Hey Rachel,
dem Entsetzen in Worten Ausdruck zu verleihen (gerade auch als eine Maßnahme gegen das Vergessen) ist m. E. eine der zentralen Aufgaben der Literatur (neben den zum Glück auch noch existierenden, anderen und schöneren Seiten künstlerischer Sprachgestaltung). Dein Gedicht (ich nenne es jetzt mal trotzdem so, weil ich den Begriff Gedicht weiter gefasst gebrauche) greift eine Tradition auf, die ich persönlich immer besonders mit dem Barock verbinde, nämlich das Figurengedicht, da Du ja graphisch den Galgen nachgebildet hast. Und die Barockgedichte sind vielleicht nicht der schlechteste Ausgangspunkt für Reflexionen zum Verhältnis von künstlerischer Gestaltung und der Wiedergabe grauenvoller Ereignisse. Immerhin waren Gryphius & Co. wirklich ganz nah dran an den Gräueln des 30-jährigen Krieges.
Der andere Kronzeuge im Bereich der lyrischen Verarbeitung(sversuche) des Grauens ist natürlich Celan (den man dennoch keinesfalls auf die Todesfuge reduzieren sollte). Ich glaube, Du schilderst in Deinem Gedicht auch tatsächlich eine wahre Begebenheit aus einem Vernichtungslager. Dieser Hintergrund und die Art, wie Du damit umgehst, schließen natürlich einen "verspielten" Angang von vorne herein aus und das steht - so lese ich es ganz deutlich heraus - auch für Patrick außer Frage.
Dennoch ist sein grundsätzlicher Einwand etwas, das mich auch immer wieder beschäftigt: Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise kann man das Furchtbare in einem Gedicht "zur Sprache bringen"? Zu dieser Frage gehört natürlich auch ihr (ebenso problematischer) Zwilling: Wie kann man, in einer Zeit, in der schlimmes Leid geschieht, von Blumen dichten oder der Liebe? Schlechte Zeit für Lyrik?
LG!
S.