Giovanni (gelöscht)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Lieber Zirkon,

ich finde es sehr interessant, und gewiß auch hilfreich, wie James Blond das Sonett metrisch "mustert".

Es ist gut, zu wissen, daß "Verbesserungen" aus seiner Feder meistens sehr treffsicher, immer sehr locker geglättet, mit natürlichem Sprachstrom, mit hindernisarmen Formulierungen usw. ankommen.

Ich widerspreche ihm also nur ganz leise, fast flüsternd, denn seine Vorschläge sind erwägenswert.

Die Sache ist doch die: Da Du nicht auf Daktylen gebaut hast, sondern auf dem festen Grund der sonettüblichen Jamben, entstehen wirkliche Flüssigkeitsprobleme nur dann, wenn Wörter wirklich falsch oder bewußt gegen den Strich betont werden. Etwa, wenn man "bétont" statt "betónt" liest.

Das ist aber, soweit ich sehe, an keiner Stelle der Fall. Es läßt sich alles zwanglos und natürlich lesen. Einsilbige, aber weniger ins Gewicht fallende Wörter dürfen durchaus im Jambenwechsel in der betonten Stelle etwas mehr Gewicht haben als die vielleicht gleichwichtigen Nachbarsilben.

In der Schnelle hat James dabei einige Fehler gemacht, betonte Silben ohne Not nebeneinandergesetzt. Auch unwichtige Betonungen übersehen.

Aber wer wird schon den jambischen Wechsel verfehlen, es sei denn, ihm ist eines der beiden Beine eingeschlafen oder sonst aus bedauerlichen Gründen abhanden gekommen. Gewiß, es gibt den Kinderhüpfschritt, wo man linkslinks rechtsrechts wechselt, aber so tanzen nur Strumpfhosenmatzen und trunkene Dichter.

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Zum unsonetten Narrativ: Das bürstet in der Tat den Text gegen den "höheren Gedanken" der Rinascimento-Klassizisten. Aber darin liegt ein besonderer Reiz: Neuer Wein (exemplarische Pädagogikdiskussion) in alten Schläuchen. Bibeltreue Frömmler mögen jetzt den Arm heben, aber usw. usw.

grusz, hansz
 

Zirkon

Mitglied
Mondnein,
es ist schön, dass auch wir beide scheinbar noch auf einen Nenner kommen. Ich stimme dir zu.
James hat sich wirklich reingehängt und darum nehme ich das nicht übel. Er wollte wirklich helfen. Jedoch sehe ich das mit den Jamben so wie du.
Danke James, dennoch, vor allem , dass du kommentiert hast, als vorherige Kommentare unfair wurden.
Da trennt sich die Spreu vom Weizen in einem Forum.
Dieses Sonett sollten wir nun als besprochen abhaken. Auf Grund seiner speziellen Intention werde ich es genauso belassen wie es ist, denn es ist gut so.

Dennoch hat mich diese Diskussion angeregt,einige meiner alten Sonette nochmal zu durchforsten, da ich heute Zeit hatte.
Bei den meisten will ich es genau so haben wie es dastand und doch habe ich auch zwei geändert.
Ist doch immer gut, wenn man mal drüber spricht.
Lächeln und Grüße an euch beide von Zirkon
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Zirkon,

ich möchte mich ausschließlich zum Inhalt äußern.

Eltern, die 7 Stunden beide täglich arbeiten, sich dann auch noch um den Haushalt kümmern müssen, behandeln ihre Kinder oft nachlässig und streng. Eigentlich wollen sie nur ihre Ruhe haben.

Darum ist es dem Giovanni ganz angenehm, dass seine Mutter nicht anwesend ist.

Das Verhalten der Eltern geht auf die Kinder über. Sie verhalten sich genauso. Zudem möchten sie das Erlittene irgendwie weitergeben, weil sie es auf diese Weise verarbeiten wollen.

Giovanni ist ja erst seit drei Wochen dort und hatte noch gar keine Zeit, sich ein anderes Verhalten zu erwerben.

Dass die Kindergärtnerin keine Strenge walten lässt Giovanni gegenüber, beweist mir, dass sie mit solchen Kindern ihre Erfahrungen hat. Sie versucht, das Gegenteil seines Zu Hause einzunehmen, was auf Dauer auch einen gewissen Erfolg haben könnte.

Reizvoll finde ich an Deinem Text, dass man die Ursache vom Verhalten des Kindes erst in der letzten Zeile erfährt.

Nun muss ich noch etwas Persönliches sagen:

Ich lese Texte grundsätzlich laut und es stellen sich bei mir Bilder ein oder auch nicht. Hier habe ich sofort einen ganzen Film ablaufen gesehen.

Das hat mir natürlich gefallen, wenn ein Text so lebendig gestaltet ist.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Zirkon

Mitglied
Vera, dein Kommentar ist echt was fürs Herz. Danke schön. Ich fühle mich verstanden in meiner Intention und was will ein Dichtender mehr.
Grad in heutiger Zeit werden Kinder an PC und TV verschoben,jeder muss irgendwie sehen, dass er genug Geld zum Leben verdient.
Du hast genau gelesen und dafür danke ich dir. Auch inhaltliche Feinheiten sind dir aufgefallen.
Liebe Grüße von Zirkon
 

James Blond

Mitglied
Man möge es mir verzeihen,

wenn ich mich jetzt doch noch einmal mit dem rotblauen Jambusthema zu Wort melde. Aber dies ist ja zugleich eine interessante stilistische Frage, die über das einzelne Sonett hinausweist.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich schrieb nicht von Beugungen, die Betonungen zu Betonungen oder Betonungen werden lassen. Derartige Beugungen, die einem Wort ganz unabhängig von seiner Stellung im Satzgefüge bereits eine unübliche (ich sage nicht: falsche) Betonung abverlangen, sind zu Recht verpönt, auch wenn sie in der komischen Lyrik ihren Zweck durchaus erfüllen können.

Mir ging es aber um die einsilbigen Füllsel, von denen Mondnein schrieb:
Einsilbige, aber weniger ins Gewicht fallende Wörter dürfen durchaus im Jambenwechsel in der betonten Stelle etwas mehr Gewicht haben als die vielleicht gleichwichtigen Nachbarsilben.
Ja, genau so ist's: Sie dürfen - doch besser wär, sie müssten's nicht. :)

Zwar kann man auch durch dieses Sonett im Jambus brav marschieren, ohne ins Stolpern zu geraten, doch sollte man - vor allem bei einem Vortrag - sich vor den roten Wörtern in Acht nehmen, damit sie nicht übermäßig betont, sondern in der Schwebe gehalten werden. Und dieses, so denke jedenfalls ich, erschwert den Lesefluss und fördert eine getragene, auch etwas gestelzt wirkende und sehr kontrollierte Sprechweise, die dem Sonett einen zurecht gehämmerten Eindruck verleiht.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Vor derartigen Tonbeugungen war nicht mal ein Geheimrat sicher; oft lassen sie sich kaum vermeiden; in der Überzahl verhageln sie (mir) allerdings den Lesespaß.

Grüße
JB
 

Zirkon

Mitglied
es ist wohl eine persönliche Geschmacksfrage, lieber James, und wenn du es so empfindest, dann ist das in Ordnung. Ich empfinde es anders.
Aber das macht ja gar nichts.
Natürlich hast du recht im Prinzip. Auch ich versuche immer, solche "Füllsel" zu vermeiden. Manchmal gelingt einem das super und man kann sogar noch phonetische Klangfeinheiten einbauen, wie tiefe oder helle Vokale im Kumulierung. Das habe ich ja auch bei deinen Sonetten festgestellt. Manchmal gelingt einem sowas. Manchmal nicht.

Hier lag mein Fokus auf etwas anderem, vielleicht zu sehr.Das will ich gerne zugeben.
Sicherlich werde ich auch mal ein Sonett einstellen, wo diese "KLangfülle" besser ist.
Ich freu mich , wenn du es dann wieder begleiten möchtest.
Lieben Dank und liebe Grüße von Zirkon
 
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