähnen.
Dann polterte die Großmutter: „Das ist ja ganz was Neues. Wann hast du denn den Teufel das letzte Mal gesehen, dass du das alles so genau weißt?“
„Ach, dazu muss man doch den Teufel nicht gesehen haben. Das ergibt die Logik. Wenn du nur einmal logisch denken würdest, wäre dir das auch klar“, schmunzelte der Alte.
„Hm, Logik, alles klar. Logik nützt aber nur im Zusammenhang mit Wissen. Der Teufel lebt in der Hölle, oder?“
„Hm“.
„In der Hölle ist es rußig, oder?“
„Hm“.
„Da wird der Teufel auch rußig, stimmt s?“
„Hm“.
„Also hat er schwarze Haare. Und weil der Teufel wasserscheu ist, hat er sich auch all die Zeit nicht gewaschen, der dreckige Dreckskerl, der. Da ist von blond und weiß nichts mehr zu sehen! Außerdem glaube ich, dass er vom Herrgott schwarze Haare bekommen hat, damit er farblich besser in seine Umgebung passt“.
Der Opa legte die Stirn in Falten und dachte nach, was er darauf wohl Gescheites antworten könnte.
Der Vater neckte: „Na, Opa, da saß die Logik mal wieder in deiner Pfeife, was?“
Die Großmutter aber nahm ihre Nadelarbeit – ein warmes Kopftuch für die Schwiegertochter sollte es werden - wieder in die Hand und begann zu singen „Bald nun ist Weihnachtszeit . . .“
Alle stimmten in das Lied mit ein, sogar der Opa.
Im Kamin knackten die brennenden Holzscheite und ließen die dick verschneite Welt draußen vergessen. Am Fenster glitzerten die Eisblumen in der untergehenden Sonne wie Diamanten und Rubine. Ole lächelte versonnen. Wenn es auch dieses Schauspiel immer wieder gab, es war doch wunderschön.
Der Abend war noch jung und Ole hoffte, dass er noch eine Geschichte zu hören bekommen würde. Diese Hoffnung wurde zum Teil erfüllt. Der Vater sprach nämlich: „Wisst ihr, was mir neulich einer erzählt hat? Er hätte einen Nachbarn . . .“
„Den hat ja fast jeder“, warf der Opa ein.
„Ja, aber der Nachbar hatte einen Schleierschwanz . . .“
Der Großvater prustete: „Dieter, halt an dich, so was gibbet doch gar nicht!“
„Doch, Papa, Schleierschwänze sind Zierfische. Gibbet in de Zoohandlung und man tut se in ein Aquarium“.
„Schön, mein Sohn“.
„Ja, schön sehen sie aus. Aber dieser Schleierschwanz, der antwortete seinem Besitzer. Früher hatte er ja mal einen Papagei, aber der ist ihm weggeflogen. Da hatte er sich eben diesen bunten Fisch gekauft, weil man aus einem Aquarium voll Wasser eben nicht so leicht entfliegen kann“.
„Kluger Mann“.
„Ja, aber es kommt noch besser. Der Hansiken, so hieß der Schleierschwanz, plapperte nicht einfach so drauf los wie n Papagei, sondern man konnte sich mit ihm richtig unterhalten. Er beantwortete fast jede Frage!“
„Sehr beeindruckend. Sag mal, mein Sohn, wie sieht denn so n Schleierschwanz aus?“
„Na, der hat glitzernde Schuppen, is etwa zehn Zentimeter lang und fünf Zentimeter dick und hat einen langen Schwanz, der wie ein Schleier runterhängt. Daher ja auch der Name“.
„Aha. Dann weiß ich, wo er den herhat“.
„Ach ja? Woher hat er den denn?“
„Von meinem alten Kumpel Kalle. Der hat ein Aquarium voller Fische, die genau so aussehen und jeden Tanz können. Sowie sie Musik hören, tanzen sie drauf los. Hab ich selber gesehen, als ich bei ihm war“.
„Das sah bestimmt ganz toll aus“.
„Das will ich meinen! Die Schwänze wedelten auf und nieder und hin und her, so schnell konnte man kaum kucken, du!“
„Und die Schuppen funkelten und blitzten in allen Farben“.
Der Großvater wendete sich seinem Sohn zu und fragte erstaunt: „Ach, hast du meinen alten Kumpel auch besucht?“
„Nee, aber ich kann mir das gut vorstellen“.
Die Mutter verkniff sich das Lachen und bat die Familie in die Küche zum Abendbrot. Sie dachte schmunzelnd: Was ist schon ein Winterabend ohne handfestes Seemannsgarn?
Die Kinder huschten den Erwachsenen voran in die Küche und setzten sich an den gedeckten Tisch.
Ole aber kletterte vorsichtig vom Kamin herunter und wollte sich in ein anderes Haus begeben. Auf der Straße traf er drei kleine Wichtel, die auf einer Katze ritten. „Hallo, Fluschus, Huschelwutz und Wuschelhutz, wo wollt ihr denn hin?“, sprach er sie an.
„Wir wollen zu dem Wasserfall, der zu bestimmten Zeiten nach oben fließt. Heute um Mitternacht ist es wieder einmal soweit, seine Zeit ist heran“.
„Aber das schafft ihr doch nicht mit der Katze, die läuft ja viel zu langsam“, gab Ole zu bedenken.
„Nein, sie bringt uns nur zu Peesikus“.
„Wie heißt der?“
„Peesikus“.
„Ein sonderbarer Name. Wer ist das denn?“
„Ein Baum, der galoppiert wie ein Pferd. Er wird uns ganz schnell ans Ziel bringen“.
„Ach so. Na, dann viel Vergnügen!“
Während des Gesprächs war die Katze gemächlich weiter gelaufen und Ole immer nebenher. Nun musste er eine andere Richtung einschlagen, um zum Haus des Hafenwächters zu gelangen. Er hatte dem dort ansässigen Hauselfen versprochen, bei der Arbeit zu helfen.
Zuerst räumten sie den Dachboden auf und säuberten ihn. Dann fegten sie den Gehweg und streuten Sand, damit der Hafenwächter nicht ausrutscht, wenn er vom Stammtisch heimkehrt. Zuletzt putzte Ole alle im Hause befindlichen Schuhe.
Im Morgengrauen gesellte sich die Katze zu ihm, die mit den drei kleinen Wichteln zu Peesikus unterwegs war.
„Na, was glaubst du, sind die drei unternehmungslustigen Gesellen rechtzeitig zu dem Wasserfall gekommen, um das Wasser bergauf fließen zu sehen?“
„Miau, nein, kann ich mir nicht vorstellen. Peesikus wollte als Bezahlung eine Blume, die das ganze Jahr voll erblüht ist. Von so einer Blume hatten die drei kleinen Leute noch nie was gehört und wussten nicht, wo man danach suchen sollte, miau. Alles Bitten und Betteln half nicht, der Rennbaum blieb bei seinem Wunsch. Da mussten sie dann auf Heuschrecken reiten. Aber ob die den Weg in der verbliebenen Zeit geschafft haben, miau, ist fraglich“.
„Na, da werde ich die drei in den nächsten Tagen mal besuchen. Wenn sie ihr Ziel nicht erreicht haben, werden sie sehr traurig sein und Trost brauchen“.
„Miau, ich werde heute Nachmittag schon nach ihnen sehen. Dann haben sie bestimmt ausgeschlafen und können mir was erzählen, miau. Und mir etwas zu essen geben, miau“.

Nach der anstrengenden Arbeit gönnte Ole sich eine längere Ruhepause. Er legte seinen Kopf auf ein weiches Kissen und dachte an einen lange zurückliegenden Winter, den er in einer größeren Stadt verbracht hatte. Wie eng standen da hohe Häuser nebeneinander! Und große Kaufhäuser gab es, deren Schaufenster schon ab Mitte November weihnachtlich dekoriert waren.
Was gab es da nicht alles zu sehen! Lebkuchen und anderes Naschwerk im Überfluss. Wie glitzerte das Zuckerwerk, wie dufteten die Schokoladenmänner und die Nougatrollen!
Und erst das viele, viele wunderschöne Kinderspielzeug. Ja, da wollte man gern das Kind reicher Eltern sein! Es huschten die elektrischen Eisenbahnen, es bimmelten die Feuerwehren und große Puppen in reich verzierten Kleidern blickten stolz in die Gegend. Schaukelpferdchen ließen ihre Schellen klirren und Autos aller Größen und Arten blinkten auf ihren Podesten. Das war eine Pracht!
Aber die Kindergruppen, die an etlichen Straßenecken Weihnachtslieder sangen, kümmerten sich nicht um die herrlichen Schaufenster. Ole erinnerte sich noch recht gut, was sie alles gesungen hatten: „O du fröhliche“, „Morgen, Kinder, wird s was geben“, „Still, still, weil s Kindlein schlafen will“ und „Zu Bethlehem geboren“.

Er dachte auch an den großen Tannenbaum, den ein Mann auf einen Pferdewagen geladen hatte, weil er viel zu groß war, um ihn tragen zu können. Ole hatte nie herausgefunden, wo dieser prächtige Baum dann wohl aufgestellt worden war.
Aber er hatte einen kleinen Jungen kennen gelernt, dem eine gute Fee einen Krug geschenkt hatte, in welchem aus Regenwasser Milch wird. Die Familie war nämlich so arm, dass sie für die Kinder keine Milch kaufen konnten. Die Zwillingsmädchen schrieen vor Hunger in ihren Windeln und der Bruder wusste sich keinen Rat. Da kam die Fee mit dem Krug: „Stell ihn auf das Fensterbrett, wenn es regnet. Nach einer Weile wird das Regenwasser zu Milch“. Nun konnte wenigstens an Regentagen der große Durst gestillt werden.
Dann wurde es Winter und der Junge überlegte: Klappt das auch mit Schnee? Er stellte den Krug auf das Fensterbrett und bald war er vollgeschneit. Er wartete, bis der Schnee zu Milch geworden war. Aber sie war so eisekalt, dass sie in der Kehle weh tat. Er konnte sie seinen kleinen Schwestern nicht geben. Also nahm er sie selber löffelweise zu sich und redete sich ein, das allerfeinste Sahneeis zu essen.

Zu Oles großer Freude gab es in dieser Stadt viele Pferde. Er ist ein großer Liebhaber der edlen Tiere und kann sogar mit ihnen reden. So erfuhr er, dass auch die Pferde einander Märchen erzählen. Zum Beispiel jenes von dem Pferd, das mit seinem Hufschlag feurige Funken fliegen lassen kann. Es können derer so viele und große werden, dass sich „Florianto“ in kalter Winternacht ein wärmendes Feuer anzünden kann.
Und das über die Glitzies und Blitzies, vor denen sich die Pferde sehr fürchten. Es sind kugelförmige Geschöpfe, etwa so groß wie Suppenteller, mit sehr großen Augen, teils mit wolligem Pelz ausgestattet, teils mit glitzerndem Metall versehen. Weil die Pferde alles fünfmal größer sehen, als es wirklich ist, haben sie große Angst vor diesen unheimlichen Dingern, wenn sie angekullert kommen. Nur die mutigsten wagen es, mit den Hufen nach ihnen zu treten. Dann rasen die Glitzies und Blitzies hakenschlagend davon.
Im Gegenzug erzählte Ole den Pferden die russischen Märchen „Das bucklige Pferdchen“ und das von „Siwka-Burka“, dem heldenhaften Reckenpferd, das jetzt mit anderen Pferden über die verschneite Taiga trabt.

Vor dem Opernhaus belauschte Ole unfreiwillig ein Gespräch zweier Straßenhändler: „Heute Abend gibt es hier die Oper „Fidelio“.
„Ach, ich habe gehört, so fidel soll das Stück gar nicht sein“.
„Ja? Ich kenne es nicht. Was ich nicht kenne, muss ich mir auch nicht anschauen, oder?“
„Hast Recht. Aber ein Ballett, das würde ich mir schon ganz gerne mal anschauen. Wenn es nur nicht so verdammt teuer wäre!“
„So? Dann komm mich doch mal besuchen, auf meiner Strohmatratze tanzen die Flöhe Ballett. Das kannste dir ganz kostenlos anschauen“.
Die Männer lachten herzhaft und Ole lief schnell weiter. Wenn Menschen nämlich von ganzem Herzen fröhlich lachen, können sie mitunter der Wichtel und anderer Märchenwesen gewahr werden.
In dieser Stadt lebte auch ein Dichter, der aber mit seinen guten Werken kaum einen Cent verdiente. Es ist ja immer so, dass Künstler zu ihren Lebzeiten meist nicht geachtet werden. So ging es auch diesem Dichter. Anstatt seine Zeit mit Schreiben zu verbringen, musste er niedere Dienste tun, um überhaupt Geld für Tinte und Papier zu bekommen. Darum fragte Ole bei allen Fabelwesen nach, ob sie nicht ein kleines Stück ihrer Magie zur Verfügung stellen würden, damit ein ganz besonderes Geschenk für den Dichter zubereitet werden könnte - einen Federhalter, der jahrelang schreibt, ohne dass man Tinte nachfüllen muss und er schreibt alle guten Gedanken auf, ohne dass man ihn in die Hand nehmen muss. Mit diesem tollen Werkzeug ausgestattet, konnte der Dichter rasch ein neues Buch verfassen, das ihn über die Grenzen seines Landes berühmt machte.
Von der gespendeten Magie blieb noch etwas übrig. Das verwendete Ole darauf, einige Not leidende Familien in der Stadt mit Zucker und Mehl zu versorgen. Er lieh sich einen kleinen Leiterwagen aus und zog damit von Haus zu Haus, stellte hier eine größere Menge ab und dort eine kleinere, je nachdem, wie groß die Not war.
Die Leute wunderten sich, woher der Segen wohl gekommen war. Aber es waren ja früher einmal in der Stadt die Heinzelmännchen am Werke; und wer weiß, vielleicht waren sie zurückgekehrt? Jedenfalls wurden die Gaben nicht verschmäht.

Es ist eine Gewohnheit der Wichtel, den Menschen in die Fenster zu schauen. Auch Ole tat das gern. So traf er eines Tages auf Dieter Didrichsen, kurz Didi genannt. Schon während der Schulzeit wandelte sich der Kosename in Didi – der wandelnde Misserfolg.
Dietrich schien das Pech gepachtet zu haben. Alles ging ihm schief. Schickte die Mutter ihn nach Eiern, so fielen sie ihm aus der Hand. Sollte er Äpfel pflücken, so fiel er vom Baum. Er konnte sich die redlichste Mühe geben – nichts glückte.
Als junger Mann wollte er sich etwas Geld verdienen und bot seine Hilfe im Haushalt an. Zuerst sollte er den Fußboden wischen und bohnern. Als der Hausherr heim kam, konnte Didi ihn nicht schnell genug warnen. Der Mann rutschte auf dem polierten Boden aus und brach ein Bein. Didi musste die Arztkosten bezahlen und konnte noch froh sein, nicht auch noch für den Verdienstausfall des Mannes aufkommen zu müssen.
Danach wollte er einem Ladenbesitzer die Schaufensterscheibe putzen, aber bei seinem Pech fiel natürlich die Leiter in die große Scheibe. Auch diese musste Didi bezahlen und wusste nicht, wovon.
Als Ole nun zu ihm in das weihnachtlich mit einer Amaryllis in einer schlichten Glasvase dekorierte Fenster schaute, war er gerade dabei, kleine Kerzen auf Walnussschalen zu kleben. Er murmelte dabei: „Herr Werner hat gesagt: Du hast doch noch die vergoldeten Walnüsse vom vorigen Jahr, die du nicht als Baumschmuck verkaufen konntest, weil alle Leute so was schon hatten. Die halbierst du – da kannst du fein die Nüsse essen – und klebst Kerzen darauf, die verkaufe ich dir hundert Stück zu fünf Euro. Du kaufst noch ne Tüte Glitzersterne, die klebst du an jede Kerze und fertig ist das perfekte Christbaumlicht. Wenn du die für fünfzig Cent das Stück verkaufst, machst du achtzehn Euro Gewinn. Achtzehn Euro ist besser als nichts! Und die Walnüsse schmecken und machen satt“.
So plagte er sich, die Nüsse geschickt zu halbieren. Sie durften nicht beschädigt sein und es durfte nichts von der Vergoldung abplatzen. Da das Gold in Wirklichkeit Bronzefarbe war, könnte das leicht passieren.
Dann wurden die klitzekleinen Sterne auf die Kerzen geklebt, die Kerze auf die halben Nüsse, alle sanft in Watte verpackt und endlich konnte Didi durch die Stadt gehen und seine Ware anbieten. Ole begleitete ihn, um zu sehen, wie das Geschäft lief. Aber es ist nun einmal das Schicksal der Hausierer, dass sie den ganzen Tag treppauf, treppab die Absätze schief laufen, abends todmüde ins Bett fallen und auch nicht das Geringste dabei verdienen.
Den abendlichen Weg in die Villengegend am Rande der Stadt hätte er sich gleich sparen können, die Leute, die da wohnen, kaufen nichts, was nur fünfzig Cent kostet, nicht einmal aus Mitleid. Also blieb er auf den meisten Kerzen sitzen.
Jedoch, er ließ sich nicht völlig entmutigen. Bei seinen vielen Wegen durch die Stadt hatte er gesehen, dass für die Bürger eine Eisbahn geschaffen worden war, wo man nach Belieben Schlittschuh laufen konnte. Eine Weile hatte er dem munteren Treiben zugesehen, die graziösen Bewegungen bewundert und die eleganten Herren und Damen in ihren tollen Roben. So viele Pelze, so viel Samt und Seide! Manche Damen hatten geradezu unglaubliche Hüte auf, von denen bunte Bänder im Winde flatterten und hübsche Blumen nickten.
Didi überlegte, ob er nicht von den paar Cent, die er durch den Kerzenverkauf eingenommen hatte, Glühwein kaufen sollte, um ihn hier an der Eisbahn anzubieten. Gedacht, getan! Er stellte sich mit mehreren Thermoskannen an die Bahn und hatte ein großes Pappschild neben sich: „Glühwein 1 € pro Becher!“
Und tatsächlich kam einer nach dem anderen, um den Wein zu kosten. Eine junge Dame kam immer wieder. Aber nicht, um Wein zu kaufen, sondern um in Didis traurige Augen zu schauen, wo die Enttäuschung bereits Wurzeln geschlagen hatte. Sie hatte sich verliebt. Ole hatte es im Gefühl: Das gibt eine Hochzeit und Didis Pechsträhne ist zu Ende. Wie schön, dass sich manche Menschendinge ohne die Hilfe eines Wichtels selbst erledigen!

Ole begegnete in der Stadt auch den gefürchteten Spukwesen, den Wörmlern und den Törmlern. Das sind waagerechte beziehungsweise senkrechte Qualmgestalten, die immer auftraten, wenn es einen größeren Brand gab. Ole hatte sie rechtzeitig gesehen und konnte die Einwohner warnen.
Die Wörmler und Törmler mussten unverrichteter Dinge abziehen und waren sehr böse auf Ole. Sie versuchten ihn zu fangen, um ihn zu bestrafen, aber es gelang ihm, zu flüchten. Er erreichte gerade noch rechtzeitig ein Schiff, das auf dem Fluss fuhr, der die Stadt durchquert. Fließendes Wasser ist für Wörmler und Törmler ein unüberwindliches Hindernis. Darum schickten sie Ole wenigstens noch einen kräftigen Fluch hinterher, der ihn für eine Weile aus dieser Stadt verbannen sollte.
Nun denn, sei es drum. Es gibt noch andere nette Orte auf der Welt.

Mit diesem Gedanken und einem Lächeln in den Mundwinkeln erhob Ole sich von dem weichen Kissen und ging wieder hinaus auf die Straße. Bald traf er die Katze und fragte sie, ob sie schon bei den drei kleinen Wichteln war.
„Miau, ja, war da. Es geht den dreien gut. Sie haben zwar nicht den Wasserfall rückwärts spritzen sehen, aber man hat ihnen berichtet, wie toll es war, als das Wasser meterhoch über den Berg gischtete und das Flussbett unten trocken wurde, miau. Gruselig, so ein trockenes Flussbett, miau!“
„Aber dann kam das Wasser zurück, oder?“
„Miau, ja, kam zurück. Soll einen Knoten um sich selber geschlagen haben und dann zurückgepurzelt sein, miau. Klatsch-patsch rein in das trockene Flussbett. Da ist die Modderpampe nach allen Seiten gespritzt, miau. Einige Zuschauer wurden ganz schön mistig, miau“.
Die Katze putzte sich sogleich bei dieser unappetitlichen Erinnerung. Ole schmunzelte: „Na, dann ist ja wohl nicht dringend nötig, dass ich sie besuche“.
„Nein, miau. Aber sie wollen jetzt nach der Ewigblühenden suchen, so heißt die Blume, die der Rennbaum haben wollte. Miau, es wäre vielleicht gut, wenn du sie begleiten würdest“.
„Das ist eine gute Idee, das werde ich tun. Woher weißt du denn den Namen der Blume?“
„Die Wichtel haben danach gefragt und irgendwer hat geantwortet, miau“.
„Haben sie auch nach dem Weg gefragt oder wo in etwa die Blume zu finden ist?“
„Miau, ja, haben sie. Soll in der Nähe von Norwegen sein“.
„Oh, das ist ja eine ziemlich genaue Angabe“.
„Hm, ein weiter Weg. Ich werde euch nicht tragen, miau, vor allem dich nicht, du bist viel zu schwer!“
„Nein, nein, du musst uns nicht tragen. Pass hier schön auf unsere Häuser auf, damit tust du uns einen viel größeren Gefallen“.
„Mach ich, miau. Dann Adieu, Ole“.
„Adieu, Katze“.
So verabschiedeten sie sich von einander und Ole ging zu den drei kleinen Wichteln, damit sie zusammen nach der Ewigblühenden suchen können.
Sie nahmen zusammen noch eine kräftige Mahlzeit ein und packten dann ein kleines Bündel, damit es ihnen auf der langen Reise an nichts mangelt. Das Wichtigste – ihre magischen Gegenstände – steckten sie sich in die Hosentaschen, damit sie im Falle eines Falles rasch bei der Hand waren.
Nun machten sie sich auf den Weg in Richtung Norden. In dem dick verschneiten Land trafen sie auf niemanden, den sie nach dem Ort fragen konnten, wo sich die Ewigblühende befindet. Nach etlichen Tagen einsamer Wanderung kamen sie zu einem Baum, in welchem offenbar jemand wohnte. Der Baum hatte hell erleuchtete Fenster. Sie klopften an, denn sie wollten die Gelegenheit nutzen, sich in einem warmen Raum ein wenig auszuruhen.
Es stellte sich heraus, dass in dem Baum Blafürmer wohnten, eine völlig neue Art von Waldgeistern, die mit dem Westwind und den Glühwürmchen verwandt waren. Sie baten die Wichtel herein und bewirteten sie mit ihren Lieblingsspeisen: Blütenduft und Honig. Das Mahl wurde dankend angenommen und dann erzählten die Wichtel, wonach sie suchten. Leider hatten die Blafürmer noch nie von dieser Blume gehört, aber sie riefen nach dem Westwind – der könnte sie ja vielleicht bei seinem Wehen um die Welt gesehen haben. Und richtig, der Westwind wusste, wo diese herrliche Blume blüht. Er beschrieb den Ort genauestens und die Wichtel machten sich wieder auf den Weg.
Bald begegnete ihnen ein Elch. Den baten sie, sie auf seinem Rücken zu der Blume zu bringen. Zuerst lehnte der Elch ab, aber dann wurde er doch neugierig, was das für eine Blume sein könnte und wie sie wohl aussieht und ob man sie vielleicht essen könnte? Davon verriet er aber nichts, sondern neigte seinen Kopf zur Erde, damit die Wichtel aufsitzen können. Nun ging es im zügigen Galopp auf der dicken Schneedecke dahin und innerhalb eines Tages kamen sie in ein kleines Tal. Inmitten dieses Tales wuchs ein Strauch mit grünen Blättern und großen Blüten. Es war wunderlich anzuschauen, wie hier mitten im kalten Winter eine Wiese grünte und darauf ein Strauch mit Blüten von Schneeglöckchen, Stiefmütterchen, Rosen, Astern, Dahlien und Nelken! Ganz obenauf trug der Strauch einen Weihnachtsstern in voller Pracht. All das war von einem süßen Duft umgeben, der die Blafürmer gewiss für Wochen satt gemacht hätte.
Die Wichtel rissen Mund und Nase auf und waren bass erstaunt über dieses Wunder. Sogar der Elch vergaß seinen Appetit und glotzte die Pflanze an. Nein, so was kann man nicht essen! Und das nicht nur wegen der vielen, vielen Stacheln, mit denen der Strauch ausgerüstet war.
Plötzlich erschien ein Elf, der ganz dick in einen weißen Pelzmantel eingehüllt war. Er sprach: „Ich bin der Wächter dieses Gewächses und muss euch fragen, zu welchem Zwecke ihr hier her gekommen seid“.
Ole räusperte sich und trat vor: „Nun, lieber Elf, es ist peinlich, dir zu sagen, dass wir hergekommen sind, weil ein gewisser Rennbaum namens Peesikus den Strauch gerne sein eigen nennen möchte. Aber es ist selbstverständlich, dass wir diese zauberhafte Pflanze nicht entwurzeln werden, nicht um alles in der Welt!“
Der Elf lächelte: „Peesikus kann herkommen und die Ewigblühende anschauen. Mehr als anschauen und den Duft genießen, ist nicht erlaubt“.
„Den Duft genießen, oh ja! Dürfen auch die Blafürmer herkommen? Für sie ist Duft Speise“.
„Ja, die dürfen auch herkommen, aber nicht alle auf einmal“. Er trat näher an Ole heran und flüsterte: „Achtet bitte auf euren Elch. Seine Verfressenheit – seht nur, er beginnt schon, die Wiese kahl zu fressen – könnte ihn vergessen lassen, dass dieser Strauch ein Wunder ist. Es wäre schade, wenn er oder einer seiner Artgenossen die Blüten abknabbert“.
Ole versprach, den Elch mit sich zu nehmen und darauf zu achten, dass er nie wieder an diesen Ort zurückkehren wird und auch anderen Tieren nichts verrät.
Sie schritten alle noch einmal um den Strauch herum, dann verabschiedeten sie sich von dem Elf und stiegen wieder auf den Elch und galoppierten zu den Blafürmern. Die waren sehr erfreut und einige von ihnen flogen sogleich los, um den herrlichen Duft zu kosten.
Ole berichtete Peesikus von der Ewigblühenden und der spurtete sofort los, um das Wunder mit eigenen Augen zu schauen. Er blieb Zeit seines Lebens in dem kleinen Tal und bewachte zusammen mit dem Elf den Strauch.
Auf dem Heimweg sah Ole ein Eichhörnchen auf einem Baum sitzen. „Nanu, Rotschwanz, warum bist du denn noch nicht in deinem Kobel zur Winterruhe? Hast du vergessen, wo du deine Vorräte vergraben hast?“
„Ach, so was vergisst man doch nicht! Alle sind sie, die Vorräte! Alles alle! Ich werde verhungern, nachdem ich diese letzte Beere gegessen habe!“
„Du armer Rotschwanz! Ohne dich wird es hier im Wald aber nicht mehr so sein wie früher. Ich schau mal in meinen Taschen nach, ob ich nicht etwas für dich finde“.
Ole erinnerte sich, dass er als Wegzehrung eine Paranuss eingesteckt hatte. Das war eine ganz besondere Nuss: wenn man einen kleinen Rest in der Schale ließ, wuchs sie immer wieder nach. Diese Nuss schenkte er nun dem Eichhörnchen mit der Warnung, sie nie ganz aufzuessen.
Rotschwanz freute sich sehr und nahm sich vor, im nächsten Jahr einen größeren Vorrat zu vergraben.

Ole ließ sich von dem Elch, dem er den Namen „Grossini“ gegeben hatte, durch den weißen Winterwald bis an seine Haustür tragen. Er zauberte einen Stall herbei, worin der Elch immer etwas Gutes zu futtern finden sollte. Das würde ihn hoffentlich von dem Gedanken an den Wunderstrauch ablenken.
Auch trug er Grossini allerlei Arbeit auf, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt. Er ließ sich von dem großen Tier hierhin und dorthin tragen oder beauftragte es, ihm dieses oder jenes zu holen. Manchmal schickte er den Elch auch mit Botschaften zu seinen Freunden in Wald und Stadt.
Zum Beispiel mit der Einladung zum alljährlichen Nikolaussingen. Dazu trafen sie sich an einer ganz bestimmten Stelle im Wald, jedes Jahr am Nikolaustag zur selben Stunde. Das war bekannt, aber die Höflichkeit verlangte eine schriftliche Einladung. Ole hatte also etliche bunte Karten gebastelt, die Grossini zu den Adressaten trug.
Wie in jedem Jahr musste man auch an diesem Nikolaustag auf einige Nachzügler warten. Dafür waren einige andere Wichtel überpünktlich und nahmen mal schon immer auf den Zweigen eines hohen Baumes Platz.
In diesem Jahr dirigierte Ole die Lieder „Lasst uns froh und munter sein“, „Nun singet und seid froh“, „So viel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit“, „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ und „Sind die Lichter angezündet“. Von diesem Lied liebte er besonders die letzte Zeile: „überall, überall soll Friede sein“.
Obwohl die Wichtel und viele andere Märchenwesen bei der Kirche verpönt sind, singen sie trotzdem sehr gern Weihnachtslieder. Einige von ihnen haben recht kräftige Stimmen. Nach und nach kamen die Tiere aus allen Richtungen herbei, um zu lauschen und, soweit es ihnen möglich ist, mitzusingen.
In jedem Jahr kamen neue Lieder hinzu, wie zum Beispiel „Es wird scho glei dumpa“, ein sehr schönes Lied aus dem Erzgebirge. Oder „Es kommt ein Schiff geladen“, ein recht frommes Krippenlied aus dem Ruhrpott.
Sogar aus Übersee sind schon Weihnachtslieder bis in den Wichtelwald gelangt: „Jingle Bells“ und „Little Drummerboy“.
Die Wichtel verabredeten mit den Tieren, ein richtiges Krippenspiel zu inszenieren, wo auch die Lieder „Auf dem Berge, da wehet der Wind“ und „Joseph, lieber Joseph mein“ gesungen werden. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und jeder ging wieder seiner Wege. Am Heiligen Abend wollten sie sich noch einmal in Ruhe und Frieden treffen.

Auf dem Heimweg traf Ole auf einen Julbock. „Nanu“, wunderte er sich laut, „was hat denn das zu bedeuten?“
Das Strohgebilde wackelte mit dem Stummelschwanz und antwortete spitz: „Das bedeutet, dass es hier im Ort jemanden gibt, für den es lebensnotwendig ist, dass ich ihm Freude bringe. Das müsstest du als Wichtel eigentlich wissen“.
Ole strich sich verlegen über den Bart: „Ja, ja, das weiß ich schon, aber wer? Wer ist es?“
„Das weiß ich leider nicht. Eine mitfühlende Seele muss mich an den Ort meiner Bestimmung bringen, so ist es Brauch“.
„Ja, ja, alles klar. Wir werden schon heraus bekommen, wo du hin sollst“.
Er nahm rasch Verbindung zu all seinen Wichtelfreunden auf und auch zu den Hauselfen. Die Wichtel zählten ein paar Kinder auf, die sie in den letzten Tagen weinen sahen, aber da war Hilfe noch nicht so bitter nötig. Die Hauselfen wollten jeder, dass seine Leute beglückt werden, bis sich einer durchsetzen konnte: „Meinem Jörge Johannssen ist seine geliebte Frau bei der Entbindung ihres ersten Kindes gestorben. Das Kind konnte auch nicht gerettet werden. Weil Jörge ohne Mantel los gelaufen ist, um den Doktor zu holen, hat er jetzt eine fiebrige Grippe. Der Arzt sieht sich am Ende seiner Kunst und hofft auf ein Wunder. Ich denke, es wäre eine gute Tat, wenn der Julbock zu Jörge kommt. er ist zu jung zum Sterben und seine drei jüngeren Schwestern würden sich die hübschen blauen Augen aus dem Kopf weinen“.
So war es schnell beschlossen: der Julbock soll dem Jörge helfen, gesund zu werden. Ole schickte Grossini nach Hause in den Stall, setzte sich auf den Bock und hui! flogen sie zu dem Haus, wo der kranke Mann im Fieber lag. Ole huschte mit dem Strohtier durch den Kamin und stellte es ganz dicht an das Bett des Kranken. Dann verabschiedete er sich und ließ das Weihnachtszaubertier sein gutes Werk tun.
Es war leicht, in die Gedanken des Fiebernden einzudringen. Schwere, dunkle Wolken wälzten sich hin und her. Der Bock tat noch eine weitere hinzu, aber eine recht kompakte. Die flog genau auf Jörge zu, er konnte ihr nicht ausweichen. Aber was musste er sehen? Das war gar keine Wolke, auch kein böser Drachen – es war eine fliegende Kuh! Eine Kuh, die sich gewünscht hatte, einmal fliegen zu können. Wald- und Wiesengnome hatten ihr Fledermausflügel verliehen. Aber weil eine Kuh die Beine nicht spreizen kann, wuchsen diese Flügel nicht so, wie bei einer Fledermaus üblich, sondern einer zwischen den Vorderbeinen und der andere zwischen den Hinterbeinen. So musste die Kuh seitwärts fliegen und muhte jämmerlich. Weil sie sich das Fliegen so nicht vorgestellt hatte, spritzte vor Angst die Milch aus ihrem Euter. Das war so komisch anzuschauen, dass Jörge im Traum lachen musste. Nun schlief er seiner Genesung entgegen.
Am anderen Tag kamen seine Schwestern Theresa, Aglaja und Ingridute ihn besuchen. „Hallo, lieber Bruder, wir wollten mal sehen, ob es dir wieder besser geht. Oh, wer war denn hier und hat dir den hübschen Julbock gebracht?“
Auch Jörge wunderte sich über das Strohding, das da so dicht an seinem Bett stand. „Keine Ahnung“, krächzte er heiser.
„Na, ist ja auch egal. Du trinkst jetzt einen Becher heiße Milch mit Honig, das lindert“.
Gehorsam nahm er die Fürsorge seiner Schwestern an. Sie stellten ihm eine Schale mit Äpfeln, Nüssen und Gebäck auf das Fensterbrett, daneben den Julbock und eine Kerze. Dann sangen sie ihm noch das Lied „Es ist ein Ros entsprungen“.
Bei der Verabschiedung sprach die Jüngste: „Nun rappel dich mal. Du weißt doch, du musst zu Weihnachten den Plumpudding anschneiden!“
Jörge lächelte und tatsächlich war er zu den Feiertagen wieder auf den Beinen. Den Julbock stellte er alle Jahre wieder auf sein Fensterbrett.

Etwa zur selben Zeit, da die Schwestern ihren kranken Bruder besuchten, saß Ole am Fluss und angelte. Wichtel angeln nicht wirklich, sie locken die Fische nur an, um sich mit ihnen zu unterhalten. Bei der Kälte aber ließ sich keiner blicken, um Ole die Zeit zu vertreiben. Langsam glitten seine Gedanken ab in die Märchenwelt, zu dem russischen Königsfisch – der Hecht, welcher einem gewissen Jemeljan mehrmals aus der Klemme geholfen hatte. Ähnlich wie im deutschen Märchen vom Buttje in de See.
Als er an den kürzlich berühmt gewordenen Clownsfisch Nemo dachte, fiel ihm auch gleich Arielle ein. Aber sie und ebenso ihr Vorbild aus dem klassischen Altertum Undine würden ihm die Ohren lang ziehen bei dem Vergleich mit einem Fisch. Nicht alles, was einen Fischschwanz hat, ist auch ein Fisch. Die Orcas zum Beispiel sind Säugetiere wie alle Wale. Die berühmtesten Orcas sind ja wohl „Willie“ und „Flipper“. Es gab noch einen berühmten Fisch, den weißen Hai. Aber von Räubern will Ole nichts wissen.
Nach einer Weile gesellte sich ein alter Bekannter zu Ole. Ein Hauself, der sich als Wichtel verkleidet hatte. Er sollte ein paar Fische angeln zum Abendbrot. Leider gingen ihm nur drei mickrige Störe an den Haken.
In der Zwischenzeit erzählte er, dass bald ein neuer Eisbrecher vom Stapel laufen wird. „Ach“, dachte Ole, „so einen Stapellauf würde ich mir auch gerne mal wieder ansehen!“
Er nahm sich vor, gleich am nächsten Tag auf Grossini in die Stadt zu reiten, wo die große Werft arbeitete. Um die Mittagszeit kam er im Hafen an und sah, dass der Eisbrecher fast fertig war. Zwar nicht termingerecht – die große Kälte hatte zu früh eingesetzt – aber immerhin noch vor Weihnachten.
Ein paar Tage würde es schon noch dauern. Also setzte Ole sich an den Kai und holte seine Angel hervor. Er wollte sich den Hafen auch von unten anschauen. Die Angel bedeutet für einen Wichtel nämlich ein weiteres Auge. Wie er da so auf den Boden blickte, wunderte er sich, was die Leute so alles wegwerfen. Es ist zwar verboten, irgendetwas ins Hafenbecken zu werfen, aber hier fanden sich komplette Wohnungseinrichtungen! Und natürlich auch gesunkene Schiffe. Ole überlegte gerade, ob er nicht das U-Boot näher zur Mole ziehen sollte, damit den Leuten auffällt, wie belastet der Hafen ist, da wurde er von der Seite angesprochen: „He, Ole, was treibt dich denn mal wieder in die Stadt?“
Erstaunt wendete Ole sich um. Wer kannte ihn hier? Es war ein junger Klabauter, den Ole einmal bei einer Seereise kennen gelernt hatte. Freudig reichte er die Hand zum Gruß: „Klabinius! Schön, dich zu sehen!“
„Ganz meinerseits, ganz meinerseits! Du wirst dich wundern, du bist mein Retter in der Not!“
„Ja, aber wie das denn?“
„Mein Vater will, dass ich den Eisbrecher „Nordpolarbär“ als Schutzpatron begleite. Aber ich habe einen Feuervogel zu Hause, der wäre dann verlassen und würde krepieren. Ich kann ihn ja nicht fliegen lassen, solche Vögel haben keinen Orientierungssinn. Er käme nie in seiner Heimat an. Könntest du ihn nicht nach Hause bringen? Meinem Vater darf ich gar nicht erst von ihm erzählen! Ein Feuervogel im Hause eines Klabauters! Das ist unmöglich“.
Ole kraute sich den Bart und überlegte. Inzwischen fragte er: „Woher hast du denn das Tier?“
„Beim Würfeln gewonnen. Er ist völlig zahm und ungefährlich. Und singen kann der, du, der kann singen, sag ich dir, man kann gar nicht genug bekommen von seinem Gesang! Ich vermisse ihn jetzt schon“.
Nun stimmte Ole zu und sie liefen schnell zu Klabinius Wohnung. Er erklärte dem wundersamen Vogel die Sachlage und überreichte Ole den riesigen Käfig mit allem Drum und Dran. „Nur gut, dass ich Grossini habe“, seufzte Ole und nahm sofort den langen Weg nach Osteuropa in Angriff.
Bald lag die Stadt im Abendschein hinter ihnen und sie kamen in einen dicht verschneiten Wald. Auf dem Wege repetierte der Feuervogel noch einmal: „Wenn ein neues Schiff vom Stapel läuft, setzt der Klabautermann einen seiner Söhne als Schutzpatron darauf. Kommt das Schiff in Gefahr, zeigt er sich und unterstützt seinen Sohn. Aber meist kann er gegen die bösen Winde nichts ausrichten und nimmt seinen Sohn zu sich“.
Ole ergänzte: „Wenn das Schiff sehr alt ist, hat sich der kleine Klabauter manchmal so daran gewöhnt, dass er sich weigert, von Bord zu gehen und bleibt beim Kapitän, dem er dann über den Tod hinaus die Zeit vertreibt“.
„Ja“, schluchzte das Fabelwesen, „hoffentlich bleibt dem guten Klabinius solches erspart!“
„Das freut mich, dass du ihn den guten Klabinius nennst. Es ist total exotisch für einen Wassergeist, einen Feuervogel als Hausgesellen zu haben. Aber ihr habt euch offenbar recht gut verstanden?“
„Ja ha ha ha, haben wir“, tirilierte der Vogel.
Klabinius hatte schon gesagt, dass Ptizie – so war der Name von Oles Weggefährten – sehr schön singen kann. Nun bekam Ole es zu hören und fand die Schilderung nicht übertrieben. Keine Nachtigall konnte es besser!
Der Elch kam gut voran auf dem gefrorenen Waldboden. So ein Winterwald hat schon seinen besonderen Zauber. Aber die drei wollten rasch große Strecken zurücklegen und achteten die Schönheit kaum.
Ptizie zwitscherte vor sich hin, bis er das Weihnachtslied „Hört der Engel helle Lieder“ anstimmte. Besonders das „Gloria“ intonierte er ganz hervorragend.
Ole fragte: „Kennst du auch „Tochter Zion“?“
„Na hein. Wie hie gehet dahas dehenn?“
„Oh, das wird deinem Koloratursopran sehr entgegenkommen!“, freute sich Ole und begann zu singen: „Tochteher Zion, frohhh ohhh ohhh ohhh oie dich . . .“
Ptizie jubilierte: „Oh, das ist wunderschön!“
„Ja, mein schöner, und es geht auch so toll weiter: ja ahhh ahh ahh auchze laut, Je ru hu hu salem!“
Ptizie trippelte in seinem Käfig aufgeregt hin und her und drehte sich so schnell um seine eigene Achse, dass er für einen Moment wie eine lodernde Fackel aussah.
Sie übten Zeile für Zeile und binnen kurzem konnte der Vogel alle vier Strophen auswendig.
Während sie so sangen, kamen sie an einem Tannenbaum vorbei, der fragte: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk. Vielleicht könnt ihr mir meinen sehnlichsten Weihnachtswunsch erfüllen?“
„Was wünschst du dir denn?“
„Ich möchte so gern einmal aussehen wie die Weihnachtsbäume in der Stadt!“
Ole beriet mit Ptizie, wie das wohl zu bewerkstelligen sei. Dann sagten sie zu dem Baum: „Weißt du, du bist so prächtig anzuschauen mit deinen gut gewachsenen Zweigen und dem dicken Schnee darauf. Du brauchst gar keinen weiteren Schmuck. Aber wir können dir eine kleine Erinnerung hinterlassen“.
Ptizie zog sich ein paar Federn aus und Ole steckte sie so an den Baum, dass es aussah, als ob er aus sich selbst heraus unter dem Schnee mit roten und weißen Lichtern funkelte.
Der Baum bedankte sich herzlich: „Ich glaube nicht, dass irgendeiner der Stadtbäume jemals so herrlich geschmückt sein wird, wie ich es jetzt bin!“
Die drei zogen schweigend weiter. Aber es würde nicht lange dauern, bis Ptizie ein neues Lied einfällt. Ole jedoch hatte genug Gesang gehört. Wenn er auch noch so schön und lieblich war, man kann ihn nicht ständig hören. Ebenso, wie man auch nicht ständig Süßigkeiten essen kann. Daher fragte er den Vogel: „Ptizie, kennst du einen Zungenbrecher?“
„Nein, wa a a a as i i i i ist eihein Zuhungehenbrecherher?“, tirilierte der Vogel. „Na, zum Beispiel: Wir Wiener Waschweiber würden weiße, weiche Wäsche waschen, wenn wir Wiener Waschweiber wüssten, wo warmes, weiches Wasser wäre. Ach nein, das ist ja ein Stabreim“.
„Wa a a a as i i i i ist dahas dehenn?“
“Bei einem Stabreim beginnt jedes Wort oder zumindest fast jedes Wort mit dem selben Buchstaben. Wie zum Beispiel bei Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Das wird auch immer gerne als Zungenbrecher ausgegeben. Ebenso wie Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid.
Ach, versuche es gar nicht erst nachzusprechen, bei deiner Art zu reden dauert der Spruch ja eine Stunde!“, lachte Ole.
Für sich selber aber machte er den Spaß, noch einige schwierige Zungenbrecher herzusagen: In dem dichten Fichtendickicht pickten dicke Finken tüchtig, dicke Finken pickten tüchtig in dem dicken Fichtendickicht.
Auf den sieben Robbenklippen sitzen sieben Robbensippen, die sich in die Rippen stippen, bis sie von den Klippen kippen.
Zwischen zweiundzwanzig schwankenden Zwetschgenzweigen schweben zweiundzwanzig zwitschernde Schwalben.
Zwanzig Zwerge zeigen Handstand, zehn im Wandschrank, zehn am Sandstrand.

Inzwischen näherten sie sich einer kleinen Ortschaft. Hier wieherte ein Pferd ganz schrecklich und schlug mit den Hufen. Es war bei einem Schuppen angebunden und zitterte vor Kälte. Ole trat an das Pferd heran: „Was machst du für einen Lärm? Was fehlt dir denn?“
Und das Pferd antwortete: „Mein Mensch hat mich hier in der Kälte angebunden und allein gelassen!“
Ole erblickte die hell erleuchtete Dorfkirche gegenüber und vermutete: „Er ist in der Kirche, er kommt gleich. Nur noch ein kleines bisschen Geduld!“
Und richtig – nach ein paar Minuten kam der Besitzer des Pferdes mit etlichen anderen Leuten aus der Kirche. Er beruhigte das Pferd und legte ihm eine warme Decke auf den Rücken, die er inzwischen von einem anderen Mann erhalten hatte. Nun war alles wieder im Lot und die drei zogen ungesehen weiter.

Als nächsten Zeitvertreib tischte Ole Schüttelreime auf. Das sind kurze Reime, bei denen die Anfangsbuchstaben vor den Vokalen vertauscht werden: Greifst du nicht nach dem Hackebeil,
dann bleibt auch deine Backe heil.

Willst du mir in die Reifen greifen,
musst du erst zum Greifen reifen.

Wenn ich mit meinen Ketten rassel,
kommen Zwerge und retten Kassel.

Seh ich mal nen Bartenwal,
frag ich: "Kannst du warten, Bal?"

Ich flicke meine Segel flink,
damit ich nicht wie n Flegel sink.

Hängst du mal auf ner Kletterrose,
bin ich gern dein Retter, Klose.

Wo die leckren Kuchen sind?
Du musst nach ihnen suchen, Kind.

Bei diesem Vers erinnerte Ole sich an eine Pfefferkuchenschachtel, die er vor langer Zeit als Liebesgabe zu einem hübschen jungen Mädchen bringen sollte. Damals hatte er seine Sache gut gemacht, die beiden haben kurz darauf geheiratet.

Auf einmal kamen ihnen mehrere Wichtel mit einem Schlitten voll Obst entgegen. Sie fragten: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk“.
„Und ihr seid sicher auch gerade bei einem solchen?“
„Ja, genau, wir bringen dieses Obst in die Stadt, da gibt es Kinder, die hatten heuer noch keines“.
Während dieser Rede war Grossini immer näher an den Schlitten herangetreten. Das Obst duftete ihm gar verführerisch in der Nase! Die Wichtel erkannten sein Begehr und reichten ihm einen Apfel. Das war ein Leckerbissen!
Über diesem Genuss vergaß der Elch endlich die Ewigblühende, deren Duft ihm so lange noch in der Nase saß. Aber er muss nun in der letzten Weihnachtswoche jeden Morgen sichtbar für alle, die reinen Herzens sind, reich mit Weihnachtsschmuck beladen durch die Stadt laufen als Vorbote des Weihnachtsmannes.
Für die wenigen Kinder, die ihn sahen, war sein Anblick eine große Freude. Leider glaubten ihnen die Erwachsenen, denen sie davon erzählten, kein Wort.

Als weiterer Zeitvertreib fielen Ole so genannte Preisfragen ein: Wie oft kann man von hundert Talern einen Taler und achtzig Groschen wegnehmen? Nur einmal, beim nächsten Mal hat man ja keine hundert Taler mehr.

Welche Kerzen brennen länger, die aus Wachs oder die aus Stearin? Keine, alle werden kürzer beim Brennen.

Warum blasen die Trompeter nie auf Brücken? Weil sie auf Trompeten blasen.

Warum hängt am Wasserhahn unten immer ein Tropfen dran? Darum, weil der Wasserhahn nicht hochziehen kann.

Unterdessen waren sie auf einer Anhöhe angekommen und blickten nach dem kleinen Ort zurück, der wie in einer Spielzeugschachtel im Tale lag. Fast alle Fenster in diesem kleinen Ort waren weihnachtlich dekoriert. Was gab es da alles zu sehen! Sterne aus unterschiedlichem Material, Glaskugeln, vergoldete Nüsse und Tannenzapfen und viele brennende Kerzen.
Ein Fenster war Ole besonders aufgefallen. Die darin hängenden Weihnachtskugeln waren nämlich eiförmig. Es schien, als wollten die Bewohner dieses Hauses Weihnachten und Ostern gleichzeitig feiern!
Weil man Ostereier mit einem Sud aus Zwiebelschalen so schön gelb färben kann, fiel Ole gleich noch ein Rätsel ein: Ich habe sieben Häute und beiße alle Leute – das ist die Zwiebel.
Aber was ist das? Es hat das Bein innen, den Rücken vorn, die Wurzel oben und die Flügel unten? Dieses komische Gewächs hat jeder im Gesicht, es ist die Nase.
Ole spitzte seine Ohren und hörte, wie ein kleiner Junge ein neues Weihnachtsgedicht übte:
Von Eis und Schnee
glitzert der See.
Die Welt voller Andacht
harret der Weihnacht,
wo Lieb und Gnade allzumal
endiget die Erdenqual.
O Jesu, hör die Stimme mein –
will immer brav und artig sein.

Das könnte aber auch ein Gute-Nacht-Gedicht sein, dachte Ole still für sich. Es ist ja schon eine Weile dunkel. Ja, sicher war es ein Gute-Nacht-Gedicht.

So zog er weiter mit seinem Elch Grossini und dem Feuervogel Ptizie. Irgendwann kam er auch in dessen Heimat an. Aber die Zauberwesen versteckten sich. Sie fürchteten, dass Ole ein Vogelfänger sei, der sie einfangen und verkaufen wolle. Da ließ Ole Ptizie frei. Der schwang sich hoch in die Luft und jubilierte: „A a a a ahhhh, e he hend li hi hich bi i in i i i ich zu u u Hau au au se e e e e!“
Die Feuervögel kamen aus ihrem Versteck und freuten sich, dass Ptizie wieder wohlbehalten in ihrer Mitte ist und begannen einen Freudentanz. Der Heimkehrer wurde aufgefordert, mitzutanzen, aber er hatte es im Laufe der Jahre verlernt. Es entbrannte ein Streit darüber, ob man ihm das verzeihen soll oder nicht. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten und die Federn flogen.
Grossini erschrak von dem vielen flackernden Feuern vor seinen Augen und er brüllte angstvoll. Er war nicht in der Lage, die einzelnen Kämpfer zu unterscheiden, er sah nur Feuer wirbeln und fürchtete um seine Gesundheit und dass der Wald abbrennen könnte.
Das brachte die Streithähne zur Vernunft. Sie beendeten den sinnlosen Kampf und ordneten ihr Gefieder. Ole sagte, dass er gern ein Paar Feuervogelfedern für seine Freunde mitnehmen möchte und begann auch schon, welche aufzusammeln. „Das geht nicht“, wendete einer ein. „Du kannst immer nur eine nehmen. Zusammengebunden reiben sie sich aneinander und verbrennen. Sie müssen immer so aneinander liegen, wie sie gewachsen sind. Wer weiß schon, welche der hier herumliegenden Federn zu welchem Vogel gehörte und wo sie ihm gewachsen war?“
Ole trennte die aufgelesenen Federn rasch voneinander und steckte sich in jede Tasche eine. Dann verabschiedete er sich höflich und schwang sich auf Grossinis Rücken. Da er jetzt die Last des Käfigs nicht mehr balancieren musste, konnte er einen „Nach Hause“ Zauber anwenden, der ihn mit dem Elch in minutenschnelle zu seiner Behausung brachte.
Dort erwartete ihn schon ein kleiner Stapel von Zetteln, die einige Hauselfen bei ihm hinterlegt hatten. Er solle sich doch bitte um die verarmten Familien kümmern. Gerade im Winter, wo man in der Natur weder ernten noch etwas finden konnte, nagte der Hunger an den Tagelöhnern. Oft hatten sie auch viele Kinder, denen der Hunger besonders weh tat.
Also zog Ole mit seinem Schlitten von Hof zu Hof, um wenigstens die ärgste Not zu lindern. Manchmal begleitete ihn sein Vetter Christian, aber immer war die Katze dabei. Sie kannte sich am besten aus in der kleinen Stadt und wusste, wo die Bedürftigen wohnen. Oft waren ihre Hütten schadhaft, was die dicke Schneedecke gnädig verhüllte.
Gegen Schäden am Haus konnte Ole nichts tun. Er konnte nur Lebensmittel spenden, gelegentlich auch Trost. So legte er einmal einem Mädchen die Samtschleife vor das Bett, die es bereits verloren gegeben hatte. Aber sie war nur am Apfelbaum hängen geblieben. Wenn man nur eine einzige Samtschleife besitzt, dazu noch eine rote, trifft der Verlust derselben besonders hart.
Erfreulich oft hörte Ole, während er die Liebesgaben in Küche und Kammer heimlich verstaute, die Kinder an Weihnachtsgedichten üben. Nicht nur das allbekannte „Lieber, guter Weihnachtsmann“ in mehreren Varianten, sondern auch „Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn“ und „Von drauß, vom Walde komm ich her“.
Ja, ja, ohne Fleiß kein Preis!
Zumeist erkundete die Katze vorher das Anwesen. Ob die Bewohner gerade daheim waren oder nicht. Je nachdem musste mehr oder weniger Vorsicht an den Tag gelegt werden. Es wäre fatal, wenn Ole von einem Menschen gesehen werden würde. Er müsste sofort alle Geschenke rückgängig machen!

Auf dem Wege zwischen Oles Hütte und den anderen Katen kamen sie oft an dem Haus vorbei, das die alte Lene bewohnte.
Sie war sehr kinderlieb und hatte keine eigenen. Zu ihr konnte jede Mutter beruhigt ihr Kind in Obhut geben. Lene behütete und versorgte die Kleinen wie ihre eigenen.
Ihr Haus stand allen Kindern offen. Es war leicht zu finden und an den Tannenkränzen zu erkennen, die auch im Sommer ihre Tür schmückten.
Sie kochte den Kindern nahrhaften Brei und gab ihnen reichlich von dem Obst aus ihrem Garten. Sogar ein Pfirsichbaum gedieh bei ihr! Und im Sommer war der Garten mit Blumen übersät.
Besonders gern erzählte sie Märchen. Nicht nur die Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm und die von Christian Andersen oder die von Wilhelm Hauff, sondern manche dachte sie sich auch selber aus. Dann sahen die Kinder in allen Stubenecken Gnome, Elfen, Hexen, Wichtel, Drachen und Feen, dass sie vor Staunen nur so Mund und Nase aufrissen. Die alte Lene konnte jedes Kind im Handumdrehen in eine zauberhafte Märchenwelt entführen! Es verstand sich, dass den Eltern gegenüber stillschweigen bewahrt wurde. Diese Märchenwelt sollten sie mit niemandem teilen.
Was sie jedoch mit allen teilen sollten, das waren die leckeren Weihnachtsplätzchen und Kuchen, die die alte Lene mit großer Hingabe buk. Sie kannte Dutzende von Backrezepten, die sie alle ausprobierte. Täglich duftete es in der Weihnachtszeit bei ihr nach Zimt und Nelken, nach Marzipan und Vanille. Die Plätzchen wurden mit roter und gelber Marmelade verziert, auch mit Eigelb, Kakao, Nougat oder Puderzucker. Sehr beliebt bei allen Kindern war ihr dicker Zuckerguss, den kein anderer so gut hinbekam.
Gerne stellte sie ein Tischchen mit Weihnachtsgebäck ans Fenster. Sollte etwa ein Wanderer des Wegs kommen und Appetit auf ein Küchlein haben, so würde sie es mit Freuden servieren.

Es gab noch ein anderes Haus, an dem sie täglich vorbeikamen. Hier wohnte die kleine Marie, die im vorigen Jahr ihre Mutter verloren hatte. Der Vater hatte sich zwar bald mit einer neuen Frau getröstet, aber sie war eine rechte Stiefmutter. Was hatte sie nicht alles an dem kleinen Mädchen auszusetzen! Es hagelte Strafarbeiten noch und noch.
Die mitleidige Katze, die Ole immer bei seinen Versorgungswegen begleitete, würde gern Marie besuchen, um ihr etwas Freude in den grauen Alltag zu bringen, aber wie sollte sie zur Tür herein kommen? Sie sprach mit Ole darüber und er schlug vor, dass er das Mädchen auf die Idee bringt, einen Schneemann bauen zu wollen. Wenn sie dabei die Katze sieht und an ihr Gefallen findet, kann sie sie mit ins Haus nehmen.
Gesagt, getan. Marie kam gern vor das Haus, um aus der dicken Schneedecke einen Schneemann wachsen zu lassen. Aber bald fiel ihr ein, dass die Stiefmutter darüber gar nicht erfreut sein wird. Obwohl diese den Schneemann hier im Hinterhof gar nicht so bald entdecken würde, ließ sie von dem Vorhaben ab. Sie huschte so schnell ins Haus, dass die Katze kaum folgen konnte.
Marie freute sich über die neuerliche Abwechslung und überlegte schon, wo sie die Katze vor ihrer Stiefmutter verstecken könnte. Sie duldete keinerlei Tiere im Haus und schon gar nicht eines, das Marie von der Arbeit abhalten könnte. Da fiel ihr ein, dass diese Tiere ja Streuner waren und sich sowieso nicht im Hause halten lassen. Lieber wollte sie in Zukunft immer mal vor die Tür schauen, ob die Katze da war und sie dann mit ins Haus nehmen, um ein wenig mit ihr zu spielen. Sie hatte doch so ein schönes weiches Schmusefell!
Eine Katze ist zwar ein sehr schlechter Ersatz für eine Puppe, dafür aber ein toller Spielgefährte. Die Puppen hatte die Stiefmutter alle weggeschlossen, Marie durfte nur bei besonderen Gelegenheiten mit ihnen spielen.
Während die Katze unter Maries streichelnden Händen schnurrte, baute Ole den Schneemann zu Ende. Bald stand er da wie ein königlicher Haushofmeister, der alles im Griff hat.
Es war aber eine ganz besondere Katze, die manchmal die Gedanken trauriger Kinder hören konnte. Marie war traurig. Marie hatte eine Oma in der Stadt und einen Onkel. Ihre herrschsüchtige Stiefmutter erlaubte aber nicht, dass der Vater mit Marie in die Stadt fährt. Und Marie wollte ihre Oma und den Onkel so gern einmal wieder sehen! Das wäre das schönste Weihnachtsgeschenk, das sie sich vorstellen konnte. Die Katze beschloss, Ole von diesem Kummer zu berichten. Vielleicht fiel ihm ja auch dazu etwas ein. Ole baute den Schneemann indessen zu Ende und unterhält sich mit ihm. Er gab ihm den Namen Frostklirsky und beauftragte ihn, Haus und Hof zu hüten. Das wollte der Schneemann gern tun, aber er benötigte genauere Instruktionen. Da er ja ganz neu geboren war, konnte er nicht wissen, wer auf den Hof darf und wer nicht. Da gab es eine einfache Regel: Wer schleicht und sich dabei umsieht, führt nichts Gutes im Schilde! Besonders nach Einbruch der Dunkelheit.

Am anderen Tag erzählte die Katze, was sie alles an Kummer bei Marie vernommen hatte. Es war nicht nur Sehnsucht nach der Großmutter und dem Onkel, sondern die Unannehmlichkeiten, die ihr durch andere Kinder bereitet wurden. Anstatt Marie zu bedauern, dass ihr die Mutter gestorben ist, hänselten sie: „Stiefmutter, Schiefmutter“ und lachten, wenn Marie weinend weglief.
Dass Kinder so grausam sein können, hatte Ole leider schon oft erlebt. Er überlegte angestrengt, wie Abhilfe geschaffen werden könnte. Marie hatte zwar reichlich Naschwerk auf der Fensterbank zu liegen, aber das ersetzt niemals Herzenswärme. Die vermisste Marie sehr, denn der Vater kam immer erst spätabends von der Arbeit nach Hause, wenn sie bereits schlief.

Ole Olaf trug diese Sorgen in eine Gnomen- und Wichtelkneipe. Er bestellte sich ein Butterbier und verhandelte mit den Gnomen, ob sie nicht ein wenig Kurzweil in Maries Leben bringen könnten. Da mischte sich Rumpelstilzchen ein. Auch er wollte helfen. Aber er wurde abgewiesen: „Nein, dich lassen wir nicht helfen, du willst nur wieder ein Kind stehlen!“
„Ach, lasst es mich doch wenigstens mal anschauen!“, bat das Rumpelstilzchen.
„Gut, aber nur ganz kurz“.
Ole hielt dem Zwerg eine Kristallkugel hin. Darin erschien ein kleines Mädchen, das an einer Handarbeit saß. „Aber das ist ja ein Mädchen!“, ruft Rumpelstilzchen erstaunt.
„Ja, so was kommt bei Menschen vor“.
„Und sie braucht wirklich unsere Hilfe?“
„Ja, denkst du, ich geh für den Osterhasen betteln?“
„Wie heißt sie denn?“
„Marie“.
„Oh, genauso wie damals . . .“
Rumpelstilzchen bekam rote Wangen und große Augen. „Na gut, ich könnte etwas beisteuern. Das erste Stück Stroh, das sie in die Hand nimmt, soll zu Gold werden. Vielleicht hilft s“.
Ole Olaf und das Rumpelstilzchen besiegelten den Vertrag mit Handschlag. Ole war sehr gerührt. Es ging das Gerücht, dass der Märchenzwerg niemals uneigennützig handelt. Nun war es wenigstens in diesem Falle widerlegt.
Jedoch im Winter ist es nicht so einfach, einen Strohhalm zu finden. Es sei denn, man kennt einen Bauern, der Besucher in seinen Stall lässt.
Als Ole später den Haflinger des verreisten Neubert-Bauern fütterte – sein trotteliger Knecht hatte es vergessen – nahm er eine Handvoll Stroh mit.
Zum Dank, dass Ole an ihn gedacht hatte, erzählte der alte Hengst eine Begebenheit aus seinen Jugendjahren: „Als die Neubert-Tochter einmal mitten im kalten Winter mit mir in das andere Dorf geritten ist, hat mich auf einer Lichtung ein junger Kater angesprungen. Er schrie: „Die bösen Menschen haben mich und meine Schwestern ausgesetzt! Aber wir denken nicht daran, zu verhungern! Ich beiß dich tot und dann fressen wir dich auf!“
Die Neubert-Tochter griff den Kleinen sofort beim Schlafittchen und schob ihn in ihre Jacke. Der Kater aber kratzte und biss, dass sie ihn laufen lassen musste. Da sah sie links von meinem Bein eine Schneekuhle, darin hockten drei Kätzchen und miauten jämmerlich. Sie stieg ab von mir und nahm alle in ihre warme Jacke. Nun ließ sich auch der kleine Kater hochheben und verstauen.
Die Neubert-Tochter hat die Kätzchen aufgepäppelt, bis sie als stolze Katzendamen auf dem Hof umherspazierten. Der Kater genoss bis an sein Lebensende absolute Autorität auf dem Hofe.“
Ole Olaf konnte sich noch gut an diese Katzengeschwister erinnern. Nun wusste er endlich, warum diese immer so treu zueinander gehalten hatten.

Marie aber wurde noch immer von den Straßenkindern verfolgt. Was konnte man nur dagegen tun? Wieder ging Ole in seine Lieblingskneipe, nachdem er das Stroh neben ihrer Tür abgelegt hatte. Er seufzte: „Wenn man doch diesen Bengeln ein Bein stellen dürfte, damit sie von Marie ablassen! He, ihr Kobolde, ihr dürft doch so was tun!“
„Ja, aber wir lassen uns nicht zu etwas verleiten, wozu andere zu feige sind!“, grinste der Oberkobold. Von dem war keine Hilfe zu erwarten!
Ole sah sich Hilfe suchend im Raume um. Da erblickte er Rapunzel. Sofort sprach er sie an: „Rapunzel, kannst du nicht dein Haar auf die Straße werfen, damit die Bengel stolpern und Marie nicht mehr durch die Straßen jagen?“
Rapunzel wusste noch gar nicht, worum es ging und warum ihre schönen langen Haare als Fallstricke benutzt werden sollten. Sie kam näher zu Ole, um die Geschichte genau zu hören. Rotkäppchen, die näher bei Ole saß und Bescheid wusste, mischte sich ein: „Ich könnte ihnen meinen Korb in den Weg stellen!“
Da lachte der Eisenhannes: „Lieber nicht, sonst trinken die Bengel den Wein und werden noch ungezogener!“
Das Aschenputtel meldete sich erregt zu Wort: „Die sollten mal ein paar Schüsseln Linsen auslesen oder sonst irgendetwas Nützliches tun!“
„Ja, wie zum Beispiel Hemden aus Brennnesseln stricken!“, rief die Schwester der zwölf verzauberten Brüder.
„Oder einen Stein immer und immerzu einen Berg hinauf rollen!“, grollte Sisyphos.
„Sie könnten auch mal auf einem Feld die Rüben zählen“, brummelte Rübezahl kaum vernehmbar.
„Oder Gänse hüten“, meinte die Gänsemagd.
„Sie könnten auch kochen lernen!“, krähte Zwerg Nase.
„Oder sich auf den Markt setzen und etwas zu verkaufen suchen!“, fügte die Frau vom König Drosselbart hinzu.
„Oder Stroh zu Gold spinnen!“, warf Rumpelstilzchen ein.
„Zaubern ist keine Arbeit!“, entgegnete Merlin. Dann zog er eine Braue hoch und korrigierte sich: „Na ja, für manch einen schon“. Alles lachte.
Inzwischen war der Gestiefelte Kater in den Raum getreten. Als er hörte, um was es ging, winkte er ab: „Macht euch keine Sorgen, Leute. Die Rabauken sind eben ins Eis eingebrochen. Sie werden sich ne tüchtige Lungenentzündung oder so was Ähnliches einfangen. Kein schönes Weihnachten werden sie haben und auch die Schulferien nicht genießen können. Aber ihre Eltern haben für sie als Weihnachtsgeschenke schon Bücher gekauft, deren Lektüre sie hoffentlich vernünftiger werden lässt“.
Mit diesen Worten schnallte er seinen Degen ab, legte ihn und seinen großen Hut neben sich auf die Bank und setzte sich. Auch er bestellte sich ein Butterbier, dann zwirbelte er seinen Schnurrbart. So etwas können Katzen eigentlich gar nicht leiden, aber er war da eine Ausnahme.
Ole schickte einen Stoßseufzer gen Himmel. Die Sorge war er erstmal los! Nun konnte er sich darum kümmern, wie Marie ihre in der großen Stadt lebenden Angehörigen wieder sehen könnte. Er las in Maries Tagebuch die Adresse der Großmutter und machte sich auf die Reise. Auch dazu benutzte er einen Wunsch-Zauber, der ihn im Handumdrehen in die Stadt brachte.
Auf einer Brücke begegnete er dem Weihnachtsmann. Er lächelte ihm zu und fragte: „Nanu, Herr Ruprecht, seid Ihr nicht etwas zu früh unterwegs?“
Der Alte strich über seinen Bart und erwiderte freundlich: „Keineswegs, lieber Ole Olaf Oskar Otto Olbrichzy, es ist genau die rechte Zeit. Du weißt doch, dass ich am Heiligen Abend nicht an allen Orten gleichzeitig die Geschenke austeilen kann. Die meisten verstecke ich in den Schränken der Menschen. In ihren Träumen verrate ich ihnen, wo sie liegen und dann finden sie sie genau dann, wenn sie gebraucht werden, damit sie sie unter den Tannenbaum legen können“.
„Oh, das ist sehr klug und umsichtig. Na, dann weiterhin gute Verrichtung!“, verabschiedete sich Ole und freute sich, dass der Weihnachtsmann ihn mit seinem kompletten Namen angeredet hatte und dabei keinen der Vornamen an eine falsche Stelle gesetzt hatte. Was hatte der Alte doch für ein hervorragendes Gedächtnis!

Der Abend war hereingebrochen. Aus dem nahe gelegenen großen Waisenhaus hörte man die Kinder Weihnachtslieder üben: „Alle Jahre wieder“, „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen“, „Bald nun ist Weihnachtszeit“, „Fröhliche Weihnacht überall“ und „Ihr Kinderlein, kommet“.
Der Chorleiter gab sich alle Mühe, die Lieder dreistimmig einzustudieren. Manches klang noch nicht so recht, aber am Heiligen Abend wird es bestimmt klappen.

Darum musste Ole sich nun wirklich nicht kümmern. Er wollte das Haus finden, wo Maries Oma wohnte. Gar nicht so einfach in einer so großen Stadt. Zumindest erreichte er den Marktplatz, wo der Magistrat eine herrliche Weihnachtstanne hat aufstellen lassen. Sie war reich geschmückt mit allem, was man so an einen Weihnachtsbaum hängt.
Aber was wuselte da um den Stamm? Es waren Wichtel, die dem Schmuck etliche Kringel aus Fondant hinzufügten, den so genannten „Baumbehang“.
Solange war die Tanne nur etwas für das Auge, jetzt aber konnten sich auch die Kinder daran laben. Es sollte nur einer darauf achten, dass sich nicht einer alles nimmt.
Ole freute sich sehr, auf diese Wichtel zu treffen, denn sie kannten sich bestens aus in der Stadt. Sie wiesen ihm den Weg und bald war er am Ziel. Ein modernes Hochhaus, na bravo! Hier gab es keine Öfen, sondern Zentralheizung. Da war nischt mit „durch den Schornstein fahren“! Allerdings hatte Ole kürzlich einen ganz neuen Zauberspruch gelernt, der einem half, an den Heizungsrohren entlang in die Stuben zu kommen. Schnell sagte er ihn auf und schwupp! stand er in Großmutters guter Stube. Sie sagte gerade am Telefon zu ihrem älteren Sohn: „In diesem Jahr fahren wir aber unbedingt Weihnachten zu der kleinen Marie. Ich will wissen, ob sie von ihrer Stiefmutter anständig behandelt wird. Du wirst mich mit deinem neuen Auto hinfahren, da dulde ich keine Widerrede!“
Ole Olaf erkannte, dass er diesen Weg für umsonst gemacht hatte. Nein, nicht ganz umsonst – er hatte ja Gelegenheit bekommen, den neuen Haus-Besuch-Spruch auszuprobieren . . .
Nun wendete er den Nach Hause Zauber an. Im heimatlichen Ort angekommen, erzählte die Katze ihm, dass der Wind leider das Stroh bei Maries Tür weggeblasen hatte. Aber wer weiß, ob so ein absichtlich hingelegtes Stroh überhaupt geholfen hätte.

In der kleinen Stadt hatte sich inzwischen etwas Neues zugetragen: Bauer Mommpsen hatte ein Rennpferd gekauft. Kaum hatte er es im Stall, da riss es sich los und lief davon. Der Hauself des Bauern informierte die Wichtel Fluschus, Huschelwutz und Wuschelhutz und sie zogen los, um es wieder einzufangen.
Sie fanden es auch bald. Es war auf dem Wege zum Weihnachtsmann. Das Pferd musste ihm etwas ausrichten von dem Kind des Vorbesitzers. Dies jedenfalls behauptete „Ballerina“, so der Name des Pferdes. Es stimmte auch, aber so eilig wäre es vielleicht doch nicht gewesen. „Ballerina“ fürchtete, von dem Bauern vor den Pflug gespannt zu werden, wonach das rassige Rennpferd eventuell genau so klein und gedrungen aussehen würde wie die beiden Ackergäule, neben denen es im Stall zu stehen kam.
Fluschus redete besänftigend auf „Ballerina“ ein: „Wir erledigen das für dich. Wir gehen zum Weihnachtsmann. Wir wissen, wo er zu finden ist. Du würdest hier doch nur hilflos herumirren und dir womöglich noch die Beine an den scharfkantigen Eisschollen aufritzen. Komm, wir bringen dich erstmal zurück zum Bauern Mommpsen. Er macht sich schon große Sorgen um dich. Und wenn du in den Stall kommst, dann sei bitte nicht hochmütig zu den anderen Pferden. Sie verdienen ihren Hafer durch ehrliche Arbeit, du aber bist nur so eine Art Medizin für seine kranke Tochter. Du kannst gern von deinen Rennsiegen berichten, aber höre auch zu, wenn die anderen von der Arbeit sprechen“.
Das versprach „Ballerina“.
Inzwischen hatte Ole den Haflingern gut zugeredet, dass sie „Ballerina“ nicht auslachen, wenn sie wieder in den Stall kommt. Denn nur ein ruhiges, ausgeglichenes Gemüt kann auf Kinder heilend wirken.
Auf dem Heimweg, wobei die drei Wichtel auf „Ballerinas“ Rücken saßen, erzählte sie etwas über ihren Vorbesitzer. Dass er ein reicher Nichtstuer ist, der nur seinem Vergnügen lebt und seinen kleinen Sohn völlig unbeachtet lässt. Er benimmt sich beinahe wie der Vater von Abenizer Scrooch, den man aus der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens kennt.
Deshalb wollte das Pferd gerne den Auftrag erledigen, den der Junge ihm gegeben hatte – den Weihnachtsmann um eine neue, liebe Mama bitten.
„Den Jungen werde ich sehr vermissen“, schloss „Ballerina“.
„Von ihm nahm ich den Zucker viel lieber als von der weichen, warmen, parfümierten Hand seines Vaters, der keine Gedanken für das Kind hat!“
Beim letzten Rennen hatte der Bauer Mommpsen beobachtet, wie „Ballerina“ den Zucker vom Besitzer verweigerte, aber von seinem Sohn annahm. Da fiel ihm seine kranke Tochter ein und er dachte, wenn der Sohn des Pferdehändlers so gut mit dem Tier auskommt, dann wird seine Tochter das auch können und vielleicht bald genesen. Manchmal wirkt ja der Umgang mit Tieren Wunder. Zumal, wenn es so eine schöne Schimmelstute ist.
Nachdem Ole noch ein paar Kannen Milch an bedürftige Familien verteilt hatte, machte er sich sogleich auf zum Nordpol, wo der Weihnachtsmann bekanntlich wohnt. Allerdings lebten diese bedürftigen Familien sehr verstreut am Rande der kleinen Stadt, so hatte er allerhand zu tun. Die Katze begleitete ihn, denn sie wusste am besten, wer wirklich bedürftig ist.
Damit der Weg nicht allzu lang wird, erzählte sie so manches aus dem Leben der Leute. Dass es bei Niemeiers zum Beispiel sehr oft Brennnesselsuppe gibt. Oder dass der Wichmann Olga der Brei angebrannt war. Und dass ein Frettchen sich den Wurstzipfel geholt hatte, den der kleine Werner für sich versteckt hatte. Und dass die kleine Friedel vor lauter Hunger so viel rohes Sauerkraut gegessen hatte, dass sie eine schwere Kolik davon bekam.
Aber auch, dass Hans Neukrug einen Hasen gefangen hatte, der nun den Weihnachtsbraten für die zwölfköpfige Familie abgeben musste.
Das letztere erzählte die Katze mit ganz leiser Stimme, denn so was galt als Wilderei, das war verboten. Aber angeln war erlaubt. So konnten die armen Familien wenigstens Fisch essen.

Es gibt spezielle Weihnachtswichtel, die dem Weihnachtsmann das ganze Jahr über behilflich sind, Spielzeug zu basteln und zu verpacken. Auch sind sie damit befasst, die kleinen Namensschilder herzustellen, damit jedes Kind auch wirklich das vorgesehene Geschenk bekommt.
In diesem Jahr hat die zu früh eingesetzte Kälte den Leim brüchig gemacht, viele Reparaturen waren nötig. Man war also hoch erfreut über die willkommene Unterstützung durch die neu hinzukommenden Kameraden.
„Warum habt ihr denn nicht Alarm gegeben? Ihr wisst doch, dass wir sogleich herbei eilen, wenn Not am Mann ist!“, riefen die Wichtel.
„Der Alarm ist eben gegeben worden. Ole bedient schon die Notglocke in eurer kleinen Stadt“, beruhigten die Weihnachtswichtel.
„Ach so. Na, dann werden ja gleich noch einige von uns hier ankommen“, sagten die drei Wichtel und machten sich an die Arbeit.
Da war wirklich viel zu tun! Nicht nur der Leim war brüchig geworden, auch die Farbe war in Mitleidenschaft gezogen. Mit einem Entfernungszauber wurde alle Farbe beseitigt, dann mit einem Einfärbzauber wieder aufgetragen. Sonst hätte es Beulen im Lack gegeben, was ja nun wirklich nicht schön aussieht und auch zu neuen Schäden führen kann. Denn frische Farbe auf altem Lack blättert gerne ab.
Größte Sorgfalt musste beim Anfertigen der Namensschilder walten. Einige Wichtel waren darauf spezialisiert. Sie überließen nun den herbeigeeilten Helfern das Feld und widmeten sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe.
Das Schwerste waren nicht die Buchstaben an sich, die beherrschten die Wichtel ja schon lange. Aber es kommen jedes Jahr neue Namen dazu und Abwandlungen alter Namen. Da musste man sehr aufpassen, damit jeder zufrieden gestellt werden kann.

Währenddessen hatte Ole Olaf sehr viel zu tun. Er musste ja nun die Arbeit der anderen Wichtel mit übernehmen. Zum Beispiel musste er die Hauselfen unterstützen, wenn sie mal nicht weiterwussten.
Da hatte nämlich ein Troll die Haustür des verreisten Neubert-Bauern aufgeblockt. Die klirrende Kälte zog ins Haus. Das war ganz bestimmt nicht gut für die Möbel und andere Sachen!
Ole dachte scharf nach, bis ihm der lösenden Bannspruch einfiel: „Alba lal pandi pandu, Tür des Hauses, geh jetzt zu!"
Darauf schloss sich die Tür knarzend und quietschend. Die Kälte hatte das Schmieröl zunichte gemacht. Also musste Ole noch einen Aufwärmspruch sagen, sonst bliebe die Tür für immer zu. Aber wie ging der nur? Alba lal pandi pandarm, in dem Hause werd es warm? Nee, das ist es nicht. Das wärmt jetzt zwar das ganze Haus, was ja auch gut ist, aber speziell für das Fett im Scharnier taugt es nicht.
Der richtige Spruch fiel Ole noch ein, aber er wird hier nicht verraten!

Kurz vor Sonnenaufgang kam die Katze zu Besuch. Das tat sie zwar öfter, aber heute hatte sie einen ganz besonderen Grund: sie hatte nahe der Gehöfte eine Falle entdeckt. Jetzt ziehen die Wilderer schon bis auf die Weiden!, klagte Ole. Schnell beseitigte er das böse Metallding, zerstörte es und warf es in die Schlucht.
Diese Falle galt großen Tieren und war nicht gegen kleine Schädlinge wie Ratte oder Wiesel einsetzbar. Hier sollte wohl ein Pferd zu Schaden kommen. Oder hoffte der Wilddieb, dass sich die Hirsche bis an die Hütten der Menschen wagten? Wie auch immer – das Ding musste weg! Ole war froh, es beseitigt zu haben. Da mussten sich die Räuber etwas anderes einfallen lassen, wie sie zu Fleisch kommen. In dem Zusammenhang nahm er sich vor, ganz besonders auf die Hühnerställe zu achten . . .

Ole Olaf sperrte seine Ohren auf, um zu hören, wo eventuell seine Hilfe gebraucht wird. In seiner Ortschaft war alles ruhig. Auch in der nächsten und übernächsten. Ole lauschte bis in die große Stadt hinein, obwohl er die Zeit nicht so gut im Griff hat, dort jemandem zu Hilfe kommen zu können.
Zum Glück vernahm er Erfreuliches: Eine reiche Dame hatte für das Waisenhaus viele, viele Kuchen gebacken und eine Beauftragte Frau kam, um sie abzuholen.
Während die Kuchen eingepackt wurden, spielte die Tochter des Hauses auf dem Klavier die schönen Weihnachtslieder „Freue dich, Welt“, „Kommet, ihr Hirten“, „In dulci jubilo“ und „Kling, Glöckchen, klingelingeling“.
Das klang so schön und lieblich, weil es von einer guten Tat begleitet wurde, auch wenn sich das Mädchen mehrmals in den Tasten vergriff.

Ole hatte einen jungen Hauselfen, der vor Übermut nicht wusste, was er anstellen sollte, beauftragt, einige dicke Kerzen herzustellen. In der Weihnachtszeit werden immer Kerzen benötigt und wenn man eben erst gelernt hat, wie man sie produziert, ist es besser, sich an den dicken auszuprobieren und erst später die empfindlichen dünnen zu fertigen. Die dicken lassen sich auch einfacher verzieren.
Das alles hatte Ole Olaf dem Elfen beigebracht. Und nun wartete er darauf, dass der junge Springinsfeld sie bringt. Die vereinbarte Stunde war bereits vorüber. Er ging vor die Tür, um zu sehen, wo der Jüngling wohl bleibt. Als erstes fiel ihm wieder einmal auf, wie entsetzlich kalt es in diesem Winter war. Überall hingen dicke Eiszapfen von den Dächern. Jedes Wasser war gefroren, nur der sprudelnde Bach vor seinem Hause plätscherte noch. Zum Glück war es windstill. Eiszapfen im Bart hätten Ole gerade noch gefehlt!
Aber wo blieb der Elf? Ole schaute links und rechts, nach vorn und hinten – nirgendwo auch nur eine Spur von dem Knaben! Es wird ihm doch nicht etwas zugestoßen sein? Der Gedanke machte Ole Angst. Schnell entschlossen ging er los, um nach dem Bengel zu suchen.
Er fand ihn bald. Er stand am Bachesrand und unterhielt sich mit einer Regenbogenforelle. Was sie Interessantes zu berichten hatte, steht auf einem anderen Blatt.
Ole begutachtete die Kerzen und fand sie recht zufrieden stellend. Dann ging er mit dem Elf zur Kirche, wo gerade die Abendandacht gehalten wurde. Er hatte nicht die Absicht, dem Gottesdienst beizuwohnen, nein, er wollte die Kerzen auf dem Wege aufstellen, damit die Leute ihren Heimweg besser finden und sich an der Illumination erfreuen.
Das war ihm gut gelungen. Als die Menschen aus der Kirche kamen, bestaunten sie erst einmal die hell brennenden Lichter. Keiner konnte Auskunft geben, wie sie so plötzlich aufgetaucht waren. Man hielt es für ein Wunder. Die Pferde wussten es besser – sie sahen die Urheber. Gewöhnliche Menschen aber können Wichtel und Elfen nur sehr, sehr selten sehen.

Inzwischen hatten die Weihnachtswichtel und ihre fleißigen Helfer die Reparaturarbeiten fast vollendet. Eine kleine Pause sollte gut tun. Eine Pause, in der mal nicht nur von der Arbeit geredet wird, sondern von ausgefallenen Sachen.
Ein junger Wichtel berichtete von den Fortschritten der Menschheit in der Raumfahrt. Ein ergrauter Greis erwiderte darauf: „Lass die Menschen fahren, wohin sie wollen, solange sie an uns glauben, ist alles im Lot“.
Dem war nichts zu entgegnen.
Nachdem sie alle ihren Kaffee ausgetrunken hatten, gingen sie wieder an die Arbeit. Als erstes fiel dabei eine Spieluhr vom Tisch und klimperte munter: „Morgen kommt der Weihnachtsmann . . .“

Bald ging es an die Vorbereitungen für die große Weihnachtsbäckerei. Was war da alles zu besorgen und zu erledigen! So viel Mehl, so viel Zucker! Und all die Mandeln und Nüsse, die geknackt, gebrüht und gehackt werden mussten!
Früher hatte man dazu immer das Lied gesungen „Oh, es riecht gut, oh, es riecht fein“, aber das mochte heute keiner mehr hören. Es hing einem so richtig zum Ohr heraus. Sogar das nette „Vorfreude, schönste Freude“, worin ebenfalls von der Weihnachtsbäckerei die Rede ist, war verpönt.
Ja, manch ein Weihnachtsbäckerwichtel war schon fast bereit, lieber Tecno als die schönen alten Weihnachtslieder anzuhören!
Auch Gedichte waren nicht gern gehört. Die Bäckerei erforderte höchste Aufmerksamkeit. Es durfte beileibe nichts verwechselt werden! Besonders Zucker und Salz sehen sich ja so sehr ähnlich.
Jedenfalls musste alles wie am Schnürchen laufen. Alles musste akkurat sein. Weihnachtskekse müssen auch ohne Weihnachten die besten der Welt sein! Darum spähen besonders ausgebildete Weihnachtswichtel in alle Küchen, um als erste zu erfahren, ob einer Hausfrau oder anderen Hobbyköchen ein neues Rezept gelingt. Das wurde prompt nachgemacht und den Engeln zum Kosten gegeben. Wenn sie grünes Licht gaben, wurde das Rezept öfter verwendet.
Die himmlische Weihnachtsbackstube war zwar recht groß, dennoch arbeiteten die Wichtel auf engstem Raum. Wenn nämlich ein Blech Kekse ausgebacken war, wurde es mit einem frommen Spruch vervielfältigt, da war sehr schnell die ganze Küche voll. Hin und wider jedoch wurde ein Einzelstück gebacken. Zum Beispiel die vierstöckige Buttercremetorte, auf der alle Tiere des Waldes abgebildet waren vom Elch bis zum Maulwurf. Auch die Vögel wurden nicht vergessen. Außerdem alle Bäume und Büsche, die es im europäischen Wald gibt. Ganz oben auf der Torte stand ein Weihnachtsbaum aus Marzipan, dessen feiner Schmuck nur durch ein Vergrößerungsglas zu erkennen war. Deshalb wurde auch gerade dieser Baum als erstes aufgegessen.
Dann gab es auch noch eine Torte in Form einer Serpentine. Auf ihr war der Leidensweg Christi figürlich dargestellt. Zuoberst stand die Krippe, am Fuße Christi Auferstehung.
Wesentlich leichter zu formen war eine Torte in Form eines Doms. So etwas wurde öfter mal von Kirchenleuten bestellt.
So angenehm die Arbeit auch war, der schönste Tag war jener, an dem die Küche wieder sauber gemacht und bis zum nächsten Winter verschlossen wurde.
Aber in diesem Jahr war es noch nicht so weit.
Zuerst mussten noch viele Dinge erledigt werden. Es gab in der großen Stadt so viele Not leidende Menschen, darum beschloss Ole, noch einmal eine Fahrt zu unternehmen. Er belud seinen Schlitten mit Lebensmitteln aller Art, um sie in der Stadt an Bedürftige zu verteilen. Wie schon vorher, glaubte man auch diesmal, dass es die Heinzelmännchen gewesen seien. So abwegig war der Gedanke gar nicht . . .
Leider konnte Ole den Vermehrungszauber nur in seiner Stube anwenden, so musste er immer wieder zurück, Nachschub holen. Mal fuhr er mit Mehl, mal Zucker, mal Fett und an wärmeren Tagen mit Milch. Selbige in die Küchen zu zaubern, war gar nicht so einfach. Es musste ein passendes Gefäß gefunden werden. Aber wenn Leute arm sind, dann haben sie auch nicht viele Töpfe.
So wie bei der Witwe des Bauarbeiters Wesendahl. Er war ein hoch qualifizierter Maurer, man konnte ihn für fast jede Arbeit auf dem Bau einsetzen. Eines Tages fiel er vom Gerüst. Der Polier hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es an einer Stelle schadhaft war, aber niemand hörte auf ihn.
Nun war das Unglück geschehen und die Witwe bekam keinen Pfennig. Weil neben dem Verunfallten eine zerbrochene Bierflasche auf dem Boden lag, wurde behauptet, er sei betrunken gewesen und deshalb abgestürzt. Dabei wusste jeder, dass Herr Wesendahl nicht trank, sondern sein ganzes Geld zu seiner Frau nach Hause trug, denn sie hatten sieben Kinder im Alter zwischen zwei und vierzehn Jahren.
Ihnen hatte Ole schon im vergangenen Jahr von seinen Wunderäpfeln gegeben. Wenn man einen davon isst, bekommt man ein freundliches, sanftes Gemüt, das einem hilft, die Unbill, die das Leben einem häufig bietet, leichter zu überstehen.

Ein ebenso trauriger Fall war die Familie des Seemanns Haberland. Bei einem Sturm auf hoher See sank der Frachter, auf dem er Maat war. Alle ertranken. Maat Haberland hinterließ eine kranke Frau und fünf Kinder im Alter zwischen zehn und zweiundzwanzig Jahren.
Der Älteste wurde ebenfalls Seemann. Während er auf Fahrt nach Übersee war, erlag die Mutter ihrer schweren Krankheit. Sämtliche Ersparnisse gingen für die Beerdigung drauf. Bis die Heuer des großen Bruders kam, musste Undine Haberland, die älteste Schwester, ihre Geschwister mit Näharbeiten ernähren. Das ist ein hartes Brot, denn mit Nähen verdient man nicht viel.
Und dann kam auch noch die Nachricht, dass der Bruder bei einer Kneipenschlägerei ums Leben kam!

Da die Wichtel in der Werkstatt des Weihnachtsmannes nicht mehr gar so viel zu tun hatten, konnten einige von ihnen schon in ihre Heimatorte zurückkehren. Sie sahen, dass Ole ihre Häuser schön sauber und in Ordnung gehalten hatte und revanchierten sich bei ihm dadurch, dass sie sein Haus vom Keller bis zum Dach putzten. Alles wurde gründlich gereinigt, aber die Werkstatt wurde nur gefegt. Mehr darf man in einer Wichtelwerkstatt auch gar nicht tun, denn sonst verflüchtigt sich der Flutschliwumfleck.
Dieser Fleck ist sehr wichtig. Wenn ein Wichtel ein Ding herstellen will, das bewegliche Teile hat, dann legt er es auf den Flutschliwumfleck und schon sind diese Teile für immer gut beweglich.
Das Saubermachen in Oles Haus tat Not, denn er hatte ja keine Zeit dafür gehabt, hatte nur an andere gedacht. Umso größer war seine Freude, als er aus der Stadt nach Hause kam.
Sogar die Fenster hatten die Wichtel geputzt, von innen und von außen!
Nun konnte man auch von draußen sehen, womit Ole sein Fenster dekoriert hatte: mit herrlichen rotbackigen Äpfeln, einer kleinen Weihnachtspyramide, zwei Kerzen und einem voll „erblühten“ Weihnachtsstern. Den hatte er schon lange. In jedem Jahr färbten sich die Blätter pünktlich zur selben Zeit. Einen so schönen Weihnachtsstern hatte bestimmt kein zweiter!
Ole verwendete sehr viel Sorgfalt auf die Pflege der empfindlichen Pflanze, damit er jedes Jahr aufs Neue so viel Freude an ihr haben konnte.
Die Äpfel jedoch gedachte er zu verschenken. Kandidaten dafür gab es außer den Wesendahl-Kindern noch genug. Einer war Christian, der mit seinen drei Jahren bereits ein Weihnachtsgedicht komplett aufsagen konnte:
Knecht Ruprecht aus dem Walde
Knecht Ruprecht aus dem Walde,
komm zu uns nur balde!
Bring uns süße Äpfel mit
nach gutem Brauch und alter Sitt!
Ria, ria, ria, rullala!

Knecht Ruprecht, Freund der Kinder,
kommt zu uns im Winter,
spielt mit uns und scherzt und lacht
und hat viel Schönes mitgebracht.
Ria, ria, ria, rullala!

Einem so aufgeweckten Kerlchen kann man auch mal erzählen, dass Wichtel auf allen Tieren reiten können, egal, wie groß oder klein sie sind. Sie passen zu dritt auf ein Pferd oder auch auf eine Katze, und sie können auf einem Eisbären zum Nordpol reiten.
Das alles können sie wirklich, aber Menschen sind selten geneigt, an diese Tatsachen zu glauben. Im Alter von drei Jahren allerdings scheint einem alles möglich.
Sogar, dass Wichtel zusammen Weihnachtslieder singen. Ja, auch davon hatte Ole Olaf dem kleinen Jungen erzählt, dass er im vorigen Jahr, als der Winter nicht gar so hart war, mit seinen Freunden Bubu und Bobo auf einem Ast saß und „Macht hoch die Tür“ eingeübt hatte, bis sie es dreistimmig konnten. Hat gar nicht lange gedauert, denn Uhus sind sehr musikalisch. Nur Mäuse behaupten, dass Uhus kreischen.

Ole hätte auch gerne einen Weihnachtskaktus gehabt. So einen, wie der reiche Bauer Sattmann in seiner Veranda zu stehen hat. Aber in seiner kleinen Wohnung war nicht genug Platz für zwei Blumentöpfe. Darum begnügte er sich damit, hin und wider nach Sattmanns Pflanze zu schauen. Der vergaß nämlich manchmal, den Topf zu gießen. Dann tat Ole das.
Der Bauer sagte oft zu seinen Gästen: „Nu seht euch die Primel an! Immer, wenn ich denke, jetzt geht sie langsam ein, bekommt sie ein neues Blatt und im Winter blüht sie sogar!“
Bauer Sattmann nannte alle Blumen Primeln, egal, wie sie wirklich hießen.
In seinem Hause gab es alles, was das Herz begehrt. Nur ein Herz fehlte. Gab einmal eine Frau in diesem Hause. Leider hatte sie eine sehr schwache Konstitution und starb an einer Grippe. Danach kannte Herr Sattmann nur noch seine Arbeit und das Geldscheffeln. Ole hatte schon mehrfach hypnotisch versucht, den Bauern dazu zu überreden, das Waisenhaus zu besuchen, nicht nur, um eine Spende abzugeben, sondern auch, um vielleicht einem Kinde ein Zuhause zu bieten. Dann gäbe es jemanden, der all die schönen Dinge benutzt, die hier unbeachtet herumstanden.
Vielleicht wäre dieses Weihnachten der rechte Zeitpunkt, ihm den Gedanken noch einmal nahe zu legen. Ole legte dem Bauern „Die Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens auf den Nachttisch, sang ihm im Traum Kinderlieder vor und zeigte ihm niedliche Kinderfotos. Irgendwann würde er auf diese Weise sein Ziel erreichen.

Nun war es an der Zeit, der Marie Bescheid zu sagen, dass die Großmutter und der Onkel sie besuchen werden. Natürlich ging Ole Olaf nicht bei hellem Tageslicht zu ihr, sondern er flüsterte es ihr ins Ohr, als sie schlief.
Von nun an stand das Kind jeden Tag am Fenster und blickte sehnsüchtig hinaus. Es war zwar ungewiss, ob der Traum Wirklichkeit werden wird, aber die Hoffnung war übermächtig.
Marie erinnerte sich daran, dass die Oma ein bestimmtes Weihnachtslied immer so gerne hatte: „Vom Himmel hoch, da komm' ich her“. Sie versuchte, sich an den Text und an die Melodie zu erinnern, aber leider fanden sich da nur Bruchstücke. Sie wollte es aber unbedingt singen können, wenn die Großmutter zu Besuch kommt. Darum fragte sie die Stiefmutter nach dem Lied. Diese wunderte sich zwar, aber sie kannte das Lied und brachte es Marie bei. Das schuf eine gewisse freundschaftliche Bindung zwischen den beiden. Weihnachten ist doch eine Zeit der Wunder!

Etwas abseits im Wald wohnte eine junge Kräuterfrau. Ausgerechnet in der Adventszeit kam sie mit einem Kinde nieder. Keiner konnte durch den dicken Schnee zu ihr gelangen, aber die Wichtel. Sie standen der jungen Frau bei, natürlich unsichtbar. Sie flößten ihr Kraft und Mut ein, damit sie ihr Kind allein zur Welt bringen konnte. Erschöpft, aber glücklich, hielt sie dann ihren Sohn in den Armen.
Die Wichtel sorgten dafür, dass das Feuer nicht ausging. Nachdem die Geburt erfolgreich vonstatten gegangen war, sollten Mutter und Kind jetzt nicht etwa erfrieren.

In der großen Stadt lebte auch ein kleines Mädchen namens Kathrin. Sie suchte nach einem Geschenk für ihren kleinen Bruder. Es sollte nicht zu groß und nicht zu klein sein, aber etwas Besonderes. Sie schaute in alle Spielzeugläden. Da hat sie einmal das Gefühl, dass die große Weihnachtsmannfigur ihr zuwinkt. Das konnte doch wohl nicht sein, oder?
Kathrin blieb wie angewurzelt stehen und staunte. Dann sah sie den Weihnachtsmann von der Seite an. Wenn er wirklich sie meinte, dann müsste er sich jetzt zu ihr drehen. Aber er winkte weiter in die Richtung, wo Kathrin vorher stand. „Nur ein Werbegag“, erkannte die Kleine enttäuscht.
Sie entschloss sich, dennoch in den Laden zu gehen und sich umzusehen. Vielleicht fand sie ja hier das Gesuchte. Jedoch auch in dieser Hinsicht wurde sie enttäuscht.
Schlussendlich kaufte sie auf dem Markt ein aus Holz geschnitztes Pferdchen. Das würde dem Brüderchen gewiss gefallen, denn mit so einem Holzpferd kann man allerlei spielen.
Sie hatte keine Ahnung, dass Ole ihr den Tipp mit dem Markt gegeben hatte . . .

In einem kleinen Haus am Rande der Siedlung wohnten zwei Schwestern, die sich fortwährend stritten. Wie gut, dass sie am Rande der Siedlung wohnten, das Geschrei war kaum auszuhalten!
Da beschloss Ole Olaf, ihnen eine Lehre zu erteilen. Er klopfte an ihre Haustür und während sie darum stritten, wer öffnen muss, ließ er alles verschwinden, worum sich die Mädchen je gezankt hatten. Da war das Haus plötzlich fast leer, denn sie hatten ja um beinahe alles gestritten.
Nun weinten die Mädchen und beschimpften sich gegenseitig als Hexe. Da verdoppelte Ole alle Gegenstände und ließ sie wieder erscheinen. Nun wurden die beiden fast erdrückt von all den Dingen! Sie beteten, dass alles wieder so wie vorher werden möge und versprachen, sich nicht mehr zu zanken. Das tat jede ganz still für sich, denn die Schwester sollte es ja nicht zu früh erfahren. Das fehlte noch, dass eine dachte, die andere würde nachgeben!
Dann wurde es sehr still im Haus. Die Mädchen sahen sich Hilfe suchend an. Dann weinten sie und gaben das Versprechen laut ab. Nun hoffte Ole, dass das Gezänk ein Ende haben würde und stellte den Urzustand her.

In einem anderen Haus, diesmal am Waldessaum, hatte sich ein böser Geist eingenistet. Ausgerechnet in der Adventszeit!
Der Hauself rief Ole zu Hilfe, damit er den Geist vertreibt. Ole machte sich auch sofort auf den Weg, aber sowie er nahe an das Haus kam, befand er sich auch schon auf dem Rückweg! Es war wie verhext. Der böse Geist wollte niemanden in das Haus lassen.
Ole versuchte, von draußen mit ihm zu reden. Zuerst bekam er keine Antwort, aber dann sprudelte es in klagenden Tönen: „Ich will nach Hause! Ich hatte mich doch nur auf dem Schiff mal umsehen wollen, und dann fuhr es los! Jetzt will ich aber wieder zurück nach China, da komm ich her! Ich will nach Hause! Nach Hause!“
Ole verkniff sich das Lachen und bot dem Chinesen an, ihn zum Hafen zu bringen und auf das nächste Schiff nach China zu setzen.
„Aber mich darf doch niemand sehen!“, fauchte der Fremde.
„Na, dann bleibst du eben hinter mir. Ich verspreche, dass ich mich nicht umdrehe“.
Der Hauself bekräftigte, dass Ole Olaf die vertrauenswürdigste Person am Orte sei. Dann willigte der Geist ein.
Man hat nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen, auch seinen Namen nie erfahren.

Auf dem Rückweg kam Ole an einer Ortschaft vorbei, wo an einem kleinen See ein hübsches Haus stand. Sicher wohnten auch Kinder dort, denn am See war ein dicker Schneemann gebaut worden.
Das schönste aber war der geschmückte Weihnachtsbaum, an dem etliche Kerzen brannten.
Auch an die Waldtiere war gedacht – es hingen nicht nur Äpfel, sondern auch Möhren und Ähren an den Ästen. Ole war klar – wenn die Tiere das entdecken, werden sie ganz fröhlich singen: Wenn Weihnachten ist, bescheret uns der liebe heilige Christ.
Auch Ole trällerte auf dem weiteren Wege dieses Lied vor sich hin, bis der Abendhimmel seine Sterne über ihn breitete. Da wandelte sich das übermütige weihnachtliche Scherzlied in das andächtige „Tausend Sterne sind ein Dom“.
Ach ja, seufzte Ole Olaf, das sollte er auch mal mit den anderen Wichtel einüben!

Am anderen Tag war Ole wieder einmal in der großen Stadt unterwegs, um bedürftigen Menschen etwas zukommen zu lassen.
Wie still die Stadt in der Nacht war! Es war nicht nur der Schnee, der jeden Laut dämpfte, sondern auch die Besinnlichkeit der Weihnachtszeit.
Viele Fenster waren erleuchtet vom Kerzenschimmer. Allerorten sah man Schwibbögen, Adventssterne und schlichte Kerzen.
Natürlich sah Ole sie. Er konnte durch das Licht der Straßenlaternen hindurch sehen. Wenn er wollte, konnte er bis in die Stuben der Menschen hinein sehen. Auch jetzt blickte er hinein. Er sah, dass die meisten Kinder schon schliefen.
Dabei fiel ihm ein, Wichtel schlafen nicht. Nur einmal im Jahr, dann aber 3 Wochen lang. Wann es soweit ist, hängt davon ab, wie viel Energie sie verbraucht haben. Wenn ein Wichtel oft gezaubert hat oder sich unsichtbar machen musste, muss er früher schlafen gehen als einer, der weniger Energie verbraucht hat. Es wäre überaus peinlich, ausgerechnet in der Weihnachtszeit einzuschlafen, wo jede Hand gebraucht wird!
Ole schätzte ab, wie viel er schon verbraucht hatte. Aber er kam damit nicht zurande. Er setzte eben seine Kräfte immer dann ein, wenn sie gebraucht werden, ohne lange nachzudenken.

Marie und ihre Stiefmutter wickelten schon immer die Krippe aus. Sie war schon viele, viele Jahre im Familienbesitz. Es hieß, der Ur-Ur-Urgroßvater habe sie selber geschnitzt. Ein sehr altes Stück, das inzwischen Sammlerwert haben dürfte. Nicht nur, weil sie ein Einzelstück und mit viel Liebe zum Detail gearbeitet ist, sondern auch, weil sich die Bemalung bis auf den heutigen Tag komplett erhalten hatte. Der Urahn musste einen ganz speziellen Lack verwendet haben.
Marie hatte die Papp-Krippe ihrer Mutter zwar auch recht gut gefallen, aber diese hier war einfach viel kunstvoller und prächtiger. Das Beste aber – während man das Pappding nur aufzuklappen und hinzustellen brauchte, konnte man hier alle Teile platzieren, wie es einem gerade gefiel.
Als die Stiefmutter sah, wie vorsichtig und liebevoll Marie mit den Figuren umging, öffnete sie sogleich den Schrank, in dem sie Maries Puppen verwahrt hatte und gab sie ihr zurück. Das war eine Freude!
Von Stund an wurde das kleine Mädchen auch nicht mehr mit Arbeit überhäuft. So konnte sie oft und immer wieder aus dem Fenster schauen und nach der Großmutter und dem Onkel aus der Stadt Ausschau halten. Natürlich durfte auch die Katze dabei sein. Aber nur so lange, bis die Stiefmutter ins Zimmer kam. Dann musste „das dreckige Katzenvieh“ sofort verschwinden. In diesem Falle stolzierte die Katze hoheitsvoll mit senkrecht stehendem Schwanz zur Tür und gähnte herzhaft.
Bei diesem Anblick musste Marie sich jedes Mal das Lachen verbeißen. Dass die Stiefmutter nicht merkte, wie sie von der Katze verachtet und verhöhnt wurde!

Am ersten Feiertag kamen die Großmutter und der Onkel endlich an. Das war ein fröhliches Wiedersehen! Maries Vater wusste gar nicht, wen er zuerst umarmen sollte, die Mutter oder den Bruder. Wie lange hatten sie einander vermisst!
Nach dem Vater wurde Marie innig begrüßt. Natürlich nicht ohne das unabwendbare: „Nein, was bist du groß geworden!“
Danach gab man der Stiefmutter die Hand.
Die Großmutter blickte sich im Hause um. Da sie nichts zu beanstanden fand, wurde die neue Frau akzeptiert. Ganz begeistert war die Oma, als sie die herrliche Krippe sah. Und als die Stiefmutter lobend äußerte: „Marie ist ein folgsames, anstelliges Kind. Man muss sie einfach gern haben“, war Weihnachten für alle das schönste Fest.
Nach dem Kaffee sangen sie noch gemeinsam „Süßer die Glocken nie klingen“, „O Jesulein zart“ und „Stille Nacht“, dann fuhr der Besuch leider wieder zurück in die große Stadt. Die Oma wusste nun, dass es der Enkelin gut geht und übernachten wollte sie nicht in dem fremden Haus. Ältere Leute schlafen sowieso lieber in ihren eigenen Betten.
Wie sie da so auf der Landstraße fuhren, streckte die Greisin plötzlich ihren Zeigefinger gen Himmel und rief mit zittriger Stimme: „Horst, Horst, mein Junge, sieh doch nur, da oben . . .da oben fährt der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten!“
Horst erbleichte und hielt den Wagen an. Dann sah er zu seiner Mutter, die mit selig verklärter Miene noch immer den Finger hoch hielt. Er folgte dem weisenden Finger und erblickte gerade noch so das Heck des Schlittens.
„Das gibbet doch gar nicht!“, entfuhr es ihm. o
o
o
Ole aber saß schmunzelnd hinter einer Hecke und freute sich bereits auf das Feuerwerk zu Neujahr.
 

Thariot

Mitglied
Handwerklich gut geschrieben, aber ich hab´s nicht bis zum Ende geschafft.

Am Anfang fehlt der Haken, die Idee die mich mitgerissen hätte.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ups,

da fehlt am anfang der haken, der einen mitreißt? hast du einen vorschlag? denn ich hab mir doch sooo viel mühe gegeben . . .
lg
 

Thariot

Mitglied
Es war einmal ein Wichtel namens Ole Olaf Oskar Otto Olbrichzy, der lebte in einer kleinen Hafenstadt. Da er entfernt mit den Wassermännern in Elbe und Donau verwandt war, hatte es ihn zum Wasser hingezogen.
Im Sommer war es in dieser Hafenstadt auch recht nett, aber der Winter konnte mitunter sehr kalt sein. Manchmal war der kleine Hafen völlig zugefroren und die Schiffe konnten nicht auslaufen. Dann erzählten sich die Einwohner lange, fantasievolle Geschichten.
Ole hörte gerne zu, wenn solche Geschichten erzählt wurden. Aber er wusste nie genau, was einfach nur Geschichten sind oder was davon echt wahr ist.
Zum Beispiel saß er einmal bei der Fischerfamilie Olesen auf dem Kamin und hörte, wie die Großmutter das Märchen vom Teufel mit den drei goldenen Haaren erzählte. Danach gab es ein Gespräch, worüber er lange nachdenken musste. Als die Großmutter das Märchen zu Ende erzählt hatte, fragte die jüngste Enkelin: „Wachsen denn dem Teufel die Haare wieder nach?“
Da nahm der Großvater die Pfeife aus dem Mund und brummte: „Der Teufel hat gar keine goldenen Haare. Er hat nur blonde, weil er ja mal ein Engel war, und weiße, weil er ja schon so alt ist. Also auf seinem Kopf mischen sich blonde und weiße Haare wie bei der Heideschulzen Anna aus dem Nachbarort“.
Alles kicherte verhalten. Die Heideschulzen Anna war eine alte Frau, die aber noch nicht völlig ergraut war. Obwohl sie die Siebzig weit überschritten hatte, prangten auf ihrem Haupt noch immer einige blonde Strähnen.
Dann polterte die Großmutter: „Das ist ja ganz was Neues. Wann hast du denn den Teufel das letzte Mal gesehen, dass du das alles so genau weißt?“
„Ach, dazu muss man doch den Teufel nicht gesehen haben. Das ergibt die Logik. Wenn du nur einmal logisch denken würdest, wäre dir das auch klar“, schmunzelte der Alte.
„Hm, Logik, alles klar. Logik nützt aber nur im Zusammenhang mit Wissen. Der Teufel lebt in der Hölle, oder?“
„Hm“.
„In der Hölle ist es rußig, oder?“
„Hm“.
„Da wird der Teufel auch rußig, stimmt s?“
„Hm“.
„Also hat er schwarze Haare. Und weil der Teufel wasserscheu ist, hat er sich auch all die Zeit nicht gewaschen, der dreckige Dreckskerl, der. Da ist von blond und weiß nichts mehr zu sehen! Außerdem glaube ich, dass er vom Herrgott schwarze Haare bekommen hat, damit er farblich besser in seine Umgebung passt“.
Der Opa legte die Stirn in Falten und dachte nach, was er darauf wohl Gescheites antworten könnte.
Der Vater neckte: „Na, Opa, da saß die Logik mal wieder in deiner Pfeife, was?“
Die Großmutter aber nahm ihre Nadelarbeit – ein warmes Kopftuch für die Schwiegertochter sollte es werden - wieder in die Hand und begann zu singen „Bald nun ist Weihnachtszeit . . .“
Alle stimmten in das Lied mit ein, sogar der Opa.
Im Kamin knackten die brennenden Holzscheite und ließen die dick verschneite Welt draußen vergessen. Am Fenster glitzerten die Eisblumen in der untergehenden Sonne wie Diamanten und Rubine. Ole lächelte versonnen. Wenn es auch dieses Schauspiel immer wieder gab, es war doch wunderschön.
Der Abend war noch jung und Ole hoffte, dass er noch eine Geschichte zu hören bekommen würde. Diese Hoffnung wurde zum Teil erfüllt. Der Vater sprach nämlich: „Wisst ihr, was mir neulich einer erzählt hat? Er hätte einen Nachbarn . . .“


Weiter kam ich nicht ...

Ein Wichel belauscht ein Gespräch über die Haarfarbe des Teufels ... dann singen sie und waren glücklich!

Da war´s bei mir vorbei ... keine Spannung, keine Not, kein Humor, keine Idee, keine Fragen

Das Ohnsorg Theater als Kurzgeschichte ... nur das habe ich das letzte Mal mit meiner Oma gesehen und die ist 1982 gestorben.

Oder anders:
Was als Roman funktionieren kann, scheitert als Kurzgeschichte ... zumindest für meinen Geschmack. Gute Kurzgeschichten lassen es in den ersten drei Absätzen "krachen"

Vorschlag für einen Anfang:
Lass die Geschichte im Dialog beginnen und schreibe die "heile Welt" raus.

Thariot
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
upsala,

lieber thariot, da treffen welten aufeinander. ich bin wohl auf einem völlig anderen stern als du. außerdem ist mein ole so eine art almanach. es folgt ein geschichtlein auf das andere, märchen für kinder und kind gebliebene. du bist vielleicht schon zu erwachsen für so was.
ganz lieb grüßt
 

Thariot

Mitglied
...da muss ich dir recht geben, ich gehöre nicht zu der Zielgruppe deiner Geschichte. Aber dich interessierte eine Begründung meiner Meinung.

Ich habe aber deinetwegen eine Expertin befragt, meine Tochter (10 Jahre). Leider war ihre Geduld noch kürzer, wie meine ...

"Öde", war ihr Kommentar nach zwei Absätzen. Auf meine Frage warum sie nicht weiterlesen mag? "Der Wichtel ist langweilig."

Dabei lese ich selber gerade ein Kinderbuch => Tintenherz, vermutlich weil mir Dan Brown´s zahlreiche Klone zu infantil sind.

Aber schreiben im Alter, ist ein schönes Hobby um sich an die Geschichten zu entsinnen, die man früher gerne vorgelesen bekommen hätte.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nun,

ich hab mit der geschichte andere erfahrungen gemacht. aber das waren vielleicht nur freundlichkeitsbeweise . . .
lg
 
S

suzah

Gast
Hallo flammarion,

von der idee gut,
aber irgendwie ist mir das ein wenig zu verworren, zu viele personen und deren beschreibung durcheinander gemixt (zb auf der eisbahn damen mit pelz und hüten, andererseits glühwein für 1 €). der wichtel ist zwar fantasie, aber das geschehen spielt sich dann in der realität ab. ich verlor völlig den faden.

mir würde es besser gefallen, wenn die erlebnisse des wichtels nacheinander, aufgeteilt in mehrere kapitel, beschrieben würden, das wäre dann übersichtlicher und spannender.

ganz liebe grüße suzah
 



 
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