Gib niemals auf!

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WackyWorld

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Wattepat, das war der Ort meiner literarischen Anfänge. Ein Sammelsurium phantastischer Erzählungen, in dem Werwölfe in ihrem Testosteronrausch die Seiten zu sprengen drohten und Vampirinnen mit der Gefährlichkeit einer Venusfalle den Leser in ihren Bann zogen. Ein Reich der Erotik, in dem ich unter Seinesgleichen eine Art Heimat fand. Mein Debüt machte ich mit einer Geschichte, in der ein Werwolf eine Vampirin eroberte. Die Resonanz war überwältigend. Angetrieben von diesem Erfolg, kreierte ich eine Romanze mit vertauschten Rollen: Ein Vampir verführte eine Werwölfin. Auch diese Geschichte fand begeisterte Leserschaft. Doch bald stieß ich an die Grenzen der Kombinatorik. Die Lösung: Ein ganzes Rudel Werwölfe verfiel einem Rudel Vampire. Abermals Applaus.

In mir reifte die Gewissheit, zum Schreiben geboren zu sein.

So wagte ich den Sprung und kontaktierte eine Agentur. Jung von Matt wiesen mich ab. Später erfuhr ich, dass mein literarisches Meisterwerk bei einer Werbeagentur gelandet war – aber da war die Klage schon raus.

Unverdrossen suchte ich erneut mein Glück, diesmal bei einer Agentur mit Spezialisierung auf Romantasy. Nach einem Vorschuss von 18.000 Euro (ich verkaufte das Auto meines Freundes) erhielt ich mein Manuskript zurück, begleitet von lobenden Worten, die meine Seele streichelten: "Keinerlei Lektorat nötig, ein Meisterwerk." Das Werk wurde bei der Apotheken-Umschau mit dem Schwerpunkt Fellpflege vorgestellt und bei „Nackt und Zerhackt“, eine Fachzeitschrift für Kannibalismus aus Papua-Neuguinea. Beide erwiesen sich allerdings als Sackgassen für meinen Roman „Brunftschrei“. Erneut 18.000 Euro leichter, hoffte ich auf den Durchbruch beim Beate-Uhse-Verlag. Meine Brust schwoll vor Stolz als ich eine Zusage erhielt.

Leider sollte ich viel umschreiben. Irgendwas mit „Liegt hier Stroh rum?“ sollte rein und ich sollte alles außer die Sexszenen streichen. Mir war das egal, ich tat wir mir geheißen.

Dann aber sprang der Verlag in letzter Sekunde ab. Warum, weiß ich bis heute nicht. Ich war erst mal deprimiert.

Dann rief mich Wattepat an. Mein letztes Werk hätte die 200.000 Leser-Grenze geknackt. Und das, obwohl ich noch nicht fertig war. Mir war klar, das Werk muss es sein. Es ging um einen Werwolf, der eine Vampirin verführte und danach an Scharlach erkrankte. Mir fiel nichts mehr ein, nach der Knatterszene und da die Szene damit endete, dass der Wolf einen knallroten Hintern hatte, habe ich gedacht, da passt doch Scharlach.

An jenem Wochenende, in einem Anfall von kreativer Besessenheit, vollendete ich meinen Roman. „Scharlachroter Schacht“ nannte ich das Werk, ein Titel, der in mir eine tiefe Zufriedenheit weckte.

Voller Elan machte ich mich auf den Weg zur Agentur, doch die Realität holte mich unerbittlich ein: Die Agentur hatte ihre Pforten geschlossen, die Geschäftsführer saßen nun in Santa Fu, eingekerkert wegen Untreue und gewerbsmäßigen Betrugs. Eine Welle der Traurigkeit überkam mich, doch anstatt der Resignation nachzugeben, wandte ich mich direkt an die Verlage. Ein mutiger Schritt, ganz ohne die Vermittlung einer Agentur. Doch von den ersten, und dann den nächsten 200 angefragten Verlagen, kam kein einziges Lebenszeichen zurück.

Etwas stimmte nicht, das spürte ich. Also wandte ich mich an die Polizei, in der Hoffnung auf Aufklärung oder Unterstützung. Sie sprachen von der Gründung einer „Solo“-Einheit für meinen Fall, doch auch von dort verstummte bald jede Kommunikation.

Nicht gewillt, aufzugeben, folgte ein Geistesblitz. Mit rudimentären Mitteln erschuf ich ein Cover in MS Paint und wagte den Schritt in das Selfpublishing. 19,99 Euro setzte ich als Preis an – und wartete. Vergebens. Kein einziges Exemplar fand einen Käufer. Unbeirrt setzte ich den Preis herab, zuerst auf 10,99 Euro, dann auf 0,99 Euro, doch der Erfolg blieb aus.

Fassungslosigkeit ergriff mich. Warum nur fand mein „Scharlachroter Schacht“ keinen Leser? Wo lag das Geheimnis, das mir den Weg zu den Herzen der Leserschaft versperrte?

Dann kam mir eine Idee. Ich ging direkt zu Buchhandlungen und stellte das Buch überall auf.

Die Buchhändler meinten, die Chancen seien nicht so gut. Doch das spornte mich nur noch mehr an. Und dann, eines Tages, verkaufte ich mein erstes Exemplar. Meine Oma fand das Buch toll, schrieb sie mir.

Aber ein Exemplar reichte nicht. Da kam mir ein erneuter Geistesblitz. Ich selbst kaufte meine Bücher. Ich erwarb alle Exemplare und es fühlte sich gut an.

Am Abend, unverhofft, durchbrach ein Anruf von Wattepat die Stille meines bisherigen Scheiterns. Ob ich Interesse hätte, wieder zu schreiben? Das Thema: Werwölfe und Vampire. Ohne Zögern sagte ich zu und begann an „Fell Atio“ zu arbeiten, einem Roman, der sich unerwartet schnell zu einem Erfolg entwickelte.

Gerade als ich überlegte, bei Wattepat nach einer Vergütung zu fragen, überraschte mich ein Anruf aus dem Kreis der etablierten Verlagswelt.

Ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch über Trashliteratur zu verfassen? Obschon das Thema mir fremd war, stimmte ich zu.

Zehn Tage und Nächte lang vertiefte ich mich in die Welt der Schundromane und wurde anschließend mit einem großzügigen Vorschuss belohnt. Endlich schien sich das Blatt zu wenden, doch der Preis war hoch: Mein Zeigefinger erlitt durch die ständige Belastung einen Bruch.

In dieser misslichen Lage kam mein Nachbar mit einem vermeintlich genialen Vorschlag: Sollte ich mir den anderen Finger ebenfalls brechen, wäre der Verlag gezwungen, auch ohne neue Manuskripte zu zahlen. Getrieben von einer absurden Logik, folgte ich dem Rat.

Doch die erhoffte Sicherheit blieb aus. Mein Nachbar gestand, dass seine Idee das Produkt eines alkoholgetränkten Abends gewesen sei. Ein bitteres Ende meiner kurzen Phase des Erfolgs, begleitet von der ernüchternden Einsicht, dass nicht jeder Rat, der in einem Moment der Verzweiflung gegeben wird, auch ein guter ist.

Ich stand kurz davor, alles hinter mir zu lassen, als unerwartet zwei Lektorinnen eines mir unbekannten Verlags vor meiner Tür standen. Ihre weißen Kittel ließen mich zunächst zweifeln. Angekommen in den Räumlichkeiten des vermeintlichen Verlags, fand ich mich jedoch unerwartet in einer Gummizelle wieder.

Meine Verärgerung kannte keine Grenzen, und nach vierundzwanzig Stunden wurde ich endlich entlassen.

Voller Verzweiflung suchte ich Trost bei meiner Freundin, die mit Verständnis und einer Frikadelle mit Mayo auf mich wartete.

Inmitten dieser Turbulenzen brachte ich mein Kind zur Welt – ich war schwanger gewesen, was meine Möglichkeiten zu schreiben stark einschränkte. In einem Moment der Überforderung setzte ich das Kind sogar bei eBay ein.

Als ich schon fast die Hoffnung verloren hatte, erschien ein Vertreter des Gullenknack-Verlags an meiner Tür. Sein Angebot: Er würde mein Buch verlegen, unter einer Bedingung, die ich in meiner Verzweiflung akzeptierte. Doch nach wiederholten Besuchen und neun Monaten später stand ich erneut mit einem Kind da.

Sein Vorschlag, das Kind zur Adoption freizugeben, enthüllte schließlich die bittere Wahrheit: Er war kein Verlagsvertreter, sondern Fußpfleger.

Mit zwei Kindern, Schulden und einer Kette von Absagen hatte ich den Tiefpunkt erreicht.

Doch dann wendete sich das Blatt. Das Magazin „Schlüsselloch“, anscheinend eine Fachzeitschrift für Schlüsseldienste, entschied sich für den Kauf meiner Romane – wenn auch auf Kommission. Vor Freude ließ ich mir „AUTORIN“ auf die Stirn tätowieren – ein sichtbares Zeichen meines neuen Selbstverständnisses.

Heute schreibe ich regelmäßig für das „Schlüsselloch“ und habe drei weitere Kinder bekommen.

Meine Geschichte soll dir Mut machen. Beharrlichkeit führt zum Ziel. Ich fühle mich nicht nur wie eine Autorin, ich bin es – und wieder schwanger.
 

petrasmiles

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Hallo WackyWorld,

das ist mal eine nette Satire, die ins Absurde spielt. Gut erzählt.

Mir will nur die Geschlechtszuweisung der Protagonistin nicht recht schmecken.
Die Art wie Du das in den ersten beiden Dritteln geschrieben hast, war das für mich absolut ein Mann - und dann wird sie auf einmal schwanger - ist also eine Frau und dann wird die Schwangerschaft zum running Gag und die Protagonistin immer 'blöder'.
Nun kann man solche Eindrücke schlecht 'begründen', allenfalls beschreiben. Ich sehe dieses Genre eher bei Männern und auch die bereitwillige Annahme der eigenen Genialität und Sturheit des Festhaltens am einmal eingeschlagenen Weg. Ist gar nicht sexitisch gemeint, beruht eher auf Lebenserfahrung. Mir sind schon einige Männer mit diesem Hang zur Selbstüberschätzung begegnet, aber nur eine Frau. Männer stellen sich einfach anders 'blöd an' als Frauen - oder klingt das jetzt auch wieder sexistisch? Ich weiß es nicht.
Vielleicht melden sich ja noch andere Leser dazu.

Erst einmal Frohe Ostern Dir!

Liebe Grüße
Petra
 

Bo-ehd

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Hallo WackyWorld,
das ist ein Spaß zu lesen. Schön erzählt und mit einer Dynamik, die man bei diesem Thema eigentlich nicht erwartet. Aber in viele Dingen kommt der Stoff der Realität sehr, sehr nahe. Petras "Geschlechterkritik" teile ich übrigens. Habe auch bis zum Schluss geglaubt, das "ich" ein Mann ist. Das Ganze ließe sich bei dem Genderwahn heutzutage schön rechtfertigen: Frau fühlt sich im Männerkörper, bekommt später aber Kinder. Aber das wäre Stoff für eine extra Story.
Gruß Bo-ehd
 

WackyWorld

Mitglied
Vielen lieben Dank für eure nette und konstruktive Kritik. Dass die Protagonistin weiblich ist, war tatsächlich Zufall. Ich plotte nichts, ich schreib einfach drauf los und mittdrin fiel mir das mit der Schwangerschaft ein ;) Die Idee war einfach: Es muss doch mal jemand was über dieses Portal Wattpad schreiben, in dem nach meinem Empfinden zumindest, die übelsten Texte die höchsten Weihen erreichen. Und dass das bestimmt denjenigen, die sich dann auf dem Olymp wähnen, gewaltig zu Kopfe steigt. Beim nächsten Mal muss wieder ein Kerl leiden, versprochen ;)
 

Tonmaler

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Vielen lieben Dank für eure nette und konstruktive Kritik. Dass die Protagonistin weiblich ist, war tatsächlich Zufall. Ich plotte nichts, ich schreib einfach drauf los und mittdrin fiel mir das mit der Schwangerschaft ein ;) Die Idee war einfach: Es muss doch mal jemand was über dieses Portal Wattpad schreiben, in dem nach meinem Empfinden zumindest, die übelsten Texte die höchsten Weihen erreichen. Und dass das bestimmt denjenigen, die sich dann auf dem Olymp wähnen, gewaltig zu Kopfe steigt. Beim nächsten Mal muss wieder ein Kerl leiden, versprochen ;)
Hallo, ich mal wieder ... habe deine Geschichte mit Spaß gelesen. Tatsache, ich kenne dieses Wattpad nicht.

Mir war klar, das Werk muss es sein. Es ging um einen Werwolf, der eine Vampirin verführte und danach an Scharlach erkrankte.
Ich mag diesen Humor. An Scharlach erkrankte. So ein banal abwegiger Käse, der kann einem Autor nur nach 17 Bier einfallen. Habe mich gut mit deinem Teil unterhalten gefühlt, sehr witzig. Wenn ich was zu kritisieren habe, dann, dass die Sache mit der weiblichen Identität über die Schwangerschaft tatsächlich -- wurde auch schon gesagt -- unpassend und plötzlich kommt, zumal der Text ja von einem Mann geschrieben wurde, wenn ich das richtig sehe.
Da rate ich dir, die Leser vorher schon zu informieren, weiß der Geier, vielleicht mit irgendeinem Detail, dass auf ihre Geschlechtsidentität hinweist irgendwo im ersten Absatz, vielleicht mit so was:
Auch diese Geschichte fand begeisterte Leserschaft. Einige sahen in mir eine zukünftige Bestseller-Autorin der Fantasy.
Und schon wärs klar. Sonst kommt das wirklich zu hart!


An einigen Stellen könnte man noch bissl arbeiten, bin aber jetzt zu müde, um da noch Beispiele zu zitieren. Ich würde kommentierende Stellen rausnehmen.
Ein Beispiel:


Voller Elan machte ich mich auf den Weg zur Agentur, doch die Realität holte mich unerbittlich ein: Die Agentur hatte ihre Pforten geschlossen, die Geschäftsführer saßen nun in Santa Fu, eingekerkert wegen Untreue und gewerbsmäßigen Betrugs.
Dass ihn die Realität einholt, soll der Leser durch die Handlung selbst erfahren ... etwa so:

Voller Elan machte ich mich auf den Weg zur Agentur, doch die hatte ihre Pforten geschlossen; die Geschäftsführer saßen inzwischen in Santa Fu, eingekerkert wegen Untreue und gewerbsmäßigen Betrugs.

Got it?



Gruß,
tt
 
Hallo WackyWorld,
auch ich hatte mein Glück bei Wattpad versucht, ging dort aber unter. In anderen Literaturforen ist es üblich, dass die neuen Beiträge ganz vorne erscheinen. Bei Wattpad ist das irgendwie anders. Ich staunte, was der Vampirkram für einen Zuspruch erfuhr. Ich lese weder Fantasy, noch schreibe ich welche. In meinen Augen alberne Storys hatten unzählige Klicks. Es kann auch sein, dass ich für Wattpad zu alt war. Es wird dort auch vernünftige Geschichten geben, sie sind aber schwer zu finden. Wahrscheinlich habe ich den Aufbau dort noch nicht richtig durchschaut.

Ich fand es aber auch erfrischend dort unter der ganzen Jugend. Ich habe einem Mädel dort - Träumer-Lena - schon ein paar Mal Material für ihren jährlichen Adventskalender geschickt, das sie auch veröffentlicht hat. Jedes Mal fand sie meine Weihnachtsstory am besten. Das ist ja richtig generationenübergreifend.
Ich fand es auch so putzig, dass der Kalender oft erst mit Verzögerung anfing, entweder keine Zeit oder ein Mangel an Beiträgen, dann wieder ab und zu ein Tag übersprungen wurde, der aber nachgereicht wurde, und einmal sogar der Heiligabend ausfiel, der aber auch nachgeholt wurde. Man muss es ihr lassen, sie zieht es durch. Das Weihnachtsfest muss eine große Bedeutung für sie besitzen, wie ja für die meisten. Die Leute dort sind eben oft noch sehr jung. Da kriegt man ja richtig Muttergefühle.
Lass Dich nicht stören, beim Schreiben der neuesten Vampirgeschichte. Die Welt wartet darauf.
Gruß Friedrichshainerin
 



 
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